Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankheitsbeihilfe im Ruhestand

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157; ZPO § 554 Abs. 3 Nr. 3

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 16.09.1997; Aktenzeichen 7 Sa 61/96)

ArbG Stuttgart (Urteil vom 14.02.1996; Aktenzeichen 2 Ca 7603/95)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 16. September 1997 – 7 Sa 61/96 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die beiderseits tarifgebundenen Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Beihilfen im Krankheitsfall zu leisten.

Das Land Baden-Württemberg ist alleiniger Gesellschafter der Beklagten, die 1948 für die Durchführung von Lotterie- und Wettveranstaltungen gegründet worden ist. Am 5. November 1957 beschloß der Aufsichtsrat der Beklagten:

Punkt 5: Altersversorgung

a) Allgemeine Regelung:

Nachdem Präsident Schneider als Ergebnis der Vorprüfung des Arbeitsausschusses vorgetragen hat, dass mit Rücksicht auf die noch nicht voll übersehbaren Auswirkungen der Rentengesetzgebung 1957 die Zeit zu einer allgemeinen Regelung der Versorgungsfrage noch nicht gekommen sei, erklärt sich der Aufsichtsrat mit dem Antrag der Geschäftsführung einverstanden.

I. Eine allgemeine Regelung über eine Unterstützungseinrichtung ist z.Zt. nicht zu treffen. …

II. Bei der Vorbereitung der Altersversorgung der in nächster Zeit ausscheidenden Arbeitnehmer ist nach folgenden Richtlinien zu verfahren:

III. Den auf Grund der Altersgrenze oder Erwerbsunfähigkeit ausgeschiedenen Arbeitnehmern können im Krankheitsfall Beihilfen nach staatlichen Richtlinien gewährt werden.

Der 1932 geborene Kläger war von 1963 bis Ende Februar 1995 bei der Beklagten angestellt. Zuletzt war er als Bezirksdirektor tätig. Seit dem 1. März 1995 bezieht er vorgezogenes Altersruhegeld. In dem ursprünglich bei Aufnahme der Arbeit im Jahre 1963 abgeschlossenen Arbeitsvertrag war die Anwendung des Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT) vereinbart. Nachdem die Beklagte mit der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen Haustarifverträge abgeschlossen hatte, ist in den schriftlichen Änderungsverträgen der Parteien, zuletzt im Jahre 1987, auf den mit der Gewerkschaft abgeschlossenen Rahmentarifvertrag Bezug genommen worden. Nebenabreden sind im schriftlichen Arbeitsvertrag nicht enthalten.

Soweit hier von Interesse regelt der RTV:

§ 2 Abs. 2 RTV

Nebenabreden sind nur wirksam, wenn sie schriftlich vereinbart werden.

§ 12 RTV Beihilfen und Unterstützungen

Die Gesellschaft gewährt Beihilfen und Unterstützungen nach Maßgabe der für die Arbeitnehmer des Landes Baden-Württemberg geltenden Vorschriften.

Bei Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses hat der Kläger, der zuvor Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse war, das durch den Beihilfeanspruch nicht abgedeckte Krankheitskostenrisiko bei einem Krankenversicherungsverein auf Gegenseitigkeit versichert. Dem Kläger wurde später bekannt, daß die Beklagte auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Beihilfen im Krankeitsfall gewährt. Der Personalleiter der Beklagten bestätigte ihm im Jahr 1990, daß aufgrund der Ermächtigung durch den Aufsichtsratsbeschluß Beihilfen an Rentner gezahlt werden können. Im Jahre 1994 beschloß die Beklagte, diese Praxis einzustellen und nur noch nach § 12 RTV während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses Beihilfen zu gewähren. Der Kläger behauptet, auf die Einstellung dieser Leistungen erst im Januar 1995 hingewiesen worden zu sein. Zur Abdeckung des größeren Kostenrisikos hat er anstelle der bisherigen Beihilfeergänzungs- eine Krankheitskostenvollversicherung abgeschlossen.

Mit der am 29. August 1995 erhobenen Klage hat er die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Beihilfeleistungen im Krankheitsfall und im Wege der Klageerweiterung die Erstattung der Mehraufwendungen für Krankenkassenbeiträge vom März 1995 bis Januar 1996 verlangt.

Er hat zuletzt beantragt,

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger im Krankheitsfalle Beihilfe nach den staatlichen Richtlinien, die für die Beamten des Landes Baden-Württemberg gelten, hilfsweise nach den staatlichen Richtlinien, die für Arbeitnehmer des Landes Baden-Württemberg gelten, zu bezahlen;

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 6.693,28 DM zuzüglich 4 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Gewährung von Beihilfen im Krankheitsfall, noch ist die Beklagte verpflichtet, die Aufwendungen des Klägers für die höheren Beiträge zu einer Krankheitskostenvollversicherung in den Monaten März 1995 bis Januar 1996 zu erstatten.

I. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Kläger während des Ruhestands Beihilfen im Krankheitsfall zu gewähren.

1. Entgegen der Ansicht der Revision hat der Kläger nicht die Voraussetzungen einer Gesamtzusage dargelegt. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht den Vortrag des Klägers als unschlüssig angesehen.

Die vom Aufsichtsrat der Beklagten am 5. November 1957 unter dem Tagesordnungspunkt 5 beschlossene allgemeine Regelung der Altersversorgung hat zwar die Geschäftsführung ermächtigt, den aufgrund der Altersgrenze ausgeschiedenen Arbeitnehmern im Krankheitsfall Beihilfen zu gewähren. In der Beschlußfassung des Aufsichtsrats, mit der 1957 die Zustimmung zu einer wegen der damals noch nicht voll übersehbaren Auswirkungen der Rentengesetzgebung vorläufigen Regelung von Versorgungsleistungen erteilt worden ist, kann aber keine die Beklagte verpflichtende Gesamtzusage gesehen werden. Zwar kann ein Arbeitgeber seinen Willen, den Ruheständlern Beihilfen im Krankheitsfall zu gewähren, durch eine einseitige Erklärung an die Belegschaft in Form einer sog. Gesamtzusage zum Ausdruck bringen. Das setzt jedoch voraus, daß der einzelne Arbeitnehmer das Verhalten des Arbeitgebers als Leistungsversprechen auffassen mußte (§§ 133, 157 BGB). Ein Aufsichtsratsbeschluß ist ein Akt der internen Willensbildung. Mit ihm ist noch nicht die Abgabe einer Willenserklärung gegenüber der Belegschaft verbunden. Auch wenn die Behauptung des Klägers als wahr unterstellt wird, die Geschäftsführung habe den Aufsichtsratbeschluß Ende 1957 bekannt gemacht, so kann daraus noch nicht auf einen rechtsgeschäftlichen Verpflichtungswillen gegenüber dem Kläger geschlossen werden. Der Kläger gehörte damals nicht zu der Belegschaft, die möglicherweise begünstigt werden sollte. Er ist erst sechs Jahre später eingestellt worden. Dafür, daß die vom Aufsichtsrat aus Anlaß der Rentenreform 1957 bis zur Feststellung der Auswirkungen der Rentenreform gebilligten Leistungen auch für 1963 oder später eingestellte Arbeitnehmer gelten sollten, hat der Kläger keine Anhaltspunkte vorgetragen.

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch aufgrund einer bei der Beklagten bestehenden betrieblichen Übung.

a) Als betriebliche Übung wird nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein wiederholtes Verhalten des Arbeitgebers verstanden, das nach dessen Willen vertragliche Ansprüche der Arbeitnehmer auf Leistungen begründen sollen (BAG Urteil vom 5. Februar 1971 – 3 AZR 28/70 – BAGE 23, 213, 218 = AP Nr. 10 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; Senatsurteil vom 6. September 1994 – 9 AZR 672/92 – AP Nr. 45 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; BAG Urteil vom 16. Juli 1996 – 3 AZR 352/95 – AP Nr. 7 zu § 1 BetrAVG Betriebliche Übung). Voraussetzung für das Bestehen vertraglicher Ansprüche ist dabei, daß die Arbeitnehmer das Verhalten des Arbeitgebers nach §§ 133, 157 BGB als Versprechen dauerhafter Leistungen auffassen mußten. Nach § 151 Satz 1 BGB kommt dann ein Vertrag zustande, ohne daß die Annahme gegenüber dem Arbeitgeber erklärt zu werden braucht.

b) Das Landesarbeitsgericht ist nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und der Aussage des Zeugen B… zu der Feststellung gelangt, nur ein kleiner Teil der Rentner der Beklagten aus dem Betriebsbereich “Verwaltung” habe von dem Aufsichtsratsbeschluß gewußt und Beihilfen beantragt. Die Personalverwaltung der Beklagten habe sich bewußt “bedeckt” verhalten, so daß die Beihilfeleistungen an Ruheständler weitgehend der Belegschaft verborgen geblieben seien. Soweit die Revision diese Feststellungen rügt, fehlt es an einer zulässigen Verfahrensrüge. Der Kläger hätte im einzelnen darstellen müssen, inwiefern die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts nach § 554 Abs. 3 Nr. 3a ZPO zu benennende Verfahrensnormen verletzt und ohne die gerügten Verfahrensverletzungen anders entschieden worden wäre (vgl. BAG Urteile vom 9. Februar 1968 – 3 AZR 419/66 – AP Nr. 13 zu § 554 ZPO; vom 13. August 1992 – 2 AZR 22/92 – AP Nr. 32 zu § 15 KSchG 1969).

c) Auf der Grundlage dieser das Bundesarbeitsgericht nach § 561 Abs. 1 ZPO bindenden Tatsachen ist das Landesarbeitsgericht zu der Auslegung des Verhaltens der Beklagten gelangt.

Ob aus einem festgestellten tatsächlichen Verhalten des Arbeitgebers abgeleitet werden kann, er wolle allen Arbeitnehmern zukünftig bestimmte Leistungen dauerhaft gewähren, haben die Tatsachengerichte unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu ermitteln (BAG Urteile vom 17. September 1970 – 5 AZR 539/69 – BAGE 22, 429, 433 = AP Nr. 9 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; vom 12. Januar 1994 – 5 AZR 41/93 – AP Nr. 43 zu § 242 BGB Betriebliche Übung). Das Revisionsgericht hat nur zu prüfen, ob der angenommene Erklärungswert des tatsächlichen Verhaltens den Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB entspricht und mit den Gesetzen der Logik und den allgemeinen Erfahrungssätzen vereinbar ist (BAG Urteile vom 17. September 1970 – 5 AZR 539/69 –, aaO; vom 16. April 1997 – 10 AZR 705/96 – AP Nr. 53 zu § 242 BGB Betriebliche Übung).

Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das angefochtene Urteil stand. Es verstößt nämlich weder gegen die Logik noch gegen allgemeine Erfahrungssätze, wenn aus der geringen Zahl der Leistungsempfänger in der Vergangenheit auf das Fehlen eines alle Arbeitnehmer des Betriebes erfassenden Verpflichtungswillen geschlossen wird. Dafür, daß der Kläger wegen besonderer Umstände des Einzelfalles nach §§ 133, 157 BGB das Verhalten des Arbeitgebers anders verstehen mußte, hat die Revision entgegen § 554 Abs. 3 Nr. 3 ZPO keine hinreichenden Anhaltspunkte dargetan (vgl. BAG Urteil vom 29. Oktober 1997 – 5 AZR 624/96 – AP Nr. 30 zu § 554 ZPO, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

d) Sind somit die Voraussetzungen einer betrieblichen Übung nicht erfüllt, bedarf es keiner Stellungnahme des Senats zu der Hilfsbegründung des Landesarbeitsgerichts, die Verpflichtung des Arbeitgebers scheitere an der Nichteinhaltung der in § 4 Abs. 2 BAT und später in § 2 Abs. 2 RTV für Nebenabreden vorgeschriebenen Schriftform.

3. Der Kläger kann seinen Anspruch auch nicht auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stützen.

Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend dazu ausgeführt, der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz werde nur dann verletzt, wenn die Beklagte ohne sachlichen Grund den Kläger gegenüber anderen Ruheständler schlechter behandele. Der Kläger habe nicht dargelegt, die Beklagte gewähre Arbeitnehmern, die in etwa derselben Zeit in den Ruhestand getreten seien, Beihilfeleistungen. Das ist frei von Rechtsfehlern. Soweit die Revision geltend macht, das Landesarbeitsgericht habe ihren Tatsachenvortrag nicht hinreichend berücksichtigt, erachtet das Revisionsgericht die Rüge nicht für durchgreifend (§ 565a ZPO). Die Rüge entspricht nicht den Anforderungen des § 554 Abs. 3 Nr. 3a und b ZPO.

II. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Ersatz der höheren Prämien für eine Krankenkostenvollversicherung zu. Der Kläger verkennt, daß er bei Annahme eines Beihilfeanspruchs im Krankheitsfall nicht berechtigt wäre, Ersatz für die aufgewandten Versicherungsprämien zu verlangen. Die Beklagte schuldete ihm dann die nach den Beihilfevorschriften des Landes festzusetzende Beihilfe.

III. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

 

Unterschriften

Leinemann, Reinecke, Düwell, R. Otto, Schodde

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2629047

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