Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung eines Erziehers nach den AVR-Diakonie

 

Leitsatz (redaktionell)

Begriff der heilpädagogischen Tätigkeit

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Urteil vom 18.02.1994; Aktenzeichen 3 Sa 1058/92 E)

ArbG Osnabrück (Urteil vom 22.04.1992; Aktenzeichen 1 Ca 158/91 E)

 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 18. Februar 1994 – 3 Sa 1058/92 E – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Streit der Parteien geht um die zutreffende Vergütung des Klägers nach den Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (im folgenden: AVR-Diakonie).

Der Beklagte ist eine Einrichtung der Evangelischen Kirche in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins, der sich mit der Jugendhilfe befaßt und ein Kinderheim betreibt. Er wird refinanziert vom Land Niedersachsen.

Der Kläger steht seit dem 1. November 1984 in den Diensten des Beklagten. Er ist seitdem im Gruppendienst tätig und betreut in dessen Heim die „heilpädagogische Gruppe I”, der verhaltensauffällige, psychisch gestörte Kinder und Jugendliche im Alter von 13–22 Jahren angehören.

Seit dem 1. Juli 1987 richtete sich das Arbeitsverhältnis des seinerzeit als „Erziehungshelfer im Gruppendienst” beschäftigten und nach der VergGr. VII vergüteten Klägers nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 8. April 1987. Ab 1. Juli 1988 wird der Kläger, der seit diesem Zeitpunkt über die staatliche Anerkennung als Erzieher verfügt, vom Beklagten als „Erzieher im Gruppendienst” beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist seitdem der schriftliche Formulararbeitsvertrag vom selben Tage. In dessen § 2 ist – wie schon in dem Vertrag vom 8. April 1987 – bestimmt, daß für das Dienstverhältnis die AVR-Diakonie in der jeweils gültigen Fassung gelten. In § 3 Buchst. a haben die Parteien vereinbart, daß der Kläger in die Berufsgruppe A Einzelgruppenplan 21 VergGr. V c Fallgr. 15 eingestuft ist.

Unter dem 15. November 1990 beantragte der Kläger beim Beklagten, in die VergGr. V b Fallgr. 1 k des Einzelgruppenplans (EGP) 22 b eingruppiert zu werden. Dazu fand sich der Beklagte nicht bereit. Mit seiner im Laufe des ersten Rechtszuges geänderten Klage erstrebt der Kläger die Feststellung, daß im ab 1. November 1989 ein Anspruch auf Vergütung nach der VergGr. V b AVR-Diakonie gegenüber dem Beklagten zusteht.

Er hat vorgetragen, er leiste heilpädagogische Arbeit. Dies sei auch der Standpunkt der Mitarbeitervertretung in ihren Stellungnahmen vom 30. November 1990 und vom 23. Januar 1991 zu der von ihm sowie von acht Kolleginnen und Kollegen erstrebten Eingruppierung. In der Jugendhilfe werde insgesamt mit Mitteln der Heilpädagogik gearbeitet. Die Institution des Beklagten sei speziell auf die Betreuung und Förderung seelisch behinderter junger Menschen ausgerichtet. Heilpädagogische Arbeit sei entgegen der Ansicht des Beklagten nicht auf den Behindertenbereich beschränkt.

Der Kläger hat im ersten Rechtszug zuletzt beantragt

festzustellen, daß die (richtig: „der”) Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger ab dem 1. November 1989 Vergütung nach der Vergütungsgruppe V b der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der ev. Kirche in Deutschland nebst 4 % Zinsen auf den Differenzbetrag zwischen der Vergütungsgruppe VII und V b AVR DVV seit Klagezustellung zu zahlen, mit der Maßgabe, daß ab 1. Mai 1990 Differenzvergütung zu Vergütungsgruppe V c verlangt wird.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und geltend gemacht, das Bundesarbeitsgericht habe lediglich die Tätigkeit von staatlich anerkannten Erziehern im Behindertenbereich als Tätigkeit in heilpädagogischen Gruppen bewertet. Auf die Eingruppierung von Erziehern im Gruppenerziehungsdienst von Jugendhilfeeinrichtungen sei diese Rechtsprechung nicht übertragbar. Es werde in Abrede gestellt, daß der Kläger überwiegend heilpädagogische Tätigkeiten ausübe.

Das Arbeitsgericht hat – ohne auf den Antrag betreffend den Zeitraum vom 1. November 1989 bis zum 30. April 1990 einzugehen – festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger ab 1. Mai 1990 Vergütung nach der VergGr. V b AVR-Diakonie nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettodifferenzbetrag zur VergGr. V c seit dem 11. März 1992 zu zahlen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert, die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen. Mit seiner Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Dem Landesarbeitsgericht ist im Ergebnis darin beizupflichten, daß dem Kläger kein Anspruch auf Vergütung nach der VergGr. V b AVR-Diakonie ab 1. Mai 1990 gegenüber dem Beklagten zusteht.

I. Das Berufungsurteil ist nicht etwa deswegen aufzuheben, weil es als nicht mit Gründen versehen zu behandeln wäre (§ 551 Nr. 7 ZPO).

Zwar ist das vollständig abgefaßte Urteil erst mehr als 7 Monate nach seiner Verkündung den Parteien zugestellt worden, so daß davon auszugehen ist, das es nicht binnen 5 Monaten nach der Verkündung schriftlich niedergelegt und von allen Richtern unterschrieben der Geschäftsstelle zugegangen ist.

Ein solches Urteil gilt entsprechend § 551 Nr. 7 ZPO als nicht mit Gründen versehen (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluß vom 27. April 1993 – GmS-OGB 1/92 – AP Nr. 21 zu § 551 ZPO = NJW 1993, 2603; Senatsurteil vom 4. August 1993 – 4 AZR 501/92 – AP Nr. 22 zu § 551 ZPO; Senatsurteil vom 20. Oktober 1993 – 4 AZR 45/93 – AP Nr. 172 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Zu einer hierauf gestützten Aufhebung des Urteils bedarf es aber einer entsprechenden Rüge, an der es im vorliegenden Fall fehlt.

II. Die Klage ist zulässig. Es handelt sich um eine Eingruppierungsfeststellungsklage, die auch außerhalb des öffentlichen Dienstes allgemein üblich ist und nach ständiger Senatsrechtsprechung keinen prozeßrechtlichen Bedenken begegnet (vgl. Senatsurteile vom 26. Mai 1993 – 4 AZR 358/92 –, – 4 AZR 382/92 –, – 4 AZR 383/92 – AP Nr. 2, 3, 4 zu § 12 AVR Caritasverband, zu B I bzw. I der Gründe, jeweils m.w.N.).

III. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Dem Vorbringen des Klägers ist nicht zu entnehmen, daß er in einer heilpädagogischen Gruppe tätig ist.

1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft einzelvertraglicher Vereinbarung in § 2 des Arbeitsvertrages vom 1. Juli 1988 die AVR-Diakonie in ihrer jeweiligen Fassung Anwendung. In diesem Vertrag ist bestimmt, daß der Kläger als „Erzieher im Gruppendienst” eingestellt wird. Die Eingruppierung der Erzieher erfolgt gem. § 12 Abs. 2 AVR-Diakonie in der bis zum 31. März 1994 geltenden Fassung (a.F.), § 12 Abs. 1 in der ab 1. April 1994 geltenden Neufassung (n.F.) nach den Berufsgruppeneinteilungen. Die für den Vergütungsanspruch des Klägers bedeutsamen Eingruppierungsmerkmale der EGP 21 und 22 b der Berufsgruppeneinteilung A in der bis zum 31. Dezember 1990 geltenden Fassung, auf die der Kläger seinen Anspruch allein stützt, hatten folgenden Wortlaut:

Einzelgruppenplan 21

Erzieher(innen), Kindergärtnerinnen/Hortnerinnen, Kinderpflegerinnen sowie Mitarbeiter(innen) in entsprechenden Tätigkeiten,

Vergütungsgruppe VI b

13. Erzieher(innen), Kindergärtnerinnen/Hortnerinnen

e) in Gruppen von körperlich, seelisch oder geistig gestörten oder gefährdeten oder schwer erziehbaren Kindern oder Jugendlichen (Anm. 1, 4, 5),

Vergütungsgruppe V c

15. Erzieher(innen), Kindergärtnerinnen/Hortnerinnen

e) in Gruppen von körperlich, seelisch oder geistig gestörten oder gefährdeten oder schwer erziehbaren Kindern oder Jugendlichen (Anm. 1, 4, 6)

nach einjähriger Berufsausübung in einer Tätigkeit wie zu 13. oder nach mindestens zwei jährigen Berufsausübung in einer Tätigkeit wie zu 12.

Anmerkung zu Einzelgruppenplan 21

4. In Gruppen oder Heimen (einschließlich Kindertagesstätten) von körperlich, seelisch oder geistig gestörten oder gefährdeten oder schwer erziehbaren Kindern oder Jugendlichen im Sinne dieses Tätigkeitsmerkmals brauchen sich nicht ausschließlich Kinder oder Jugendliche der genannten Art zu befinden; diese müssen jedoch im Durchschnitt überwiegen.

5. Unter dieses Tätigkeitsmerkmal fallen auch Mitarbeiter(innen) im Erziehungsdienst in heilpädagogischen Heimen.

Einzelgruppenplan 22 b

Sozialpädagogen/Sozialarbeiter im Erziehungsdienst

Vergütungsgruppe V b

1. Sozialpädagogen/Sozialarbeiter (Anm. 1, 2)

k) in geschlossenen (gesicherten) Gruppen oder in Aufnahme- (Beobachtungs-)Gruppen oder in heilpädagogischen Gruppen (Anm. 7, 14),

Anmerkungen zu den Einzelgruppenplänen 22 a und 22 b

1. …

2. Erzieher(innen), Kindergärtnerinnen/Hortnerinnen mit staatlicher Anerkennung als Erzieher oder Kindergärtnerin

oder

sowie

Mitarbeiter(innen), in der Tätigkeit von Erziehern (Erzieherinnen) oder Kindergärtnerinnen/Hortnerinnen mit abgeschlossener mindestens gleichwertiger Fachausbildung werden nach diesem Tätigkeitsmerkmal eingruppiert, wenn sie am 1. April 1970 die in dem Tätigkeitsmerkmal geforderte Tätigkeit ausüben oder ihnen bis zum 31. Dezember 1990 diese Tätigkeit übertragen wird.

Die in den Eingruppierungsmerkmalen erwähnten Anmerkungen sind für die Entscheidung des Rechtsstreits bedeutungslos.

2. Der Erfolg der Klage auf Feststellung des Anspruchs auf Vergütung nach der VergGr. V b AVR-Diakonie scheitert nicht bereits daran, daß in dem Arbeitsvertrag der Parteien vom 1. Juli 1988 unter § 3 Buchst. a die „Einstufung” des Klägers in die VergGr. V c AVR-Diakonie vereinbart ist. Die Auslegung der in § 2 des Arbeitsvertrages der Parteien enthaltenen Verweisung auf die AVR-Diakonie in der jeweils geltenden Fassung ergibt, daß für die Eingruppierung des Klägers unabhängig von der bei Vertragsschluß festgelegten Vergütungsgruppe jeweils die einschlägigen Bestimmungen der AVR-Diakonie maßgeblich seien sollen. Es ist nämlich, wie der Senat in seinem Urteil vom 12. Dezember 1990 (– 4 AZR 306/90 – AP Nr. 1 zu § 12 AVR Diakonisches Werk) ausführlich begründet hat, davon auszugehen, daß eine Verweisung auf die AVR-Diakonie in ihrer jeweils geltenden Fassung nur widerspiegeln soll, was nach den AVR-Diakonie rechtens ist. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte muß bei Vorliegen einer solchen Verweisung angenommen werden, daß die Arbeitsvertragsparteien zum Ausdruck bringen wollen, die Vergütung solle sich jeweils nach der Vergütungsgruppe richten, deren Voraussetzung der Arbeitnehmer mit seiner Tätigkeit erfülle.

3. Nach § 12 Abs. 1 AVR-Diakonie a.F. war der Mitarbeiter nach den in den Anlagen 1 a bis 1 c festgelegten Tätigkeitsmerkmalen in der Gruppe eingruppiert, die der von ihm überwiegend auszuübenden Tätigkeit entsprach. Die AVR-Diakonie hatten zunächst die insoweit erfolgte Änderung des BAT im Jahre 1975 nicht nachvollzogen. Dies ist durch die am 1. April 1994 in Kraft getretene Neufassung des § 12 AVR-Diakonie geschehen. Dessen Absatz 2 nimmt nunmehr entsprechend dem BAT die Bildung von Arbeitsvorgängen für die Eingruppierung auf.

Entsprechend der bis zum Abschluß der Berufungsinstanz geltenden Regelung des § 12 Abs. 1 AVR-Diakonie a.F. haben das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht keine Arbeitsvorgänge gebildet. Auf diese käme es zwar ab 1. April 1994 nach der seitdem geltenden Neufassung des § 12 Abs. 2 AVR-Diakonie an. Die Bildung von Arbeitsvorgängen ist jedoch entbehrlich, denn der Kläger stützt seine Klage ausschließlich auf die Eingruppierungsmerkmale der AVR-Diakonie in der bis zum 31. Dezember 1990 geltenden Fassung.

4. Der Vortrag des Klägers ermöglicht nicht die Wertung, daß er in einer heilpädagogischen Gruppe im Sinne des Eingruppierungsmerkmals der Fallgr. 1 k der VergGr. V b des EGP 22 b (alt) tätig ist.

4.1 Der Senat hat sich in seiner Rechtsprechung häufig mit dem Begriff der „heilpädagogischen Gruppe” in der Erziehungsarbeit mit Behinderten befaßt. Dieser Begriff ist weder in den AVR-Diakonie noch im BAT, in welchem er ebenfalls bis zum Jahre 1990 Tatbestandsvoraussetzung eines Eingruppierungsmerkmals war, definiert gewesen. Zu seiner Bestimmung ist deshalb in erster Linie auf den Wortlaut der Vorschrift zurückzugreifen. Dieser richtet sich nach dem Begriff der Heilpädagogik, wie er sich aus dem Sprachgebrauch der beteiligten Fachkreise ergibt. Danach ist, wie der Senat mit eingehender Begründung zur gleichlautenden Bestimmung der VergGr. V b Fallgruppe 1 k des Teils II Abschn. G Unterabschn. II der Anlage 1 a zum Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) a.F. ausgeführt hat, unter einer heilpädagogischen Tätigkeit eine Tätigkeit zu verstehen, die mit besonderen, spezifischen Erziehungsformen die Förderung und Betreuung behinderter Menschen umfaßt (BAG Beschluß vom 3. Dezember 1985, BAGE 50, 241 = AP Nr. 31 zu § 99 BetrVG 1972; BAG Urteil vom 6. Dezember 1989 – 4 AZR 450/89 – AP Nr. 148 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG Urteil vom 4. April 1990 – 4 AZR 20/90 – ZTR 1990, 380, 381). Dabei kann sich die heilpädagogische Förderung nicht auf einzelne Lebensbereiche des Betreuten beschränken, sondern muß in einem umfassenden Sinn seine gesamte Persönlichkeit zum Gegenstand haben (vgl. Senatsurteil vom 4. April 1990, ZTR, a.a.O.).

Auch aus dem Regelungszusammenhang der AVR-Diakonie folgt, daß für eine heilpädagogische Tätigkeit nicht die übliche erzieherische Tätigkeit ausreicht, sondern die Anwendung spezifischer Erziehungsformen erforderlich ist. Die AVR-Diakonie enthalten nämlich mehrere Bestimmungen, in denen ausdrücklich die Eingruppierung von Mitarbeitern, die als Erzieher in einer Gruppe von körperlich, seelisch oder geistig gestörten oder gefährdeten oder schwer erziehbaren Kindern oder Jugendlichen arbeiten, in die VergGr. VI b/V c vorgesehen ist. Eine solche Eingruppierung enthalten u.a. der EGP 21 (alt) Fallgr. 13 e/15 e. Diesen Tätigkeiten ist gemeinsam, daß sie von pädagogisch qualifizierten Personen in der Betreuung von Kindern und Jugendlichen ausgeübt werden und pädagogischen Charakter haben. Die in den genannten Fallgruppen zu den VergGr. VI b/V c enthaltenen, auf genau umschriebene Einzeltätigkeiten bezogenen Eingruppierungsbestimmungen wären gegenstandslos, wenn die von den dort angeführten Personen ausgeübte pädagogische – und damit fördernde – Betreuung Jugendlicher ohne weiteres zugleich als heilpädagogische Tätigkeit zu qualifizieren wäre. Wenn die Tätigkeit der Betreuer nämlich eine heilpädagogische ist, handelt es sich bei der betreuten Gruppe um eine heilpädagogische Gruppe mit der Folge, daß Betreuer mit den genannten Qualifikationen entgegen den dort enthaltenen ausdrücklichen Vorgaben nicht in die VergGr. VI b/V c, sondern in die VergGr. V b oder IV b einzugruppieren wären.

Demnach erfordert die zu einer höheren Eingruppierung führende Tätigkeit in einer heilpädagogischen Gruppe mehr als die mit der Arbeit von Erziehern in Gruppen von Kindern und Jugendlichen der genannten Art zwangsläufig verbundene pädagogische Einwirkung. Es genügt hierfür nicht, daß diese pädagogische Arbeit in Formen erfolgt, die auf die besonderen Belange der Kinder und Jugendlichen zugeschnitten sind, denn dies ist schon Grundvoraussetzung jeder in VergGr. VI b/V c eingestuften pädagogischen Arbeit in solchen Gruppen von Kindern und Jugendlichen. Hinzukommen muß vielmehr, daß die individuelle und umfassende Förderung eines jeden Jugendlichen mit über Erziehungsmaßnahmen hinausgehenden Mitteln je nach seiner spezifischen Persönlichkeit im Vordergrund der Betreuungsarbeit in der Gruppe steht.

Unter einer heilpädagogischen Tätigkeit ist damit nur eine solche Tätigkeit zu verstehen, die in irgendeiner Weise den irregulären Zustand (= Krankheit) der Betreuten verbessern soll. Der Senat hat dementsprechend eine heilpädagogische Tätigkeit und damit eine heilpädagogische Gruppe bei Betreuung von Behinderten oder sonst kranken Menschen gleich welcher Altersgruppe nur bei bestimmten spezifischen Erziehungsformen angenommen (Urteile vom 26. Mai 1993 – 4 AZR 358/92 –, – 4 AZR 382/92 – und – 4 AZR 383/92 – AP Nr. 2, 3 und 4 zu § 12 AVR Caritasverband sowie – 4 AZR 381/92 –, n.v.; außerdem Urteil des Senats vom 25. August 1993 – 4 AZR 533/92, n.v.). Heilpädagogische Tätigkeit ist nach der Rechtsprechung des Senats also nicht begrenzt auf die Behindertenbetreuung. Heilpädagogisches Handeln kann sich vielmehr auch mit sozial auffälligen Jugendlichen befassen und in der Jugendhilfe stattfinden (Blätter zur Berufskunde, „Heilpädagoge/Heilpädagogin”, 2-II B 30, 5. Aufl. 1994, S. 3, 8, 9; Berufsbild Heilpädagoge/Heilpädagogin, beschlossen auf der Mitgliederversammlung des Berufsverbandes der Heilpädagogen (BHP) e.V. am 20. November 1987 in Bad Lauterberg/Harz, Präambel sowie unter Ziff. 2.4).

4.2 Der Kläger hat es jedoch versäumt, diejenigen Tatsachen vorzutragen, die es ausmachen sollen, daß er in einer heilpädagogischen Gruppe tätig ist, daß also die individuelle und umfassende Förderung eines jeden Mitglieds der ihm anvertrauten Gruppe von Kindern und Jugendlichen nach seiner spezifischen Störung und Persönlichkeit im Vordergrund der Betreuungsarbeit der Gruppe steht. Der Kläger einer Eingruppierungsfeststellungsklage hat diejenigen Tatsachen vorzutragen und im Bestreitens falle zu beweisen, die den rechtlichen Schluß zulassen, daß er die im Einzelfall für sich beanspruchten tariflichen Tätigkeitsmerkmale unter Einschluß der darin vorgesehenen Qualifizierungen erfüllt (Senatsurteile vom 20. Oktober 1993 – 4 AZR 47/93 – AP Nr. 173 zu §§ 22, 23 BAT 1975, zu B II 3 b der Gründe; vom 18. Mai 1994 – 4 AZR 449/93 – AP Nr. 5 zu §§ 22, 23 BAT Datenverarbeitung).

4.2.1 Der Vortrag des Klägers zu seiner Tätigkeit, deren Einfügung in die Betreuungsarbeit im Heim des Beklagten sowie zu dieser Einrichtung selbst hat in tatsächlicher Hinsicht nur sehr wenig Substanz. Der Kläger hat sich in den Tatsacheninstanzen auf die – vom Beklagten nicht bestrittene – Darlegung beschränkt, seit dem 1. November 1984 im Gruppendienst in der „heilpädagogischen Gruppe I”, der verhaltensauffällige, psychisch gestörte Kinder und Jugendliche im Alter von 13–22 Jahren angehören, tätig zu sein und diese Gruppe seit dem 1. Juli 1988 als staatlich anerkannter Erzieher zu betreuen.

4.2.2 Soweit der Kläger in der Revisonsinstanz ausführt, weiterer Sachvortrag zu seiner Tätigkeit sei in den Schreiben der Mitarbeitervertretung an den Beklagten vom 30. November 1990 und 23. Januar 1991 enthalten, der zu seinen Gunsten habe berücksichtigt werden müssen, weil er sich diesen zu eigen gemacht habe, ist dies sachlich nicht zutreffend. Die Mitarbeitervertretung hat in ihrem Schreiben vom 30. November 1990 an den Beklagten nicht ausgeführt, „der Kläger würde dabei mit methodischem Einsatz beratender, helfender, übender, fördernder und heilender Tätigkeit auf ein ganzheitliches Erziehungsziel hinarbeiten, um dadurch den Betroffenen anzubieten und zu ermöglichen, so ein sinnerfülltes Leben zu erschließen”, wie er behauptet. Bei den vorzitierten Ausführungen handelt es sich in dem Schreiben der Mitarbeitervertretung vom 30. November 1990 vielmehr um ein Rechtsprechungszitat, in welchem allgemein die Tätigkeit des Heilpädagogen beschrieben wird, also nicht diejenige des Klägers.

4.2.3 Zu seiner eigenen Tätigkeit hat der Kläger konkreten Tatsachenvortrag in jeder Hinsicht vermissen lassen. So fehlt jeglicher Vortrag des Klägers zur Größe (Zahl der Plätze) und personeller Ausstattung des Heims (Zahl der Erzieher, Sozialpädagogen, Therapeuten mit anderer Berufsausbildung), in dem er tätig ist. Der Kläger hat auch weder die zahlenmäßige Größe der Gruppen, insbesondere seiner Gruppe, angegeben noch dargelegt, ob er diese allein betreut oder ob dafür ein Team zuständig ist, letzterenfalls aus wieviel Personen mit welcher fachlichen Vorbildung es besteht und wie die Arbeitsteilung innerhalb des Teams gestaltet ist. Auch zur Organisation der Betreuungsarbeit fehlt jegliches Vorbringen des Klägers, etwa zum Vorhandensein von Aufnahme-/Beobachtungsgruppen und der Verweildauer neuaufgenommener Kinder und Jugendlicher in einer solchen, zur konkreten Art der Störungen der Mitglieder seiner Gruppe, dem Vorhandensein therapeutischer Dienste im Heim und der Arbeitsteilung zwischen jenen und den Gruppenbetreuern. Schließlich ist nicht einmal in Umrissen dargelegt, welchen konkreten Inhalt die Betreuungsarbeit des Klägers hat.

4.2.4 Der Umstand allein, daß die vom Kläger betreute oder mitbetreute Gruppe in der Einrichtung der Beklagten die Bezeichnung „heilpädagogische Gruppe I” führt, macht näheren Tatsachenvortrag zu seiner Tätigkeit nicht entbehrlich. Es kann dahinstehen, ob dies der Fall wäre, wenn der Vortrag des Beklagten dahin ginge, der Kläger leiste heilpädagogische Betreuungsarbeit oder diese stehe zumindest im Vordergrund seiner Tätigkeit. Der Beklagte hat aber ausdrücklich in Abrede gestellt, daß „der Kläger überwiegend heilpädagogische Tätigkeiten ausübt”, und sich beweiseshalber dafür auf ein Sachverständigengutachten bezogen. Angesichts dieses Bestreitens oblag es dem Kläger, in tatsächlicher Hinsicht näher zu begründen, eine Tätigkeit in einer heilpädagogischen Gruppe auszuüben.

4.2.5 Dazu wäre es erforderlich gewesen, durch Tatsachen darzulegen, daß die individuelle und umfassende Förderung eines jeden Gruppenmitgliedes mit über Erziehungsmaßnahmen hinausgehenden Mitteln je nach seiner spezifischen Persönlichkeit im Vordergrund der Betreuungsarbeit der Gruppe steht, der Kläger also heilpädagogische Arbeit leistet. Heilpädagogisches Arbeiten heißt, zielorientiert zu planen und zu handeln. Dies erfolgt prozeßorientiert, d.h. die gewählten Ziele und Methoden müssen kontinuierlich überprüft und entsprechend revidiert werden (Berufsbild Heilpädagoge/Heilpädagogin, a.a.O., unter Ziff. 2.2). Eine solche zielorientierte Planung setzt zunächst die Diagnose von Störungen, Retardierungen, Normabweichungen u. ä. voraus. In den Blättern zur Berufskunde ist die Arbeitsmethode des Heilpädagogen/der Heilpädagogin bezüglich Indikationsentscheidung und Maßnahmenplanung und -durchführung wie folgt beschrieben (Blätter zur Berufskunde, a.a.O., S. 7):

Im Beobachten und Erkennen erarbeitet sich der Heilpädagoge durch ausgewählte psychodiagnostische und motodiagnostische Verfahren ein genaueres Bild von den vorliegenden Problemen und Störungen, aber auch von den vorhandenen Ressourcen und Fähigkeiten, um so für die Beratung oder für die Erstellung von Behandlungsplänen die notwendigen Daten zu gewinnen.

In der übenden und unterrichtenden Tätigkeit setzt sich der Heilpädagoge nach sorgsamer Planung der einzelnen Teilziele in nachhaltiger Geduld bei der Durchführung von Übungen mit den erschwerten und behinderten Lernbedingungen auseinander, insbesondere mit Defiziten in der sensorischen, motorischen, intellektuellen oder lebenspraktischen Entwicklung. Eine hierauf abgestimmte heilpädagogische Übungsbehandlung befaßt sich vom Ansatz her mit der Förderung gehemmter oder beeinträchtigter Fähigkeiten.

Im behandelnden, fördernden und konfliktbearbeitenden Umgang leitet der Heilpädagoge in vielfältigen Formen der Beziehungsgestaltung für die Betroffenen neue und korrigierende Erfahrungen und damit angemessene Verhaltens- und Einstellungsänderungen und u. U. auch eine mögliche Heilung ein, z.B. über das Medium des Spiels, der Bewegung oder des künstlerischen Ausdrucks.

Für die rechtliche Wertung, daß die Tätigkeit des Klägers diesen Qualifikationsanforderungen heilpädagogischer Tätigkeit entspricht, fehlt in seinem Vorbringen jede tatsächliche Grundlage.

5. Die Verfahrensrügen des Klägers sind unbegründet.

5.1 Da die Klage bereits nach dem eigenen Vortrag des Klägers in den Tatsacheninstanzen nicht begründet ist, kann dahinstehen, ob die Begründung, mit der das Landesarbeitsgericht eine heilpädagogische Tätigkeit des Klägers verneint hat, den Anforderungen des § 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO genügt, der vorschreibt, das Gericht habe die Gründe, die es bei der Beweiswürdigung geleitet haben, im Urteil anzugeben.

5.2 Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe es unter Verletzung des § 139 ZPO versäumt, ihn darauf hinzuweisen, sein Tatsachenvortrag sei unzureichend, die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung geforderte ganzheitliche Förderung darzustellen, geht ebenfalls fehl. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts beruht nicht auf diesem vom Kläger geltend gemachten Verfahrensverstoß. Auf der Grundlage der Ausführungen des Klägers in der Revisionsbegründung dazu, was er zu diesem Hinweis vorgetragen haben würde, hätte die Klage ebenfalls abgewiesen werden müssen.

5.2.1 Der Kläger führt aus, auf den von ihm für erforderlich gehaltenen Hinweis des Landesarbeitsgerichts würde er seinen Vortrag dahingehend konkretisiert haben, er übe deshalb eine heilpädagogische Tätigkeit aus, weil er umfassend mit jungen Menschen arbeite, die aufgrund erschwerter, nicht normaler Lebensumstände einer besonderen Förderung bedürften. Dabei habe er spezielle pädagogische Mittel bei den Kindern und Jugendlichen anzuwenden, bei welchen durch physische und/oder psychische bzw. psychosoziale Schädigung die üblichen Formen der Erziehung nicht außere Akten bzw. nicht angemessen seien, um eine optimale Persönlichkeitsentwicklung und sozialgesellschaftliche Eingliederung zu gewährleisten. Er – der Kläger – würde dabei mit methodischem Einsatz beratender, helfender, übender, fördernder und heilender Tätigkeit auf ein ganzheitliches Erziehungsziel hinarbeiten, um dadurch den Betroffenen Erfahrungen anzubieten und zu ermöglichen, so ein sinnerfülltes Leben zu erschließen.

Diese Ausführungen des Klägers sind ohne tatsächliche Substanz. Sie beschränken sich vielmehr auf Wertungen (umfassende Arbeit; Anwendung spezieller pädagogischer Mittel; methodischer Einsatz; beratende, helfende, übende usw. Tätigkeit; Hinarbeiten auf ein ganzheitliches Erziehungsziel), für die es tatsächliche Grundlagen möglicherweise nicht gibt, die vom Gericht jedenfalls aber nicht auf ihre Richtigkeit überprüfbar sind. Nicht diese Wertungen, sondern die ihnen zugrunde liegenden Tatsachen wären zur Substantiierung des Klagebegehrens vorzutragen gewesen.

6. Auf die Eingruppierungsmerkmale der AVR-Diakonie in der ab 1. Januar 1991 geltenden Fassung stützt der Kläger seinen Anspruch nicht; auf diese einzugehen ist daher entbehrlich.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Schaub, Friedrich, Bott, Schamann, Dassel

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1092961

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