Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankheitsbedingte Kündigung. tarifliche Arbeiterkündigungsfrist

 

Leitsatz (redaktionell)

(teilweise) Parallelsache zu 2 AZR 9/94

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1; BGB § 622 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 11.01.1994; Aktenzeichen 16 Sa 1413/93)

ArbG Mönchengladbach (Urteil vom 18.08.1993; Aktenzeichen 6 (2) Ca 1680/92)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 11. Januar 1994 – 16 Sa 1413/93 – teilweise aufgehoben.

2. Die Anschlußberufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 18. August 1993 – 6 (2) Ca 1680/92 – wird zurückgewiesen.

3. Die weitergehende Revision des Klägers wird zurückgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger (geboren am 11. Mai 1933) war seit März 1971 als Textilarbeiter bei der Beklagten (50 Arbeitnehmer) mit einem Stundenlohn von zuletzt 17,71 DM beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Nordrheinischen Textilindustrie vom 10. Mai 1978 (im folgenden MTV-Arbeiter) Anwendung. Bis etwa 1989 war der Kläger als Maschinenreiniger in der damaligen Spinnerei eingesetzt und nach einer Übergangszeit sodann als Verpacker (Serienpacker) für Thermo-Vliestücher an entsprechenden Verpackungsmaschinen. Die Arbeitsvorgänge des Klägers in der Verpackung bestanden aus:

1. Füllen der Magazine (3 Stück) mit Tüchern alle 7 Minuten = 46 Füllungen pro Schicht (350 kg). Füllhöhe der Magazine 180 cm ab Fußboden.

2. Abnahme der verpackten Waren und Einfüllen in Kartons. Kartongewicht 3–9 kg. Anzahl der Kartons pro Schicht 100–120 Stück.

3. Stapeln der Kartons auf Paletten. Palettenhöhe 150–200 cm. Anzahl der Paletten 5–7 Stück.

4. Wechseln der Folienrollen. Gewicht einer Rolle 10 kg. Höhe der Rollenposition 170 cm. Wechsel 2–3 Rollen pro Schicht.

Seit 1985 hatte der Kläger folgende Krankheitsfehlzeiten:

1985

07.01. bis 21.01.

15

Kalendertage

30.04. bis 18.06.

49

Kalendertage

64

1986

17.02. bis 21.02.

5

Kalendertage

09.09. bis 12.09.

4

Kalendertage

9

1987

19.05.

1

Kalendertag

31.07. bis 11.09.

41

Kalendertage

42

1988

25.04. bis 25.05.

30

Kalendertage

09.06. bis 24.06.

16

Kalendertage

15.08. bis 25.11.

90

Kalendertage

136

1989

14.07. bis 30.07.

17

Kalendertage

28.08. bis 19.11.

81

Kalendertage

1990

98

13.07. bis 15.07.

13

(?) Kalendertage

06.09. bis 15.09.

6

Kalendertage

05.11. bis 31.12.

55

Kalendertage

74

1991

01.01. bis 13.01.

14

Kalendertage

20.08. bis 20.11.

90

Kalendertage

104

1992 (bis zur Kündigung)

23.06. bis 24.07.

31

Kalendertage

Der Aufwand an Lohnfortzahlungskosten belief sich insoweit auf insgesamt 21.795,53 DM.

Im August 1992 legte der Kläger der Beklagten ein Attest seines behandelnden Arztes (Dr. K.) vom 21. August 1992 vor, wonach der Kläger 1. an Chron.rez. HWS-Syndrom, 2. an Thoracales costovertebrales Syndrom, 3. an PHS re, relative Schultersteife leidet; nach Prüfung des klinischen- und röntgenologischen Befundes sei eine Tätigkeit Über-Kopf erschwert. Die Beklagte nahm daraufhin den Kläger von einem Teil seiner speziellen Tätigkeiten aus. Mit Schreiben vom 11. September 1992 teilte sie dem Betriebsrat unter Hinweis auf dieses Attest ihre Absicht mit, dem Kläger „fristgemäß zum 31. Dezember 1992” zu kündigen, wobei der Betriebsrat unter dem 14. September 1992 der beabsichtigten Kündigung zustimmte. Daraufhin kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 16. September 1992 das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 1992 auf.

Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Bei seiner früheren Tätigkeit als Maschinenreiniger habe er schwere Maschinenteile bewegen müssen und sich dabei einen „Knacks im Kreuz” geholt. Im Hinblick auf seine anschließende Tätigkeit als Verpacker und auf die dortigen Über-Kopf-Arbeiten halte er sich nicht für überfordert. Vielmehr sei die Tätigkeit nach der neuen Arbeitsplatzbeschreibung vom 4. November 1992 für ihn geradezu ideal. Das zeige sich auch darin, daß er zur Zeit der Kündigung fast ein Jahr lang nicht wegen Rücken- und Schulterbeschwerden arbeitsunfähig krank gewesen sei. Die Arbeitsunfähigkeit vom 23. Juni bis 24. Juli 1992 habe nämlich auf einem eingewachsenen Nagel beruht. Auch seien die Lohnfortzahlungskosten bei durchschnittlich 3.000,– DM pro Jahr nicht unzumutbar. Aufgrund eines neuen Attestes des Dr. K. vom 14. Dezember 1992 bestünden auch keine Bedenken mehr gegen die Tätigkeit als Serienpacker.

Jedenfalls sei aber die Kündigungsfrist nicht eingehalten, weil die von der Beklagten gewählte Frist nach § 2 Nr. 6 MTV Arbeiter verfassungswidrig sei; zumindest für die verlängerten Kündigungsfristen sei ein Flexibilitätsbedürfnis als sachlicher Grund für unterschiedliche Kündigungsfristen von Arbeitern und Angestellten nicht anzuerkennen. Mit den längeren Kündigungsfristen hätten die Arbeitgeber ohnehin auf Flexibilität verzichtet.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 16. September 1992 nicht aufgelöst worden ist, hilfsweise bis zum 31. März 1990 fortbestanden hat.

Die Beklagte hat geltend gemacht, der Kläger sei krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage, die ihm übertragenen Aufgaben zu verrichten. Als Verpacker habe er eine Vielzahl von Tätigkeiten „Über-Kopf” zu verrichten, wogegen nach dem vom Kläger vorgelegten Attest vom 21. August 1992 Bedenken bestünden. Deshalb habe der Kläger von Tätigkeiten mit „Über-Kopf-Arbeiten” ausgenommen werden müssen, was aber dazu geführt habe, daß der Kläger während des größten Teils der Arbeitszeit dann nichts mehr zu tun habe. Auch nach dem erstinstanzlich eingeholten Sachverständigengutachten sei der Kläger nicht in der Lage, seine Tätigkeiten als Packer auszuüben. Während des laufenden Rechtsstreits werde der Kläger zwar vorläufig weiterbeschäftigt, aber nur zusammen mit einer Arbeitnehmerin im Zeitlohn, wobei er keine Über-Kopf-Arbeiten ausführe.

Der Betriebsrat sei unter Hinweis auf das zugleich überreichte Attest und unter Mitteilung der ausschlaggebenden Gründe ordnungsgemäß zur Kündigung angehört worden. Auch die von ihr eingehaltene Kündigungsfrist nach § 2 Nr. 6 MTV Arbeiter sei nicht zu beanstanden, weil das von der Rechtsprechung anerkannte Flexibilitätsbedürfnis auch für Mitarbeiter mit längerer Betriebszugehörigkeit anerkannt werden müsse.

Das Arbeitsgericht hat nach Einholung eines Gutachtens des berufsgenossenschaftlichen arbeitsmedizinischen Dienstes, Düsseldorf, sowie des technischen Aufsichtsdienstes der Textil- und Bekleidungsberufsgenossenschaft die Klage, soweit die Kündigung als sozial ungerechtfertigt angegriffen wird, abgewiesen, im übrigen aber festgestellt, das Arbeitsverhältnis werde aufgrund der Kündigung der Beklagten erst zum 31. März 1993 aufgelöst, weil die tarifliche Kündigungsregelung verfassungswidrig sei. Auf die Berufung des Klägers und die unselbständige Anschlußberufung der Beklagten hin hat das Landesarbeitsgericht die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Revision des Klägers.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers hat nur teilweise Erfolg, und zwar insoweit, als er auf Einhaltung einer längeren Kündigungsfrist besteht.

I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Die Kündigung sei aus personenbedingten Gründen sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG), weil aufgrund der arbeitsmedizinischen Beurteilung des Sachverständigen feststehe, daß der Kläger aufgrund seines Krankheitsbildes auf Dauer nicht in der Lage sei, die von ihm auszuführenden Tätigkeiten an der Verpackungsmaschine ohne weitere gesundheitliche Beeinträchtigungen auszuüben. Die Aussagen des Gutachters deckten sich mit der eigenen Einschätzung des Klägers, wonach er die Magazine der Maschine wegen seiner Beschwerden im Bereich der Schultern und der Halswirbelsäule nicht füllen könne und das Wechseln der Folienrollen für ihn nicht möglich sei. Die gutachterliche Aussage sei auch im Hinblick auf die widersprechenden ärztlichen Atteste des Dr. K. erfolgt, so daß damit geklärt sei, daß bei einer Fortsetzung der Tätigkeit des Klägers von weiteren gesundheitlichen Beeinträchtigungen auszugehen sei. Demnach müßte die Beklagte auch in Zukunft mit weiteren krankheitsbedingten Fehlzeiten rechnen. Die erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen liege darin, daß die Beklagte den Kläger mit den bisherigen Tätigkeiten nicht mehr betrauen könne; hinzu komme, daß nach der eigenen Bekundung des Klägers gegenüber dem Gutachter es bereits zu Spannungen unter den Kollegen gekommen sei, weil diese für ihn, den Kläger, hätten mitarbeiten müssen. Unstreitig werde der Kläger im Hinblick auf das vorliegende Kündigungsschutzverfahren auch nur innerhalb der vorläufigen Weiterbeschäftigung mit Teilarbeiten an der Verpackungsmaschine eingesetzt, während andere Mitarbeiter von anderen Maschinen einen Teil seiner Arbeit an seiner Maschine zusätzlich miterledigen müßten. Dies lasse sich aber nicht generell und auf Dauer durchführen, wie der Kläger selbst in der mündlichen Verhandlung vor der erkennenden Kammer betont habe; andererseits dürfe die Beklagte nicht tatenlos den Kläger der weiteren Gefahr aussetzen, daß sich sein Gesundheitszustand bei Ausführung der bisherigen Tätigkeiten weiter verschlechtere. Auch die Interessenabwägung falle zu Lasten des Klägers aus, wobei zwar sein Lebensalter und die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit zunächst für den Fortbestand und den Erhalt des Arbeitsverhältnisses sprächen, demgegenüber sei aber zu berücksichtigen, daß die Beklagte nicht voreilig gekündigt habe, sondern trotz erheblicher Fehlzeiten bereits in den Vorjahren, den Kündigungsentschluß erst gefaßt habe, nachdem der Kläger durch Vorlage des Attestes über seine erheblich eingeschränkte Einsatzmöglichkeit Mitteilung gemacht habe. Die aufgelisteten Krankheitsfehlzeiten des Klägers hätten auch bereits im Jahre 1985 begonnen und seien im Jahre 1988 besonders hoch gewesen, so daß die Angaben des Klägers, er habe sich 1989 einen „Knacks im Kreuz” geholt, nicht zuträfen. Darüber hinaus beträfen die im Attest vom 21. August 1992 und im Sachverständigengutachten diagnostizierten Erkrankungen des Klägers Zeiträume seit 1982. Da die Beklagte den Kläger nicht einer weiteren Gesundheitsgefährdung aussetzen dürfe, lägen billigenswerte Gründe für den Ausspruch der Kündigung vor.

Die Wirksamkeit der Kündigung scheitere auch nicht an einer fehlerhaften Anhörung des Betriebsrates; diesem seien die Krankheitsfehlzeiten nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Beklagten bekannt gewesen. Auch sei der Betriebsrat mit den Fehlzeiten des Klägers und den Spannungen, die bei den Arbeitskollegen durch entsprechende Mehrarbeiten hervorgerufen worden seien, bereits befaßt gewesen. Dem Betriebsrat sei auch das Attest vom 21. August 1992 vorgelegt worden; angesichts dieser Umstände sei das zweitinstanzliche Vorbringen des Klägers über eine angeblich nicht ordnungsgemäß erfolgte Anhörung des Betriebsrats nicht substantiiert.

Was die von der Beklagten eingehaltene Kündigungsfrist nach § 2 Nr. 6 MTV Arbeiter angehe, liege ein Verstoß gegen Art. 3 GG nicht vor, weil von einer eigenständigen Kündigungsregelung auszugehen sei und die Überlegungen des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 23. Januar 1992 hinsichtlich einer erhöhten personalwirtschaftlichen Flexibilität aufgrund saisonaler- und modebedingter Schwankungen auch längerfristig beschäftigte Arbeiter beträfen. Auch insoweit müsse der Arbeitgeber durch Anpassungen im Produktionsbereich flexibel bleiben. Schließlich liege ein einheitliches Regelungswerk vor, dessen Ausgewogenheit nicht auseinanderbrechen dürfe.

II, Dem kann angesichts der Revisionsangriffe nur insoweit gefolgt werden, als das Berufungsgericht die gegenüber dem Kläger ausgesprochene Kündigung als sozial nicht ungerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG) und die Betriebsratsanhörung (§ 102 BetrVG) als ordnungsgemäß angesehen hat.

1. Bei der Frage, ob die Kündigung des Klägers aufgrund krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit aus Gründen in der Person bedingt und deshalb sozial gerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG), handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur dahin überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungsgesetze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatsachenrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob die Entscheidung in sich widerspruchsfrei ist (vgl. u.a. Urteil vom 28. Februar 1990 – 2 AZR 401/89 – AP Nr. 25 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit, zu II 1 b aa der Gründe m.w.N.). Unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabs läßt das angefochtene Urteil bei der Beurteilung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung keinen durchgreifenden Rechtsfehler erkennen.

a) Das Berufungsgericht hat die Kündigung wegen der auf einer krankheitsbedingt eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Klägers beruhenden Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Interessen der Beklagten für sozial gerechtfertigt angesehen. Hierbei hat es zutreffend die Überprüfung in drei Stufen vorgenommen, und zwar nach Kriterien, die ihrer Struktur nach auch für andere Arten der krankheitsbedingten Kündigung gelten (vgl. für die langanhaltende Krankheit BAGE 40, 361, 367 f. = AP Nr. 7 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit, zu B I der Gründe; für häufige Kurzerkrankungen Urteil vom 5. Juli 1990 – 2 AZR 154/90 – AP Nr. 26, a.a.O., zu II der Gründe, für dauernde Leistungsunfähigkeit Urteil vom 28. Februar 1990 – 2 AZR 401/89 – AP Nr. 25, a.a.O. zu II 1 b bb der Gründe und für krankheitsbedingte Minderung der Leistungsfähigkeit Urteil vom 26. September 1991 – 2 AZR 132/91 – AP Nr. 28, a.a.O., zu III 3 c aa der Gründe). Danach ist zunächst eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustandes erforderlich. Die bisherigen und nach der Prognose zu erwartenden Auswirkungen des Gesundheitszustandes des Arbeitnehmers müssen weiter zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen; sie können durch Störungen im Betriebsablauf oder wirtschaftliche Belastungen hervorgerufen werden. In der dritten Stufe, bei der Interessenabwägung, ist dann zu prüfen, ob die erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen; die dauernde Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers führt dabei grundsätzlich zu einer für den Arbeitgeber nicht mehr tragbaren betrieblichen Beeinträchtigung; ähnliches gilt für die Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nach lang anhaltender Erkrankung.

b) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß nach der arbeitsmedizinischen Beurteilung des Sachverständigen der Kläger aufgrund seines Krankheitsbildes auf Dauer nicht in der Lage sei, die von ihm auszuführenden Tätigkeiten an der Verpackungsmaschine ohne weitere gesundheitliche Beeinträchtigungen auszuüben. Diese für den Senat nach § 561 ZPO verbindliche Feststellung zieht die Revision ebensowenig in Zweifel wie die dem zugrundeliegende Beurteilung des Sachverständigen; sie meint nur, der Kläger sei über den Kündigungszeitpunkt hinaus ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen weiterbeschäftigt worden, allerdings bei Mitarbeit einer weiteren Arbeitnehmer in und ohne Über-Kopf-Arbeiten für ihn, da er dies aus gesundheitlichen Gründen nicht könne. Damit reklamiert der Kläger nur eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem geänderten Arbeitsplatz, ohne daß die festgestellte Negativprognose bezüglich der im Kündigungszeitpunkt nach der Arbeitsplatzbeschreibung geschuldeten, vertraglich ausbedungenen Tätigkeit entkräftet wird. Zu diesem Einwand der Revision hat das Landesarbeitsgericht im übrigen bereits – eine wiederum für den Senat bindende – Feststellung dahin getroffen, der Kläger werde nur im Hinblick auf das Kündigungsschutzverfahren vorläufig weiterbeschäftigt, und zwar lediglich mit Teilarbeiten an der Verpackungsmaschine, während andere Mitarbeiter von anderen Maschinen einen Teil seiner Arbeit an seiner Maschine zusätzlich miterledigen müßten; da sich dies aber – wie der Kläger selbst eingeräumt habe – nicht generell durchführen lasse, verrichte er Hebe- und Tragetätigkeiten, die er ohne weitere Beeinträchtigung seines Gesundheitszustandes indessen nicht durchrühren dürfe. Dies wiederum könne die Beklagte auf Dauer nicht tatenlos hinnehmen, ohne sich der Gefahr auszusetzen, für die weitere Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers verantwortlich gemacht zu werden. Letzteres ist zutreffend, worauf der Senat im Hinblick auf § 618 BGB anläßlich der Beschäftigung eines Schwerbehinderten mit nicht behindertengerechten Arbeiten bereits hingewiesen hat (Senatsurteil vom 11. November 1993 – 2 AZR 467/93 – DB 1994, 939). Der derzeitige, nur vorübergehend gewählte Einsatz des Klägers ist daher auf Dauer aus gesundheitlichen Gründen ebenfalls nicht möglich, so daß auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. dazu allgemein Senatsurteil vom 30. Mai 1978 – 2 AZR 630/76 – AP Nr. 70 zu § 626 BGB und für die Krankheitskündigung Urteil vom 22. Februar 1988 – 7 AZR 295/78 – AP Nr. 6 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit) die Kündigungsmaßnahme nicht zu beanstanden ist. Die Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe sich mit der Darstellung des Klägers zu seiner jetzigen Tätigkeit nicht auseinandergesetzt, ist daher inhaltlich unzutreffend und nach den Feststellungen des Landesarbeitsgericht unerheblich.

Da der Kläger mit der gleichen Begründung die Feststellungen zum Vorliegen einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen und zur allgemeinen Interessenabwägung angreift, führt auch dies nicht weiter: Ein revisionsrechtlicher Fehler in dem eingangs (unter II 1) geschilderten Sinne – etwa durch Außerachtlassen erheblichen Vortrags – liegt nicht vor. Im übrigen sind die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zur erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen (2. Stufe des Prüfungsschemas) und zur allgemeinen Interessenabwägung (3. Stufe) aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Sie stehen auch in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats zur Kündigung wegen krankheitsbedingter Minderung der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers (Urteil vom 26. September 1991 – 2 AZR 132/91 – AP Nr. 28, a.a.O.), ohne daß tragend auf die häufigeren Kurzerkrankungen abgestellt zu werden braucht. Deshalb ist es auch rechtlich unerheblich, ob die Krankheitszeiten im Juli 1990 datenmäßig richtig erfaßt sind.

2. Soweit die Revision rügt, das Landesarbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, das Vorbringen der Beklagten zur Betriebsratsanhörung (§ 102 BetrVG) sei seitens des Klägers nicht bestritten worden, greift diese Rüge nicht durch. Die Revision hat zu den in den Entscheidungsgründen getroffenen tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts keinen Tatbestandsberichtigungsantrag nach §§ 319, 320 ZPO gestellt. Diese Feststellungen sind für den Senat gemäß § 561 Abs. 1 ZPO bindend. Sie haben mündliches Parteivorbringen zum Gegenstand und gehören deshalb zum Tatbestand im Sinne des § 314 ZPO, auch wenn sie formal in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils erscheinen (BAG Urteil vom 20. Mai 1988 – 2 AZR 682/87 – AP Nr. 9 zu § 1 KSchG 1969 Personenbedingte Kündigung, zu C I 2 a der Gründe; vgl. auch Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 52. Aufl., § 320 Rz 1; Stein/Jonas, ZPO, 20. Aufl., § 320 Rz 3; Zöller, ZPO, 18. Aufl., § 320 Rz 4).

Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Rechtswirksamkeit der Kündigung scheitere nicht an der vom Kläger zweitinstanzlich angezweifelten Anhörung des Betriebsrates. Dem Betriebsrat seien die Krankheitsfehlzeiten des Klägers nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor der erkennenden Kammer bekannt gewesen; unstreitig sei der Betriebsrat mit den Fehlzeiten des Klägers und mit den Spannungen, die bei den Arbeitskollegen durch diese Fehlzeiten und durch entsprechende Mehrarbeiten hervorgerufen waren, bereits befaßt gewesen; unstreitig sei dem Betriebsrat anläßlich der Betriebsratsanhörung auch das Attest vom 21. August 1992 vorgelegt worden. Damit waren dem Betriebsrat die wesentlichen Umstände des Kündigungsvorbringens der Beklagten, insbesondere die nach des Attests vom 21. August 1992 gesundheitlich eingeschränkte Leistungsfähigkeit des Klägers, bekannt. Den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist überdies zu entnehmen, daß die Beklagte anläßlich der Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht zu diesem Punkt mündlich vorgetragen hat und daß dieses Vorbringen unstreitig geblieben ist (§ 561 Abs. 2 ZPO). Mit der Rüge, zusätzliche Erläuterungen habe es nicht gegeben, kann der Kläger wegen § 561 Abs. 2 ZPO nicht durchdringen. Der Kläger hat auch weder erstinstanzlich überhaupt, noch zweitinstanzlich zu dem entsprechenden schriftlichen Sachvortrag der Beklagten vom 23. November 1993 seinerseits Stellung bezogen; im Schriftsatz vom 20. Dezember 1993 hat er sich vielmehr nur noch zur Frage der Verfassungswidrigkeit der Kündigungsfrist eingelassen.

Mit der erstmals in der Revisionsinstanz aufgestellten Behauptung, dem Betriebsrat sei die angewandte Kündigungsfrist nicht mitgeteilt und nicht erläutert worden, ob diese auf Gesetz oder Tarifberuhe, kann der Kläger schon im Hinblick auf § 561 Abs. 1 ZPO nicht gehört werden. Abgesehen davon ist im Anhörungsschreiben vom 11. September 1992 deutlich davon die Rede, dem Kläger solle fristgemäß zum 31. Dezember 1992 gekündigt werden. Weitere Ausführungen zu dieser Rüge hält der Senat nicht für erforderlich.

3. Die Revision rügt im übrigen aber zu Recht eine fehlerhafte Beurteilung des Landesarbeitsgerichts zur Verfassungswidrigkeit der von der Beklagten angewandten Kündigungsfrist nach § 2 Nr. 6 MTV für die gewerblichen Arbeitnehmer der nordrheinischen Textilindustrie vom 10. Mai 1978 (MTV Arbeiter), der wie folgt lautet:

Die beiderseitige Kündigungsfrist beträgt, sofern ein Gesetz oder dieser Tarifvertrag nichts anderes bestimmt, 2 Wochen zum Schluß der Kalenderwoche.

Für Kündigungen durch den Arbeitgeber verlängert sich die Kündigungsfrist nach Vollendung des 25. Lebensjahres des Arbeitnehmers und anschließender 5 jähriger ununterbrochener Betriebszugehörigkeit auf 1 Monat zum Monatsende,

nach 10 jähriger ununterbrochener Betriebszugehörigkeit auf 2 Monate zum Monatsende,

nach 20 jähriger ununterbrochener Betriebszugehörigkeit auf 3 Monate zum Ende eines Kalendervierteljahres.

a) Der Senat hat bereits im Urteil vom 23. Januar 1992 (– 2 AZR 470/91 – AP Nr. 37 zu § 622 BGB, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) zu dem hier einschlägigen Tarifvertrag entschieden, bei der fraglichen Kündigungsklausel handele es sich um eine eigenständige (konstitutive) Regelung, wovon vorliegend auch die Parteien und ihnen folgend das Berufungsgericht ausgehen. Bei dieser Rechtslage hat das Landesarbeitsgericht zutreffend in eigener Kompetenz geprüft, ob die in Rede stehende Kündigungsregelung im Vergleich zu der im Manteltarifvertrag für Angestellte geltenden Regelung, die auf die früheren gesetzlichen Bestimmungen des Angestelltenkündigungsschutzgesetzes Bezug nimmt, mit dem allgemeinen, aus Art. 3 Abs. 1 GG herzuleitenden Gleichbehandlungsgrundsatz, an den auch die Tarifpartner gebunden sind, vereinbar sei.

b) Das Berufungsgericht hat, wie eingangs ausgeführt, funktions- und branchenspezifische Interessen für eine unterschiedliche Gestaltung auch der verlängerten Kündigungsfristen von gewerblichen Arbeitnehmern und Angestellten angenommen, und zwar im wesentlichen unter Bezugnah- auf die Ausführungen des Senats in der Entscheidung vom 23. Januar 1992 (– 2 AZR 470/91 –, a.a.O.) zu der Grundfrist desselben Tarifvertrages. Diese schlichte Übertragung der zur Grundfrist des § 2 Nr. 6 MTV für die gewerblichen Arbeitnehmer der nordrheinischen Textilindustrie vom Senat erarbeiteten Grundsätze hält der Senat für rechtlich unzutreffend. Das Berufungsgericht berüchsichtigt nicht genügend, worauf die Revision mit Recht hinweist, daß zunächst vielleicht gerechtfertigte Unterschiede zwischen Arbeitern und Angestellten hinsichtlich ihrer Schutzbedürftigkeit oder einem betrieblichen Interesse an einer flexiblen Personalplanung und Personalanpassung bei längerer Betriebszugehörigkeit erheblich an Gewicht verlieren. Dabei hat der Senat bereits in der genannten Entscheidung zur Grundfrist des hier einschlägigen Tarifvertrages Bedenken angemeldet (zu II 2 b bb der Gründe), ob die verlängerten Kündigungsfristen älterer Arbeiter etwa wegen Fehlen der bei Angestellten üblichen Zwischenstufen nach 8 und 12 Jahren im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG Bestand hätten. Dies ist zu verneinen, wobei ergänzend auf die Ausführungen des Senats in der neuen Entscheidung vom 10. März 1994 (– 2 AZR 296/87 (C) – n.v.) zu der gleichen Problemlage bei den verlängerten Kündigungsfristen des Bundesrahmentarifvertrages Baugewerbe hingewiesen wird.

Die vorliegende tarifliche Regelung ist insoweit nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG zu vereinbaren, als auf der vergleichbaren, früher für Angestellte geltenden zweiten und vierten Stufe der Wartefristen nach 8 bzw. 12 Jahren Betriebszugehörigkeit – siehe § 9 Nr. 3 MTV für die Angestellten der Nordrheinischen Textilindustrie vom 27. November 1969, wonach die Übernahme der gesetzlichen Regelung erfolgt – für den Kläger als Arbeiter überhaupt keine Verlängerung der Kündigungsfrist vorgesehen ist. Das führt bei der vorliegenden Fallkonstellation zu dem Ergebnis, daß der Kläger nach 21 Jahren Betriebszugehörigkeit nur eine Kündigungsfrist von 3 Monaten zum Quartalsende hätte, während ein Angestellter diese Kündigungsfrist schon nach 5 Jahren Betriebszugehörigkeit erreicht hätte und für ihn nach 21 Jahren eine Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Quartalsende gelten würde. Ein derartig krasser Unterschied ist auch mit vorliegenden branchenspezifischen Interessen nicht mehr sachlich zu rechtfertigen. So hat auch der Senat bereits im Urteil vom 29. August 1991 (– 2 AZR 220/91 (A) – AP Nr. 32 zu § 622 BGB) eine ähnliche Tarifklausel ebenfalls deshalb als verfassungswidrig angesehen, weil für die zweite Stufe der Wartezeit im Gegensatz zu der für Angestellte geltenden Regelung keine Verlängerung der Kündigungsfrist vorgesehen war, so daß über die Grundfrist hinaus ein weiteres Auseinanderklaffen der verlängerten Kündigungsfristen festzustellen war. Hinsichtlich der Anrechnung der Betriebstreue verdienen Arbeiter und Angestellte jedoch grundsätzlich gleichen Schutz (ebenso BVerfGE 62, 256 = AP Nr. 16 zu § 622 BGB). Für eine derartige Verschlechterung der Rechtsstellung der älteren gewerblichen Arbeitnehmer gegenüber den Angestellten sind jedenfalls hinsichtlich der unterschiedlichen Wartezeiten – zumindest auf der für Angestellte geltenden vierten Stufe, wobei die Arbeiter gleichzeitig nur eine zweite Fristverlängerung (nach 5 und 10 Jahren) erreichen – keine sachlichen Differenzierungsgründe ersichtlich. Sie ergeben sich insoweit auch nicht aus dem Vortrag der Parteien. Auch die Revisionsbeklagte hat solche nicht aufgezeigt. Der Kläger läßt – im Gegenteil – mit einigem Recht darauf hinweisen, daß die Tarifpartner selbst schon mit der von ihnen vorgenommenen, wenn auch unvollständigen, Verlängerung der Kündigungsfristen bei länger beschäftigten Arbeitern haben erkennen lassen, daß das Flexibilitätsargument mit zunehmendem Alter weniger gewichtig ist. Zunächst vielleicht erhebliche Unterschiede zwischen Arbeitern und Angestellten hinsichtlich ihrer Schutzbedürftigkeit oder einem betrieblichen Interesse an einer flexiblen Personalplanung und -anpassung können deshalb jedenfalls eine solche Diskrepanz, wie sie hier vorliegt, nämlich eine Verdoppelung der Kündigungsfristen – bei Angestellten wird die lange Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Schluß des Kalendervierteljahres außerdem schon nach 12 Jahren erreicht – nicht rechtfertigen.

c) Da für die unterschiedliche Staffelung der Wartezeiten, wenn überhaupt, so doch nur unter besonderen Umständen gegenüber dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz erhebliche, sachliche Gründe denkbar sind, greift zumindest insoweit keine materielle Richtigkeitsgewähr für die Verfassungsmäßigkeit der tariflichen Kündigungsregelungen zugunsten der Beklagten ein (Senatsurteil vom 21. März 1991 – 2 AZR 323/84 (A)BAGE 67, 342 = AP Nr. 29 zu § 622 BGB). Zwar spricht bei tariflichen Regelungen, die bestimmten Arbeitnehmergruppen Vermögenswerte Vorteile gegenüber anderen Arbeitnehmern einräumen, die Vermutung zunächst für einen sachgerechten Interessenausgleich (vgl. BAGE 29, 72 = AP Nr. 24 zu Art. 9 GG; BAGE 33, 185 = AP Nr. 65 zu Art. 9 GG Arbeitskampf); das gilt zunächst zwar auch hinsichtlich des von der Beklagten angeführten Gesamtgefüges, in das wegen der Tarifautonomie (Art. 9 Abs. 3 GG) nach ihrer Auffassung nicht eingegriffen werden könne. Demgegenüber ist aber darauf hinzuweisen, daß auch die Tarifpartner an die Verfassung gebunden sind, was ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entspricht (vgl. u.a. BAG Urteil vom 6. Februar 1985 – 4 AZR 370/83 – AP Nr. 16 zu § 4 TVG Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung, m.w.N.; BAGE 48, 307 = AP Nr. 4 zu § 3 BAT; Senatsurteile vom 21. März 1991 – 2 AZR 323/84 A – AP Nr. 29 zu § 622 BGB, zu II der Gründe und 23. Januar 1992 – 2 AZR 470/91 –, a.a.O., zu II 2 a der Gründe). Danach ist Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache folgender oder sonstwie einleuchtender Grund für die tarifvertragliche Differenzierung nicht finden läßt, die getroffene Regelung also willkürlich ist (BAGE 35, 43 = AP Nr. 45 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; BVerfGE 18, 38, 46 = AP Nr. 90 zu Art. 3 GG, zu C 3 b der Gründe). Ein solcher einleuchtender Grund für unterschiedliche Kündigungsfristen nach langjähriger Betriebszugehörigkeit ist nicht anzuerkennen, wie zu II 3 a und b ausgeführt wurde. Das grundsätzlich anzuerkennende Flexibilitätsbedürfnis mag es – auch unter Berücksichtigung sozialer Auswahlgesichtspunkte nach § 1 Abs. 3 KSchG – rechtfertigen, sich von in der Produktion beschäftigten Arbeitern mit geringer Betriebszugehörigkeit kurzfristiger als von entsprechenden Angestellten zu trennen; willkürlich ist es jedoch, bei den verlängerten Kündigungsfristen nach Ableistung einer längeren Betriebszugehörigkeit von völlig divergierenden Wartezeiten auszugehen. Dem Bedürfnis nach Flexibilität hätten die Tarifpartner möglicherweise auch bei den verlängerten Kündigungsfristen proportional zur Grundfrist Rechnung tragen können; verfehlt ist es jedoch, außerdem noch bei den Wartezeiten und den Kündigungsterminen gegenüber den für Angestellte geltenden Regelungen zu Lasten der Arbeiter zu differenzieren.

4. Die Annahme der Verfassungwidrigkeit der vorliegenden Tarifklausel führt zur Anwendung der Neuregelung des Gesetzes zur Vereinheitlichung der Kündigungsfristen von Arbeitern und Angestellten (KündFG) vom 7. Oktober 1993 (BGBl. I S. 1668). Wie der Senat im Urteil vom 10. März 1994 (– 2 AZR 323/84 (C) – zur Veröffentlichung bestimmt) näher ausgeführt hat und worauf hier Bezug genommen wird, ist dann, wenn die Tarifpartner bei einer Kündigungsfristenregelung in nicht verfassungskonformer Weise von der in § 622 BGB enthaltenen Tariföffnungsklausel Gebrauch gemacht haben, die dadurch entstandene Lücke durch Anwendung der tarifdispositiven Gesetzesnorm zu schließen, d.h. es gelten – solange die Tarifpartner eine verfassungskonforme Regelung nicht getroffen haben – die (neuen) gesetzlichen Kündigungsfristen.

Danach beträgt die Kündigungsfrist des Klägers nach mehr als 21 jähriger Betriebs Zugehörigkeit 7 Monate zum Ende eines Kalendermonats, § 622 Abs. 2 BGB i.d.F. des KündFG vom 7. Oktober 1993. Bei einem Zugang der Kündigung im September 1992 hat daher das Arbeitsverhältnis nicht vor dem 31. März 1993 geendet, wie das Arbeitsgericht Mönchengladbach entsprechend dem Hilfsantrag des Klägers (§ 308 Abs. 1 ZPO) zu Recht entschieden hat. Auf die Revision des Klägers war daher das Urteil des Landesarbeitsgerichts teilweise aufzuheben und die Entscheidung des Arbeitsgerichts wiederherzustellen.

 

Unterschriften

Bitter, Bröhl, Dr. Fischermeier, Nielebock, Dr. Bartz

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1093183

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