Entscheidungsstichwort (Thema)

Einbau von Garagentoren als bauliche Leistung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Einbau von Garagentoren einschließlich der Befestigung der Tragekonstruktion mit Mauerankern oder Dübeln ist eine bauliche Leistung i.S. von § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV.

 

Normenkette

TVG § 1 Tarifverträge: Bau; Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 12. November 1986 § 1 Abs. 2 Abschn. II

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 28.01.1991; Aktenzeichen 14 Sa 745/90)

ArbG Wiesbaden (Urteil vom 20.03.1990; Aktenzeichen 2 Ca 3306/89)

 

Tenor

  • Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 28. Januar 1991 – 14 Sa 745/90 – wird zurückgewiesen.
  • Der Beklagte trägt die Kosten der Revision.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte im Zeitraum von Oktober 1987 bis Dezember 1989 einen Betrieb des Baugewerbes i.S. der Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes unterhalten hat und daher zur Auskunftserteilung verpflichtet ist.

Die Klägerin ist die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG (ZVK). Sie ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Sie nimmt den Beklagten auf Auskunft nach Maßgabe der Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes für den Zeitraum von Oktober 1987 bis Dezember 1989 über die Zahl der beschäftigten Arbeiter, deren Bruttolohnsumme und die entsprechende Höhe der abzuführenden Beiträge sowie – für den Fall der Nichterfüllung – auf Zahlung einer Entschädigung in Anspruch.

Der Beklagte ist als Subunternehmer für ein Unternehmen tätig, das Garagentore herstellt. Die betriebliche Tätigkeit des Beklagten besteht in dem Einbau dieser Garagentore. Die Garagentore werden von einer Montagegruppe, die aus einem Monteur und einem Helfer besteht, zu den jeweiligen Baustellen transportiert und dort eingebaut. Die Einbauzeit beträgt je nach Modell 1,5 bis 3 Stunden. Besteht die Garage aus Ziegelmauerwerk, müssen für die Anbringung der Tragekonstruktion des Garagentores durch Stemm- und Einputzarbeiten sog. Mauerpratzen angebracht werden. Diese Tätigkeit nimmt ca. 25 bis 30 Minuten in Anspruch. Bei Betonwänden wird die Tragekonstruktion eingedübelt. Anschließend wird das Garagentor entsprechend der Montageanleitung des Herstellers montiert. 70 % der Garagentore werden ohne elektrischen Antrieb eingebaut.

Nach § 1 des für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 12. November 1986, gültig ab 1. Januar 1987, fallen unter seinen Geltungsbereich:

“§ 1 Geltungsbereich

  • Betrieblicher Geltungsbereich:

    Betriebe des Baugewerbes. Das sind alle Betriebe, die unter einen der nachfolgenden Abschnitte I bis IV fallen.

Abschnitt I

Betriebe, die nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich Bauten aller Art erstellen.

Abschnitt II

Betriebe, die, soweit nicht bereits unter Abschnitt I erfaßt, nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die – mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen – der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.

Abschnitt V

Zu den in den Abschnitten I bis III genannten Betrieben gehören z.B. diejenigen, in denen Arbeiten der nachstehend aufgeführten Art ausgeführt werden:

36. Trocken- und Montagebauarbeiten (z.B. Wand- und Deckeneinbau bzw. -verkleidungen) einschl. des Anbringens von Unterkonstruktionen und Putzträgern.”

Die ZVK vertritt die Auffassung, der Betrieb des Beklagten werde vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfaßt, da im Klagezeitraum arbeitszeitlich überwiegend Trocken- und Montagebauarbeiten i.S. von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 36 VTV, zumindest aber bauliche Leistungen i.S. von § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV ausgeführt worden seien.

Die ZVK hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen:

  • ihr auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft zu erteilen,

    • wieviel Arbeitnehmer, die einer nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung über die Rentenversicherung der Arbeiter (RVO) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten

      Oktober 1987 bis Dezember 1989

      in dem Betrieb des Beklagten beschäftigt wurden sowie in welcher Höhe die lohnsteuerpflichtige Bruttolohnsumme insgesamt für diese Arbeitnehmer und die Beiträge für die Sozialkassen der Bauwirtschaft in den genannten Monaten angefallen sind.

  • Für den Fall, daß diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung innerhalb einer Frist von 6 Wochen nach Urteilszustellung nicht erfüllt wird, an die ZVK folgende Entschädigung zu zahlen:

    Zu Nr. 1.1. DM 64.800,00.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er vertritt die Auffassung, sein Betrieb werde nicht vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfaßt. Die ausgeführten Arbeiten seien nicht als Trocken- und Montagebauarbeiten anzusehen, da sich der Trocken- und Montagebau nur auf Wohnräume beziehe. Es handele sich auch nicht um bauliche Leistungen i.S. von § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV, da mit Werkstoffen, Arbeitsmitteln und Arbeitsmethoden des Schlosserhandwerks gearbeitet werde. Metallarbeiten seien grundsätzlich nicht dem Baugewerbe zuzurechnen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die ZVK beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat mit Recht erkannt, daß der Betrieb des Beklagten vom betrieblichen Geltungsbereich des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) erfaßt wird und der Beklagte daher zur Auskunftserteilung verpflichtet ist.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Betrieb des Beklagten werde vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfaßt. Mit dem Einbau der Garagentore erbringe der Beklagte bauliche Leistungen i.S. von § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV. Der Einbau der Tore diene der Fertigstellung der Garage. Er sei dem Einbau von Fenstern und Türen gleichzustellen, der nach dem Ausbildungsrahmenplan für den Ausbaufacharbeiter als Trocken- und Montagebau und somit als bauliche Leistung anzusehen sei. Die Verwendung des Werkstoffs Metall stehe dem nicht entgegen. Zwar gehöre die Tätigkeit auch zum Schlosserhandwerk. Für den Beklagten bestehe aber keine Tarifbindung an einen Tarifvertrag für das Schlosserhandwerk, so daß eine Tarifkonkurrenz nicht in Betracht komme.

II. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist zuzustimmen. Der Beklagte ist nach § 27 VTV zur Auskunftserteilung und für den Fall der Nichterfüllung nach § 61 Abs. 2 ArbGG zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet, da sein Betrieb vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfaßt wird.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts fallen Betriebe, in denen arbeitszeitlich überwiegend eine der in den Beispielen des Abschnitts V des § 1 Abs. 2 VTV genannten Tätigkeiten ausgeführt wird, unter den betrieblichen Geltungsbereich, ohne daß noch die Erfordernisse der allgemeinen Merkmale der Abschnitte I bis III geprüft werden müssen. Ist dies nicht der Fall, kommt es darauf an, ob der Betrieb nach den Abschnitten I bis III vom Geltungsbereich des VTV erfaßt wird. Dabei muß der Betrieb der Einrichtung und Zweckbestimmung entsprechend baulich geprägt sein. Es muß also mit Werkstoffen, Arbeitsmitteln und Arbeitsmethoden des Baugewerbes gearbeitet werden (vgl. BAGE 55, 67 = AP Nr. 79 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).

a) Die Tätigkeit des Beklagten kann nicht dem Tätigkeitsbeispiel des § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 36 VTV zugeordnet werden. Zwar rechnen zu den Montagebauarbeiten i.S. dieser tariflichen Bestimmung nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich auch Metallbauarbeiten, nachdem die entsprechende tarifliche Einschränkung im Jahre 1980 weggefallen ist. Jedoch ist den Klammerbeispielen zu den Trocken- und Montagebauarbeiten (z.B. Wand- und Deckeneinbau bzw. -verkleidungen) zu entnehmen, daß die Tarifvertragsparteien damit die Montage von Decken und Wänden nicht aber jede in oder an einem Bauwerk anfallende Montagetätigkeit erfassen wollten (vgl. BAG Urteil vom 23. November 1988 – 4 AZR 395/88 – AP Nr. 103 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; BAG Urteil vom 8. Mai 1985 – 4 AZR 516/83 – AP Nr. 66 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Eine derartige Tätigkeit wird im Betrieb des Beklagten nicht ausgeführt.

b) Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht aber die Montage der Garagentore den baulichen Leistungen i.S. von § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV zugeordnet.

Bei einer Garage handelt es sich um ein Bauwerk i.S. des Abschnitts II des VTV. Der Einbau des Garagentores dient, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausführt, der Fertigstellung zum bestimmungsmäßigen Gebrauch der Garage und damit der Erstellung des Bauwerks. Ohne den Einbau des Tores ist die Garage als Bauwerk noch nicht fertiggestellt. Erst nach dem Einbau ist sie entsprechend ihrer Funktion nutzbar.

c) Der Betrieb des Beklagten erfüllt auch die weiteren Voraussetzungen des Abschnitts II VTV. Er ist nach seiner betrieblichen Zweckbestimmung und nach seiner betrieblichen Einrichtung baulich geprägt.

Nach dem Wortlaut der tariflichen Bestimmung des Abschnitts II VTV sollen vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV nicht alle Betriebe erfaßt werden, deren Tätigkeit nur in irgendeinem Zusammenhang mit der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken steht. Vielmehr ist erforderlich, daß es sich um einen Betrieb handelt, der nach seiner durch die Art der betrieblichen Tätigkeit geprägten Zweckbestimmung und nach seiner betrieblichen Einrichtung bauliche Leistungen erbringt, die den genannten Zwecken dienen. Der Betrieb muß demgemäß nach seiner Einrichtung und Zweckbestimmung baulich geprägt sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn mit Werkstoffen, Arbeitsmitteln und Arbeitsmethoden des Baugewerbes gearbeitet wird (vgl. BAGE 55, 67 = AP Nr. 79 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).

Diese Voraussetzungen sind im Betrieb des Beklagten gegeben. Die betriebliche Tätigkeit erstreckt sich allein auf den Einbau der Garagentore. Sie ist damit ihrer Zweckbestimmung nach auf die Fertigstellung eines Bauwerks gerichtet. Dabei ist nicht maßgeblich, daß die überwiegende Arbeitszeit auf den Zusammenbau der einzelnen Teile des vom Hersteller gelieferten Bausatzes für das Tor und nur ein Fünftel bis ein Sechstel der Arbeitszeit auf die Befestigung der Tragekonstruktion entfällt. Die den Betrieb prägende Zweckbestimmung richtet sich nicht allein nach den zeitlichen Anteilen der einzelnen Tätigkeiten an der Gesamtarbeitszeit. Für die Zweckbestimmung ist vielmehr der Zweck der Gesamtleistung entscheidend. Diese besteht darin, das Garagentor als Bauelement in die Rohbauöffnung einzufügen und dient damit der Fertigstellung der Garage zu ihrem bestimmungsgemäßen Gebrauch.

Dabei wird mit Werkstoffen, Arbeitsmitteln und Arbeitsmethoden des Baugewerbes gearbeitet. Beim Einbau der Tragekonstruktion, der notwendigerweise zu jedem Garagentoreinbau gehört, werden bei Garagen aus Ziegelmauerwänden zur Herstellung der Mauerlöcher Hammer und Stemmeisen sowie zur Befestigung der Maueranker ein Schnellbindemittel verwendet. Dies ist auch eine Arbeitsmethode des Baugewerbes. Gleiches gilt für das Bohren von Löchern in Betonwände und das Eindübeln der Tragekonstruktion. Im übrigen finden mit Wasserwaage, Spachtel, Schraubenzieher und Schraubenschlüssel ebenfalls Arbeitsmittel Verwendung, deren Gebrauch auch in Baubetrieben üblich ist.

Der nach der Zweckbestimmung und Einrichtung baulichen Prägung des Betriebes steht nicht entgegen, daß die Garagentore aus Metall bestehen. Der Werkstoff Metall wird in zunehmendem Maße im Baugewerbe verwendet (vgl. BAG Urteile vom 8. Mai 1985 – 4 AZR 516/83 –, vom 23. November 1988 – 4 AZR 395/88 – und vom 26. April 1989 – 4 AZR 49/89 – AP Nr. 66, 103 u. 110 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Im übrigen umfaßt die betriebliche Tätigkeit nicht Metallbe- oder -verarbeitung, sondern nur die Montage vorgefertigter Metallteile. Zwar kann diese Tätigkeit auch dem Schlosserhandwerk zugerechnet werden und wird überwiegend auch von Betrieben dieses Gewerbes ausgeführt, dies ändert aber nichts daran, daß die betriebliche Tätigkeit des Beklagten ihrer Zweckbestimmung nach auf die Erbringung baulicher Leistungen gerichtet ist.

2. Mit Recht führt das Landesarbeitsgericht deshalb auch aus, daß die Zuordnung der Tätigkeit des Beklagten zum Schlosserhandwerk seiner Tarifgebundenheit an den allgemeinverbindlichen VTV nicht entgegensteht. Dies könnte nur dann zum Wegfall der Tarifgebundenheit führen, wenn der Beklagte an einen Tarifvertrag des Schlosserhandwerks gebunden wäre, dem nach dem Grundsatz der Spezialität der Vorrang vor dem VTV einzuräumen wäre (vgl. BAG Urteil vom 14. Juni 1989 – 4 AZR 200/89 – AP Nr. 16 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz). Dies ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts aber nicht der Fall.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Matthes, Dr. Freitag, Hauck, Dr. Haible, Kähler

 

Fundstellen

Haufe-Index 848114

NZA 1994, 1008

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