Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialplanabfindung bei Aufhebungsvertrag

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Betriebspartner können in einem Sozialplan vereinbaren, daß Arbeitnehmer, die nach Bekanntwerden eines vom Arbeitgeber zunächst geplanten Personalabbaues einen Aufhebungsvertrag vereinbart haben, eine geringere Abfindung erhalten als diejenigen, welche eine solche Beendigungsvereinbarung erst nach der später erfolgten Mitteilung des Arbeitgebers geschlossen haben, er beabsichtige, den Betrieb stillzulegen.

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Entscheidung vom 10.11.1992; Aktenzeichen 13 (6) Sa 585/92)

ArbG Siegen (Entscheidung vom 14.02.1992; Aktenzeichen 3 Ca 1112/91)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe einer Sozialplanabfindung.

Der Kläger war seit dem 1. November 1978 als Systementwickler im Werk E der Beklagten für ein Bruttomonatsgehalt von zuletzt 6.399,00 DM beschäftigt.

Am 8. Oktober 1990 teilte die Beklagte auf einer Betriebsversammlung mit, es müßten im Jahre 1991 noch 300 und im Jahre 1992 weitere 200 der insgesamt etwa 1.000 Arbeitnehmer entlassen werden.

Am 14. Dezember 1990 schlossen die Parteien daraufhin einen Aufhebungsvertrag, der - soweit vorliegend von Interesse - wie folgt lautet:

"1. Das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis

wird wegen Arbeitsmangel in gegenseitigem

Einvernehmen mit dem 30. Juni 1991 frist- und

formgerecht beendet.

2. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ge-

währen wir Ihnen einen einmaligen Abfindungs-

betrag in Höhe von brutto DM 30.000,00

(dreißigtausend), der wie folgt zur Auszah-

lung kommt:

DM 24.000,00 im Dezember 1990

DM 6.000,00 im Juni 1991

3. ...

4. Sollte noch während des Beschäftigungsver-

hältnisses ein Sozialplan für das Werk E

abgeschlossen werden, dessen Bedingungen

für Sie günstiger sind, so gelten diese an-

stelle der in Ziffer 2 genannten.

5. Sie werden ab dem 1. Januar 1991 bis 30. Juni

1991 unter Fortzahlung Ihrer vertragsgemäßen

Bezüge von Ihren Dienstleistungsverpflichtun-

gen beurlaubt, womit alle etwaigen Restur-

laubsansprüche abgegolten sind.

..."

Am 20. Dezember 1990 teilte die Beklagte ihren Mitarbeitern mit, das Werk E solle insgesamt oder in Teilen verkauft oder in einen Industriepark umgewandelt werden; sollte dies nicht gelingen, werde es zum 31. Dezember 1992 geschlossen.

Am 30. Januar 1991 vereinbarte die Beklagte mit dem bei ihr gewählten Betriebsrat einen Sozialplan, der - soweit hier von Bedeutung - folgenden Wortlaut hat:

"...

2. Personenkreis:

Betroffen und berechtigt sind damit sämtliche

Arbeitnehmer des Werkes E im Sinne

des § 5 Abs. 1 BetrVG, die sich am 08/10/1990

in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis be-

fanden.

Hierzu zählen hinsichtlich der Abfindungsre-

gelungen auch diejenigen Arbeitnehmer, die

nach dem 08/10/1990 durch Beendigungsverein-

barung aus dem Unternehmen ausgeschieden sind

oder noch ausscheiden.

...

3. ...

4. ...

5. Abfindungen

Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis durch

betriebsbedingte Kündigung oder durch nach

dem 20/12/1990 abgeschlossene Beendigungsver-

einbarung endet bzw. geendet hat, erhalten

eine volle Abfindung.

Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis durch

eine nach dem 08/10/1990, aber vor dem

20/12/1990 geschlossene Beendigungsvereinba-

rung endet bzw. geendet hat, erhalten 50 %

der im folgenden angesetzten Abfindung.

Auf diese Abfindungen werden bereits in den

Aufhebungsverträgen vereinbarte Abfindungen

angerechnet.

..."

Die erste Rate (24.000,00 DM) der im Aufhebungsvertrag vereinbarten Abfindung zahlte die Beklagte dem Kläger im Dezember 1990 aus.

Mit Schreiben vom 11. Juni 1991 teilte sie ihm u. a. folgendes mit:

"Bezugnehmend auf den Punkt 4 des Aufhebungsver-

trages vom 14. Dezember 1990 erfolgt eine Nachbe-

rechnung der Abfindungssumme. Dies bedeutet:

1. Sie erhalten mit der letzten Gehaltsabrechnung

(Juni 1991) eine Summe von gesamt brutto

DM 32.856,00 (zweiunddreißigtausendachthun-

dertsechsundfünfzig).

..."

Diese "Nachberechnung" erläuterte die Beklagte dem Kläger fernmündlich und nochmals mit Schreiben vom 9. Juli 1991, in dem es u. a. heißt:

"...

Auf Grundlage des Sozialplans vom 30. Januar 1991

berechnet sich Ihre Abfindung wie folgt:

6.500,00 DM x 0,80 Pkt. x 12 Jahre = 62.400,00 DM

Vermögenswirksame Leistungen

6 x 52,00 DM = 312,00 DM

------------

Zwischensumme Regelabfindung = 62.712,00 DM

Ihr Abfindungsanspruch gemäß

Sozialplan 50 % = 31.356,00 DM

einmaliger Zuschuß für das Ver-

sorgungswerk = 1.500,00 DM

------------

32.856,00 DM

bereits gezahlter Vorschuß auf

die Abfindung = 24.000,00 DM

------------

Nachzahlung Abfindung = 8.856,00 DM

Bei der Ihnen mit Schreiben vom 11. Juni 1991

mitgeteilten Nachzahlung handelt es sich, wie

Ihnen bereits mündlich von Herrn T im Beisein

von Frau S sowie von mir fernmündlich er-

läutert wurde, um die Abfindung gesamt brutto.

Von dieser wurde die bereits geleistete Voraus-

zahlung in Höhe von 24.000,00 DM abgezogen.

..."

Die Beklagte zahlte an den Kläger daraufhin 8.856,00 DM aus.

Der Kläger trägt vor, Grund für den Abschluß des Aufhebungsvertrages mit der Beklagten sei deren Ankündigung im Oktober 1990 gewesen, die Zahl der Arbeitsplätze im Werk E von 1.100 auf 600 zu verringern. Es sei ihm mitgeteilt worden, sein Arbeitsplatz werde vom geplanten Personalabbau betroffen, man wolle aber prüfen, ob er im N Werk der Beklagten eingesetzt werden könne. Gleichzeitig habe ihm die Beklagte eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen eine Abfindungszahlung angeboten. Zunächst habe er sich mit einer Weiterbeschäftigung in N einverstanden erklärt. Bevor die Beklagte aber über diese Weiterbeschäftigung endgültig entschieden gehabt habe, habe er ein Stellenangebot im Raum Frankfurt und das Angebot der Beklagten zum Abschluß eines Aufhebungsvertrages angenommen. Im Raum Frankfurt verdiene er nur unwesentlich mehr als bei der Beklagten, obwohl der Lebensstandard in dieser Gegend erheblich teurer sei.

Der Kläger hält die im Sozialplan getroffene Regelung, nach welcher Arbeitnehmer, die mit der Beklagten nach dem 8. Oktober 1990 und vor dem 20. Dezember 1990 Beendigungsvereinbarungen geschlossen haben, nur 50 % der vollen Abfindung erhalten, für unwirksam.

Nach Meinung des Klägers verstößt diese Bestimmung gegen das Gleichbehandlungsgebot. Es gebe keinen Grund, Arbeitnehmer, die nach dem 8. Oktober 1990, aber vor dem 20. Dezember 1990 Aufhebungsverträge mit der Beklagten geschlossen hätten, hinsichtlich der Höhe der Abfindungen anders zu behandeln als solche Arbeitnehmer, die infolge nach dem 19. Dezember 1990 Aufhebungsverträge vereinbart hätten. Auch gebe es keinen sachlichen Grund dafür, Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen nach dem 8. Oktober 1990 und vor dem 20. Dezember 1990 gekündigt worden sei, besserzustellen, als solche, deren Arbeitsverhältnis auf Grund eines in diesem Zeitraum geschlossenen Aufhebungsvertrages geendet habe.

Er errechnet für sich einen vollen Abfindungsanspruch von 64.212,00 DM. Da er nur 32.856,00 DM erhalten habe, stehe noch ein Restbetrag von 31.356,00 DM offen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte wird verurteilt, an ihn 31.356,00 DM

brutto nebst 4 % Zinsen aus dem Nettobetrag seit

Klagezustellung zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, sie habe ihren Arbeitnehmern am 8. Oktober 1990 mitgeteilt, daß ihr Werk E rekonstruiert werden müsse und eine Verringerung der Arbeitsplätze von 1.100 um 300 im Jahre 1991 und 200 im Jahre 1992 geplant sei. Von einer Betriebsstillegung sei damals noch nicht die Rede gewesen. Zwar wäre von dieser Betriebseinschränkung auch der Arbeitsplatz des Klägers betroffen gewesen, jedoch hätte dieser auf Grund der erforderlichen sozialen Auswahl auf einem anderen Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden müssen.

Die Beklagte meint, die in Ziff. 5 Abs. 2 des Sozialplanes enthaltene Regelung sei wirksam. Es sei sachlich gerechtfertigt, den Arbeitnehmern, die vor der Bekanntgabe der geplanten Betriebsschließung am 20. Dezember 1990 eine Beendigungsvereinbarung getroffen hätten, eine um 50 % geringere Abfindung zu zahlen als denjenigen, die erst nach dieser Bekanntgabe einen Auflösungsvertrag abgeschlossen hätten.

Arbeitnehmer, welche früher als andere aus ihrem Betrieb ausgeschieden seien, hätten eine bessere Arbeitsmarktsituation vorgefunden, weshalb die auszugleichenden Nachteile geringer zu bewerten gewesen seien. Es sei auch gerechtfertigt, daß gemäß Ziff. 5 des Sozialplanes auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Beendigungsvereinbarung abgestellt werde und nicht auf den Tag der rechtlichen oder tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Nach den Erfahrungen des Arbeitslebens sei davon auszugehen, daß diejenigen Arbeitnehmer, die freiwillig eine Aufhebungsvereinbarung schlössen, sich spätestens mit deren Abschluß am Arbeitsmarkt nach einem neuen Arbeitsplatz umsähen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat das arbeitsgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.

Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen Klageanspruch weiter, die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Dem Kläger steht gemäß Ziff. 5 Abs. 2 des Sozialplanes vom 30. Januar 1991 nur eine Abfindung in Höhe von 50 % des vollen Abfindungsbetrages zu.

I. Das Landesarbeitsgericht hält die in Ziff. 5 Abs. 2 des Sozialplanes getroffene Regelung, daß Arbeitnehmer, die durch eine nach dem 8. Oktober 1990 und vor dem 20. Dezember 1990 geschlossene Beendigungsvereinbarung bei der Beklagten ausgeschieden sind, nur 50 % der vollen Abfindung erhalten, für rechtswirksam.

Es geht davon aus, daß die Betriebsparteien bei den Regelungen des Sozialplanes einen weiten Regelungsspielraum haben und grundsätzlich frei sind, darüber zu entscheiden, welche Nachteile, die der Verlust eines Arbeitsplatzes mit sich bringt, durch eine Abfindung ausgeglichen werden sollen. Es sei jedoch nach § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG Pflicht des Arbeitgebers und des Betriebsrates, darüber zu wachen, daß alle im Betrieb tätigen Arbeitnehmer nach Recht und Billigkeit behandelt würden. Der wichtigste Unterfall dieser Behandlung nach Recht und Billigkeit sei der Gleichbehandlungsgrundsatz.

Das Landesarbeitsgericht kommt zu dem Ergebnis, die Betriebsparteien hätten bei Abschluß des Sozialplanes vom 30. Januar 1991 die Grenzen von Recht und Billigkeit nicht überschritten, weil die Regelung der Ziff. 5 Abs. 2 des Sozialplanes sachlich gerechtfertigt sei. So sei es nicht sachfremd, wenn im Sozialplan bei der Höhe der Abfindung danach unterschieden werde, ob Arbeitnehmer infolge vor oder am bzw. nach dem 20. Dezember 1990 abgeschlossener Aufhebungsverträge ausgeschieden seien. In einer den Arbeitnehmern eines Betriebes bekannten Krise des Unternehmens seien es nämlich in der Regel die sozial stärkeren Arbeitnehmer, die sich frühzeitig um einen neuen Arbeitsplatz bemühten. Diesen gelinge es auch leichter, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Zu berücksichtigen sei auch, daß Arbeitnehmer, die sich frühzeitig um einen neuen Arbeitsplatz beworben hätten, größere Chancen auf dem Arbeitsmarkt gehabt hätten, als diejenigen, welche solange gewartet hätten, bis die Schließung des Werkes E festgestanden habe.

Einen Anspruch des Klägers auf Zahlung von (32.856 - 8.856 =) 24.000,00 DM auf Grund des Schreibens der Beklagten vom 11. Juni 1991 hat das Landesarbeitsgericht verneint, weil dieses Schreiben nicht als Schuldanerkenntnis auszulegen sei.

II. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist zuzustimmen.

Der Kläger hat nur Anspruch auf eine Abfindung in Höhe von 32.856,00 DM. Dies ist die Hälfte des Betrages, der ihm zugestanden hätte, wenn sein Arbeitsverhältnis auf Grund eines nach dem 19. Dezember 1990 geschlossenen Aufhebungsvertrages oder durch eine betriebsbedingte Kündigung beendet worden wäre.

1. Ziff. 5 Abs. 2 des Sozialplanes vom 30. Januar 1991 bestimmt, daß Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis durch eine nach dem 8. Oktober 1990, aber vor dem 20. Dezember 1990 geschlossene Beendigungsvereinbarung endet bzw. geendet hat, 50 % der nach dem Sozialplan angesetzten Abfindung erhalten. Diese Bestimmung des Sozialplanes ist rechtswirksam.

Grundsätzlich haben die Betriebspartner beim Abschluß eines Sozialplanes einen weiten Ermessensspielraum, ob und wie sie die Nachteile einer Betriebsänderung ausgleichen oder mildern wollen (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts; vgl. BAG Beschluß vom 28. September 1988 - 1 ABR 23/87 - AP Nr. 47 zu § 112 BetrVG 1972, m.w.N.).

Allerdings haben sie nach § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG darüber zu wachen, daß alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden. Dabei ist der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz der wichtigste Unterfall dieser Behandlung der Arbeitnehmer nach Recht und Billigkeit (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts; vgl. BAG Urteil vom 15. Januar 1991 - 1 AZR 80/90 - AP Nr. 57 zu § 112 BetrVG 1972; BAG Urteil vom 11. August 1993 - 10 AZR 558/92 -, zur Veröffentlichung vorgesehen).

Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet eine sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage. Eine Differenzierung ist dann sachfremd, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts; vgl. BAG Urteil vom 28. Oktober 1992 - 10 AZR 129/92 - AP Nr. 66 zu § 112 BetrVG 1972, m.w.N.).

2. Die Bestimmung des Sozialplanes, daß Arbeitnehmer, die auf Grund einer vor dem 20. Dezember 1990 abgeschlossenen Beendigungsvereinbarung bei der Beklagten ausgeschieden sind, einen geringeren Abfindungsanspruch als diejenigen erhalten, deren Arbeitsverhältnis infolge einer später getroffenen Vereinbarung geendet hat, stellt keine sachfremde Ungleichbehandlung dar. Die Regelung hält sich im Rahmen des den Betriebspartnern eingeräumten Regelungsermessens.

a) Für Arbeitnehmer, die vor dem 20. Dezember 1990 zum Abschluß eines Aufhebungsvertrages bereit waren, bestand nämlich eine andere Lage als für diejenigen, welche erst später einen solchen Vertrag abschlossen.

Auf Grund der entsprechenden Mitteilung der Beklagten von Anfang Oktober 1990 stand zunächst nur fest, daß im Werk E etwa 500 von 1.100 Arbeitsplätzen bis Ende 1992 abgebaut werden sollten. Erst am 20. Dezember 1990 wurde durch die Beklagte deren Entschluß mitgeteilt, das Werk zum 31. Dezember 1992 völlig zu schließen, falls sich kein Käufer finden werde. Damit hatten diejenigen Arbeitnehmer, welche vor dem 20. Dezember 1990 einen Aufhebungsvertrag geschlossen hatten, dies zu einem Zeitpunkt getan, als sie zwar einen Verlust ihres Arbeitsplatzes bis Ende 1992 befürchteten, diesen aber nicht als sicher ansehen mußten.

Demgegenüber wußten alle Arbeitnehmer, die nach dem 20. Dezember 1990 eine Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses vereinbarten, daß ihr Arbeitsplatz wegen der geplanten Betriebsschließung spätestens zum 31. Dezember 1992 wegfallen würde, wenn es der Beklagten nicht gelänge, einen Käufer für das Werk E zu finden.

b) Es ist nicht sachfremd, wenn im Sozialplan diese unterschiedliche Situation, in der sich die betreffenden Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Abschlusses ihres Aufhebungsvertrages befunden haben, bei der Höhe der Abfindungen pauschaliert berücksichtigt wird.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß in Sozialplänen die Leistungen zum Ausgleich oder zur Milderung entstandener Nachteile pauschaliert werden dürfen, sofern entweder auf bereits tatsächlich entstandene Nachteile abgestellt oder nach typischerweise zu erwartenden Nachteilen differenziert wird (BAG Beschluß vom 23. April 1985, BAGE 48, 294 = AP Nr. 26 zu § 112 BetrVG 1972). Daraus folgt, daß es den Parteien eines Sozialplanes auch erlaubt ist, typischerweise auf Grund bestimmter Umstände für bestimmte Arbeitnehmergruppen gegenüber anderen eintretende Vorteile, zum Beispiel auf dem Arbeitsmarkt, pauschaliert - beispielsweise durch Kürzung des Abfindungsanspruches - zu berücksichtigen. Dies haben die Betriebsparteien im vorliegenden Sozialplan getan. Sie durften davon ausgehen, daß Arbeitnehmer, die bereits zu einem Zeitpunkt mit der Beklagten eine Beendigungsvereinbarung geschlossen hatten, als ihr Arbeitsplatz zwar gefährdet war, dessen Verlust aber noch nicht feststand, dies deshalb taten, weil sie entweder bereits eine andere Arbeitsstelle gefunden hatten oder sich gute Chancen ausrechneten, eine solche baldmöglichst zu erhalten. Weiter durften die Parteien des Sozialplanes annehmen, daß für alle diejenigen Arbeitnehmer, die erst nach der Bekanntgabe der Betriebsschließungsabsicht durch die Beklagte am 20. Dezember 1990 zum Abschluß eines Aufhebungsvertrages bereit waren, dies nicht so ohne weiteres zu unterstellen sei. Diese Beschäftigten mußten sich nämlich unter dem Druck des fast sicheren Wegfalles ihres Arbeitsplatzes spätestens zum 31. Dezember 1992 um ein neues Arbeitsverhältnisses bemühen. Dadurch verschlechterte sich in der Regel ihre Situation gegenüber der Arbeitnehmergruppe, die bereits vor dem 20. Dezember 1990 einen Aufhebungsvertrag geschlossen hatte. Dies gilt vor allem deshalb, weil davon auszugehen war, daß nach Bekanntwerden der endgültigen Schließungsabsicht eine Vielzahl von Arbeitnehmern des Werkes E auf einen nur begrenzt aufnahmefähigen Arbeitsmarkt drängen würde.

Es ist nicht sachfremd, wenn die Betriebsparteien diese erschwerten Bedingungen der Arbeitsplatzsuche bei der Abfindungshöhe ebenso mitberücksichtigen wie den Erfahrungswert, daß die Arbeitnehmer, die vor dem 20. Dezember 1990 einen Aufhebungsvertrag geschlossen hatten, häufig bereits einen Arbeitsplatz gefunden hatten bzw. sich auf Grund ihrer persönlichen Umstände bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt ausrechneten.

Diese Vorteile durften die Betriebsparteien im Sozialplan mit einem 50 %igen Abschlag von der Abfindung pauschal berücksichtigen, ohne daß es darauf ankommt, ob alle diese Arbeitnehmer im Endergebnis tatsächlich wirtschaftlich weniger betroffen werden als diejenigen, welche ihren Aufhebungsvertrag erst nach dem 19. Dezember 1990 abgeschlossen hatten.

3. Ziff. 5 Abs. 2 des Sozialplanes führt auch nicht zu einer unzulässigen Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer, die vor dem 20. Dezember 1990 eine Beendigungsvereinbarung abgeschlossen haben, mit denjenigen, denen betriebsbedingt gekündigt worden ist.

a) Nach dem Wortlaut der Ziff. 5 Abs. 1 des Sozialplanes erhalten alle betriebsbedingt gekündigten Arbeitnehmer - unabhängig vom Zeitpunkt des Kündigungsausspruches und des Kündigungstermins - eine ungekürzte Abfindung. Daraus folgt, daß dieser volle Abfindungsanspruch auch den Arbeitnehmern zusteht, denen nach dem 8. Oktober 1990 und vor dem 20. Dezember 1990 eine betriebsbedingte Kündigung zugegangen ist.

Es erscheint grundsätzlich nicht schwierig, wenn für diesen Zeitraum zwischen betriebsbedingt gekündigten Arbeitnehmern und solchen, die keinen Aufhebungsvertrag geschlossen haben, hinsichtlich der Höhe der Abfindung unterschieden wird. Bei Arbeitnehmern, die keinen Aufhebungsvertrag schließen, können die Betriebspartner davon ausgehen, daß diese einen neuen Arbeitsplatz gefunden oder zumindest in Aussicht haben. Bei gekündigten Arbeitnehmern ist eine solche Annahme regelmäßig nicht gerechtfertigt. Die Gefahr, arbeitslos zu werden und u.U. längere Zeit zu bleiben, ist bei ihnen weitaus größer, so daß auch eine höhere Abfindung gerechtfertigt ist.

b) Der Senat braucht diese Frage nicht abschließend zu entscheiden. Weder aus dem Sachvortrag des Klägers noch aus den vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen ist ersichtlich, daß die Beklagte schon vor dem 20. Dezember 1990 im Hinblick auf die beabsichtigte Betriebsänderung überhaupt betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen hat. Sind aber in dieser Zeit keine betriebsbedingten Kündigungen erfolgt, kann es auch nicht zu einer möglicherweise unzulässigen Ungleichbehandlung betriebsbedingt gekündigter Mitarbeiter mit solchen gekommen sein, die auf Grund einer in diesem Zeitraum geschlossenen Beendigungsvereinbarung bei der Beklagten ausgeschieden sind.

4. Ein Anspruch des Klägers auf eine Abfindungszahlung in Höhe von 24.000,00 DM ergibt sich auch nicht auf Grund des Schreibens der Beklagten vom 11. Juni 1991, in welchem ihm die Zahlung von 32.856,00 DM mit der Gehaltsabrechnung für Juni 1991 angekündigt worden ist.

Das Landesarbeitsgericht hat unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils zu Recht festgestellt, daß dieses Schreiben nicht als Schuldanerkenntnis ausgelegt werden kann.

Der Kläger als Empfänger durfte die Erklärung der Beklagten nicht so verstehen, daß diese ihm über die bereits auf Grund des Aufhebungsvertrages bezahlten 24.000,00 DM hinaus noch 32.856,00 DM als Abfindung zahlen wollte. Vielmehr mußte er erkennen, daß die Beklagte ihm nur den Gesamtbetrag seines Abfindungsanspruches nach dem Sozialplan mitteilen wollte, auf den vereinbarungsgemäß die bereits auf Grund des Aufhebungsvertrages geleisteten Abfindungszahlungen angerechnet werden sollten. Dies ergibt sich u. a. daraus, daß im Schreiben vom 11. Juni 1991 ausdrücklich auf Ziff. 4 des Aufhebungsvertrages Bezug genommen wird.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Matthes Richter Dr. Freitag ist Böck

durch Urlaub an der

Unterschrift verhindert.

Matthes

Schömburg Wolf

 

Fundstellen

BB 1994, 723

DB 1994, 1043-1044 (LT1)

BetrR 1995, 103-104 (LT1)

BetrVG, (2) (LT1)

EWiR 1994, 739 (S)

NZA 1994, 716

NZA 1994, 716-718 (LT1)

ZIP 1994, 904

ZIP 1994, 904-907 (LT1)

AP § 112 BetrVG 1972 (LT1), Nr 72

AR-Blattei, ES 1470 Nr 53 (LT1)

EzA-SD 1994, Nr 6, 9-11 (LT1)

EzA § 112 BetrVG 1972, Nr 71 (LT1)

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