Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifgeltung im Beitrittsgebiet

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1; BGB § 242

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Urteil vom 13.08.1997; Aktenzeichen 8 Sa 70/97)

ArbG Berlin (Urteil vom 28.02.1997; Aktenzeichen 22 Ca 32863/96)

 

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 13. August 1997 – 8 Sa 70/97 – wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin über den 1. Juli 1996 hinaus die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT) oder des Tarifvertrags zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) vom 10. Dezember 1990 Anwendung finden. Außerdem begehrt die Klägerin für die Zeit vom 2. Februar 1992 bis zum 31. Dezember 1996 die Versicherung bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL).

Die Klägerin war vor dem 3. Oktober 1990 bei der Rechtsvorgängerin des beklagten Landes beschäftigt und von diesem nach Herstellung der Einheit Deutschlands übernommen worden. Im Arbeitsvertrag haben die Parteien die Geltung des BAT-O vereinbart. Nachdem die Klägerin zunächst in einer Dienststelle im ehemaligen Ostberlin beschäftigt worden war, wurde sie mit Wirkung vom 14. Januar 1992 auf nicht absehbare Zeit in eine Dienststelle im ehemaligen Westberlin versetzt. Seit dem 2. Februar 1992 arbeitet die Klägerin wieder im ehemaligen Ostberlin.

Mit Schreiben vom 4. März 1993 teilte das beklagte Land der Klägerin mit:

“Betrifft: Tarifsituation nach der Vereinigung

Hier: Auswirkungen der Urteile des Bundesarbeitsgerichts vom 30. Juli 1992 – 6 AZR 11/92 und 12/92 –

Sehr geehrte Frau S…!

Das Bundesarbeitsgericht hat in den genannten Urteilen festgestellt, daß im Falle von Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis im Beitrittsgebiet begründet wurde und die auf nicht absehbare Zeit in einer im Westteil Berlins gelegenen Dienststelle tätig sind, auf diese Arbeitsverhältnisse das im Westteil Berlins gültige Tarifrecht anzuwenden ist.

Die Geltungsbereichsregelungen des BAT/BAT-O entsprechen der den Urteilen zugrunde liegenden Rechtslage. Deswegen ist es gerechtfertigt und geboten, die Arbeitnehmer des Landes Berlin, die zur Zeit noch nach den Regelungen des BAT-O behandelt werden, mit den vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fällen gleich zu behandeln, sofern sie die vom Bundesarbeitsgericht erkannte tatbestandsmäßige Voraussetzung einer dauerhaften bzw. auf nicht absehbare Zeit bestehenden Beschäftigung im Westteil Berlins erfüllen. Dies gilt auch dann, wenn mit einem solchen im Westteil der Stadt gelegenen “Stamm”-Arbeitsplatz Einsätze im Ostteil der Stadt verbunden sind. Maßgebend für die Prüfung, ob eine dauerhafte bzw. auf nicht absehbare Zeit bestehende Beschäftigung im Westteil der Stadt vorliegt, ist der Zeitpunkt der tatsächlichen Aufnahme der Tätigkeit.

Sie waren vom 14. Januar 1992 bis 01. Februar 1992 auf nicht absehbare Zeit im Westteil der Stadt beschäftigt. Aus den BAG-Urteilen ergibt sich, daß Ihr Arbeitsverhältnis vom Tage der Aufnahme Ihrer dauerhaften Tätigkeit im Westteil der Stadt von den Regelungen des Tarifrechts West erfaßt wird.

Leistungsansprüche können jedoch nur nach Maßgabe der tariflichen Ausschlußfrist erfüllt werden (§ 70 BAT). Sie erhalten daher ab 01. Februar 1992 Bezüge nach den Bestimmungen des BAT.

Ab 01. Februar 1992 entrichten wir für Sie die Beiträge bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) für die Zusatzversorgung. …

Seit dem 14. Februar 1992 sind Sie dauerhaft bzw. auf nicht absehbare Zeit im Ostteil der Stadt beschäftigt. Die Regelungen des BAT sind jedoch auch weiterhin für Ihr Arbeitsverhältnis maßgebend.

…”

Unter dem 16. Januar 1995 richtete das beklagte Land folgendes Schreiben an die Klägerin:

“Betrifft: Ihre Eingruppierung

Sehr geehrte Frau S…!

Seit dem 01. Juli 1991 sind Sie tarifgemäß in VergGr. VIII (Anl. 1 a zum BAT Teil I Vgr VIII Fallgruppe 1 a) eingruppiert.

Ab 01. Oktober 1993 haben wir Ihnen eine Tätigkeit übertragen, die den Tätigkeitsmerkmalen der Vgr VII (Anlage 1 a zum BAT Teil I Vgr VII Fallgruppe 1 b) entspricht.

Die Bewährungszeit für den Bewährungsaufstieg in die Vgr VII BAT Fallgruppe 2 im Teil I der Anlage 1 a zum BAT haben Sie erfüllt. Gemäß § 23 a BAT werden Sie daher mit Wirkung vom 01. Juli 1994 nach Vgr VII BAT Fallgruppe 2 höhergruppiert.

Wegen der Ihnen vorübergehend übertragenen höherwertigen Tätigkeit in Vgr VII BAT haben Sie auch weiterhin Anspruch auf Zahlung einer persönlichen Zulage gemäß § 24 BAT. Aufgrund Ihrer Höhergruppierung gemäß § 23 a BAT nach Vgr VII Fallgruppe 2 BAT hat sie jedoch keine Auswirkung mehr auf die Höhe Ihrer Bezüge.

Ihre Vergütung nach Vgr VII BAT wird Ihnen bereits mit den laufenden Bezügen gezahlt.

…”

Mit Schreiben vom 26. Juli 1995 informierte das beklagte Land die Klägerin wie folgt:

“…

Betrifft: Ihre Eingruppierung

Sehr geehrte Frau Strohschein!

Seit dem 6. Juni 1995 sind Sie tarifgemäß in Vgr VII (Anlage 1 a zum BAT Teil I Vgr VII Fallgruppe 1 b) eingruppiert.

Ihre Vergütung nach Vgr VII BAT wird Ihnen bereits mit den laufenden Bezügen gezahlt.

Unter Wegfall der Zulage gem. § 24 Abs. 2 BAT

Am Bewährungsaufstieg nehmen Sie teil. Der Lauf Ihrer Bewährungszeit (9 Jahre) für den Bewährungsaufstieg in die Vgr VI b BAT Fallgruppe 2 begann am 6. Juni 1995.

Auf die Bewährungszeit wurde die Zeit vom 1. Oktober 1993 bis 30. Juni 1994, in der Sie Tätigkeiten der Vgr VII BAT unter Zahlung der Zulage gemäß § 24 BAT ausgeübt haben, angerechnet. Sie können somit frühestens am 1. September 2003 in die Vgr VI b BAT höhergruppiert werden.

…”

Mit Schreiben vom 6. Februar 1996 teilte das beklagte Land der Klägerin unter Berufung auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats im Urteil vom 26. Oktober 1995 (– 6 AZR 125/95 – BAGE 81, 207, sog. “Feuerwehrurteil”) mit, daß die Leistungen nach BAT nur noch unter dem Vorbehalt der Rückforderung stünden. Für die Zeit vom 1. August 1995 bis zum 31. Januar 1996 forderte es unter Beachtung der sechsmonatigen Ausschlußfrist des § 70 BAT-O den Differenzbetrag zwischen der Vergütung nach BAT und BAT-O zurück, unterstellte aber gleichzeitig einen “Wegfall der Bereicherung”, so daß es im Ergebnis nicht zur Rückzahlung kam. Mit einem weiteren Schreiben vom 25. Juni 1996 teilte das beklagte Land der Klägerin schließlich mit, daß auf ihr Arbeitsverhältnis ab dem 1. Juli 1996 wieder der BAT-O Anwendung finde. Außerdem erfolgte die Abmeldung der Klägerin bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL).

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, auf ihr Arbeitsverhältnis seien sich auch nach dem 1. Juli 1996 die Bestimmungen des BAT anzuwenden. Das beklagte Land habe sich ihr gegenüber arbeitsvertraglich zur Anwendung dieses Tarifvertrags verpflichtet. Dies ergebe sich aus den Schreiben vom 4. März 1993, vom 16. Januar 1995 und vom 26. Juli 1995. Ein etwaiger Rechtsirrtum des beklagten Landes sei jedenfalls im Jahr 1995 beseitigt gewesen, nachdem das Bundesarbeitsgericht durch Urteil vom 6. Oktober 1994 (– 6 AZR 324/94 – BAGE 78, 108) entschieden habe, daß westliches Tarifrecht auf ein im Beitrittsgebiet begründetes Arbeitsverhältnis nur so lange anzuwenden sei, wie der Arbeitnehmer auf einem Arbeitsplatz im westlichen Tarifgebiet beschäftigt werde. Da das beklagte Land der Klägerin in Kenntnis dieses Urteils mit Schreiben vom 16. Januar 1995 und vom 26. Juli 1995 noch vorbehaltlos deren Eingruppierung nach BAT bescheinigt habe, müsse es sich an dieser Zusage erkennbar übertariflicher Leistungen festhalten lassen. Außerdem könne die Klägerin Gleichbehandlung mit drei in ihrer Dienststelle beschäftigten Angestellten beanspruchen, die ursprünglich im ehemaligen Westberlin beschäftigt gewesen seien und nach wie vor Leistungen nach BAT erhielten. Für die unterschiedliche Behandlung der Klägerin gegenüber diesen Arbeitnehmern gebe es keinen sachlichen Grund. Schließlich stünden der Klägerin weiterhin Leistungen nach BAT zu, weil das beklagte Land das auch bei der Korrektur einer als fehlerhaft erkannten tariflichen Einstufung bestehende Mitbestimmungsrecht des Personalrats nicht beachtet habe.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

1. festzustellen, daß die Arbeitsbedingungen des Arbeitsverhältnisses der Parteien durch das Schreiben des Polizeipräsidenten in Berlin vom 25. Juni 1996 nicht geändert worden sind, sondern in ihrem Inhalt weiterhin durch den Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 in der Fassung seiner späteren Änderungen und Ergänzungen bestimmt werden,

hilfsweise

festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, auf ihr Arbeitsverhältnis über den 1. Juli 1996 hinaus die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) vom 23. Februar 1961 unter Einbeziehung der späteren Änderungen und Ergänzungen anzuwenden,

2. festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, sie auch für den Zeitraum vom 2. Februar 1992 bis zum 31. Dezember 1996 bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) zu versichern.

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und die Ansicht vertreten, der Klägerin stünden weder tarifvertraglich noch einzelvertraglich Leistungen nach BAT zu. Das Schreiben vom 4. März 1993 enthalte keine einzelvertragliche Zusage übertariflicher Leistungen. Das beklagte Land sei irrtümlich davon ausgegangen, daß der Klägerin nach dem sog. “Posturteil” des Bundesarbeitsgerichts vom 30. Juli 1992 (– 6 AZR 11/92 – BAGE 71, 68) aufgrund ihrer Tätigkeit im Geltungsbereich des BAT Vergütung nach diesem Tarifvertrag auch nach ihrer Rückkehr in das östliche Tarifgebiet zugestanden habe. Der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes könne sich jederzeit von einer rechtsirrtümlichen Tarifpraxis lossagen. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Gleichbehandlung mit den Angestellten ihrer Dienststelle, die ursprünglich im Geltungsbereich des BAT eingesetzt gewesen seien, denn deren Arbeitsverhältnisse unterfielen nicht dem Geltungsbereich des BAT-O.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren im Umfang der zuletzt beim Landesarbeitsgericht gestellten Anträge weiter. Das beklagte Land beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Klage als unbegründet abgewiesen.

Auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin finden ab dem 2. Februar 1992 weder tarifvertraglich noch aufgrund der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Parteien noch aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes die Bestimmungen des BAT Anwendung; vielmehr gelten die Vorschriften des BAT-O. Die Klägerin war in der Zeit vom 2. Februar 1992 bis zum 31. Dezember 1996 auch nicht bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) zu versichern, da der Tarifvertrag zur Einführung der Zusatzversorgung im Tarifgebiet Ost (TV EZV-O) vom 1. Februar 1996 erst am 1. Januar 1997 in Kraft getreten ist.

1. Nach § 1 Abs. 1 Buchst. b BAT-O gilt dieser Tarifvertrag für Arbeitnehmer der Länder, die in einer der Rentenversicherung der Angestellten unterliegenden Beschäftigung tätig sind (Angestellte) und deren Arbeitsverhältnisse in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages (im folgenden: EV) genannten Gebiet begründet sind.

a) Die Klägerin übt unstreitig eine der Rentenversicherung der Angestellten unterliegende Beschäftigung beim beklagten Land aus.

b) Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist auch in dem in Art. 3 EV genannten Gebiet begründet.

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist ein Arbeitsverhältnis in dem in Art. 3 EV genannten Gebiet begründet, wenn dort der Grund der Entstehung des Arbeitsverhältnisses liegt und der Bezug zum Beitrittsgebiet gegenwärtig noch besteht. Wird ein Arbeitnehmer für eine Tätigkeit im Beitrittsgebiet eingestellt und wird er auf unbestimmte Zeit dort beschäftigt, sind diese Voraussetzungen gegeben (BAG 24. Februar 1994 – 6 AZR 588/93 – BAGE 76, 57; 6. Oktober 1994 – 6 AZR 324/94 – BAGE 78, 108). Für den gegenwärtigen Bezug zum Beitrittsgebiet ist grundsätzlich die Lage des Arbeitsplatzes entscheidend (BAG 24. Februar 1994 – 6 AZR 588/93 – BAGE 76, 57, 61; 6. Oktober 1994 – 6 AZR 324/94 – BAGE 78, 108, 112; 23. Februar 1995 – 6 AZR 614/94 – BAGE 79, 215, 217; 20. März 1997 – 6 AZR 10/96 – BAGE 85, 322, 327 f.; 25. Juni 1998 – 6 AZR 515/97 – AP TV Arb Bundespost § 1 Nr. 2 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 76, zu II 1a der Gründe und – 6 AZR 475/96 – AP TV Arb Bundespost § 1 Nr. 1 = EzA TVG § 4 Geltungsbereich Nr. 12, zu II 2b bb der Gründe). Wird ein Arbeitnehmer, der für eine Tätigkeit im Beitrittsgebiet eingestellt wurde, vorübergehend auf nicht absehbare Zeit im Geltungsbereich des BAT beschäftigt, findet für die Dauer dieser Tätigkeit der BAT Anwendung. Nach Rückkehr auf einen Arbeitsplatz im Beitrittsgebiet unterfällt das Arbeitsverhältnis wieder dem BAT-O (BAG 23. Februar 1995 – 6 AZR 667/94 – BAGE 79, 224; 21. September 1995 – 6 AZR 151/95 – AP BAT-O § 1 Nr. 6 = EzA TVG § 4 Geltungsbereich Nr. 11, zu III 2 der Gründe; 26. Oktober 1995 – 6 AZR 125/95 – BAGE 81, 207, 209; 20. März 1997 – 6 AZR 10/96 – BAGE 85, 322, 329; 25. Juni 1998 – 6 AZR 515/97 – aaO, zu II 1c der Gründe).

bb) Der Grund für die Entstehung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin lag im Beitrittsgebiet. Es bestand bereits in der ehemaligen DDR und wurde nach Herstellung der Einheit Deutschlands vom beklagten Land fortgeführt. Der Bezug zum Beitrittsgebiet besteht auch gegenwärtig fort, da sich der Arbeitsplatz der Klägerin seit dem 2. Februar 1992 wieder im ehemaligen Ostberlin befindet. Seit diesem Zeitpunkt richtet sich das Arbeitsverhältnis deshalb nach den Regelungen des BAT-O.

2. Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht eine davon abweichende, für die Klägerin günstigere arbeitsvertragliche Vereinbarung verneint.

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, das beklagte Land habe im Schreiben vom 4. März 1993 nicht die Anwendung des BAT unabhängig vom Vorliegen der tariflichen Voraussetzungen als übertarifliche Leistung zugesagt; vielmehr gehe aus dem Schreiben ohne Zweifel hervor, daß das beklagte Land nur die Konsequenzen aus dem sog. “Posturteil” des erkennenden Senats vom 30. Juli 1992 habe ziehen wollen. Auch mit den Schreiben vom 16. Januar 1995 und vom 26. Juli 1995 habe das beklagte Land nur irrtümlich die tarifliche Rechtslage hinsichtlich der Eingruppierung der Klägerin wiedergegeben, nicht aber übertarifliche Leistungen zusagen wollen.

b) Diese Auslegung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

aa) Das Landesarbeitsgericht hat der mehrfachen Bezugnahme im Schreiben vom 4. März 1993 auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats im sog. “Posturteil” vom 30. Juli 1992 (– 6 AZR 11/92 – BAGE 71, 68), in dem der Senat entschieden hatte, daß auf im Beitrittsgebiet begründete Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmern, die auf nicht absehbare Zeit im westlichen Tarifgebiet beschäftigt werden, für die Dauer des Westeinsatzes westliches Tarifrecht anzuwenden ist, ohne Rechtsfehler entnommen, daß das beklagte Land nur das vollziehen wollte, was aus seiner damaligen Sicht der tariflichen Rechtslage entsprach. Einen weitergehenden Verpflichtungswillen des beklagten Landes hat das Landesarbeitsgericht deshalb verneint. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht den Einwand der Klägerin, die Gewährung von Leistungen nach BAT auch nach Rückkehr von Arbeitnehmern in das östliche Tarifgebiet beruhe auf der politischen Entscheidung des Berliner Senats, eine möglichst einheitlich vergütete Berliner Verwaltung zu schaffen, für nicht erheblich gehalten, denn das Landesarbeitsgericht ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, daß das beklagte Land dieses von ihm politisch möglicherweise erwünschte Ziel erkennbar mit Hilfe des – vermeintlichen – Normenvollzugs erreichen wollte und nicht durch Gewährung übertariflicher Leistungen. Wäre letzteres beabsichtigt gewesen, hätte es nahegelegen, allen Angestellten des beklagten Landes einheitlich und unabhängig vom Arbeitsort Leistungen nach BAT zu gewähren. Einer Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Tarifgeltung hätte es dazu nicht bedurft.

bb) In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß der Klägerin auch durch die Schreiben vom 16. Januar 1995 und vom 26. Juli 1995 nicht die übertarifliche Gewährung von Vergütung nach BAT zugesagt worden sei, sondern daß diesen Schreiben hinsichtlich der tariflichen Eingruppierung ebenfalls nur deklaratorischer Charakter beizumessen sei. Dieses Auslegungsergebnis entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu der in § 22 Abs. 3 BAT/BAT-O vorgeschriebenen und deshalb für Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst typischen Angabe der Vergütungsgruppe im Arbeitsvertrag. Danach bringt der Arbeitgeber mit dem Hinweis auf die tariflichen Bestimmungen lediglich zum Ausdruck, daß er die Vergütung gewähren will, die sich aus der Anwendung der tariflichen Bestimmungen ergibt. Eine Willenserklärung des öffentlichen Arbeitgebers, auch unabhängig von den tariflichen Bestimmungen die angegebene Vergütung, ggf. als übertarifliche Leistung, gewähren zu wollen, läßt sich dem nicht entnehmen. Diese Bedeutung kann ein Arbeitnehmer ohne Hinzutreten weiterer Umstände der Angabe der Vergütungsgruppe auch deshalb nicht beimessen, weil der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes regelmäßig keine übertarifliche Vergütung, sondern nur das gewähren will, was dem Arbeitnehmer tariflich zusteht (vgl. BAG 8. August 1996 – 6 AZR 1013/94 – AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 46; – 6 AZR 1035/94 – AP BAT-O § 1 Nr. 10, jeweils mwN).

Die Mitteilung der Eingruppierung nach BAT in den Schreiben vom 16. Januar 1995 und vom 26. Juli 1995 ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht deshalb rechtsbegründend, weil das beklagte Land diese Schreiben in Kenntnis der zutreffenden tariflichen Rechtslage verfaßt hätte. Die Klägerin verkennt, daß das von ihr zitierte Urteil des erkennenden Senats vom 6. Oktober 1994 (– 6 AZR 324/94 – BAGE 78, 108, 112) nicht einen Angestellten betraf, der von einem auf Dauer angelegten Einsatz im Geltungsbereich des BAT ins Beitrittsgebiet zurückgekehrt ist, sondern einen Angestellten, der von vornherein nur für vorübergehende Zeit im westlichen Tarifgebiet eingesetzt worden war. Die Frage, welcher Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis eines ins Beitrittsgebiet zurückgekehrten Angestellten anzuwenden ist, dessen Einsatz im westlichen Tarifgebiet zunächst auf Dauer konzipiert war, hat der Senat erstmals im Urteil vom 23. Februar 1995 (– 6 AZR 667/94 – BAGE 79, 224) entschieden. Dieses Urteil ist dem beklagten Land in vollständig abgefaßter Form erst nach Erstellung der Schreiben vom 16. Januar 1995 und vom 26. Juli 1995 bekannt geworden.

3. Das beklagte Land ist auch nicht verpflichtet, der Klägerin weiterhin Leistungen nach BAT zu gewähren, weil es ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats nicht beachtet hat.

Der Vergütungsanspruch ergibt sich aus der zutreffenden Eingruppierung nach dem mit unmittelbarer und zwingender Wirkung geltenden Tarifrecht (§ 4 Abs. 1 TVG). Die Eingruppierung ist kein Akt der Rechtsgestaltung, sondern der Rechtsanwendung durch den Arbeitgeber. Dementsprechend ist das insoweit bestehende Mitbestimmungsrecht des Personalrats ein Mitbeurteilungsrecht und beschränkt sich auf die Kontrolle, ob der Arbeitgeber eine zutreffende Eingruppierung vorgenommen hat. Aus der Verletzung dieses Mitbestimmungsrechts folgt kein Anspruch des Arbeitnehmers auf eine höhere als die nach den tariflichen Bestimmungen zutreffende Vergütung (BAG 30. Mai 1990 – 4 AZR 74/90 – BAGE 65, 163; 26. August 1992 – 4 AZR 210/92 – BAGE 71, 139; 8. August 1996 – 6 AZR 1013/94 – AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 46).

4. Die Klägerin wird durch die Anwendung des BAT-O ab 1. Juli 1996 und die Nichtanmeldung zur VBL in der Zeit vom 2. Februar 1992 bis zum 31. Dezember 1996 gegenüber anderen Angestellten des beklagten Landes auch nicht ohne sachlichen Grund ungleich behandelt.

a) Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet sowohl die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage als auch die sachfremde Differenzierung zwischen Arbeitnehmern einer bestimmten Ordnung. Unzulässig ist nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung. Eine Differenzierung ist sachfremd, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt, wenn also für eine am Gleichheitsgedanken orientierte Betrachtungsweise die Regelung als willkürlich anzusehen ist (vgl. BVerfG 15. Oktober 1985 – 2 BvL 4/83 – BVerfGE 71, 39, 58). Im Bereich der Vergütung gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz zwar nur eingeschränkt, weil der Grundsatz der Vertragsfreiheit Vorrang hat. Ein derartiger Vorrang besteht aber nur für individuell getroffene Vereinbarungen. Das Gebot der Gleichbehandlung greift aber dann ein, wenn der Arbeitgeber Leistungen nach einem erkennbar generalisierenden Prinzip aufgrund einer abstrakten Regelung gewährt. Von einer solchen Regelung darf er Arbeitnehmer nur aus sachlichen Gründen ausschließen (st. Rspr., vgl. BAG 26. Oktober 1995 – 6 AZR 125/95 – BAGE 81, 207, 210 f.; 20. März 1997 – 6 AZR 453/96 – ZTR 1997, 568, zu I 3 der Gründe; 23. August 1995 – 5 AZR 293/94 – BAGE 80, 354, 360; 27. Juli 1992 – 3 AZR 173/92 – BAGE 71, 29, 37).

b) Die Klägerin hat entgegen ihrer Auffassung keinen Anspruch darauf, mit Angestellten gleichbehandelt zu werden, deren Arbeitsverhältnisse in den alten Bundesländern begründet worden sind und die während der Dauer einer Tätigkeit im ehemaligen Ostberlin weiterhin Vergütung nach BAT erhalten. Die Ungleichbehandlung der Klägerin gegenüber diesen Angestellten beruht nicht auf sachfremden Erwägungen des beklagten Landes, sondern auf den unterschiedlichen Geltungsbereichen von BAT und BAT-O.

Angestellte, deren Arbeitsverhältnisse in den alten Bundesländern begründet worden sind, unterfallen nicht dem Geltungsbereich des BAT-O, denn der Entstehungsgrund für ihre Arbeitsverhältnisse liegt nicht im Beitrittsgebiet. Sie wurden nicht für eine Tätigkeit in dem in Art. 3 EV genannten Gebiet eingestellt, sondern für eine Tätigkeit in den alten Bundesländern. Deshalb gelten für sie ausschließlich die Bestimmungen des BAT, und zwar auch dann, wenn sie später – vorübergehend oder auf nicht absehbare Zeit – im Beitrittsgebiet eingesetzt werden. Demgegenüber ist das Arbeitsverhältnis der Klägerin im Beitrittsgebiet begründet, da der Entstehungsgrund für ihr Arbeitsverhältnis in der ehemaligen DDR lag. Daran hat ihr Einsatz im ehemaligen Westberlin im Jahr 1992 nichts geändert.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Armbrüster, Gräfl, Friedrich, Dr. Pühler, Schwarck

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2628966

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