Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung eines Auswerters russischsprachiger Flugfunkverkehre

 

Leitsatz (amtlich)

Die Tätigkeit eines Auswerters fremdsprachiger Flugfunkverkehre fällt nicht unter die Eingruppierungsmerkmale des Tarifvertrages Überprüfer und Übersetzer im Fremdsprachendienst (Anlage 1a zum BAT Teil III Abschn. A Unterabschn. II).

 

Normenkette

BAT 1975 §§ 22-23; Anlage 1a zum BAT Teil III Abschn. A VergGr. III, IVa (Übersetzer); Verwaltungsanordnung Nr. 5 (Angest) vom 30. Dezember 1964 in der Neufassung vom 1. Dezember 1972 über die Eingruppierung der Angestellten in der Fernmelde- und Elektronischen Aufklärung der Bundeswehr

 

Verfahrensgang

LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 01.07.1993; Aktenzeichen 7 (4) Sa 476/92)

ArbG Trier (Urteil vom 15.04.1992; Aktenzeichen 3 Ca 884/91)

 

Tenor

  • Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 1. Juli 1993 – 7 (4) Sa 476/92 – wird zurückgewiesen.
  • Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die tarifgerechte Eingruppierung des Klägers, insbesondere darüber, ob der Kläger Anspruch auf Vergütung nach der VergGr. III aufgrund Zeitaufstiegs aus der VergGr. IVa Teil III Abschn. A (Angestellte im Fremdsprachendienst) Unterabschn. II (Überprüfer und Übersetzer) der Anl. 1a zum BAT hat.

Der am 31. März 1941 in L… geborene Kläger wurde 1945 mit seiner Mutter und seinem Bruder nach Kasachstan verschleppt und lebte dort unter Deutschen. In der Schule lernte er Deutsch und Russisch, die Schulsprache war Russisch. Er wuchs dort auf und kehrte 1958 nach Deutschland zurück, ging in die Förderschule und wurde 1960 entlassen. Dann arbeitete er überwiegend als Kraftfahrer, war von 1962 bis 1965 als Soldat bei der Bundeswehr und anschließend wieder als Kraft- bzw. Busfahrer tätig.

Seit dem 1. Oktober 1970 ist er bei der Bundeswehr beschäftigt und im Fernmeldebereich 70 in der Fernmelde- und Elektronischen Aufklärung als Angestellter eingesetzt. Nach dem Arbeitsvertrag vom 1. Oktober 1970 bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag und den diesen ergänzenden und ändernden Tarifverträgen. Nach dem Zusatz vom 15. März 1973 zum Arbeitsvertrag richtet sich die Eingruppierung des Klägers nach der am 1. Oktober 1972 in Kraft getretenen “Verwaltungsanordnung Nr. 5 (Angest) vom 30. Dezember 1964 in der Neufassung vom 1. Dezember 1972 über die Eingruppierung der Angestellten in der Fernmelde- und Elektronischen Aufklärung der Bundeswehr”. Diese Verwaltungsanordnung wurde “im Einvernehmen mit der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr – Hauptvorstand – und der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft – Bundesvorstand -” mit Zustimmung des Bundesministers des Innern vom Bundesministerium der Verteidigung erlassen. Seit dem 1. Oktober 1976 wird der Kläger nach der VergGr. IVa BAT bezahlt. Er hat die Sprachenschule der Bundeswehr erfolgreich in der russischen Sprache abgeschlossen.

Der Kläger, der Mitglied der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft ist, ist als Auswerter von Flugfunkverkehr in russischer Sprache beschäftigt. Seine Haupttätigkeit besteht darin, auf Tonträger festgehaltene, aus der Erfassung gelieferte russische Textstücke abzuhören, niederzuschreiben, zu übersetzen und zu deuten.

In ihrer Tätigkeitsdarstellung gab die Beklagte den zeitlichen Umfang der Tätigkeit Abhören, Niederschreiben und Übersetzen der auf Tonträger festgehaltenen Sprechverkehre mit 44 Stunden Arbeitszeit bei monatlich 176 Arbeitsstunden an, während der Kläger den Zeitbedarf für wörtlich übersetzte Sprechfunkverkehre mit mindestens 60 bis 75 % der Gesamtarbeitszeit beziffert.

Bei diesen Texten handelt es sich um militärischen Funksprechverkehr zwischen Piloten von Luftfahrzeugen untereinander und mit Bodenstationen. Die Aufgabe des Klägers ist es, diesen militärischen Funksprechverkehr abzuhören, niederzuschreiben, ins Deutsche zu übersetzen und schließlich diesen übersetzten Text zu interpretieren. Die Tätigkeitsdarstellung, die die Beklagte erstellt hat, enthält unter 9.2 das selbständige Auswerten des Hörergebnisses nach taktischen, betrieblichen und technischen Gesichtspunkten. Insoweit hält der Kläger einen Zeitanteil von mindestens 25 % für zutreffend. Die Beklagte gibt insoweit 18 von 176 Stunden an. In diesem Abschnitt ermittelt der Kläger Einsatzverfahren, Rekonstruktion von Übungs- und Ausbildungsabläufen (Taktik und Technik).

Nach Darstellung des Klägers sind weitere 1 – 2 % der Gesamtarbeitszeit mit der Überprüfung von Meldungen, Berichten und Grundlagedateien belegt. 2 – 3 % der Gesamtarbeitszeit sollen mit Abgleichen des eigenen Auswerteergebnisses mit Arbeitsergebnissen und -beiträgen anderer fremdsprachiger und betrieblicher Auswerter ausgefüllt sein. Mit 10 % seiner Gesamtarbeitszeit sollen das Erstellen eines Teilberichts durch Zusammenfassung der Erkenntnisse aus seinem Sachgebiet als qualitatives Endprodukt selbständiger Auswertetätigkeit belegt sein.

Nachdem die Beklagte in der Berufungsinstanz dem Kläger Aussagegenehmigung hinsichtlich der konkreteren Beschreibung seiner Tätigkeiten erteilt hatte, hat der Kläger verschiedene “Beispielsübersetzungen” vorgelegt. Danach erhält er einen auf Tonträger festgehaltenen Text in russischer Sprache, den er zunächst auf russisch niederschreibt, dann eine wörtliche Übersetzung des Sprechfunkverkehrs ins Deutsche fertigt. Bei einfacheren Texten übersetzt der Kläger unmittelbar ins Deutsche. Seine weitere Aufgabe ist dann, aus dieser wörtlichen Übersetzung, die für den Unkundigen nicht verständlich ist, durch eigene Gedankenarbeit zu überlegen, was der Sprechfunkverkehr inhaltlich tatsächlich aussagt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, seine Tätigkeit erfülle jedenfalls die Voraussetzungen der Vergütungsgruppe III Fallgr. 2 des Teils III Abschn. A Angestellte im Fremdsprachendienst Unterabschn. II Überprüfer und Übersetzer der Anl. 1a zum BAT.

Er müsse schwierige Texte übertragen. Bei der Nachauswertung gehe es in erster Linie um Besonderheiten und Klärungen schwieriger Sachverhalte, nicht um routinemäßigen Funksprechverkehr. Unstreitig werte er nur solche Dokumente aus, die in anderen Abteilungen nicht erfolgreich hätten verarbeitet werden können. Die von ihm geforderten Kenntnisse umfaßten volkstümliche Ausdrücke und Redensarten, die in keinem Wörterbuch zu finden seien und die Beschreibungen komplizierter Funktionsweisen von Apparaten und Vorgängen. Darüber hinaus müsse er gründliche und umfassende Fachkenntnisse auf einem wissenschaftlichen oder wissenschaftlich-technischen Fachgebiet zur Geltung bringen, nämlich besondere Kenntnisse in Landeskunde, Wehrwesen und Wehrtechnik, ohne die die Übersetzungen und Auswertungen des Funkverkehrs nicht vorgenommen werden könnten. Notwendig sei ein enormes theoretisches Fachwissen auch aus dem Bereich der modernen Luftfahrttechnik und der militärischen Taktiken moderner Luftfahrzeuge, um ein brauchbares Arbeitsergebnis zu erhalten.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab dem 1. März 1990 Vergütung nach der VergGr. III BAT zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, Muttersprache des Klägers sei nicht die deutsche. Daher könne die von ihm begehrte Eingruppierung schon begrifflich nicht in Betracht kommen. Darüber hinaus habe der Kläger keine schwierigen Texte zu übertragen. Der Flugfunk sei eine formalisierte Sprache, die mit einem geringen Wortschatz verstanden werden könne. Es fielen immer die gleichen Bezeichnungen in der Fremdsprache an und wiederholten sich. Es widerspräche aller Lebenserfahrung, daß über Flugfunk schwierige Texte übermittelt würden. Nicht die Übertragung des Textes sei schwierig, sondern die sich daran anschließende Auswertung, d. h., die Interpretation des aufgefangenen Flugfunkes. Die Schwierigkeit bei der Übersetzung bestehe vornehmlich in dem richtigen akustischen Verständnis des gesprochenen Wortes bedingt durch manchmal schlechte Übertragungsqualität. Dazu sei jedoch keine eingehende Textanalyse notwendig. Zudem müsse der Kläger keine gründlichen Kenntnisse auf mindestens einem wissenschaftlichen oder wissenschaftlich-technischen Fachgebiet zur Geltung bringen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Die Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Kläger Vergütung nach VergGr. III BAT zu gewähren.

I. Die Klage ist zulässig. Es handelt sich der Sache nach um eine im öffentlichen Dienst allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage (z. B. Senatsurteil vom 19. März 1986 – 4 AZR 470/84 – AP Nr. 114 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

II. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. III BAT.

1. Aus der einzelvertraglich vereinbarten Verwaltungsanordnung Nr. 5 (Angest) vom 30. Dezember 1964 i. d. Neufassung vom 1. Dezember 1972 über die Eingruppierung der Angestellten in der Fernmelde- und Elektronischen Aufklärung der Bundeswehr kann der Kläger einen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. III BAT mit Erfolg nicht herleiten.

Denn VergGr. III BAT ist nach dieser Verwaltungsanordnung nur für Angestellte als Auswerter oder Entzifferer als Leiter eines besonders schwierigen Sachgebietes vorgesehen. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht.

2. Der Kläger hat auch keinen tariflichen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. III BAT.

a) Die genannte Verwaltungsanordnung Nr. 5 steht der Anwendung des BAT nicht entgegen.

Die Verwaltungsanordnung Nr. 5 ist kein Tarifvertrag, auch wenn sie im Einvernehmen mit der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr und der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft ergangen ist. Sie ist von den Tarifvertragsparteien nicht abgeschlossen und daher auch nicht nach Maßgabe des TVG zustande gekommen. Sie entbehrt des normativen Charakters und stellt letztlich doch nur eine einseitig erlassene Vorgabe für die Eingruppierung dar. Ihr kann schon deswegen für sich allein eine arbeitsrechtliche Bedeutung nicht zukommen. Ihre Anwendung auf das Arbeitsverhältnis setzt daher eine entsprechende Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien voraus. Diese ist gegeben. Denn nach dem Zusatz vom 15. März 1973 zum Arbeitsvertrag richtet sich die Eingruppierung nach der Verwaltungsanordnung Nr. 5.

Das schließt aber eine höhere Eingruppierung nicht aus, wenn diese sich aus der Anl. 1a zum BAT ergibt, nachdem beide Parteien kraft Zugehörigkeit zu den tarifvertragsschließenden Parteien tarifgebunden sind. Der BAT wirkt gem. § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG sonach unmittelbar zwingend.

b) Gleichwohl hat der Kläger keinen tariflichen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. III BAT.

Finden die Vorschriften des BAT kraft Tarifbindung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung, kommt es für die Eingruppierung des Klägers darauf an, ob bei ihm zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die jeweils für sich die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals der von ihm in Anspruch genommenen VergGr. III BAT erfüllen (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 1 und Unterabs. 2 Satz 1 BAT). Dabei ist von dem von der Senatsrechtsprechung entwickelten Begriff des Arbeitsvorgangs auszugehen, wonach darunter eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten und bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten zu verstehen ist (BAGE 51, 59, 65 = AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG Urteil vom 12. Februar 1992 – 4 AZR 310/91 – AP Nr. 161 zu §§ 22, 23 BAT 1975, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, m. w. N.).

Das Landesarbeitsgericht hat die Arbeitsvorgänge des Klägers nicht abschließend bestimmt, sondern sich mit den Vergütungsgruppen befaßt, auf die der Kläger allein seinen Anspruch stützen könne, nämlich die des Teils III Abschn. A Unterabschn. II Überprüfer und Übersetzer der Anlage 1a zum BAT.

Da es sich bei dem Begriff des Arbeitsvorgangs um einen von den Tarifvertragsparteien vorgegebenen Rechtsbegriff handelt, kann der Senat die Arbeitsvorgänge des Klägers jedoch selbst bestimmen (BAG Urteil vom 15. Februar 1984 – 4 AZR 264/82 – AP Nr. 86 zu §§ 22, 23 BAT 1975, m. w. N.). Die hierzu notwendigen Tatsachenfeststellungen hat das Landesarbeitsgericht getroffen.

Die Auswertung von russischsprachigen Flugfunkverkehren nimmt – sowohl nach dem Vortrag des Klägers als auch nach dem Vortrag der Beklagten – den weitaus überwiegenden Teil seiner Arbeitszeit in Anspruch und ist damit für seine Eingruppierung maßgebend. Diese Auswertung bildet einen einzigen Arbeitsvorgang. Sie führt als Arbeitsergebnis zur Aufbereitung von auf Tonträger aufgenommenen russischsprachigen Flugfunkverkehren zwischen Piloten untereinander und Piloten und Bodenstationen i. S. einer Analyse auf dem Hintergrund bereits bekannter Fakten. Dieses Ergebnis steht am Ende der im Rahmen dieser nach dem Vortrag beider Parteien mehr als die Hälfte der Arbeitszeit des Klägers in Anspruch nehmenden Teilaufgabe von den vom Kläger zu erbringenden einzelnen Arbeitsleistungen oder Arbeitsschritten.

Diese Tätigkeit kann nicht sinnvoll in Abhören, Niederschreiben des Gehörten in russischer Sprache, wörtliche Übersetzung, sinngemäße Übersetzung, Auswertung oder Ermittlung von Einsatzverfahren, Rekonstruktion von Übungs- und Ausbildungsabläufen usw. aufgespalten werden. Es ist zwar richtig, daß Tätigkeiten von unterschiedlicher tariflicher Wertung nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefaßt werden dürfen. Nach der Rechtsprechung des Senats (z. B. Urteil vom 12. November 1986 – 4 AZR 718/85 – AP Nr. 129 zu §§ 22, 23 BAT 1975) ist aber nur die Zusammenfassung tatsächlich trennbarer Tätigkeiten ausgeschlossen. Um solche Tätigkeiten handelt es sich hier indes nicht.

Denn es widerspricht der erforderlichen natürlichen Betrachtungsweise, die Flugfunkauswertung in die einzelnen Arbeitsschritte aufzuspalten. Schon die von der Beklagten praktizierte Zuweisung der gesamten Flugfunkauswertung an den Kläger zeigt, daß die Flugfunkauswertung praktisch und bei natürlicher Betrachungsweise nicht sinnvoll getrennt werden kann, sondern eine Einheit bildet. Erst bei der Bearbeitung zeigt sich, ob es sich um “normalen” Flugfunkverkehr handelt, ob die am Ende stehende Auswertung diese Normalität bestätigt oder ob auf dem Hintergrund des bekannten Wissens neue Erkenntnisse etwa hinsichtlich Taktik und Technik des russischen Militärflugwesens gewonnen werden können.

Die Trennung der Tätigkeit der Auswertung des Flugfunkverkehrs in russischer Sprache in wenigstens zwei Arbeitsvorgänge, nämlich sinngemäße Übersetzung einerseits und Auswertung andererseits, würde Arbeitsleistungen zersplittern, die wegen ihres Zusammenhangs aus Gründen der Praktikabilität geschlossen einem Bearbeiter zugewiesen sind.

Der Kläger beschränkt sich nicht auf das Übersetzen von russischsprachigen Flugfunkverkehren, die mit Hilfe von Aufnahmegeräten festgehalten wurden, sondern er wertet sie aus und kommentiert sie. Das ist seine eigentliche Aufgabe, die von ihm erwartet wird. Bei der Tätigkeit des Auswertens russischer Flugfunkverkehre werden Übersetzung und Wertung miteinander verbunden. Das Übersetzen ist lediglich das Fundament für die sich anschließende Auswertung. Die Auswertung ist nicht etwa eine Zusammenhangsarbeit, also eine Hilfstätigkeit, die mit der Übersetzung einhergeht. Unter Zusammenhangsarbeiten sind solche Tätigkeiten zu verstehen, die aufgrund ihres engen Zusammenhangs mit bestimmten, insbesondere höherwertigen Aufgaben eines Angestellten bei der tarifrechtlichen Bewertung zwecks Vermeidung tarifwidriger “Atomisierung” der Arbeitseinheiten nicht abgetrennt werden können, sondern diesen zuzurechnen sind (vgl. Urteil des Senats vom 14. Februar 1979 – 4 AZR 414/77 – AP Nr. 15 zu §§ 22, 23 BAT 1975 sowie Urteil des Senats vom 21. Februar 1990 – 4 AZR 603/89 – AP Nr. 7 zu §§ 22, 23 BAT Krankenkassen = ZTR 1990, 289). Zusammenhangstätigkeiten sind bei Übersetzungen die mit ihnen einhergehenden untrennbaren Hilfstätigkeiten, z. B. Reinschriften (vgl. insoweit Urteil des Senats vom 13. Dezember 1967 – 4 AZR 106/67 – AP Nr. 14 zu §§ 22, 23 BAT). Dagegen ist die Auswertung das Arbeitsergebnis, das die professionelle Beherrschung der russischen Sprache voraussetzt.

Dem entspricht es, daß es zahlreiche Berufe gibt, in denen die professionelle Beherrschung einer Fremdsprache Grundbestandteil einer Gesamttätigkeit ist. Als Beispiel sei die Tätigkeit als Auslandsberichterstatter genannt. Auch dann wird die Tätigkeit nicht in Übersetzen und Abfassen der Berichte aufgegliedert. Arbeitsvorgang ist vielmehr die Berichterstattung aus dem Lande X.

Sonach bildet die Auswertung russischsprachiger Flugfunkverkehre einen Arbeitsvorgang.

Das Landesarbeitsgericht hat “ausdrücklich offengelassen”, ob der Kläger mit seiner Auswertung russischsprachigen Flugfunkverkehrs überhaupt unter Teil III A (Angestellte im Fremdsprachendienst) Unterabschn. II (Überprüfer und Übersetzer) der Anl. 1a BAT fällt. Es hat einen Anspruch des Klägers auf Vergütung nach VergGr. III BAT aus der von ihm für erfüllt angesehenen Fallgr. 2 der VergGr. III des Tarifvertrages für Überprüfer und Übersetzer im Fremdsprachendienst deswegen verneint, weil die Übersetzungstätigkeit mit der Fertigung einer wörtlichen Übersetzung aus der russischen Sprache beendet sei. Bei der Übertragung der Texte setze der Kläger keine gesteigerten Fachkenntnisse oder Kenntnisse in einer wissenschaftlichen oder wissenschaftlichtechnischen Fachsprache ein. Der Einsatz dieser speziellen Kenntnisse – deren tarifliche Wertigkeit offen bleibe – setze erst dann ein, wenn der deutsche Text gedeutet, interpretiert oder dechiffriert werden müsse. Die dem Kläger wegen seiner Aufgabe der Auswertung weiter übertragene Fertigung einer sinntragenden Übersetzung entspreche nicht mehr dem ursprünglichen Text, sondern sei das Ergebnis einer Gedankenarbeit, die tarifgerecht nicht mehr als Übersetzungstätigkeit, sondern als Dechiffrierung, Auswertung, Deutung oder sonstige Interpretation gewertet werden könne.

Dieser Begründung ist nicht zu folgen. Sie übersieht die Voraussetzung für die Anwendung des Unterabschn. II des Abschn. A des Teils III der Anl. 1a zum BAT, nämlich daß der Auswerter fremdsprachiger Flugfunkverkehre unter den Tarifvertrag Überprüfer und Übersetzer im Fremdsprachendienst fällt.

Die Tätigkeit des Klägers fällt nicht unter die tarifvertraglichen Bestimmungen für Überprüfer und Übersetzer im Fremdsprachendienst.

Die Aufgabe des Überprüfers besteht darin, Übersetzungen mit den Originaltexten zu vergleichen (im einzelnen vgl. Protokollnotiz Nr. 1 zu III A II VergGr. Ia, Ib, IIa Fallgr. 1 bis 4). Das macht der Kläger nicht.

Einem Übersetzer obliegt die Übersetzung schriftlich vorgegebener Texte in eine andere Sprache (Urteil des Senats vom 20. August 1986 – 4 AZR 256/85 – AP Nr. 47 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie; Urteil des Senats vom 1. März 1989 – 4 AZR 576/88 –, n. v.). Das macht der Kläger, aber nicht nur. Er übersetzt zwar abgehörte und dann von ihm schriftlich niedergelegte russische Texte ins Deutsche, und zwar zunächst wortwörtlich, dann sinngemäß, oder er schreibt die wortwörtliche deutsche Übersetzung sofort beim Abhören nieder und gibt ihr dann die sinngemäße Fassung. Darin erschöpft sich seine Tätigkeit aber nicht. Vielmehr stellt er die in die deutsche Sprache übertragenen Flugfunktexte in den allgemeinen Gesamtzusammenhang auf dem Hintergrund des bereits Bekannten und versucht festzumachen, ob sich aus dem Abgehörten und Übertragenen neue Erkenntnisse ergeben oder abzeichnen, mit anderen Worten, ob auf Grund des abgehörten und übersetzten Flugfunkverkehrs von neuen technischen Entwicklungen, Strategien oder Taktiken auszugehen ist, auf die sich der Dienstherr mit seinen Dienststellen soll einrichten können. Das Arbeitsergebnis des Klägers beschränkt sich damit nicht auf eine wörtliche oder sinntragende Übersetzung russischer Flugfunkverkehre, sondern geht darüber hinaus: Die übersetzten Flugfunktexte werden in den Gesamtzusammenhang gestellt, also im Rahmen der bisherigen Erkenntnisse ausgedeutet.

Die tarifvertraglichen Eingruppierungsregelungen für Übersetzer greifen sonach zu kurz. Sie passen auf die Auswerter fremdsprachigen Flugfunkverkehrs nicht.

Die Tarifvertragsparteien sind auch selbst nicht davon ausgegangen, die Auswertung fremdsprachigen Flugfunkverkehrs falle unter die Eingruppierungsregelung für Übersetzer im Fremdsprachendienst.

Es ist nämlich sonst nicht nachvollziehbar, daß die Verwaltungsanordnung Nr. 5 vom 30. Dezember 1964 über die Eingruppierung der Angestellten in der Fernmelde- und Elektronischen Aufklärung der Bundeswehr aufrechterhalten wurde, nachdem der Teil III der Anl. 1a zum BAT mit Tarifvertrag vom 25. März 1966 mit Wirkung vom 1. Januar 1966 in die Anl. 1a zum BAT eingefügt worden war. Der Neufassung der Verwaltungsanordnung Nr. 5 vom 1. Dezember 1972 hätte es nicht bedurft, nachdem der Abschn. A des Teils III der Anl. 1a zum BAT durch den Tarifvertrag vom 14. November 1969 mit Wirkung ab 1. Oktober 1969 geändert worden war, also auch die tariflichen Eingruppierungsregelungen für Überprüfer und Übersetzer.

Das Landesarbeitsgericht hat auf diesen Umstand zwar hingewiesen. Es hat aber nicht die richtige Schlußfolgerung daraus gezogen, sondern sich gleichwohl mit dem Begriff “Übersetzer” i. S. des Tarifrechts befaßt. Auf ihn kommt es indes, wie ausgeführt, nicht mehr an.

Eine entsprechende Anwendung des Teils III Abschn. A Unterabschn. II der Anl. 1a auf Auswerter fremdsprachiger Flugfunkverkehre ist nicht möglich.

Die im Bereich des Bundes bestehenden weiteren Vergütungsgruppen greifen nur dann, wenn die speziellen Tätigkeitsmerkmale tatsächlich gegeben sind. Sind sie nicht gegeben, finden entweder die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale Anwendung, oder es ist allenfalls eine Eingruppierung im Wege der Lückenausfüllung möglich.

Da der BAT keine speziellen Tätigkeitsmerkmale für fremdsprachige Flugfunkauswerter enthält, könnten für die Eingruppierung des Klägers die allgemeinen tariflichen Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsordnung für den Verwaltungsdienst heranzuziehen sein. Ihnen kommt grundsätzlich eine Auffangfunktion zu (Urteil des Senats vom 12. November 1986 – 4 AZR 718/85 – AP Nr. 129 zu §§ 22, 23 BAT 1975, m. w. N.). Zudem kann die Auswertung fremdsprachiger Flugfunkverkehre trotz der damit verbundenen Besonderheiten wie allgemeine und besondere Sprachkenntnisse und Kenntnisse des Flugwesens und der Waffensysteme in Flugzeugen, der Luftflottentaktik und -strategie zu den Aufgaben des Verteidigungswesens und damit zu der öffentlichen Verwaltung gerechnet werden.

Davon kann aber schon deswegen nicht ausgegangen werden, weil der BAT für Angestellte des Bundes im Teil III Abschn. A der Anl. 1a zum BAT spezielle Tätigkeitsmerkmale im Fremdsprachendienst vorsieht, in denen die Tarifvertragsparteien ein eigenes Eingruppierungssystem für “fremdsprachliche Rundfunkauswerter und fremdsprachliche Funkauswerter im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung” in Unterabschn. IV geschaffen haben.

Wenn dann die im Einvernehmen mit den Tarifvertragsparteien auf Arbeitnehmerseite ergangene Verwaltungsanordnung Nr. 5 vom 30. Dezember 1964 nicht nur beibehalten, sondern am 1. Dezember 1972 neu gefaßt wird, dann ist davon auszugehen, daß nach dem Willen der Tarifvertragsparteien den allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsordnung keine Auffangfunktion mehr zukommt, sondern die Eingruppierung der fremdsprachigen Flugfunkauswerter sich ausschließlich und allein nach der – arbeitsvertraglich zu vereinbarenden – Verwaltungsanordnung Nr. 5 vom 30. Dezember 1964 i. d. Neufassung vom 1. Dezember 1972 richtet.

Es liegt eine bewußte Tariflücke vor. Die Tarifvertragsparteien haben sie aber der Sache nach geschlossen. Es ist eine Verwaltungsanordnung “im Einvernehmen” mit den Tarifvertragsparteien auf Arbeitnehmerseite ergangen, also in Übereinstimmung, Einigkeit, Verständigung mit den Tarifvertragsparteien der Arbeitnehmerseite. Man war sich über den Inhalt der Verwaltungsanordnung einig, wenngleich sie formal einseitig von Arbeitgeberseite erging.

Im übrigen hat das Landesarbeitsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dem Sachvortrag des Klägers könne nicht entnommen werden, daß er die Anforderungen der VergGr. III Fallgr. 1a oder 1b BAT erfüllt.

Damit hat der Kläger keinen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. III BAT seit 1. März 1990.

III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Schneider, Bott, Friedrich, Dr. Kiefer, Winterholler

 

Fundstellen

Haufe-Index 856767

NZA 1995, 483

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt TVöD Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge