Entscheidungsstichwort (Thema)

Verzicht auf Wettbewerbsverbot

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Kündigt ein Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitnehmer ordentlich, so kann er gleichzeitig auf die Einhaltung eines vereinbarten Wettbewerbsverbots verzichten (§ 75a HGB). Der Verzicht bewirkt, daß die Verpflichtung zur Unterlassung von Wettbewerb sofort endet, der Arbeitgeber aber noch für die Dauer eines Jahres zur Zahlung der Karenzentschädigung verpflichtet ist.

2. Kündigt der Arbeitgeber im Anschluß an einen Verzicht auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbots berechtigt außerordentlich, so verliert der Arbeit nehmer den Anspruch auf Karenzentschädigung, ohne daß der Arbeitgeber eine weitere Erklärung zum Wettbewerbsverbot abzugeben braucht.

 

Verfahrensgang

LAG Nürnberg (Entscheidung vom 12.12.1985; Aktenzeichen 4 Sa 89/84)

ArbG Würzburg (Entscheidung vom 18.07.1984; Aktenzeichen 8 Ca 54/84 A)

 

Tatbestand

Der Kläger trat am 1. Oktober 1978 als Diplom-Betriebswirt zum Aufbau und zur Geschäftsführung einer Herstellungs- und Vertriebsabteilung für Werbeträger in die Dienste der Beklagten. In seinem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 2. August 1978 verpflichtete er sich, nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis für die Dauer von zwei Jahren weder eine Stellung in einem Konkurrenzunternehmen anzunehmen noch sich an einem solchen mittelbar oder unmittelbar zu beteiligen oder es mit Rat oder Tat zu unterstützen. Dafür sagte ihm die Beklagte für die Dauer des Wettbewerbsverbots eine Entschädigung in Höhe von 50 % der Bezüge zu, die in den letzten zwölf Monaten bezahlt wurden. Besondere Vergütungen wie Gratifikationen sollten nicht mitgerechnet werden. Am 4. November 1980 kündigte die Beklagte fristgemäß zum 30. Juni 1981. Zugleich verzichtete sie auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbots. Wegen der Kündigung erhob der Kläger Kündigungsschutzklage. Am 27. November 1980 entließ ihn die Beklagte fristlos. Auch deswegen erhob der Kläger Klage. Der Rechtsstreit über die ordentliche Kündigung wurde zunächst ausgesetzt. Wegen der außerordentlichen Kündigung war die Klage beim Arbeitsgericht erfolgreich. Auf die Berufung der Beklagten wurde sie durch Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 28. April 1983 abgewiesen. Das Urteil wurde dem Kläger am 3. Oktober 1983 zugestellt. Darauf wurde die Kündigungsschutzklage wegen der ordentlichen Kündigung am 10. November 1983 durch Vergleich beigelegt. Mit einer am 22. Februar 1984 bei Gericht eingegangenen Klage verlangt der Kläger eine Karenzentschädigung für die Zeit vom 4. November 1980 bis zum 3. November 1981, deren Höhe von den Parteien mit 15.338,70 DM unstreitig gestellt ist. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, für die Dauer eines Jahres Karenzentschädigung zu zahlen. Er hat vorgetragen, sie habe im Zusammenhang mit der außerordentlichen Kündigung nicht auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbots verzichtet. Die Einrede der Verjährung sei ungerechtfertigt. Die Verjährungsfrist habe erst nach rechtskräftigem Abschluß der Rechtsstreitigkeiten über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu laufen begonnen. Vorher sei ihm auch nicht zuzumuten gewesen, Klage zu erheben und einen ungewissen Prozeß anzustrengen. Zumindest verstoße die Beklagte gegen Treu und Glauben, wenn sie sich auf den Ablauf der Verjährungsfrist berufe. Noch während der Streitigkeiten um den Bestand des Arbeitsverhältnisses sei immer wieder über die Karenzentschädigung gesprochen worden. Auch habe die Beklagte eine Abfindung wegen des sozialen Besitzstandes angeboten, in deren Berechnung sie die Karenzentschädigung einbezogen habe.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn

15.338,70 DM nebst 4 % Zinsen seit dem

28. Februar 1984 für die Zeit vom 4.

November 1980 bis 3. November 1981 zu

zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, sie habe auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbots verzichtet. Diesem Verzicht komme auch Bedeutung im Zusammenhang mit der außerordentlichen Kündigung zu. In jedem Fall sei jedoch der Anspruch auf Zahlung einer Karenzentschädigung verjährt. Dem Kläger sei ohne weiteres zuzumuten gewesen, fristgemäß eine Eventualklage auf deren Zahlung zu erheben. Sie habe in den Rechtsstreitigkeiten um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses keinen Zweifel daran gelassen, daß sie nicht gewillt sei, zu zahlen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich dessen Revision.

 

Entscheidungsgründe

Der Kläger kann von der Beklagten keine Karenzentschädigung verlangen. Der Anspruch auf Zahlung ist infolge der außerordentlichen Kündigung nach dem Verzicht auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbots erloschen.

1. Nach § 74 Abs. 2 HGB kann der Arbeitnehmer für die Dauer eines Wettbewerbsverbots eine Entschädigung verlangen, die für jedes Jahr des Verbots mindestens die Hälfte der von dem Arbeitnehmer zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreicht. Der Kläger hat in seinem Arbeitsvertrag die Verpflichtung zur Einhaltung eines zweijährigen Wettbewerbsverbots übernommen. Dieses Verbot war allerdings unverbindlich, weil von der Berechnung der Karenzentschädigung freiwillige Gratifikationsleistungen ausgenommen worden sind. Dies war unwirksam (BAG Urteil vom 21. Januar 1972 - 3 AZR 117/71 -, AP Nr. 30 zu § 74 HGB = BB 1972, 1094 = DB 1972, 830). Gleichwohl kann sich der Arbeitnehmer für die Einhaltung des Wettbewerbsverbots entscheiden und Zahlung der vereinbarten Karenzentschädigung verlangen, ohne daß der Arbeitgeber hiergegen etwas unternehmen kann. Die zu zahlende Karenzentschädigung haben die Parteien unstreitig gestellt.

2. Die Beklagte hat mit der ordentlichen Kündigung vom 4. November 1980 auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbots verzichtet. Nach § 75 a HGB kann der Arbeitgeber vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch schriftliche Erklärung auf das Wettbewerbsverbot verzichten. Ein derartiger Verzicht hat zwei Wirkungen. Für den Arbeitnehmer erlischt die Verpflichtung zur Unterlassung des Wettbewerbs. Dagegen wird der Arbeitgeber erst mit Ablauf eines Jahres von der Zahlung einer Karenzentschädigung frei. Seit dem Zugang der ordentlichen Kündigung und dem Verzicht auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbots stand für den Kläger fest, daß er nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zur Unterlassung von Wettbewerb verpflichtet war.

3. Der Anspruch auf Karenzentschädigung für die Dauer eines Jahres ist infolge der außerordentlichen Kündigung erloschen.

a) Nach § 75 Abs. 3 HGB kann der Arbeitnehmer von dem Arbeitgeber keine Karenzentschädigung verlangen, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis berechtigt aus wichtigem Grund außerordentlich kündigt. Aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 28. April 1983 (5 Sa 59/82) steht fest, daß die außerordentliche Kündigung vom 27. November 1980 wirksam war.

Das Bundesarbeitsgericht hat jedoch festgestellt, daß § 75 Abs. 3 HGB verfassungswidrig und damit nichtig ist (BAGE 29, 30 = AP Nr. 6 zu § 75 HGB). Zu dieser Feststellung kann der Senat bei Normen vorkonstitutionellen Rechts kommen, ohne das Bundesverfassungsgericht im Wege des Normenkontrollverfahrens anzurufen (Art. 100 GG). Nichtig ist § 75 Abs. 3 HGB, weil die Rechtsfolgen bei einer außerordentlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses für Arbeitnehmer und Arbeitgeber ohne sachlichen Grund unterschiedlich geregelt sind. Der Arbeitnehmer, der durch vertragswidriges Verhalten des Arbeitgebers zu einer außerordentlichen Kündigung gezwungen wird, erhält lediglich die Möglichkeit, sich innerhalb eines Monats von der Wettbewerbsvereinbarung loszusagen; er soll nach der gesetzlichen Regelung dann aber auch die Karenzentschädigung verlieren. Hingegen soll der Arbeitgeber bei berechtigter außerordentlicher Kündigung den Arbeitnehmer an der Unterlassungsverpflichtung des Wettbewerbsverbots festhalten können, ohne Karenzentschädigung zahlen zu müssen. Eine so ungleiche Regelung ist willkürlich und verstößt gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

Der Senat hat die Regelungslücke, die infolge der Nichtigkeit des § 75 Abs. 3 HGB erwachsen ist, durch entsprechende Anwendung von § 75 Abs. 1 HGB geschlossen. Hiernach erlangt der Arbeitgeber ein Wahlrecht. Er kann entweder das Wettbewerbsverbot bestehen lassen; dann bleibt er auch zur Zahlung der Karenzentschädigung verpflichtet. Er kann auch durch schriftliche Erklärung binnen Monatsfrist die Unterlassungsverpflichtung des Arbeitnehmers beseitigen; in diesem Falle wird er von der Zahlung einer Karenzentschädigung frei. Der Arbeitgeber gewinnt mithin die Freiheit, bei der berechtigten fristlosen Entlassung die sich für ihn ergebenden Vor- und Nachteile eines Wettbewerbsverbots abzuschätzen.

b) Infolge des Verzichts auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbots mit der Kündigung vom 4. November 1980 war die Unterlassungsverpflichtung aus dem Wettbewerbsverbot bereits beseitigt. Für den Kläger bestand Rechtsklarheit, daß er nicht mehr zur Einhaltung des Wettbewerbsverbots gezwungen war. Hieran war auch durch eine weitere Erklärung im Zusammenhang mit der außerordentlichen Kündigung nichts zu ändern. Eines bloßen Hinweises auf den Wegfall der Karenzentschädigung bedurfte es nicht, weil in § 75 Abs. 1 HGB allein auf die Unterlassungsverpflichtung des Arbeitnehmers abgestellt ist. Der Verlust der Karenzentschädigung war die Folge der Beendigung des Wettbewerbsverbots.

Schaub Dr. Freitag Griebeling

Fieberg Schoden

 

Fundstellen

BB 1987, 1390

DB 1987, 1444-1444 (LT1-2)

NJW 1987, 2768

NJW 1987, 2768-2768 (LT1-2)

AuB 1987, 334-334 (T)

AuB 1988, 233 (P)

Stbg 1987, 304-304 (T)

Stbg 1988, 232 (T)

JR 1987, 440

NZA 1987, 453-454 (LT1-2)

RdA 1987, 192

AP § 75a HGB (LT1-2), Nr 4

EzA § 75 HGB, Nr 14 (LT1-2)

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