Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereintrittsrecht. Auslegung einer Aufhebungsvereinbarung

 

Leitsatz (redaktionell)

Hat das Landesarbeitsgericht die Auslegung einer Aufhebungsvereinbarung unterlassen, kann dies durch das Bundesarbeitsgericht selbst vorgenommen werden, wenn die für die Auslegung erforderlichen Tatsachen festgestellt sind und weiterer Sachvortrag der Parteien dazu nicht zu erwarten ist.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 16.04.2003; Aktenzeichen 12 Sa 111/02)

ArbG Mannheim (Urteil vom 30.09.2002; Aktenzeichen 11 Ca 219/02)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 16. April 2003 – 12 Sa 111/02 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Beschäftigungsanspruch des Klägers.

Die Beklagte ist eine Holding-Gesellschaft. Sie ist Rechtsnachfolgerin der K… AG (K…-AG). Bei diesem Unternehmen war der Kläger seit dem 1. Dezember 1980 als Techniker beschäftigt. Er ist schwerbehindert mit einem GdB von 60. Am 9. Juni 1992 vereinbarte er mit der K…-AG einen Aufhebungsvertrag, der ua. bestimmt:

“1. Sie scheiden am 30. Juni 1992 aus organisatorischen Gründen aus der K…-Aktiengesellschaft, H…, aus und beginnen zum 1. Juli 1992 ihre Tätigkeit als Techniker bei der KEU Energie- und Umwelttechnik GmbH, K….

4. Wir sichern Ihnen zu, dass Sie ein Wiedereintrittsrecht zur K…-Aktiengesellschaft, H…, haben, falls KEU von anderen Eigentümern übernommen oder aufgelöst würde bzw. die Produktlinie eingestellt wird. Auch bei einem Rückzug der Geschäftsaktivitäten aus dem Raum H…/W… wird die Wiedereingliederung bei K…-Aktiengesellschaft H… wohlwollend geprüft.

…”

Am selben Tag schloss der Kläger einen Arbeitsvertrag mit der KEU Energie- und Umwelttechnik GmbH (im Folgenden: KEU alt). Bei diesem Unternehmen handelte es sich um eine Ausgründung, deren H… Betrieb zuvor eine Betriebsabteilung der K…-AG war. Eine Änderung der arbeitsvertraglichen Pflichten des Klägers war damit nicht verbunden.

Die K…-AG und die KEU alt schlossen zum 1. Juli 1996 einen Verschmelzungsvertrag. Mit Wirkung vom 1. Januar 1997 wurde der Bereich Energie- und Umwelttechnik erneut aus der K…-AG ausgegliedert in die neu gegründete Energie- und Umwelttechnik GmbH (im Folgenden: KEU neu). Im Januar 2000 veräußerte die KEU neu ihre Betriebsstätten in K… und H.… Sie behielt lediglich die Betriebsstätte in H… bei, in der der Kläger nach wie vor beschäftigt war. Ebenfalls im Januar 2000 übertrug die inzwischen G… AG firmierende Rechtsvorgängerin der Beklagten ihre “Geschäftsanteile” an der KEU neu auf die We GmbH, die später in WPI-GmbH umbenannt wurde und ihrerseits “die Geschäftsanteile an der KEU neu an die e KG verkaufte”.

Der Kläger verlangte mit Schreiben vom 18. Februar 2000 von der Beklagten die Übernahme in ein Arbeitsverhältnis nach Nr. 4 des Aufhebungsvertrags vom 9. Juni 1992. Dies lehnte die Beklagte ab. Eine darauf gerichtete Klage nahm der Kläger im September 2000 zurück.

Am 19. Dezember 2001 wurde über das Vermögen der e KG das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger am 19. Dezember 2001 zum 31. März 2002.

Mit der vorliegenden, am 24. April 2002 eingereichten Klage hat der Kläger von der Beklagten seine Beschäftigung als Techniker verlangt. Er hat die Auffassung vertreten, auf Grund der mit der K…-AG am 9. Juni 1992 getroffenen Vereinbarung bestehe zwischen ihm und der Beklagten ein Arbeitsverhältnis. Das Wiedereintrittsrecht habe nach wie vor Gültigkeit. Dieses habe er mit Schreiben vom 18. Februar 2000 geltend gemacht. Auch wenn die Beklagte als Holding-Gesellschaft über keine Arbeitsplätze für Techniker verfüge, könne er in einer der Konzerngesellschaften beschäftigt werden.

Der Kläger hat, soweit für die Revision von Bedeutung, beantragt, die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als Techniker mit der Gehaltsgruppe T5 ab 1. Januar 2002 zu beschäftigen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Beschäftigung als Techniker, da zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis besteht. Die Voraussetzungen des Wiedereintrittsrechts lagen bei dessen Geltendmachung durch den Kläger am 18. Februar 2000 nicht vor.

  • Die Revision ist zulässig. Sie ist entgegen der Auffassung der Beklagten ordnungsgemäß begründet.

    1. Nach § 551 Abs. 3 Nr. 2a ZPO muss die Revisionsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt. Dies erfordert die Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen des angefochtenen Urteils. Die Revisionsbegründung muss den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts aufzeigen. Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs müssen erkennbar sein (st. Rspr., vgl. etwa BAG 29. Oktober 1997 – 5 AZR 624/96 – BAGE 87, 41 = AP ZPO § 554 Nr. 30 = EzA ZPO § 554 Nr. 7, zu 1 der Gründe). Hat das Gericht die angefochtene Entscheidung auf zwei voneinander unabhängige, die Entscheidung selbständig tragende Erwägungen gestützt, muss die Rechtsmittelbegründung beide Erwägungen angreifen. Setzt sich die Begründung nur mit einer Erwägung auseinander, ist das Rechtsmittel insgesamt unzulässig. Denn die Rechtsmittelbegründung muss – im Falle ihrer Berechtigung – geeignet sein, die gesamte Entscheidung in Frage zu stellen (vgl. zur Berufungsbegründung BAG 11. März 1998 – 2 AZR 497/97 – BAGE 88, 171 = AP ZPO § 519 Nr. 49 = EzA ZPO § 519 Nr. 10, zu I der Gründe mwN).

    2. Diesen Anforderungen genügt die Revisionsbegründung.

    a) Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Anspruch des Klägers auf Rückkehr in ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten sei durch Erfüllung nach § 362 BGB erloschen, da das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die Verschmelzung der KEU alt mit der K…-AG nach § 613a BGB auf die K…-AG übergegangen sei. Hilfsweise hat das Landesarbeitsgericht angenommen, das Wiedereintrittsrecht sei auf Grund dieser Umstände wegen Zweckerreichung untergegangen.

    b) Die Revisionsbegründung bekämpft entgegen der Auffassung der Beklagten nicht nur die Argumentation des Landesarbeitsgerichts zur Erfüllung des Anspruchs, sondern macht auch geltend, die Verschmelzung der KEU alt mit der K…-AG könne nicht als Bedingungseintritt iSv. Nr. 4 des Aufhebungsvertrags gewertet werden, weil dem Kläger durch das vereinbarte Wiedereintrittsrecht der Arbeitsplatz im Raum H… in der Kraftanlagengruppe habe erhalten werden sollen. Daraus ist zu entnehmen, dass aus Sicht des Klägers der Zweck des Wiedereintrittsrechts durch den Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die K…-AG im Zusammenhang mit der Verschmelzung der K…-AG mit der KEU alt nicht erreicht wurde und er die gegenteilige Betrachtung des Landesarbeitsgerichts für rechtsfehlerhaft hält. Damit hat der Kläger sowohl die Hauptals auch die Hilfsbegründung des Landesarbeitsgerichts angegriffen.

  • Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klage ist unbegründet, weil die vertraglich vereinbarten Voraussetzungen des Wiedereintrittsrechts bei dessen Geltendmachung durch den Kläger mit Schreiben vom 18. Februar 2000 nicht vorlagen.

    1. Die Klage ist nicht schon deshalb abzuweisen, weil der Kläger die Beklagte zunächst auf Abschluss eines Arbeitsvertrags in Anspruch nehmen müsste und erst danach die Beschäftigung als Techniker geltend machen könnte. Bei der Regelung in Nr. 4 Satz 1 des Aufhebungsvertrags vom 9. Juni 1992 handelt es sich nicht um einen Vorvertrag oder einen Wiedereinstellungsanspruch, auf Grund dessen der Kläger den Abschluss eines Arbeitsvertrags mit der Beklagten verlangen könnte, sondern um ein Optionsrecht in Form eines die K…-AG langfristig bindenden Vertragsangebots, das der Kläger bei Vorliegen der vereinbarten Voraussetzungen durch eine entsprechende Erklärung annehmen und dadurch den Abschluss eines Arbeitsvertrags unmittelbar herbeiführen konnte. Dies ergibt sich aus der Verwendung des Begriffs “Wiedereintrittsrecht”, der verdeutlicht, dass es bei Vorliegen der in Nr. 4 des Aufhebungsvertrags genannten Voraussetzungen allein vom Kläger abhängen sollte, ein Arbeitsverhältnis mit der K…-AG zu begründen.

    2. Die Klage ist aber unbegründet, weil bei der Geltendmachung des Wiedereintrittsrechts durch den Kläger mit Schreiben vom 18. Februar 2000 die Voraussetzungen des Wiedereintrittsrechts nicht vorlagen.

    a) Nach Nr. 4 des Aufhebungsvertrags wurde dem Kläger ein Wiedereintrittsrecht ua. für den Fall zugesagt, dass KEU von anderen Eigentümern übernommen wird. Dies könnte zwar für die KEU neu zutreffen, da die Rechtsvorgängerin der Beklagten ihre Geschäftsanteile an dieser Gesellschaft im Januar 2000 an die We GmbH (später: WPI GmbH) veräußert hat und damit eine Übernahme im Sinne der Vereinbarung verbunden gewesen sein könnte. Das vertraglich vereinbarte Wiedereintrittsrecht bezog sich aber nur auf die Übernahme der KEU alt, nicht jedoch der KEU neu durch andere Eigentümer als die K…-AG. Dies ergibt die vom Landesarbeitsgericht unterlassene Auslegung des Aufhebungsvertrags, die der Senat selbst vornehmen konnte, weil die für die Auslegung erforderlichen Tatsachen festgestellt sind und weiterer Sachvortrag der Parteien dazu nicht zu erwarten ist (vgl. BAG 5. April 2001 – 2 AZR 580/99 – BAGE 97, 276, 290 = AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 32).

    Das Wiedereintrittsrecht wurde dem Kläger von der Rechtsvorgängerin der Beklagten zugesagt, “falls KEU von anderen Eigentümern übernommen oder aufgelöst würde bzw. die Produktlinie eingestellt wird”. Mit der KEU konnte auch aus der Sicht des Klägers als Erklärungsempfänger nur das damals bestehende Unternehmen gemeint sein, in das der Kläger zum 1. Juli 1992 eintrat. Das war die KEU Energie- und Umwelttechnik GmbH und nicht die zum 1. Juli 1997 neu gegründete Gesellschaft, auch wenn diese wiederum mit der Abkürzung als KEU bezeichnet wurde. Dies ergibt sich nicht nur aus der Benennung der KEU Energie- und Umwelttechnik GmbH als dem neuen Arbeitgeber in Nr. 4 des Aufhebungsvertrags, sondern auch aus dem mit dem Wiedereintrittsrecht verfolgten Zweck. Dieser bestand darin, den Kläger vor möglichen Nachteilen, die mit dem zum 1. Juli 1992 erfolgten Wechsel von der K…-AG zur KEU alt verbunden sein konnten, zu schützen. Dieser Schutz bezog sich aber für den Kläger erkennbar nicht auf alle künftig denkbaren nachteiligen Folgen des Arbeitgeberwechsels. Vielmehr haben die Parteien das Wiedereintrittsrecht vom Vorliegen bestimmter Voraussetzungen abhängig gemacht, nämlich der Auflösung oder der Übernahme des neuen Arbeitgebers durch andere Eigentümer als die K…-AG oder der Einstellung der Produktlinie. Andere Risiken wurden durch das Wiedereintrittsrecht nicht abgedeckt. Das folgt insbesondere aus Nr. 4 Satz 2 des Aufhebungsvertrags. Danach sollte “bei einem Rückzug der Geschäftsaktivitäten aus dem Raum H…/W… … die Wiedereingliederung bei K…-Aktiengesellschaft H…” lediglich “wohlwollend geprüft” werden. Dem Kläger sollte daher nicht bei jeder künftigen Gefährdung seines Arbeitsverhältnisses eine Beschäftigungsmöglichkeit bei der K…-AG garantiert werden, sondern nur unter den in Nr. 4 Satz 1 des Aufhebungsvertrags vereinbarten Voraussetzungen der Auflösung oder Übernahme des neuen Arbeitgebers durch andere Eigentümer als die K…-AG oder der Einstellung der Produktlinie.

    b) Als der Kläger mit Schreiben vom 18. Februar 2000 von der Beklagten unter Bezugnahme auf Nr. 4 des Aufhebungsvertrags vom 9. Juni 1992 die Übernahme in ein Arbeitsverhältnis verlangt und damit von seinem Optionsrecht Gebrauch gemacht hat, lagen die Voraussetzungen des Wiedereintrittsrechts nicht vor. Denn nicht die KEU alt könnte von anderen Eigentümern als der K…-AG übernommen worden sein, sondern nur die KEU neu. Auf diesen Sachverhalt bezog sich das Wiedereintrittsrecht nicht.

    Die KEU alt wurde zwar im Jahr 1996 durch die Verschmelzung mit der K…-AG aufgelöst. Darauf kann der Kläger aber das Wiedereintrittsrecht nicht stützen, da das Arbeitsverhältnis auf Grund der Verschmelzung der KEU alt mit der K…-AG ohnehin nach § 613a BGB auf die K…-AG übergegangen war.

    3. So kann dahinstehen, ob der Anspruch des Klägers auf Wiedereintritt in ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten nach Nr. 4 des Aufhebungsvertrags vom 9. Juni 1992 durch Erfüllung erloschen oder durch Zweckerreichung untergegangen ist, wie das Landesarbeitsgericht meint. Es kann ferner unaufgeklärt bleiben, ob die KEU neu stets Arbeitgeberin des Klägers geblieben ist oder ob die “Geschäftsanteile der KEU erwerbenden” Gesellschaften Arbeitgeber des Klägers geworden sind und ob daher dem Kläger durch den Insolvenzverwalter der e KG gekündigt werden konnte.

  • Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
 

Unterschriften

Dörner, Gräfl, Laux, Günther Metzinger, Dr. Koch

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1159126

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