Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung einer Erzieherin in einer Tagesgruppe

 

Leitsatz (redaktionell)

Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung zur heilpädagogischen Gruppe; vgl. zuletzt BAG Urteil vom 26. Mai 1993 – 4 AZR 383/92

 

Normenkette

AVR-Diakonie § 12; AVR-Diakonie Anlage 1 a zu EGP 21; AVR-Diakonie Anlage 1 a zu EGP 22 b VergGr. V c, V b und IV b

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 16.06.1992; Aktenzeichen 7 Sa 432/92)

ArbG Siegen (Urteil vom 10.01.1992; Aktenzeichen 3 Ca 943/91)

 

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 16. Juni 1992 – 7 Sa 432/92 – wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin in einer „heilpädagogischen Gruppe” tätig ist und Vergütung aus der VergGr. IV b der Anlage 1 a der AVR-Diakonie, Einzelgruppenplan (EGP) 22 b Fallgruppe 2 a.F. zu erhalten hat.

Die Beklagte ist eine diakonische Einrichtung der Evangelischen Kirche, die in der Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH betrieben wird. Die Klägerin ist staatlich anerkannte Erzieherin. Sie ist bei der Beklagten nach dem Arbeitsvertrag seit dem 15. November 1986 als „Mitarbeiterin im Erziehungsdienst” in einer teilstationären Tagesgruppe von Jugendlichen im Alter von 10 bis 21 Jahren tätig.

Auf das Arbeitsverhältnis sind kraft einzelvertraglicher Vereinbarungen die Richtlinien für Arbeitsverträge mit Anstalten und Einrichtungen, die dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland angeschlossen sind (AVR-Diakonie), anzuwenden.

Die Klägerin erhält zur Zeit eine Vergütung nach der VergGr. V c (Fallgruppe 15 e) der Anlage 1 a AVR-Diakonie.

Die Beklagte betreut in ihren Heimen Kinder aus zerrütteten Familienverhältnissen, weil zumindest der ganztägige Verbleib der Kinder und Jugendlichen in diesen Familien nicht mehr möglich ist. Die Einweisung der Kinder und Jugendlichen in die Einrichtungen der Beklagten erfolgt durch die Jugendämter auf der Grundlage des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (KJHG). Diese Kinder und Jugendlichen waren in Schulen oder sonst durch ihr Verhalten wie Agressivität, Lernschwierigkeiten, Sonderschulunterricht, kleinere Straftaten, wie z.B. Ladendiebstähle, auffällig geworden.

Neben diesen Heimen betreut die Beklagte auch Außenwohngruppen und Tagesgruppen. In diesen werden Kinder und Jugendliche betreut, bevor sie in das Elternhaus entlassen werden. Diese Gruppen werden betreut von einem Sozialpädagogen und zwei ganztägig tätigen Erzieherinnen. Da der Betreuungsschlüssel in diesen Tagesgruppen 1: 4 beträgt, sind der Klägerin, die in einer solchen Gruppe tätig ist, vier Jugendliche als fester Betreuungsstamm zugeordnet. Die Betreuung der Jugendlichen erfolgt montags bis freitags nachmittags. Die schulpflichtigen Jugendlichen suchen die Tagesgruppe zum Mittagessen auf und werden nach der Hausaufgabenhilfe sowie gemeinsamen Freizeitgestaltung gegen 18.00 bzw. 19.00 Uhr in die Familie entlassen. Montags und mittwochs werden Schularbeiten betreut. Dienstags werden andere Dinge erledigt. Darüber hinaus werden mit den Jugendlichen zusammen gemeinsame Elterngespräche durchgeführt oder Behördengänge erledigt. Dazu zählt unter anderem auch der Besuch des Berufsinformationszentrums beim Arbeitsamt zur Berufsfindung. Zu den Elterngesprächen kommen Gespräche mit den Lehrern, Teamsitzungen sowie gemeinsame Sitzungen mit den Jugendamtsleitern und wöchentliche Sitzungen mit dem bzw. den Psychologen. Letztere erfolgen, um spezielle sonderpädagogische Konzepte für die Arbeit mit jedem einzelnen Jugendlichen zu erstellen. In den Teamsitzungen wird über jeden Jugendlichen berichtet; es werden Pläne erstellt, wie die spezifischen Verhaltensauffälligkeiten gezielt angegangen werden sollen. Der Gruppe steht ein fester Raum mit einer Hausaufgabenecke zur Verfügung. Bis 16.30 Uhr kann die Gruppe einen weiteren Raum mit benutzen. Die Hausaufgabenbetreuung nimmt zwischen 1 und 1 1/2 Stunden in Anspruch. Die Betreuung erfolgt in der Gruppe oder auf Einzelpersonen begrenzt. Die Freizeitgestaltung, die den persönlichen Ansprüchen der Jugendlichen entspricht, erfolgt unter deren Mitwirkung. Dazu wird zusammen mit den Jugendlichen jeweils für einen Monat ein Grundkonzept erarbeitet. Hierüber hinaus werden Besuche von Veranstaltungen, wie z.B. des BIZ oder der Polizei geplant. Die Freizeitgestaltung wird in ihrer Art im wesentlichen durch die besonderen Situationen der Jugendlichen geprägt. Dabei werden spezifische pädagogische Maßnahmen angewandt, die es ermöglichen, bei den Jugendlichen über Bilder Empfindungen zu erzielen. Von der Erzieherin wird erwartet, daß sie ein offenes Ohr für die Probleme der Jugendlichen ihrer Gruppe hat und daß sie in der Gruppe akzeptiert wird. In den Gruppenstunden sind Rollenspiele zur größeren Effektivität durchzuführen. Soweit es die Situation ermöglicht, ist die Erzieherin auch gehalten, sich für Einzelgespräche bereitzuhalten.

Von den Jugendlichen der Gruppe der Klägerin besuchen zwei die Sonderschule und jeweils ein Jugendlicher die Realschule bzw. eine berufsbildende Schule. Das Selbstwertgefühl der zu betreuenden Jugendlichen ist gering. Teilweise empfinden sie sich minderwertig, werden gehänselt oder fühlen sich beobachtet. Die hieraus resultierenden Verhaltensauffälligkeiten sind anhand eines Arbeitsauftrages des Jugendamtes zu bearbeiten. Anhand dieses Arbeitsauftrages werden pädagogische Maßnahmen erarbeitet, es werden Ziele formuliert, deren jeweiliger Erfolg in den Entwicklungsberichten festgehalten wird.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie sei in einer „heilpädagogischen Gruppe” tätig und erfülle dementsprechend die Vergütungsgruppenmerkmale des EGP 22 b VergGr. V b Fallgruppe 1 k bzw. nach vierjähriger Berufsausübung der VergGr. IV b Fallgruppe 2. Zwar sei sie nicht Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin. Nach der Anmerkung 2 zum EGP 22 b sei sie jedoch diesen Personengruppen gleichgestellt. Sie hat dazu die Meinung vertreten, bei der teilstationären Tagesgruppe handele es sich schon nach dem eigenen Konzept der Beklagten um eine heilpädagogische Gruppe. Das Abbauen der massiven Auffälligkeiten der Jugendlichen bedürfe heilpädagogischer Maßnahmen, zumal diese nicht lediglich verwahrt, sondern betreut und gefördert würden. Der jeweilige Ansatz dieser Förderung liege in der individuellen Situation des Jugendlichen. Eine solche sei nur über gezielte pädagogische Maßnahmen möglich. Da sie länger als vier Jahre in dieser Gruppe tätig sei, sei sogar eine höhere Vergütung als ursprünglich beansprucht gerechtfertigt.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

  1. festzustellen, daß sie seit dem 1. Dezember 1990 in die Vergütungsgruppe IV b AVR-Diakonie eingruppiert ist;
  2. festzustellen, daß sie seit dem 1. Oktober 1990 bis 30. November 1990 in die VergGr. V b AVR-Diakonie eingruppiert ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Klägerin sei zutreffend in die VergGr. V c der Anlage 1 a AVR-Diakonie eingruppiert, da sie die Tätigkeitsmerkmale der Fallgruppen 13 e/15 e des EGP 21 erfülle. Die teilstationäre Tagesgruppe in N., in der die Klägerin tätig sei, sei keine „heilpädagogische Gruppe” i.S. des EGP 22 b Fallgruppe 1 k. Für die Einweisung der dort betreuten Jugendlichen sei nämlich nicht deren eigene Erkrankung oder Störung, sondern allein der Umstand maßgebend, daß ihr Verbleib in den Familien aufgrund der dort herrschenden zerrütteten Familienverhältnisse nicht mehr möglich sei. Die seitens der Klägerin beschriebenen Erziehungsziele seien in der Theorie richtig wiedergegeben. Aufgrund der tatsächlich vorhandenen Personalstärke seien diese Erziehungsziele in der Praxis jedoch nicht zu verwirklichen. Ausgeschlossen sei deshalb die von der Klägerin in den Vordergrund gestellte individuelle Betreuung der Jugendlichen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision begehrt die Klägerin weiterhin Vergütung nach der VergGr. V b bzw. IV b AVR-Diakonie. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Die Klägerin hat weder Anspruch auf Vergütung aus der VergGr. V b noch aus der VergGr. IV b AVR-Diakonie, da sie nicht in einer „heilpädagogischen Gruppe” tätig ist.

I.1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft einzelvertraglicher Vereinbarung die AVR-Diakonie in ihrer jeweiligen Fassung Anwendung.

Die Parteien haben im Dienstvertrag vereinbart, daß die Klägerin ab 15. November 1986 in die VergGr. V c eingruppiert wird. Daraus ist aber nicht zu schließen, daß die Klägerin unabhängig von den Eingruppierungsregelungen der AVR-Diakonie Vergütung nach der VergGr. V c AVR-Diakonie erhalten soll. Bei dem Dienstvertrag der Parteien handelt es sich um einen formularmäßigen Vertrag, so daß der Senat ihn selbständig auslegen kann (BAGE 24, 198, 202 = AP Nr. 2 zu § 111 BBiG, zu 2 a der Gründe; BAG Urteil vom 20. Februar 1991 – 4 AZR 377/90 –, n.v.). Werden – wie vorliegend – in einem Arbeitsvertrag die jeweiligen Arbeitsvertragsrichtlinien des Arbeitgebers in Bezug genommen, so ist davon auszugehen, daß die Eingruppierung eines Arbeitnehmers sich nach der zutreffenden Vergütungsgruppe richten soll. Dies gilt auch dann, wenn in einer nachfolgenden Bestimmung des Arbeitsvertrages auf eine bestimmte Vergütungsgruppe verwiesen wird. Dieser Verweisung kommt nur die Bedeutung zu, festzulegen, welche Vergütungsgruppe die Parteien einmal als zutreffend angesehen haben (BAG Urteil vom 12. Dezember 1990 – 4 AZR 306/90 – EzA § 3 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 4 = ZTR 1991, 199; BAG Urteil vom 20. Februar 1991 – 4 AZR 377/90 –, n.v.). Für die Vergütung der Klägerin sind daher die durch den Dienstvertrag vereinbarten Eingruppierungsregelungen der AVR-Diakonie maßgebend.

2. Nach § 12 Abs. 1 AVR-Diakonie richten sich die Dienstbezüge der Mitarbeiter in erster Linie nach deren Tätigkeit und Vorbildung. Die Höhe der Dienstbezüge ergibt sich auch aus der diesen Richtlinien beigefügten Vergütungsordnung (Anlagen 1 a bis 1 c zu den AVR-Diakonie). Danach kommt es entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts für den Bereich der AVR-Diakonie nicht, wie im Bereich des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) erforderlich, auf die Bildung von Arbeitsvorgängen an. Die AVR-Diakonie haben nämlich die insoweit erfolgte Änderung des BAT im Jahre 1975 nicht nachvollzogen.

Im Arbeitsvertrag ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts eine Tätigkeit der Klägerin als „Mitarbeiterin im Erziehungsdienst” festgelegt. Nach § 12 Abs. 2 AVR-Diakonie erfolgt ihre Eingruppierung danach nach der Berufsgruppeneinteilung A („… die der Rentenversicherung der Angestellten zugehörigen Mitarbeiter mit Ausnahme der im Krankenpflegedienst tätigen Mitarbeiter”).

Danach kommen für die Eingruppierung der Klägerin folgende Bestimmungen (a.F.) in Betracht:

Einzelgruppenplan 21

Erzieher(innen), Kindergärtnerinnen/Hortnerinnen, Kinderpflegerinnen sowie Mitarbeiter(innen) in entsprechenden Tätigkeiten,

Vergütungsgruppe VI b

13. Erzieher(innen), Kindergärtnerinnen/Hortnerinnen

e) in Gruppen von körperlich, seelisch oder geistig gestörten oder gefährdeten oder schwer erziehbaren Kindern oder Jugendlichen (Anm. 1, 4, 5),

Vergütungsgruppe V c

15. Erzieher(innen), Kindergärtnerinnen/Hortnerinnen

e) in Gruppen von körperlich, seelisch oder geistig gestörten oder gefährdeten oder schwer erziehbaren Kindern oder Jugendlichen (Anm. 1, 4, 5)

nach einjähriger Berufsausübung in einer Tätigkeit wie zu 13. oder nach mindestens zweijähriger Berufsausübung in einer Tätigkeit wie zu 12.

Anmerkungen zu Einzelgruppenplan 21

4. In Gruppen oder Heimen (einschließlich Kindertagesstätten) von körperlich, seelisch oder geistig gestörten oder gefährdeten oder schwer erziehbaren Kindern oder Jugendlichen im Sinne dieses Tätigkeitsmerkmals brauchen sich nicht ausschließlich Kinder oder Jugendliche der genannten Art zu befinden; diese müssen jedoch im Durchschnitt überwiegen,

5. Unter dieses Tätigkeitsmerkmal fallen auch Mitarbeiter(innen) im Erziehungsdienst in heilpädagogischen Heimen.

Einzelgruppenplan 22 b

Sozialpädagogen/Sozialarbeiter im Erziehungsdienst

Vergütungsgruppe V b

1. Sozialpädagogen/Sozialarbeiter (Anm. 1, 2)

k) in geschlossenen (gesicherten) Gruppen oder in Aufnahme- (Beobachtungs-) Gruppen oder in heilpädagogischen Gruppen (Anm. 1, 14),

Vergütungsgruppe IV b

2. Mitarbeiter nach vierjähriger Berufsausübung in einer Tätigkeit der Vergütungsgruppe V b (Anm. wie zu Fallgr. 1).

Anmerkungen zu den Einzelgruppenplänen 22 a und 22 b

  1. Erzieher(innen), Kindergärtnerinnen/Hortnerinnen mit staatlicher Anerkennung als Erzieher oder Kindergärtnerin

    oder

    sowie

    Mitarbeiter(innen), in der Tätigkeit von Erziehern (Erzieherinnen) oder Kindergärtnerinnen/Hortnerinnen mit abgeschlossener mindestens gleichwertiger Fachausbildung werden nach diesem Tätigkeitsmerkmal eingruppiert, wenn sie am 1. April 1970 die in dem Tätigkeitsmerkmal geforderte Tätigkeit ausüben oder ihnen bis zum 31. Dezember 1990 diese Tätigkeit übertragen wird.

3. Die Klägerin ist unstreitig keine Sozialpädagogin/Sozialarbeiterin. Nach den nicht angefochtenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist ihr jedoch die von ihr ausgeübte Tätigkeit vor dem 31. Dezember 1990 übertragen worden, so daß sie die subjektiven Voraussetzungen der Anmerkung 2 zum EGP 22 a/22 b erfüllt.

4. Die Klägerin ist jedoch nicht in einer „heilpädagogischen Gruppe” tätig.

a) Der Begriff „heilpädagogische Gruppe” ist in den AVR-Diakonie nicht definiert. Zu seiner Bestimmung ist deshalb in erster Linie auf den Wortlaut der Vorschrift zurückzugreifen. Dieser richtet sich nach dem Begriff der Heilpädagogik, wie er sich aus dem Sprachgebrauch der beteiligten Fachkreise ergibt. Danach ist, wie der Senat mit eingehender Begründung zur gleichlautenden Bestimmung der VergGr. V b Fallgruppe 1 k des Teils II Abschn. G Unterabschn. II der Anlage 1 a zum Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) a.F. ausgeführt hat, unter einer heilpädagogischen Tätigkeit eine Tätigkeit zu verstehen, die mit besonderen, spezifischen Erziehungsformen die Förderung und Betreuung behinderter Menschen umfaßt (BAG Beschluß vom 3. Dezember 1985, BAGE 50, 241; BAG Urteil vom 6. Dezember 1989 – 4 AZR 450/89 – AP Nr. 148 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG Urteil vom 4. April 1990 – 4 AZR 20/90 – ZTR 1990, 380, 381). Dabei kann sich die heilpädagogische Förderung nicht auf einzelne Lebensbereiche des Betreuten beschränken, sondern muß in einem umfassenden Sinn seine gesamte Persönlichkeit zum Gegenstand haben (vgl. Senatsurteil vom 4. April 1990, ZTR, a.a.O.).

b) Auch aus dem Regelungszusammenhang der AVR-Diakonie folgt, daß für eine heilpädagogische Tätigkeit nicht die übliche erzieherische Tätigkeit ausreicht, sondern die Anwendung spezifischer Erziehungsformen erforderlich ist. Die AVR-Diakonie enthalten nämlich mehrere Bestimmungen, in denen ausdrücklich die Eingruppierung von Mitarbeitern, die als Erzieher in einer Gruppe von körperlich, seelisch oder geistig gestörten oder gefährdeten oder schwer erziehbaren Kindern oder Jugendlichen arbeiten, in die VergGr. VI b/V c vorgesehen ist. Eine solche Eingruppierung enthalten u.a. der EGP 21 Fallgr. 13 e/15 e. Diesen Tätigkeiten ist gemeinsam, daß sie von pädagogisch qualifizierten Personen in der Betreuung von Kindern und Jugendlichen ausgeübt werden und pädagogischen Charakter haben. Die in den genannten Fallgruppen zu den Vergütungsgruppen VI b/V c enthaltenen, auf genau umschriebene Einzeltätigkeiten bezogenen Eingruppierungsbestimmungen wären gegenstandslos, wenn die von den dort angeführten Personen ausgeübte pädagogische – und damit fördernde – Betreuung Jugendlicher ohne weiteres zugleich als heilpädagogische Tätigkeit zu qualifizieren wäre. Wenn die Tätigkeit der Betreuer nämlich eine heilpädagogische ist, handelt es sich bei der betreuten Gruppe um eine heilpädagogische Gruppe mit der Folge, daß Betreuer mit den genannten Qualifikationen entgegen den dort enthaltenen ausdrücklichen Vorgaben nicht in die VergGr. VI b/V c, sondern in die VergGr. V b oder IV b einzugruppieren wären.

c) Demnach erfordert die zu einer höheren Eingruppierung führende Tätigkeit in einer heilpädagogischen Gruppe mehr als die mit der Arbeit von Erziehern in Gruppen von Kindern und Jugendlichen der genannten Art zwangsläufig verbundene pädagogische Einwirkung. Es genügt hierfür nicht, daß diese pädagogische Arbeit in Formen erfolgt, die auf die besonderen Belange der Kinder und Jugendlichen zugeschnitten sind, denn dies ist schon Grundvoraussetzung jeder in VergGr. VI b/V c eingestuften pädagogischen Arbeit in solchen Gruppen von Kindern und Jugendlichen. Hinzukommen muß vielmehr, daß die individuelle und umfassende Förderung eines jeden Jugendlichen mit über Erziehungsmaßnahmen hinausgehenden Mitteln je nach seiner spezifischen Persönlichkeit im Vordergrund der Betreuungsarbeit in der Gruppe steht.

Unter einer heilpädagogischen Tätigkeit ist damit nur eine solche Tätigkeit zu verstehen, die in irgendeiner Weise den irregulären Zustand (= Krankheit) der Betreuten verbessern soll. Der Senat hat dementsprechend eine heilpädagogische Tätigkeit und damit eine heilpädagogische Gruppe bei Betreuung von Behinderten oder sonst kranken Menschen gleich welcher Altersgruppe nur bei bestimmten spezifischen Erziehungsformen angenommen (Urteile vom 26. Mai 1993 – 4 AZR 383/92 –, – 4 AZR 358/92 – und – 4 AZR 382/92 –, sämtlich zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen sowie – 4 AZR 381/92 –, nicht zur Veröffentlichung vorgesehen).

Für die heilpädagogische Tätigkeit mit Kindern und Jugendlichen gilt das gleiche.

d) Eine solche heilpädagogische Tätigkeit wird aber von der Klägerin selbst nicht vorgetragen. Nach ihrem eigenen Vortrag ist sie vielmehr mit normalen erzieherischen Tätigkeiten, die normalerweise in einer Familie geleistet werden, beschäftigt. Sie ist damit zutreffend in die VergGr. VI b/V c Fallgr. 13 e/15 e als „Erzieherin in Gruppen von körperlich, seelisch oder geistig gestörten oder gefährdeten oder schwer erziehbaren Kindern oder Jugendlichen” einzugruppieren. Dies ergibt sich auch aus dem Umstand, daß nach der für diese Fallgruppen geltenden Anmerkung 4 sich in den entsprechenden Einrichtungen nicht ausschließlich Kinder und Jugendliche der genannten Art zu befinden brauchen, sondern nur im Durchschnitt überwiegen müssen. Zwar kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, daß sie bei ihrer Tätigkeit auch Maßnahmen zu ergreifen hat, die als heilpädagogisch zu qualifizieren wären. Solche Maßnahmen können aber nach dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt allenfalls einen geringen Teil der in der teilstationären Wohngruppe der Klägerin geleisteten Betreuungsarbeit ausmachen und ihr daher nicht das Gepräge geben. Hinzu kommt, daß die Fallgr. 13 e/15 e nach der für diese geltenden Anm. 5 auch für die Mitarbeiter im Erziehungsdienst in heilpädagogischen Heimen gelten.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Schaub, Bepler, Schneider, Dr. Konow, Schwitzer

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1082692

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