Entscheidungsstichwort (Thema)

Erziehungsurlaub. Tarifliche Sonderzahlung

 

Leitsatz (redaktionell)

Bestätigung der Rechtsprechung aus dem Urteil vom 10. Februar 1993 – 10 AZR 450/91 – zur Veröffentlichung vorgesehen.

 

Normenkette

BErzGG § 15

 

Verfahrensgang

LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 08.02.1991; Aktenzeichen 6 Sa 929/90)

ArbG Mainz (Urteil vom 04.10.1990; Aktenzeichen 5 Ca 401/90)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 8. Februar 1991 – 6 Sa 929/90 – aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 4. Oktober 1990 – 5 Ca 401/90 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung und der Revision.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe einer tariflichen Sonderzuwendung für das Jahr 1989.

Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem Jahre 1982 beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit der Tarifvertrag über eine betriebliche Sonderzahlung für Arbeiter, Angestellte und Auszubildende in der Metallindustrie Rheinland-Pfalz vom 8. September 1972 i.d.F.v. 31. Oktober 1986 (TV-Sonderzahlung) Anwendung.

Die Klägerin nahm vom 5. Mai 1988 bis zum 4. Mai 1989 Erziehungsurlaub in Anspruch. Die Beklagte kürzte deshalb die tarifliche Sonderzuwendung für das Jahr 1989 um 239,25 DM brutto.

Die tariflichen Bestimmungen des TV-Sonderzahlung haben, soweit sie vorliegend von Bedeutung sind, folgenden Wortlaut:

§ 2

Sonderzahlungen und deren Voraussetzungen

1. Arbeitnehmer, die am Auszahlungstag in einem Arbeitsverhältnis stehen und zu diesem Zeitpunkt dem Betrieb ununterbrochen 6 Monate angehören, haben je Kalenderjahr einen Anspruch auf betriebliche Sonderzahlung. Ausgenommen sind die Arbeitnehmer, die zu diesem Zeitpunkt ihr Arbeitsverhältnis gekündigt haben oder denen wegen Arbeitsvertragsverletzung wirksam gekündigt worden ist.

2. Die Sonderzahlung wird nach folgender Staffel gezahlt: …

5. Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr kraft Gesetzes oder Vereinbarung ruht oder die aus sonstigen Gründen im Kalenderjahr nicht gearbeitet haben, erhalten keine Sonderzahlung. Ruht das Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr teilweise oder haben Arbeitnehmer wegen unentschuldigten Fehlens teilweise nicht gearbeitet, so erhalten sie eine anteilige Sonderzahlung. Arbeitnehmerinnen, die unter das Mutterschutzgesetz fallen, und erkrankte Arbeitnehmer werden davon nicht erfaßt.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, ihr stehe für das Jahr 1989 die Sonderzahlung in voller Höhe zu. Die Beklagte sei nicht berechtigt, die Zeit des Erziehungsurlaubs anspruchsmindernd zu berücksichtigen. Während des Erziehungsurlaubs habe ihr Arbeitsverhältnis nicht kraft Gesetzes oder kraft Vereinbarung im Sinne von § 2 Nr. 5 Satz 2 TV-Sonderzahlung geruht. Auch folge aus § 2 Nr. 5 Satz 3 TV-Sonderzahlung, daß der Erziehungsurlaub ebenso wie früher der Mutterschaftsurlaub zu keiner anteiligen Kürzung der Sonderzahlung führen dürfe.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 239,25 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 11. April 1990 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie meint, der Klägerin stehe nach § 2 Nr. 5 Satz 2 TV-Sonderzahlung wegen des Erziehungsurlaubs im Jahre 1989 nur ein Anspruch auf anteilige Sonderzahlung zu. Die tarifliche Bestimmung gelte für alle Fälle des Ruhens des Arbeitsverhältnisses. Davon sei der Erziehungsurlaub auch nicht nach § 2 Nr. 5 Satz 3 TV-Sonderzahlung ausgenommen, da er nicht nach den gesetzlichen Vorschriften des Mutterschutzgesetzes gewährt werde.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des berufungsgerichtlichen Urteils und zur Wiederherstellung des die Klage abweisenden erstinstanzlichen Urteils. Der Klägerin steht im Hinblick auf den von ihr im Jahre 1989 genommenen Erziehungsurlaub kein Anspruch auf die volle tarifliche Sonderzahlung zu.

I. Das Landesarbeitsgericht nimmt an, der Klägerin stehe der Anspruch auf die tarifliche Sonderzahlung für das Jahr 1989 in voller Höhe zu. Die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, den Anspruch wegen des Erziehungsurlaubs in der Zeit vom 1. Januar 1989 bis zum 4. Mai 1989 zu kürzen. Nach § 2 Nr. 5 Satz 2 TV-Sonderzahlung entstehe ein Anspruch auf nur anteilige Sonderzahlung, wenn das Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr teilweise ruhe. Diese tarifliche Bestimmung gelte jedoch nach § 2 Nr. 5 Satz 1 TV-Sonderzahlung nur im Falle des Ruhens kraft Gesetzes oder kraft Vereinbarung. Diese Voraussetzungen seien beim Ruhen des Arbeitsverhältnisses während des Erziehungsurlaubs nicht gegeben, da das Ruhen des Arbeitsverhältnisses durch eine einseitige Erklärung des Anspruchsberechtigten herbeigeführt werde. Diese Auslegung stehe im Einklang mit der Tarifgeschichte. Seit der Fassung des TV-Sonderzahlung vom 8. September 1972 sei eine Minderung des Anspruchs auf die Sonderzahlung nach § 2 Nr. 5 Satz 3 TV-Sonderzahlung bei Inanspruchnahme von Mutterschaftsurlaub ausgeschlossen worden. Demnach könne nicht davon ausgegangen werden, daß die Tarifvertragsparteien hinsichtlich des vom Schutzzweck vergleichbaren Erziehungsurlaubs eine ungünstigere Regelung hätten treffen wollen.

II. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts vermag der Senat nicht zu folgen. Der Klägerin steht nach § 2 Nr. 5 Satz 2 TV-Sonderzahlung nur ein Anspruch auf anteilige Sonderzahlung zu, da das Arbeitsverhältnis während des Erziehungsurlaubs kraft Gesetzes geruht hat.

1. Nach § 2 Nr. 5 Satz 2 TV-Sonderzahlung besteht nur ein Anspruch auf anteilige Sonderzahlung, wenn das Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr teilweise ruht. Zutreffend folgert das Landesarbeitsgericht aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang, daß die Tarifvertragsparteien damit an § 2 Nr. 5 Satz 1 TV-Sonderzahlung anknüpfen. Danach besteht kein Anspruch auf die Sonderzahlung, wenn das Arbeitsverhältnis während des ganzen Kalenderjahres ruht und das Ruhen kraft Gesetzes oder kraft Vereinbarung eintritt. Demgemäß setzt auch die Regelung in Satz 2 der Tarifbestimmung voraus, daß das Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr teilweise kraft Gesetzes oder kraft Vereinbarung ruht.

2. Soweit das Landesarbeitsgericht annimmt, bei Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub ruhe das Arbeitsverhältnis nicht kraft Gesetzes oder kraft Vereinbarung, weil das Ruhen durch eine einseitige Erklärung herbeigeführt werde, steht dies zwar in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Sechsten Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAGE 62, 35; 63, 375 = AP Nr. 2 und 3 zu § 15 BErzGG). Der Senat, der nunmehr für Rechtsstreitigkeiten um Gratifikationen und Sonderzuwendungen allein zuständig ist, gibt diese Rechtsprechung jedoch auf. Bei der Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub ruht das Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes (vgl. Senatsurteil vom 10. Februar 1993 – 10 AZR 450/91 – zur Veröffentlichung vorgesehen).

3. Der Sechste Senat hat die vorgenannten Entscheidungen mit der Überlegung begründet, das Arbeitsverhältnis ruhe zwar bei Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubs, aber nicht kraft Gesetzes oder Vereinbarung.

a) Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin, der/die die Voraussetzungen des § 15 BErzGG erfüllt, sei bei der Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubs nicht auf das Einverständnis des Arbeitgebers angewiesen, sondern hätte das Alleinentscheidungsrecht, ob er/sie den Erziehungsurlaub in Anspruch nehmen wollte oder nicht. Der Erziehungsurlaubsanspruch entstehe, wenn die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt seien, auch ohne das Einverständnis des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber müsse vielmehr das Fernbleiben des Arbeitnehmers von dem gewünschten Zeitpunkt an hinnehmen.

b) Das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin, der/die Erziehungsurlaub in Anspruch nehme, ruhe nicht kraft Gesetzes. Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin erhalte den Erziehungsurlaub auf sein/ihr Verlangen, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen vorlägen. Der Zustand des Ruhens des Arbeitsverhältnisses trete daher nicht kraft Gesetzes, sondern nach entsprechender Willensbetätigung des berechtigten Arbeitnehmers ein, wenn auch auf gesetzlicher Grundlage.

Eine extensive Auslegung des Tarifmerkmals „kraft Gesetzes” sei nicht möglich, da es sich um eine Ausnahmeregelung handele, die restriktiv auszulegen sei. Außerdem würde eine andere Auslegung keinen Sinn ergeben, da die Tarifvertragsparteien die Absicht, jeden Ruhenstatbestand zu erfassen, besser erreicht hätten, wenn sie lediglich vom Ruhen des Arbeitsverhältnisses ohne die kausale Verknüpfung mit den Attributen „kraft Gesetzes oder Vereinbarung” gesprochen hätten. Aus dem Tarifvertrag ergebe sich im Gegenteil die Möglichkeit, daß die Tarifvertragsparteien die Ruhenstatbestände nicht hätten ausnehmen wollen, die nicht kraft Gesetzes oder Vereinbarung, sondern auf einem dritten Weg entstünden; diese Möglichkeit des dritten Weges, wie z.B. einseitige Suspendierung, Teilnahme des Arbeitnehmers an einem Streik oder Aussperrung des Arbeitnehmers im Rahmen eines Arbeitskampfes, hätten die Tarifvertragsparteien gekannt; daher verbiete sich die Auslegung, daß die Tarifvertragsparteien alle Fälle erfassen wollten, in denen der Ruhenstatbestand aus der Geltendmachung gesetzlicher Ansprüche folge. Auch sprachlich bestehe ein Unterschied zwischen der Formulierung „kraft Gesetzes” und der (gedachten) Wendung „kraft einseitiger Willenserklärung aufgrund gesetzlicher Grundlage”. Mit ihrer Wortwahl hätten die Tarifvertragsparteien erkennen lassen, daß die Arbeitnehmer die tarifliche Sonderzahlung nicht oder nicht ungeschmälert bekommen sollten, wenn die Suspendierung im Einvernehmen herbeigeführt worden oder das Ergebnis eines Sachverhalts sei, gegen den die Arbeitsvertragsparteien, wie im Falle des § 1 Abs. 1 ArbPlSchG, nichts unternehmen könnten.

4. Entgegen dieser Rechtsprechung stellt das Ruhen des Arbeitsverhältnisses infolge Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen des § 15 BErzGG ein Ruhen „kraft Gesetzes” dar.

a) Dabei ist zunächst – mit dem Sechsten Senat – davon auszugehen, daß bei dem Verlangen von Erziehungsurlaub durch einen anspruchsberechtigten Arbeitnehmer/eine anspruchsberechtigte Arbeitnehmerin das Arbeitsverhältnis nicht kraft Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ruht. Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin erhält den Erziehungsurlaub bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen allein auf sein/ihr Verlangen hin. Ein Einverständnis des Arbeitgebers ist nicht erforderlich. Damit kann der bisherigen Rechtsprechung darin zugestimmt werden, daß der Erziehungsurlaub nicht zum Ruhen des Arbeitsverhältnisses kraft Vereinbarung führt.

b) Das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin, der/die Erziehungsurlaub in Anspruch nimmt, ruht aber kraft Gesetzes.

Es muß insoweit unterschieden werden zwischen der Erklärung des/der anspruchsberechtigten Arbeitnehmers/Arbeitnehmerin, Erziehungsurlaub zu nehmen und dem daraus folgenden Ruhen des Arbeitsverhältnisses. Bei dem Verlangen des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin handelt es sich ohne Zweifel um eine einseitige gestaltende Willenserklärung. Sind die gesetzlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub gegeben, so erhält der/die anspruchsberechtigte Arbeitnehmer/Arbeitnehmerin schon aufgrund dieser einseitigen Erklärung – gegebenenfalls gegen den Willen des Arbeitgebers – den Erziehungsurlaub. Der Rechtsprechung des Sechsten Senats ist daher zwar insoweit beizupflichten, daß der Erziehungsurlaub nicht kraft Gesetzes „gewährt” wird (vgl. u.a. Urteil vom 1. Februar 1990 – 6 AZR 336/89 – n.v.); die Rechtsfolge aus der Erklärung des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin, Erziehungsurlaub in Anspruch zu nehmen, eben das Ruhen des Arbeitsverhältnisses, tritt aber kraft Gesetzes ein. Ebenso wie das Ruhen des Arbeitsverhältnisses der zum Grundwehrdienst einberufenen Arbeitnehmer eintritt, wenn dieser einberufen wird, tritt das Ruhen des Arbeitsverhältnisses während des Erziehungsurlaubs dann ein, wenn der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin Erziehungsurlaub in Anspruch nimmt. Einberufung zum Grundwehrdienst und Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubs sind damit jeweils nur Tatbestände, an deren Verwirklichung die gesetzliche Regelung das Ruhen des Arbeitsverhältnisses knüpft.

Dem steht nicht entgegen, daß das Bundeserziehungsgeldgesetz – anders als § 1 ArbPlSchG – nicht ausdrücklich bestimmt, daß das Arbeitsverhältnis während des Erziehungsurlaubs ruht. Wenn nach der ständigen und unangefochtenen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts das Arbeitsverhältnis während des Erziehungsurlaubs ruht (BAGE 62, 35 = AP Nr. 2 zu § 15 BErzGG; BAGE 63, 375 = AP Nr. 3 zu § 15 BErzGG; Urteil vom 24. Oktober 1989 – 8 AZR 253/88 – AP Nr. 52 zu § 7 BUrlG Abgeltung), so deswegen, weil sich das aus der gesetzlichen Regelung und damit „kraft Gesetzes” ergibt, nicht aber, weil der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin Erziehungsurlaub auch gegen den Willen des Arbeitgebers in Anspruch nehmen kann.

Auf die Frage, ob es neben dem Ruhen des Arbeitsverhältnisses „kraft Gesetzes oder Vereinbarung” andere Ruhenstatbestände gibt, kommt es nicht an. Auch der Umstand, daß die Tarifvertragsparteien das gleiche Ergebnis besser erreicht hätten, indem sie bei dem Ruhen das Merkmal „kraft Gesetzes oder Vereinbarung” weggelassen hätten, kommt keine maßgebliche Bedeutung zu; daraus kann nicht geschlossen werden, daß die Tarifvertragsparteien die Ruhensfolgen einschränken und nur Teilbereiche der Ruhenstatbestände erfassen wollten.

Damit ruht das Arbeitsverhältnis während des Erziehungsurlaubs kraft Gesetzes (so auch Sowka, Anm. zu AP Nr. 2 und 3 zu § 15 BErzGG; Winterfeld, SAE 1989, 256).

Dieses Ergebnis wird dadurch bekräftigt, daß auf diese Weise auch der Wertungswiderspruch vermieden wird, den die bisherige Rechtsprechung zur Folge hatte. Danach wurde dem Arbeitnehmer, der – ohne eigene Entscheidungsmöglichkeit – durch einen Einberufungsbescheid des Kreiswehrersatzamtes zum Wehrdienst einberufen wurde, der Anspruch auf die tarifliche Sonderzahlung genommen, weil sein Arbeitsverhältnis nach § 1 Abs. 1 ArbPlSchG kraft Gesetzes ruhte. Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin, der/die aufgrund eigener Willensentscheidung Erziehungsurlaub verlangte und dadurch das Ruhen seines/ihres Arbeitsverhältnisses selbst herbeiführt, behielt jedoch den Anspruch auf die Sonderzahlung.

5. Ein anderes Auslegungsergebnis folgt auch nicht aus § 2 Nr. 5 Satz 3 TV-Sonderzahlung. Danach werden Arbeitnehmerinnen, die unter das Mutterschutzgesetz fallen, von § 2 Nr. 5 Satz 2 TV-Sonderzahlung nicht erfaßt. Somit führen Zeiten, während derer Arbeitnehmerinnen aufgrund der Vorschriften des Mutterschutzgesetzes von der Arbeit freizustellen sind, nicht zu einer Minderung des Anspruchs auf die Sonderzahlung. Diese tarifliche Bestimmung ist seit der Fassung des Tarifvertrages über eine betriebliche Sonderzahlung für Arbeiter, Angestellte und Auszubildende vom 8. September 1972 unverändert geblieben. Daraus folgert das Landesarbeitsgericht, daß sich auch Zeiten des früheren Mutterschaftsurlaubs nicht anspruchsmindernd auswirken sollten und dies nunmehr auch für Zeiten des Erziehungsurlaubs, der an die Stelle des Mutterschaftsurlaubs getreten sei, zu gelten habe.

Dies läßt sich dem Tarifwortlaut und dem tariflichen Gesamtzusammenhang jedoch nicht entnehmen. Aus dem Wortlaut der tariflichen Bestimmung des § 2 Nr. 5 Satz 3 TV-Sonderzahlung läßt sich eine Bezugnahme auf den im Bundeserziehungsgeldgesetz geregelten Erziehungsurlaub nicht entnehmen. Auch im tariflichen Gesamtzusammenhang kommt nicht zum Ausdruck, daß die Tarifvertragsparteien nach Einführung des Erziehungsurlaubs im Jahre 1985 eine Regelung über die Berücksichtigung dieser Zeiten bei der Sonderzahlung treffen wollten. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts läßt sich dies auch nicht aus der Tarifgeschichte schließen. Der Mutterschaftsurlaub wurde im Mutterschutzgesetz erst im Jahre 1976 eingeführt. Demgemäß konnte sich die Regelung für Arbeitnehmerinnen, die unter das Mutterschutzgesetz fallen, in der Fassung des Tarifvertrages vom 8. September 1972 nur auf die Zeiten der Mutterschutzfrist und die sonstigen Zeiten, in denen Arbeitnehmerinnen nach den gesetzlichen Vorschriften des Mutterschutzgesetzes von der Arbeit freizustellen sind, nicht aber auf das Ruhen des Arbeitsverhältnisses während des Mutterschaftsurlaubs beziehen (vgl. BAG Urteil vom 3. Juni 1987 – 5 AZR 153/86 – nicht veröffentlicht).

Diese Regelung haben die Tarifvertragsparteien auch nach Einführung des Mutterschaftsurlaubs und nach Inkrafttreten der gesetzlichen Vorschriften über den Erziehungsurlaub beibehalten. Dementsprechend hat auch der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts eine vergleichbare tarifliche Bestimmung dahingehend ausgelegt, daß die Tarifvertragsparteien, indem sie Arbeitnehmerinnen, die unter das Mutterschutzgesetz fallen, von der Regelung über die Minderung des Anspruchs auf die Sonderzahlung ausnehmen, nur klarstellen wollen, daß insoweit kein Fall des Ruhens des Arbeitsverhältnisses vorliegt (vgl. BAGE 62, 35; 63, 375 = AP Nr. 2 und 3 zu § 15 BErzGG). Dieser Auffassung schließt sich der Senat hinsichtlich der Auslegung von § 2 Nr. 5 Satz 3 TV-Sonderzahlung an.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Matthes, Dr. Freitag, Hauck, Der ehrenamtl. Richter Grimm ist an der Unterschrift verhindert, da seine Amtszeit am 31.3.1993 beendet wurde Matthes, Seyd

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1065133

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