Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialplanabfindung. Anspruchsvoraussetzungen

 

Normenkette

BetrVG 1972 § 112

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Urteil vom 01.07.1996; Aktenzeichen 11 Sa 543/96)

ArbG Hannover (Urteil vom 16.11.1995; Aktenzeichen 6 Ca 365/95)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 1. Juli 1996 – 11 Sa 543/96 – aufgehoben.

2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 16. November 1995 – 6 Ca 365/95 – wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten der Berufung und der Revision trägt die Beklagte.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger aus dem Sozialplan vom 23. März 1995 ein Abfindungsanspruch zusteht.

Der am 22. Dezember 1935 geborene Kläger war seit dem 1. März 1976 bei der Beklagten im Werk I. in G. beschäftigt.

Wegen der geplanten Stillegung dieses Werkes hatte die Geschäftsleitung der Beklagten mit dem Gesamtbetriebsrat am 23. März 1995 einen Interessenausgleich vereinbart, in dem es u.a. heißt:

§ 2

Allen Arbeitnehmern werden auf Grund der von der Unternehmensleitung geplanten Betriebsänderung neue Arbeitsplätze in der Firma H. KG in R. angeboten. Die Versetzung in eine andere Fira der H.-Gruppe ist nur mit schriftlicher Zustimmung des Arbeitnehmers möglich. Lehnt der betroffene Arbeitnehmer den angebotenen Arbeitsplatz ab, sind die für den Fall des Verlustes des Arbeitsplatzes geltenden Regelungen des Sozialplanes anzuwenden.

§ 5

Zum 30.4.1995 werden die Mitarbeiter entlassen, deren Kündigungsfrist lediglich einen Monat zum Monatsende beträgt und die nicht die Ziffer 2 dieser Vereinbarung in Anspruch nehmen. Die Namen der Mitarbeiter sind in der beiliegenden Liste A erfaßt, die Bestandteil dieses Interessenausgleiches ist.

§ 6

Der Restbetrieb wird zum 30.04.95 stillgelegt. Die verbleibenden Mitarbeiter, die nicht die Ziffer 2 dieser Vereinbarung in Anspruch nehmen und deren Kündigungsfrist mehr als einen Monat zum Monatsende beträgt, werden zu diesem Zeitpunkt fristgerecht gekündigt.

Mitarbeiter mit Kündigungsfristen über den 30.04.95 hinaus, werden unter Bezahlung ihrer bisherigen Bezüge von der Arbeit freigestellt. Für Restarbeiten können in einzelnen Fällen Mitarbeiter im Rahmen der Kündigungsfrist weiter beschäftigt werden.

Die Namen der Mitarbeiter sind in der beiliegenden Liste B erfaßt.

§ 7

Zum Ausgleich bzw. zur Milderung von wirtschaftlichen Nachteilen, die den betroffenen Arbeitnehmern durch die Durchführung dieses Interessenausgleiches entstehen, werden Sozialpläne erstellt.

Der Name des Klägers ist von den Betriebsparteien in die Liste B aufgenommen worden.

Der ebenfalls am 23. März 1995 von der Geschäftsleitung der Beklagten und dem Betriebsrat abgeschlossene Sozialplan sieht u.a. folgende Regelungen vor:

§ 1 Geltungsbereich

Dieser Sozialplan gilt für alle am 31. März 1995 beschäftigten Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, einschließlich der Auszubildenden.

Arbeitnehmer, die vor dem 31. März 1995 Aufhebungsverträge geschlossen haben, sind von Zahlungen dieses Sozialplanes ausgeschlossen.

§ 2 Die Firma erklärt sich bereit, mit gekündigten, gem. § 1 dieses Sozialplanes anspruchsberechtigten Arbeitnehmern auf deren Wunsch Aufhebungsverträge mit Beendigungsterminen vor dem Ablauf der Kündigungsfrist abzuschließen.

Derartige Aufhebungsverträge lassen Ansprüche auf Zahlung einer Abfindung nach dem Sozialplan unberührt. …

§ 6 Die gemäß §§ 1, 2 dieses Sozialplanes anspruchsberechtigten Arbeitnehmer erhalten eine Abfindung, die sich wie folgt berechnet:

  1. Arbeitnehmer bis zum vollendeten 56. Lebensjahr erhalten pro Beschäftigungsjahr 1/2 eines durchschnittlichen Monatsgehaltes.

  2. Arbeitnehmer ab dem vollendeten 56. Lebensjahr erhalten eine Abfindung in Höhe von 750,00 DM pro Beschäftigungsjahr, jedoch nur bis zu einer Höchstgrenze nach folgender Staffel:

    ab dem 56.

    Lebensjahr das 40fache

    ab dem 57.

    Lebensjahr das 35fache

    ab dem 58.

    Lebensjahr das 30fache

    ab dem 60.

    Lebensjahr das 15fache

    des Betrages von 750,00 DM.

§ 7 Die Abfindungen werden mit dem Ausscheiden des Abfindungsberechtigten fällig.

§ 9 Die Ansprüche aus diesem Sozialplan werden den Arbeitnehmern bei Kündigung von der Firma mitgeteilt. Sie sind vererblich.

§ 10 Für die Zahlung der Abfindung nach § 6 dieses Sozialplanes gelten folgende Regelungen:

Die Abfindung wird zu gleichen Raten in Höhe von 5.000,00 DM jeweils zum ersten eines Monats an den einzelnen Arbeitnehmer gezahlt.

Die erste Rate wird im darauffolgenden Monat nach dem Ausscheiden fällig.

Die Restzahlung erfolgt individuell mit der letzten Rate.

Das Versetzungsangebot der Beklagten in das Werk R.nahm der Kläger nicht an. Er erhielt daraufhin von der Beklagten weder eine Kündigung noch schloß er mit ihr einen Aufhebungsvertrag.

Seit 1. November 1995 bezieht der Kläger Erwerbsunfähigkeitsrente.

Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe ein Anspruch auf eine Abfindung nach dem Sozialplan zu. Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte sei für einen solchen Anspruch keine Voraussetzung. Außerdem ergebe sich der Anspruch auch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz, da die Beklagte allen übrigen Arbeitnehmern, die der Versetzung nicht zugestimmt hätten, eine Abfindung nach dem Sozialplan gezahlt habe.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 14.250,00 DM zu zahlen.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt.

Sie ist der Auffassung, dem Kläger stehe eine Abfindung nach dem Sozialplan nicht zu, da dieser für einen Abfindungsanspruch die Kündigung des Arbeitsverhältnisses voraussetze. Auf Grund der Erwerbsunfähigkeitsrente, welche dem Kläger ab 1. November 1995 gewährt werde, sei ihm auch kein wirtschaftlicher Nachteil durch die Betriebsstillegung entstanden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der durch den Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung einer Sozialplanabfindung in der unstreitigen Höhe von 14.250,00 DM.

I. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner klageabweisenden Entscheidung ausgeführt, daß für einen Abfindungsanspruch nach dem Sozialplan vom 23. März 1995 die Kündigung des Arbeitsverhältnisses Anspruchsvoraussetzung sei. Dies ergebe eine Auslegung des Interessenausgleichs und des Sozialplans.

II. Den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts kann nicht gefolgt werden.

1. Der Anspruch des Klägers auf eine Abfindung aus dem Sozialplan setzt – entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts – nicht den Ausspruch einer Kündigung durch die Beklagte wegen der beabsichtigten Betriebsschließung voraus. Dies ergibt die Auslegung des Sozialplans.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sind Sozialpläne nicht wie Verträge gemäß §§ 133, 157 BGB, sondern als Betriebsvereinbarungen besonderer Art wie Tarifverträge auszulegen (BAG Urteile vom 16. März 1994 – 10 AZR 606/93 – AP Nr. 75 zu § 112 BetrVG 1972, m.w.N.; vom 16. Oktober 1996 – 10 AZR 421/96 – n.v.). Maßgeblich ist dabei – entsprechend den Grundsätzen der Gesetzesauslegung – zunächst der Wortlaut. Über den reinen Wortlaut hinaus ist sodann der wirkliche Wille der Betriebspartner und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Regelung mit zu berücksichtigen, sofern und soweit sie in der Betriebsvereinbarung erkennbar zum Ausdruck gekommen sind. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang, um Sinn und Zweck der Regelung zu ermitteln.

2. Ausgehend von diesen Auslegungsgrundsätzen ergibt sich, daß nach dem Willen der Betriebspartner der Kläger unabhängig vom Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung durch die Beklagte aus dem Sozialplan vom 23. März 1995 eine Abfindung erhalten sollte.

a) Zunächst unterfällt der Kläger dem Geltungsbereich des Sozialplans. Dessen § 1 bestimmt nämlich, daß der Sozialplan „für alle am 31. März 1995 beschäftigten Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes” gilt. Da der Kläger an diesem Stichtag unstreitig Arbeitnehmer der Beklagten war und auch der Ausnahmetatbestand des § 1 Satz 2 des Sozialplans – Abschluß eines Aufhebungsvertrages vor dem 31. März 1995 – nicht eingreift, ist der Sozialplan grundsätzlich auf den Kläger anwendbar.

Auch der in § 2 des Sozialplans geregelte Abschluß eines Aufhebungsvertrages auf Wunsch des Arbeitnehmers vor Ablauf der Kündigungsfrist nach dem Ausspruch einer Kündigung durch die Beklagte liegt im Streitfalle nicht vor.

b) Mit diesen Regelungen über den Geltungsbereich des Sozialplans haben die Betriebspartner abschließend geregelt, welche Arbeitnehmer auf Grund des Sozialplans anspruchsberechtigt sind, wenn es zu der geplanten Betriebsänderung in Form der Schließung des Werkes B. kommen sollte.

Aus dem Wortlaut des Sozialplans läßt sich nicht zwingend ableiten, daß nach dem Willen der den Sozialplan schließenden Parteien für einen Abfindungsanspruch eine Arbeitgeberkündigung aus Anlaß der Betriebsschließung Anspruchsvoraussetzung sein solle.

So verlangt insbesondere § 6 des Sozialplans, welcher den Abfindungsanspruch regelt, nicht den Ausspruch einer Kündigung als Voraussetzung für eine Abfindung. Vielmehr heißt es dort lediglich „die gemäß §§ 1, 2 dieses Sozialplans anspruchsberechtigten Arbeitnehmer erhalten eine Abfindung”. Diese Formulierung, die nur darauf abstellt, ob ein Arbeitnehmer unter die §§ 1,2 des Sozialplans fällt – was beim Kläger wie aufgezeigt der Fall ist – spricht vielmehr dafür, daß die Betriebspartner eine betriebsbedingte Kündigung als Anspruchsvoraussetzung für einen Abfindungsanspruch nicht normieren wollten. Sie sind vielmehr davon ausgegangen, daß alle Mitarbeiter der Beklagten, die unter den Geltungsbereich des Sozialplans fallen, eine Abfindung erhalten würden. Dies folgt aus dem Zusammenhang zwischen dem Interessenausgleich vom 23. März 1995 und dem am selben Tage vereinbarten Sozialplan.

In § 5 und § 6 des Interessenausgleichs ist ausdrücklich geregelt, zu welchem Zeitpunkt den Mitarbeitern, welche nicht die angebotenen Arbeitsplätze der Firma H. KG in R. angenommen haben, gekündigt werden solle.

Der Kläger fiel auf Grund seiner einen Monat übersteigenden Kündigungsfrist unter die Regelung des § 6 des Interessenausgleichs. Das heißt, ihm hätte zum 30. April 1995, dem Zeitpunkt der geplanten Schließung des Restbetriebes, gekündigt werden müssen und für den Fall, daß seine Kündigungsfrist über diesen Termin hinaus reichen sollte, wäre er unter Fortzahlung der Bezüge von der Arbeit freizustellen gewesen.

Entsprechend der in § 6 des Interessenausgleichs getroffenen Regelung war der Kläger auch – ebenso wie die anderen unter diese Bestimmung fallenden Arbeitnehmer – in der dem Interessenausgleich beigefügten „Liste B” ausdrücklich als gemäß § 6 des Interessenausgleichs „zu kündigender” Arbeitnehmer erfaßt.

Da die Betriebspartner zum Ausgleich bzw. zur Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, welche den Arbeitnehmern durch die Durchführung dieses Interessenausgleichs entstehen, einen Sozialplan abgeschlossen haben, wie dies § 7 des Interessenausgleichs verlangt, ist anzunehmen, daß die Betriebspartner beim Abschluß des Sozialplans davon ausgegangen sind, daß alle Arbeitnehmer, welche unter die §§ 5 oder 6 des Interessenausgleichs fallen, und deren Namen in den dem Interessenausgleich beigefügten Listen A oder B enthalten sind, ihren Arbeitsplatz auf Grund der Betriebsschließung verlieren werden und damit auch unter den Sozialplan fallen.

Wenn aber den Parteien des Sozialplans bei dessen Abschluß klar war, daß auch der in Liste B des Interessenausgleichs aufgeführte Kläger Leistungen nach dem Sozialplan erhalten werde, muß davon ausgegangen werden, daß sie dem Kläger diese Leistungen auch dann zukommen lassen wollten, wenn die Beklagte den in § 6 des Interessenausgleichs verbindlich vorgeschriebenen Formalakt, nämlich den Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung, unterlassen sollte. Für diese Annahme spricht auch, daß bei der Festlegung des finanziellen Gesamtvolumens des Sozialplans und dessen Aufteilung an die einzelnen Betroffenen der Kläger als Anspruchsberechtigter mitberücksichtigt worden ist.

c) Auch § 7 des Sozialplans, der bestimmt, daß „die Abfindungen mit dem Ausscheiden des Abfindungsberechtigten fällig” werden, steht einer solchen Auslegung des Sozialplans nicht entgegen.

So stellt auch diese Bestimmung nicht auf den Ausspruch einer Kündigung ab. Vielmehr ist der Begriff „Ausscheiden” so zu verstehen, daß damit das tatsächliche Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb gemeint ist, d.h., der Zeitpunkt, ab dem eine tatsächliche Beschäftigungsmöglichkeit wegen der Betriebsschließung bzw. wegen der Beendigung der Restarbeiten im Sinne des § 6 des Sozialplans nicht mehr gegeben ist.

Auch die bezüglich der Zahlungsmodalitäten getroffene Regelung des § 10 des Sozialplans spricht in § 10 Abs. 3 nicht von „Kündigung”, sondern nur vom „Ausscheiden” des anspruchsberechtigten Arbeitnehmers.

d) Daß § 9 des Sozialplans vorsieht, daß „den Arbeitnehmern bei Kündigung” die Ansprüche aus dem Sozialplan mitgeteilt werden, zeigt, daß die Betriebspartner davon ausgegangen sind, daß allen Arbeitnehmern, die im Interessenausgleich als zu Kündigende genannt waren, auch tatsächlich eine Kündigung ausgesprochen wird. Daraus läßt sich auch nicht der Schluß ziehen, die Betriebspartner hätten für den Fall, daß die Beklagte einem dieser in den Listen A oder B des Interessenausgleichs genannten Arbeitnehmern keine betriebsbedingte Kündigung aussprechen sollte, diesen Arbeitnehmer von den Sozialplanleistungen ausnehmen wollen. Dies gilt vor allem dann, wenn – so wie im Streitfalle – zwischen der Erstellung des Interessenausgleichs und der Aufnahme eines Arbeitnehmers in die Liste A oder B am 23. März 1995 und der zum 30. April 1995 beabsichtigten Stillegung des Restbetriebes keine Veränderungen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht bezüglich des betroffenen Arbeitnehmers eingetreten sind.

3. Gegen dieses Ergebnis spricht auch nicht Sinn und Zweck des Sozialplans.

Beim Abschluß eines Sozialplans sind die Betriebspartner grundsätzlich frei in der Entscheidung, welche Nachteile durch welche Leistungen ausgeglichen werden sollen (BAG Urteil vom 8. Dezember 1976 – 5 AZR 613/75 – AP Nr. 3 zu § 112 BetrVG 1972). Beispielsweise können für Arbeitnehmer, die einen angebotenen zumutbaren Arbeitsplatz ablehnen und deswegen entlassen werden, geringere Abfindungen vorgesehen werden als für Arbeitnehmer, denen ein solches Angebot nicht gemacht werden konnte (BAG Urteil vom 25. Oktober 1983 – 1 AZR 260/82 – AP Nr. 18 zu § 112 BetrVG 1972). Sachlich gerechtfertigt ist es auch, wenn Leistungen für ältere Arbeitnehmer nach den tatsächlichen Nachteilen, etwa dem Verdienstausfall bemessen werden, jüngere Arbeitnehmer hingegen eine pauschale Abfindung erhalten oder Empfänger von vorgezogenem Altersruhegeld, Erwerbsunfähigkeits- oder Berufsunfähigkeitsrente von Abfindungszahlungen ausgenommen werden oder wenn diese Leistungen angerechnet werden (BAG Urteil vom 26. Juli 1988 – 1 AZR 156/87 – AP Nr. 45 zu § 112 BetrVG 1972).

Eine derartige Regelung haben die Betriebspartner vorliegend jedoch nicht getroffen. Vielmehr spricht die Bestimmung, daß auch diejenigen Arbeitnehmer eine Abfindung erhalten sollen, die nach Erhalt einer Kündigung einen Aufhebungsvertrag abschließen und früher ausscheiden, dafür, daß alle am 31. März 1995 beschäftigten Arbeitnehmer, die einer Versetzung nicht zustimmen, in den Genuß der Rechte aus dem Sozialplan kommen sollen. Da diese Aufhebungsverträge in den meisten Fällen aber nur von solchen Arbeitnehmern geschlossen werden, die bereits einen anderen Arbeitsplatz gefunden haben und damit unter Umständen nur geringe oder überhaupt keine wirtschaftlichen Nachteile durch die Betriebsschließung erleiden, wollten die Betriebspartner erkennbar die durch die Betriebsänderung möglichen wirtschaftlichen Nachteile für alle Arbeitnehmer nur abstrakt, d.h., ohne Berücksichtigung der tatsächlich eintretenden Nachteile ausgleichen. Für den Willen, mögliche Nachteile pauschal auszugleichen, spricht auch der Umstand, daß die Höchstbeträge der Abfindungsansprüche für ältere Arbeitnehmer ab Vollendung des 56. Lebensjahres mit zunehmendem Alter verringert werden. Dies läßt erkennen, daß der Sozialplan davon ausgeht, daß die wirtschaftlichen Nachteile für ältere Mitarbeiter um so geringer werden, je mehr sie sich dem Rentenalter nähern. Dies ist in abstrakter Weise – ohne auf den konkreten Einzelfall abzustellen – durch eine Verringerung der Abfindungshöchstbeträge je nach der Höhe des Lebensalters berücksichtigt worden.

Ein solcher pauschalierter Nachteilsausgleich ist in einem von den Betriebspartnern erstellten Sozialplan grundsätzlich zulässig (BAG Urteile vom 24. November 1993 – 10 AZR 311/93 – AP Nr. 72 zu § 112 BetrVG 1972; vom 27. Juli 1994 – 10 AZR 710/93 – n.v.). Auf Grund dieser pauschalierten Betrachtungsweise widerspricht es auch nicht Sinn und Zweck des Sozialplans, wenn dem Kläger, der durch die Betriebsschließung und den damit verbundenen Verlust der Beschäftigungsmöglichkeit an seinem bisherigen Arbeitsplatz betroffen worden ist, eine Abfindung aus dem Sozialplan zusteht, obwohl ihm unter Umständen wegen des Bezuges einer Erwerbsunfähigkeitsrente ab dem 1. November 1995 ein geringerer wirtschaftlicher Nachteil entstanden ist als gleichaltrigen Arbeitnehmern, welche auf Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe angewiesen sind.

4. Demnach war die entgegenstehende Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das klagestattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zurückzuweisen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Vors. Richter Matthes ist durch Urlaub an der Unterschrift verhindert Dr. Jobs, Dr. Jobs, Böck, Staedtler, Tirre

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1254422

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