Entscheidungsstichwort (Thema)

Anderweitiger Ausgleich für Psychiatrie-Zulage

 

Leitsatz (redaktionell)

Der nach § 49 Abs 1 BAT iVm § 5 Abs 1 S 2 UrlV BY gewährte Zusatzurlaub für Arbeitnehmer in psychiatrischen Einrichtungen ist anderweitiger Ausgleich im Sinne von § 33 Abs 1 Buchst c BAT hinsichtlich der allgemeinen Psychiatrie-Zulage.

 

Normenkette

BAT §§ 49, 33 Abs. 6, 1 Buchst. c; UrlV BY § 5 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

LAG München (Entscheidung vom 27.11.1986; Aktenzeichen 7 Sa 249/86)

ArbG München (Entscheidung vom 17.10.1985; Aktenzeichen 9 Ca 2434/85)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine monatliche Zulage in Höhe von 30,-- DM nach § 33 Abs. 1 Buchst. c BAT.

Der Kläger ist bei dem Beklagten als Krankenpfleger im Bezirkskrankenhaus H, einem psychiatrischen Krankenhaus, beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft einzelvertraglicher Vereinbarung die Bestimmungen des BAT und die zu seiner Änderung und Ergänzung abgeschlossenen Tarifverträge Anwendung.

§ 33 BAT hat - soweit es hier interessiert - folgenden Wortlaut:

"(1) Der Angestellte erhält für die Zeit, für die

ihm Vergütung (§ 26) zusteht, eine Zulage,

a) ...

b) ...

c) wenn er regelmäßig und nicht nur in unerheb-

lichem Umfang besonders gefährliche oder ge-

sundheitsschädliche Arbeiten auszuführen hat

und hierfür kein anderweitiger Ausgleich zu

gewähren ist.

.....

(6) Unter welchen Voraussetzungen im Falle des

Absatzes 1 Buchst. c eine Arbeit als beson-

ders gefährlich oder gesundheitsschädlich anzu-

sehen ist und in welcher Höhe die Zulage nach

Absatz 1 Buchst. c zu gewähren ist, wird

zwischen dem Bund, der Tarifgemeinschaft

deutscher Länder, der Vereinigung der kommu-

nalen Arbeitgeberverbände und den vertrag-

schließenden Gewerkschaften jeweils gesondert

vereinbart. In den Vereinbarungen können auch

Bestimmungen über eine Pauschalierung getroffen

werden."

§ 1 Abs. 1 des hierzu ergangenen Zulagen-TV vom

11. Januar 1962 enthält folgende Regelung:

"Zulagen in Monatsbeträgen erhalten:

....

5. Pflegepersonen in psychiatrischen

Krankenhäusern (Heil- und Pflegeanstalten) oder

psychiatrischen Kliniken, Abteilungen oder

Stationen,

Pflegestationen in neurologischen Kliniken, Abtei-

lungen oder Stationen, die ständig geisteskranke

Patienten pflegen,

Angestellte in psychiatrischen oder neurologischen

Krankenhäusern, Kliniken oder Abteilungen, die im

EEG-Dienst oder in der Röntgendiagonstik ständig

mit geisteskranken Patienten Umgang haben,

Angestellte der Krankengymnastik, die überwiegend

mit geisteskranken Patienten Umgang haben,

sonstige Angestellte, die ständig mit geisteskranken

Patienten zu arbeitstherapeutischen Zwecken zusammen-

arbeiten oder sie hierbei beaufsichtigen .....

30,-- DM

...."

Bis einschließlich Juni 1983 erhielt der Kläger ebenso wie das übrige Pflegepersonal des Bezirkskrankenhauses H eine monatliche Zulage von 30,-- DM. Ab 1. Juli 1983 stellte der Beklagte die Zahlung ein, weil dem Kläger gemäß § 49 Abs. 1 BAT in Verb. mit § 5 Abs. 1 Satz 2 BayUrlVO Zusatzurlaub von jährlich vier Arbeitstagen gewährt werde. § 49 Abs. 1 BAT hat folgenden Wortlaut:

"Für die Gewährung eines Zusatzurlaubs

sind hinsichtlich des Grundes und der

Dauer die für die Beamten des Arbeit-

gebers jeweils maßgebenden Bestimmungen

sinngemäß anzuwenden. ....."

Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 BayUrlVO erhalten Beamte einen jährlichen Zusatzurlaub von vier Arbeitstagen, "die in psychiatrischen Einrichtungen tätig sind und überwiegend in unmittelbarem Kontakt mit den Kranken stehen".

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die tariflichen Voraussetzungen der Zulage seien gegeben. Denn der Zusatzurlaub nach § 5 Abs. 1 Satz 2 BayUrlVO sei kein anderweitiger Ausgleich im Sinne von § 33 Abs. 1 Buchst. c BAT. Für die Zeit von Juli 1984 bis Februar 1985 hat er seinen Anspruch mit Schreiben vom 13. Dezember 1984 in Höhe von 240,-- DM gegenüber dem Beklagten erfolglos geltend gemacht.

Der Kläger hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger

DM 240,-- Zulage gem. § 33 Abs. 1 Buchst. c

BAT für die Monate von Juli 1984 bis einschl.

Februar 1985 zu bezahlen,

2. festzustellen, daß der Kläger über den

28. Februar 1985 hinaus Anspruch auf die monat-

liche Zulage gem. § 33 Abs. 1 Buchst. c BAT in

Verb. mit dem Tarifvertrag über die Gewährung

von Zulagen hat.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Zusatzurlaub nach § 49 Abs. 1 Satz 1 BAT in Verb. mit § 5 Abs. 1 der BayUrlVO sei ein anderweitiger Ausgleich im Sinne von § 33 Abs. 1 Buchst. c BAT für die vom Kläger ausgeübte gesundheitsschädliche Arbeit. Dem stehe nicht entgegen, daß die Zulage schon von dem Zeitpunkt an gewährt werde, von dem die entsprechende Tätigkeit ausgeübt werde, während der Zusatzurlaub erst mit dem Haupturlaubsanspruch fällig werde. Soweit Teilurlaubsansprüche verfielen, liege eben kein anderweitiger Ausgleich vor, so daß in diesen Ausnahmefällen die Zulage zu zahlen sei.

Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.

Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zulage nach § 33 Abs. 1 Buchst. c BAT.

I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, unter "anderweitiger Ausgleich" im Sinne des § 33 Abs. 1 Buchst. c BAT sei eine Gegenleistung des Arbeitgebers für die mit der gewöhnlichen Vergütung nicht abgegoltenen besonderen Erschwernisse der beruflichen Arbeit zu verstehen. Ein anderweitiger Ausgleich sei deshalb gegeben, wenn für diese Erschwernisse bereits eine andere Gegenleistung gewährt werde. Die hier streitige allgemeine Psychiatriezulage werde aber nach Sinn und Zweck der Tarifnorm für die gleichen Erschwernisse gezahlt, für die auch der Zusatzurlaub nach § 5 Abs. 1 Satz 2 BayUrlVO gewährt werde. Die unterschiedliche Fälligkeit der beiden Ansprüche sei unschädlich, denn § 33 Abs. 1 Buchst. c BAT setze allein voraus, daß überhaupt ein Ausgleich gezahlt werde und stelle nicht auf dessen Fälligkeit ab. Ebensowenig spielten die unterschiedlichen zeitlichen Anforderungen für die beiden Ansprüche eine Rolle, da der hier betroffene Personenkreis regelmäßig die Voraussetzungen für beide Ansprüche erfülle.

Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

II.1.a) Nach § 33 Abs. 1 Buchst. c BAT erhält der Angestellte eine Zulage, wenn er regelmäßig und nicht nur in unerheblichem Umfange besonders gefährliche oder gesundheitsschädliche Arbeiten auszuführen hat und hierfür kein anderweitiger Ausgleich zu gewähren ist. Nach § 33 Abs. 6 BAT wird die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Arbeit als besonders gefährlich oder gesundheitsschädlich anzusehen und in welcher Höhe die Zulage zu gewähren ist, von den Tarifvertragsparteien jeweils gesondert vereinbart. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 des hierzu abgeschlossenen Zulagentarifvertrags vom 11. Januar 1962 (Zulagen-TV) erhalten "Pflegepersonen in psychiatrischen Krankenhäusern ..." eine monatliche Zulage von 30,-- DM. Diese Voraussetzungen des Zulagen-TV werden von dem Kläger unstreitig erfüllt.

b) Der Kläger hat nach § 49 Abs. 1 Satz 1 BAT in Verb. mit § 5 Abs. 1 Satz 2 BayUrlVO aber auch Anspruch auf einen zusätzlichen Urlaub in Höhe von jährlich vier Arbeitstagen, weil er in einer psychiatrischen Einrichtung tätig ist und überwiegend in unmittelbarem Kontakt mit den Kranken steht.

2. Der Kläger erhält mit dem nach § 49 Abs. 1 Satz 1 BAT in Verb. mit § 5 Abs. 1 Satz 2 BayUrlVO gewährten Zusatzurlaub aber einen "anderweitigen Ausgleich" im Sinne von § 33 Abs. 1 Buchst. c BAT.

a) Die Tarifvertragsparteien haben nicht erläutert, was sie unter "anderweitigem Ausgleich" verstehen. Dies ist daher durch Auslegung der Tarifnorm zu ermitteln.

Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien ist über den reinen Wortlaut hinaus mitzuberücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat (BAG Urteil vom 9. März 1983 - 4 AZR 61/80 - BAGE 42, 86 = AP Nr. 128 zu § 1 TVG Auslegung; Urteil vom 12. September 1984 - 4 AZR 336/82 - BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung; BAGE 40, 228, 234 = AP Nr. 3 zu § 76 ArbGG 1979). Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Läßt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages, ggf. auch eine praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. BAGE 42, 86, 89 = AP, aaO; Urteil vom 20. April 1983 - 4 AZR 497/80 - BAGE 42, 244, 254 = AP Nr. 2 zu § 21 TVAL II; BAGE 46, 308, 316 = AP, aaO).

b) Unter Anwendung dieser Auslegungsgrundsätze hat das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen, daß die Tarifvertragsparteien die Zulage als Ausgleich für besonders gefährliche oder gesundheitsschädliche Arbeiten in psychiatrischen Krankenhäusern vorgesehen haben (vgl. BAGE 48, 179, 185 = AP Nr. 11 zu § 33 BAT). Ein anderweitiger Ausgleich kann deshalb denknotwendig nur in einer Gegenleistung des Arbeitgebers gesehen werden, die mit Rücksicht auf eben diese Erschwernisse der beruflichen Tätigkeit in einer psychiatrischen Einrichtung geleistet wird. Dies ergibt sich schon aus der Verwendung des Wortes "hierfür" in § 33 Abs. 1 Buchst. c BAT. Weiter ist zu berücksichtigen, daß das Pflegepersonal in psychiatrischen Krankenhäusern wegen des ständigen Umgangs mit psychisch kranken Menschen psychisch und physisch höhere Anforderungen erfüllen muß als das Pflegepersonal in sonstigen Krankenhäusern. Diese erhöhte Belastung führt zu einer stärkeren psychischen aber auch physischen Erschöpfung des betroffenen Pflegepersonals. Die in § 1 Abs. 1 Nr. 5 Zulagen-TV geregelte allgemeine Psychiatriezulage soll damit diese besonderen gesundheitlichen Erschwernisse abgelten und nicht etwa eine besondere Gefährlichkeit der Arbeit. Dies wird auch daran deutlich, daß Angestellte, die in den geschlossenen Abteilungen psychiatrischer Krankenhäuser arbeiten, also neben den allgemeinen Erschwernissen auch einer besonderen Gefährdung ausgesetzt sind, nach § 9 Abs. 1 des Tarifvertrages über die Zulagen an Angestellte (VkA) vom 17. Mai 1982 eine besondere Zulage in Höhe von 90,-- DM monatlich erhalten.

Der Zusatzurlaub gemäß § 49 Abs. 1 Satz 1 BAT in Verb. mit § 5 Abs. 1 Satz 2 BayUrlVO wird aber ebenfalls wegen der besonderen Erschwernisse der beruflichen Tätigkeit der Arbeitnehmer in psychiatrischen Krankenhäusern gewährt, die überwiegend in Kontakt mit den dort behandelten Patienten arbeiten müssen. Denn diesen Zusatzurlaub erhalten nicht alle Angestellten, die in den betreffenden Krankenhäusern arbeiten, sondern nur diejenigen, die "überwiegend in unmittelbarem Kontakt mit den Kranken stehen". Der Zusatzurlaub soll also dazu dienen, die erhöhten gesundheitlichen Belastungen dieses Personenkreises auszugleichen. Er dient damit dem gleichen Zweck wie die allgemeine Psychiatriezulage und stellt deshalb einen anderweitigen Ausgleich im Sinne von § 33 Abs. 1 Buchst. c BAT dar (so auch Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Stand Dezember 1988, § 33 Erl. 4; Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, Stand Januar 1989, § 33 Rz 37; Uttlinger/Breier/Kiefer, BAT, Stand Januar 1989, § 33 Anhang, Hinweis Buchst. l, Bl. 168.9, jeweils unter Hinweis auf eine Entscheidung des Gruppenausschusses für Kranken- und Pflegeanstalten der VkA vom 4. Dezember 1978 und die 2./79 Mitgliederversammlung der TdL vom 14. März 1979).

c) Zu Unrecht meint die Revision, der Zusatzurlaub werde nach § 5 Abs. 2 Satz 2 BayUrlVO nur gewährt, wenn die entsprechende Tätigkeit in den letzten sechs Monaten vor dem Urlaubsantritt überwiegend angefallen ist. Abgesehen davon, daß diese Einschränkung bei dem Kläger nicht zutrifft, folgt aus der von der Revision vertretenen Auffassung nur, daß eine Zulage nach § 33 Abs. 1 Buchst. c BAT zu zahlen ist, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung von Zusatzurlaub nicht vorliegen.

Entgegen der Auffassung der Revision ist in der Regelung der §§ 33 Abs. 1 Buchst. c BAT und 49 Abs. 1 BAT und des § 5 BayUrlVO auch kein Stufensystem zu sehen. Dafür findet sich in diesen tariflichen Vorschriften kein Anhalt.

Soweit die Revision schließlich auf die langjährige Zahlung der Zulage durch den Beklagten hinweist und damit auf eine entsprechende betriebliche Übung abstellt, kann sie keinen Erfolg haben. Eine betriebliche Übung auf Zahlung einer Zulage entgegen den tariflichen Regelungen kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht zu einem entsprechenden vertraglichen Anspruch des Arbeitnehmers im öffentlichen Dienst führen (BAGE 38, 291 = AP Nr. 5 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bundesbahn; BAGE 52, 33, 49 = AP Nr. 12 zu § 4 BAT; BAG Urteil vom 14. August 1986 - 6 AZR 427/85 - BAGE 52, 340 = AP Nr. 1 zu § 13 TVAng Bundespost).

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Dr. Jobs Dörner Schneider

Wendlandt Carl

 

Fundstellen

Haufe-Index 440623

RdA 1989, 198

ZTR 1989, 274-275 (LT1)

AP § 33 BAT (LT1), Nr 13

EzBAT § 33 BAT, Nr 3 (LT1)

PersR 1990, 86 (L)

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