Entscheidungsstichwort (Thema)

BAT-O. Tätigkeit im Geltungsbereich des BAT. Vorübergehender Einsatz eines Arbeitnehmers aus dem Beitrittsgebiet im Geltungsbereich des BAT. Fortentwicklung der bisherigen Rechtsprechung (vgl. BAGE 71, 68, 78 = AP Nr. 1 zu § 1 TVAng Bundespost, zu B II 3b dd der Gründe a.E. BAGE 78, 108, 112 = AP Nr. 2 zu § 1 BAT-O, zu I 3b der Gründe a.E. Urteil vom 1. Juni 1995 – 6 AZR 922/94 – AP Nr. 5 zu § 1 BAT-O, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu II 2c der Gründe a.E.)

 

Leitsatz (amtlich)

  • Wird ein Angestellter, dessen Arbeitsverhältnis im Beitrittsgebiet begründet ist, vorübergehend im Geltungsbereich des BAT eingesetzt, so beurteilt sich die Frage, ob für diese Tätigkeit westliches oder östliches Tarifrecht gilt, nach dem Zweck und der Dauer der Tätigkeit.
  • Die Fortgeltung des BAT-O kommt in der Regel nur dann in Betracht, wenn der Angestellte durch die Arbeit im Geltungsbereich des BAT Aufgaben seiner bisherigen Dienststelle wahrnimmt oder in deren Interesse tätig wird. Dabei muß die Dauer der Tätigkeit im voraus bestimmt und durch ihren Zweck gerechtfertigt sein. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist der BAT anzuwenden.
  • Einem Lehrer, dessen Arbeitsverhältnis im Beitrittsgebiet begründet ist, steht für die Dauer zweier jeweils auf ein Schulhalbjahr befristeter Einsätze im Unterricht an einer Schule im ehemaligen Westberlin Vergütung nach BAT zu.
 

Normenkette

Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – BAT-O – vom 10. Dezember 1990 § 1 Abs. 1; BAT § 1 Abs. 1; EGBGB Art. 30 (analog)

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Urteil vom 15.09.1995; Aktenzeichen 16 Sa 1/94)

ArbG Berlin (Urteil vom 01.11.1993; Aktenzeichen 19 Ca 19747/93)

 

Tenor

  • Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 15. September 1995 – 16 Sa 1/94 – in der Kostenentscheidung und insoweit aufgehoben, als es die Klage für die Zeit vom 1. Februar 1993 bis 31. Juli 1993 und vom 1. Februar 1994 bis zum 31. Juli 1994 abgewiesen hat.
  • Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 1. November 1993 – 19 Ca 19747/93 – insoweit abgeändert.

    Es wird festgestellt, daß das beklagte Land verpflichtet ist, an den Kläger in der Zeit vom 1. Februar 1993 bis 31. Juli 1993 und vom 1. Februar 1994 bis 31. Juli 1994 Vergütung nach BAT zu zahlen.

  • Im übrigen werden die Berufung und die Revision des Klägers zurückgewiesen.
  • Die Kosten des Rechtsstreits trägt das beklagte Land zu 2/3 und der Kläger zu 1/3.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger seit dem 1. Februar 1992 Vergütung nach den jeweiligen Vergütungstarifverträgen zum Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) oder nach den jeweiligen Vergütungstarifverträgen zum Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) vom 10. Dezember 1990 zusteht.

Der Kläger, der einen Abschluß als Diplomlehrer besitzt, wurde mit Arbeitsvertrag vom 21. August 1991 mit Wirkung ab 1. August 1991 vom Bezirksamt Köpenick von Berlin als Lehrkraft eingestellt. Auf das Arbeitsverhältnis finden aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) vom 10. Dezember 1990 und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung Anwendung. Der Kläger erhielt zunächst Vergütung nach VergGr. IVa BAT-O und ab Januar 1992 Vergütung nach VergGr. III BAT-O.

Der Kläger war für den Unterricht an einer im Bezirk Köpenick im Ostteil Berlins gelegenen Berufsschule vorgesehen. Aufgrund von Verwaltungsvorschriften über die Organisation des beruflichen Schulwesens vom 19. Juli 1991 war die Berufsschule in Köpenick zum 31. Juli 1991 als selbständige Verwaltungseinheit aufgelöst und als Filiale dem im Bezirk Wedding im Westteil Berlins gelegenen Oberstufenzentrum Nachrichtentechnik zugeordnet worden. Der Kläger wurde deshalb mit Beginn des Arbeitsverhältnisses an das für das Oberstufenzentrum als sog. Stammschule zuständige Bezirksamt Wedding abgeordnet, und zwar “für voraussichtlich bis zu zwei Jahren”. Die Abordnung wurde später für die Zeit von August 1993 bis Juli 1995 und mit Schreiben vom 7. Juli 1995 um weitere zwei Jahre verlängert.

Im Schuljahr 1991/1992 (1. August 1991 bis 31. Juli 1992) nahm der Kläger an einem Tag pro Woche an einer schulinternen Fortbildung in der Stammschule Wedding teil. Im übrigen unterrichtete er an der Schule in Köpenick. Im ersten Schulhalbjahr 1992/93 (1. August 1992 bis 31. Januar 1993) unterrichtete er ausschließlich an der Schule in Köpenick und im zweiten Schulhalbjahr (1. Februar 1993 bis 31. Juli 1993) ausschließlich an der Schule in Wedding. Im ersten Schulhalbjahr 1993/1994 (1. August 1993 bis 31. Januar 1994) wurde er wiederum überwiegend an der Schule in Köpenick eingesetzt, während er im zweiten Schulhalbjahr (1. Februar 1994 bis 31. Juli 1994) erneut ausschließlich an der Schule in Wedding tätig war. Seither wird er nur noch an der Schule in Köpenick eingesetzt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe Vergütung nach dem BAT zu. Da ein eigenständiger Schulbetrieb in Köpenick nicht existiert habe, sei davon auszugehen, daß er aufgrund seiner Abordnung dauerhaft an der Stammschule in Wedding eingesetzt werden sollte.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, ihm mit Wirkung ab 1. Februar 1992 Vergütung nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das beklagte Land hat die Auffassung vertreten, auf das Arbeitsverhältnis finde der BAT-O Anwendung. Die Abordnung zum Bezirksamt Wedding sei nur eine vorübergehende Maßnahme bis zur Entscheidung über den endgültigen Einsatz des Klägers gewesen. Im übrigen habe sie dazu gedient, dem Kläger die Möglichkeit einer Verbeamtung zu eröffnen. Dem Kläger stehe auch für die Zeit seines Einsatzes an der Stammschule in Wedding kein Anspruch auf Vergütung nach BAT zu, da es sich jeweils nur um eine kurzzeitige Entsendung für ein Schulhalbjahr gehandelt habe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Das beklagte Land beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist teilweise begründet. Dem Kläger steht für die Zeit seiner Tätigkeit an der Stammschule in Wedding im zweiten Schulhalbjahr 1992/93 (1. Februar 1993 bis 31. Juli 1993) und im zweiten Schulhalbjahr 1993/94 (1. Februar 1994 bis 31. Juli 1994) ein Anspruch auf Vergütung nach BAT zu. Im übrigen ist die Revision unbegründet.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dem Kläger stehe eine Vergütung nach BAT nicht zu. Sein Arbeitsverhältnis sei im Ostteil Berlins und damit im Beitrittsgebiet begründet worden. Der Bezug zum Beitrittsgebiet habe auch weiterhin fortbestanden, da der Kläger seine Arbeitsleistung überwiegend an der Schule in Köpenick erbracht habe. Daran ändere die Abordnung zum Bezirksamt Wedding nichts. Dem Kläger stehe auch für die Zeit seines Einsatzes an der Schule in Wedding während der zweiten Schulhalbjahre 1992/93 und 1993/94 kein Anspruch auf Vergütung nach BAT zu, da es sich nur um die Verlagerung des Arbeitsplatzes für kurze Zeit und mit voraussehbarem Ende gehandelt habe.

II. Diesen Ausführungen kann nur insoweit gefolgt werden, als das Landesarbeitsgericht angenommen hat, dem Kläger sei für seine Tätigkeit im Beitrittsgebiet Vergütung nach BAT-O zu gewähren. Für die Zeit seines Einsatzes im Westteil Berlins an der Stammschule in Wedding steht dem Kläger jedoch ein Anspruch auf Vergütung nach BAT zu.

1. Auf das Arbeitsverhältnis fand aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung seit dem 1. August 1991 der BAT-O Anwendung.

Nach § 1 Abs. 1 Buchst. b BAT-O gilt dieser Tarifvertrag für Angestellte der Länder, die in einer der Rentenversicherung der Angestellten unterliegenden Beschäftigung tätig sind und deren Arbeitsverhältnisse in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (Beitrittsgebiet) begründet sind.

Nach der Rechtsprechung des Senats ist ein Arbeitsverhältnis im Beitrittsgebiet begründet, wenn es einen räumlichen Bezug zum Beitrittsgebiet aufweist, der gegenwärtig noch besteht (BAGE 76, 57, 60 f. = AP Nr. 1 zu § 1 BAT-O, zu II 2a cc der Gründe).

Diese Voraussetzungen waren gegeben. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist im Bezirk Köpenick im Ostteil Berlins begründet. Der Kläger wurde für eine Tätigkeit an einer Schule in Köpenick eingestellt und seit dem 1. August 1991 dort auch überwiegend beschäftigt. Für die Zeit seines Einsatzes an dieser Schule bis zum 31. Januar 1993 lag damit der Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses im Beitrittsgebiet. Daraus folgt, daß ihm entsprechend der arbeitsvertraglichen Vereinbarung auch nur ein Anspruch auf Vergütung nach BAT-O zustand.

2. Entgegen der Auffassung des Klägers wurde ein Anspruch auf Vergütung nach BAT nicht durch seine von Vertragsbeginn an geltende Abordnung an die im Bezirk Wedding und damit im Westteil Berlins gelegene Stammschule begründet.

Die durch die Neuorganisation des beruflichen Schulwesens bedingte Abordnung betraf nur die verwaltungsmäßige Zuordnung des Arbeitsverhältnisses zur Stammschule in Wedding. Sie führte jedoch nicht zu einer Verlagerung des für die Tarifanwendung maßgebenden Schwerpunktes des Arbeitsverhältnisses (vgl. BAG Urteil vom 29. Februar 1996 – 6 AZR 382/95 – n.v.). Der Kläger war von Beginn seiner Tätigkeit an für die Erteilung von Unterricht an der Schule in Köpenick vorgesehen und wurde dort auch eingesetzt. Deshalb bestand für die Zeit seines Einsatzes an dieser Schule ein räumlicher Bezug zum Beitrittsgebiet, der die Anwendung des BAT-O zur Folge hatte.

3. Für die Zeit des Einsatzes an der Stammschule in Wedding im zweiten Schulhalbjahr 1992/93 vom 1. Februar 1993 bis zum 31. Juli 1993 stand dem Kläger ein Anspruch auf Vergütung nach BAT zu.

a) Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist § 1 Abs. 1 BAT-O einschränkend dahingehend auszulegen, daß der BAT-O so lange keine Anwendung findet, wie der Angestellte im räumlichen Geltungsbereich des BAT tätig ist (BAGE 78, 108 = AP Nr. 2 zu § 1 BAT-O; BAGE 79, 218 = AP Nr. 2 zu § 1 TVAng Bundespost und BAGE 79, 215 = AP Nr. 1 zu § 1 BMT-G II, und vom 1. Juni 1995 – 6 AZR 922/94 – AP Nr. 5 zu § 1 BAT-O, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

Entschieden hat der Senat dies für die Fälle, in denen die Arbeit auf nicht absehbare Zeit im räumlichen Geltungsbereich des BAT zu leisten war. Auf nicht absehbare Zeit ist die Arbeit im Geltungsbereich des BAT nicht nur dann zu leisten, wenn der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers auf Dauer, sondern auch, wenn er nur vorübergehend im räumlichen Geltungsbereich des BAT liegt, aber keine zeitliche Begrenzung der Tätigkeit vereinbart oder bestimmt ist. Dabei kommt es für die zeitliche Begrenzung einer Tätigkeit auf die Erklärung des Arbeitgebers bei Beginn des Arbeitseinsatzes im Geltungsbereich des BAT an. Eine nachträgliche zeitliche Begrenzung ist grundsätzlich unerheblich (BAG Urteil vom 1. Juni 1995 – 6 AZR 922/94 – AP Nr. 5 zu § 1 BAT-O, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

b) Wie zu entscheiden wäre, wenn es sich um kurzzeitige, insbesondere befristete Entsendungen in den Geltungsbereich des BAT zu einem bestimmten Zweck (z.B. Einarbeitung, Fortbildung) handelt, konnte der Senat bisher offenlassen (vgl. BAGE 71, 68, 78 = AP Nr. 1 zu § 1 TVAng Bundespost, zu B II 3b dd a.E. der Gründe; BAG 78, 108, 112 = AP Nr. 2 zu § 1 BAT-O, zu I 3b a.E. der Gründe; Urteil vom 1. Juni 1995 – 6 AZR 922/94 – aaO, zu II 2c a.E. der Gründe). Im Urteil vom 1. Juni 1995 (aaO) hat er eine Fortgeltung des BAT-O in Fällen in Betracht gezogen, in denen es sich um eine nur kurzzeitige, befristete Entsendung in den Geltungsbereich des BAT, z.B. zur Einarbeitung oder zur Fortbildung handelt.

Zur Beurteilung der Frage, ob auf ein Arbeitsverhältnis, das im Beitrittsgebiet begründet ist, bei einer vorübergehenden Entsendung des Arbeitnehmers in den Geltungsbereich des BAT westliches oder östliches Tarifrecht anzuwenden ist, wird im Schrifttum auf die Grundsätze des interlokalen Tarifrechts (Art. 30 EGBGB analog) verwiesen. Ausgehend von der im Sozialversicherungsrecht vertretenen “Ausstrahlungstheorie” wird vorgeschlagen, die Tarifgeltung nach dem Zweck der Tätigkeit und ihrer zeitlichen Dauer im anderen Tarifgebiet zu beurteilen. Bei einer vorübergehenden Entsendung komme es somit darauf an, ob die Tätigkeit aufgrund einer betrieblichen Einsatzplanung außerhalb des Tarifgebiets geleistet werde (vgl. Däubler, DB 1991, 1622, 1623, 1625) bzw. ob der Arbeitnehmer als “verlängerter Arm des Betriebes” (vgl. Kempen, AuR 1991, 129, 136) tätig wird oder ob er Arbeiten für eine außerhalb des Tarifgebiets liegende Betriebsstätte wahrnehme (vgl. Däubler, DB 1991, 1622, 1625). Die Fortgeltung des östlichen Tarifrechts komme allerdings nicht mehr in Betracht, wenn die Tätigkeit außerhalb des Tarifgebiets länger als einen Monat (so Kempen, aaO, der die entsprechende Anwendung des § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG vorschlägt) oder länger als drei Monate (so Däubler, ZTR 1992, 145, 150, der die entsprechende Anwendung des § 13 Abs. 3 BPersVG vorschlägt) dauert.

c) Für die Weitergeltung des BAT-O bei vorübergehender Entsendung von Angestellten, deren Arbeitsverhältnisse im Beitrittsgebiet begründet sind, in den Geltungsbereich des BAT, ist auf den Zweck der Tätigkeit im Geltungsbereich des BAT abzustellen. Insoweit folgt der Senat den genannten Vorschlägen des Schrifttums. Auf die Dauer der Tätigkeit kommt es hingegen nur insoweit an, als sie noch durch den Zweck gerechtfertigt sein muß.

Eine solche Abgrenzung der Geltungsbereiche des BAT und des BAT-O ist nicht, wie Däubler (ZTR 1992, 145, 150) meint, zum Schutz der Tarifautonomie erforderlich. Denn die Tarifvertragsparteien waren und sind nicht gehindert, den Fall der vorübergehenden Entsendung aus dem Beitrittsgebiet in den Geltungsbereich des BAT selbst zu regeln. Die Abgrenzung rechtfertigt sich vielmehr daraus, daß durch die für Arbeitnehmer weniger günstigen Tarifregelungen im Beitrittsgebiet den unterschiedlichen wirtschaftlichen Verhältnissen in beiden Teilen Deutschlands Rechnung getragen werden soll. Ihr Zweck ist darauf gerichtet, im wirtschaftlich schwächeren Beitrittsgebiet die Erhaltung und die Entstehung von Arbeitsplätzen zu fördern, nicht aber, die Arbeit in den alten Bundesländern dadurch zu verbilligen, daß ein Arbeitsverhältnis, das im Beitrittsgebiet begründet ist, tatsächlich im Geltungsbereich des BAT ausgeübt wird.

Wird ein Arbeitnehmer aus dem Beitrittsgebiet zu einer Dienststelle im Geltungsbereich des BAT entsandt, um Aufgaben dieser Dienststelle wahrzunehmen, sei es auch nur befristet und auf kurze Dauer, ist deshalb der BAT anzuwenden.

Nimmt der Arbeitnehmer hingegen im Geltungsbereich des BAT Aufgaben seiner im Beitrittsgebiet liegenden Dienststelle wie ein “verlängerter Arm” dieser Dienststelle wahr, wie z.B. bei einer Montage, einer Kundenberatung oder der Einarbeitung neuer Ortskräfte, oder liegt die Tätigkeit, wie z.B. bei einer Fortbildung, auch im Interesse seiner Dienststelle, rechtfertigt dies die Anwendung des BAT-O auch während dieser Tätigkeit. Dabei muß allerdings die Dauer der Tätigkeit im Geltungsbereich des BAT von vornherein vom Arbeitgeber festgelegt werden und im Hinblick auf den Zweck sachgerecht erscheinen. Erfolgt die Entsendung auf nicht absehbare Zeit oder für einen Zeitraum, der im Hinblick auf den verfolgten Zweck unangemessen lang ist, läßt sich eine Fortgeltung des BAT-O nicht rechtfertigen, da in solchen Fällen der Bezug zum Beitrittsgebiet nicht aufrechterhalten wird. Die Festlegung bestimmter Fristen, wie vom Schrifttum in Anlehnung an kollektivrechtliche Gesetzesbestimmungen vorgeschlagen, läßt sich jedoch nicht begründen.

d) Ausgehend von diesen Grundsätzen stand dem Kläger während der Zeit seiner Tätigkeit im zweiten Schulhalbjahr 1992/93 an der Stammschule in Wedding Vergütung nach BAT zu.

Der Einsatz des Klägers an der Stammschule in Wedding beruhte auf der Einsatzplanung, die sich am Lehrerbedarf für das betreffende Schulhalbjahr orientierte. Damit ist schon zweifelhaft, ob es sich, wie das Landesarbeitsgericht meint, um eine Beschäftigung mit voraussehbarem Ende i.S. einer festen zeitlichen Begrenzung handelte. Zwar war für den Kläger absehbar, daß er im zweiten Schulhalbjahr 1992/93 an der Stammschule in Wedding Unterricht erteilen werde. Da aber der Lehrerbedarf für das nächste Schulhalbjahr zu diesem Zeitpunkt noch nicht feststand, wäre für ihn durchaus bei entsprechendem Bedarf auch ein weiterer Einsatz an der Stammschule in Wedding in Betracht gekommen.

Auch der Zweck seines Einsatzes an der Stammschule in Wedding rechtfertigt nicht die Anwendung des BAT-O für diese Zeit. Der Kläger wurde mit der Erteilung von Unterricht an der Stammschule in Wedding nicht als verlängerter Arm der Schule in Köpenick tätig, nahm also keine Aufgaben dieser Schule wahr, sondern deckte den Unterrichtsbedarf ab, der ansonsten von Lehrern, die im Bereich des Bezirksamtes Wedding angestellt waren, hätte abgedeckt werden müssen. Er erteilte damit Unterricht, der an der Weddinger Schule erforderlich war, und nicht etwa Unterricht, für den an der Köpenicker Schule Bedarf bestand, der aber aus organisatorischen Gründen nur in den Räumlichkeiten der Weddinger Schule erteilt werden konnte. Demzufolge war die Dauer der Tätigkeit in Wedding auch nicht durch ihren Zweck begrenzt, sondern wurde nur aufgrund schulorganisatorischer Erwägungen für jeweils ein Schulhalbjahr festgelegt.

4. Für das erste Schulhalbjahr 1993/94 vom 1. August 1993 bis zum 31. Januar 1994 stand dem Kläger wiederum nur ein Anspruch auf Vergütung nach BAT-O zu.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats findet auf das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers, der nach einer Tätigkeit im räumlichen Geltungsbereich des westlichen Tarifrechts in das Beitrittsgebiet zurückkehrt, wieder östliches Tarifrecht, also der BAT-O, Anwendung (BAGE 78, 108 = AP Nr. 2 zu § 1 BAT-O; Urteil vom 23. Februar 1995 – 6 AZR 667/94 – AP Nr. 3 zu § 1 TVAng Bundespost, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; Urteile vom 21. September 1995 – 6 AZR 151/95 – und vom 26. Oktober 1995 – 6 AZR 125/95 – AP Nr. 6 u. 7 zu § 1 BAT-O, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

Der Kläger erteilte im ersten Schulhalbjahr 1993/94 überwiegend Unterricht an der Schule in Köpenick. Damit wurde der Bezug zum Beitrittsgebiet wieder hergestellt, woraus sich der Vergütungsanspruch nach BAT-O rechtfertigt.

5. Im zweiten Schulhalbjahr 1993/94 vom 1. Februar 1994 bis zum 31. Juli 1994 stand dem Kläger aus den zu Ziff. 3 angeführten Gründen Vergütung nach BAT zu, da er ausschließlich an der Stammschule in Wedding tätig war.

6. Seit dem 1. August 1994 nahm der Kläger seine Tätigkeit an der Schule in Köpenick wieder auf. Aufgrund der Verlagerung seines Arbeitsplatzes in das Beitrittsgebiet steht ihm damit seither nur ein Anspruch auf Vergütung nach BAT-O zu.

7. Eine wie im Falle des Klägers von Schulhalbjahr zu Schulhalbjahr wechselnde Tarifanwendung ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht durch unüberwindliche praktische Schwierigkeiten ausgeschlossen. In zahlreichen Tarifwerken des öffentlichen Dienstes führen auch nur vorübergehend wechselnde Tätigkeiten zu unterschiedlichen Vergütungen. Damit wird weder ein an sachlichen Gesichtspunkten orientierter Personaleinsatz erheblich erschwert noch läßt dies den Schluß zu, die Tarifvertragsparteien hätten solche Regelungen im Hinblick auf die haushaltsmäßigen Auswirkungen nicht gewollt.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Peifer, Dr. Freitag, Dr. Armbrüster, Soltau, Steinhäuser

 

Fundstellen

Haufe-Index 885456

BAGE, 322

NZA 1998, 108

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt TVöD Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge