Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitarbeitergewinnbeteiligung und Auskunftsanspruch

 

Normenkette

BGB §§ 259-260, 195; ArbGG § 61 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 17.10.1991; Aktenzeichen 4 b Sa 10/91)

ArbG Heilbronn (Teilurteil vom 18.02.1991; Aktenzeichen 1 (4) Ca 610/90)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 17. Oktober 1991 – 4 b Sa 10/91 – aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 18. Februar 1991 – 1 (4) Ca 610/90 – wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlußberufung der Klägerin wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 18. Februar 1991 – 1 (4) Ca 610/90 – teilweise insoweit abgeändert, als der Klageantrag zu 1 abgewiesen worden ist:

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin durch Vorlage eines Kontoauszugs, der den Anforderungen nach § 9 Abs. 10 System G entspricht, Auskunft über die Höhe und Bewegungen ihres Mitarbeiterguthabens aus der Zeit vom 15. Januar 1980 bis 14. Juli 1980 und vom 1. Januar 1990 bis 30. September 1990, errechnet nach den Bestimmungen über die Mitarbeiterbeteiligung nach dem System G. auf der Basis des steuerlichen Gewinns der Gesamtheit aller Unternehmen der Firmengruppe G. und der individuellen Jahreslohnsumme der Klägerin zu erteilen.

Die Beklagte wird für den Fall, daß sie die vorgenannte Auskunft nicht binnen einer Frist von sechs Wochen nach Zustellung des Urteils erteilt, zur Zahlung einer weiteren Entschädigung von 11.200,– DM verurteilt.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Auskunft und Entschädigung nach § 61 Abs. 2 ArbGG.

Die Klägerin war vom 15. Januar 1980 bis zum 30. September 1990 bei der Beklagten als kaufmännische Angestellte (Prokuristin) zu einer Bruttovergütung von zuletzt 3.087,– DM teilzeitbeschäftigt. Nach Nr. 5 ihres Anstellungsvertrages vom 6. Dezember 1979 war die Klägerin „in die Gewinnbeteiligung einbezogen, wie sie” gemäß den Bestimmungen der Mitarbeiterbeteiligung System G. (MSG) „innerhalb der Firmengruppe G. besteht”. Darin ist u.a. bestimmt:

§ 1

Die Ziele des System G.

Das SYSTEM G. der Mitarbeiter-Beteiligung will einen praktischen Beitrag zur Verbesserung der Vermögensverteilung leisten, will Mitbestimmung über die gesetzlichen Vorschriften hinaus praktizieren und will die Mitarbeiter stärker für die unternehmerischen Gegebenheiten interessieren, sowie an die betrieblichen Entscheidungen heranführen.

Die Beteiligung der Mitarbeiter am Gewinn der Firma ist keine Lohnzahlung in anderer Form. Vielmehr ist es Ziel dieser Beteiligung, die wirtschaftliche Existenz der Mitarbeiter langfristig zu sichern und ihnen ein zusätzliches Einkommen aus Kapitalbesitz zu schaffen.

§ 2

Die Elemente des System G.

Die Elemente des SYSTEM G. der Mitarbeiter-Beteiligung sind:

  • die Gewinnbeteiligung,
  • die betriebsbezogene Vermögensbildung,
  • die funktionsgerechte Mitbestimmung.

§ 5

Die Gewinnbeteiligungs-Berechtigten

(1) Für die Jahre 1971 und 1972 sind alle diejenigen Mitarbeiter gewinnbeteiligungsberechtigt, die zum Zeitpunkt der Unterzeichnung dieser Vereinbarung in einem ungekündigten festen Arbeitsverhältnis in der Firma stehen, und auch in den Jahren 1971 bzw. 1972 in der Firma in einem festen Arbeitsverhältnis standen.

(2) Für das Jahr 1973 sind alle diejenigen Mitarbeiter beteiligungsberechtigt, die zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Vereinbarung in einem ungekündigten festen Arbeitsverhältnis in der Firma stehen.

(3) Die Anwartschaftszeit der Gewinnbeteiligungs-Berechtigung beträgt 1/2 Jahr, beginnend am ersten desjenigen Monats, der dem Eintrittstermin folgt.

Sollte ein Arbeitnehmer nach der Wartezeit nicht 1 1/2 Jahre im Betrieb tätig sein, entfallen seine Ansprüche aus dieser Vereinbarung.

(4) Die Zeit, die ein Mitarbeiter aufgrund der allgemeinen Wehrpflicht bei der Bundeswehr oder bei einem Ersatzdienst verbringt, wird auf die Anwartschaftszeit angerechnet. Er ist jedoch in dieser Zeit nicht beteiligungsberechtigt.

(5) Unterbricht ein Mitarbeiter das Arbeitsverhältnis, so ist das jüngste Eintrittsdatum entsprechend § 5 Abs. 3 für die Beteiligungsberechtigung maßgebend.

(6) Teilzeitbeschäftigte sind ebenfalls beteiligungsberechtigt, wenn sie einen festen Arbeitsvertrag mit der Firma haben.

(7) Auszubildende sind grundsätzlich nicht beteiligungsberechtigt. Sie können jedoch im Rahmen eines noch zu entwickelnden Punktsystems in die Beteiligung einbezogen werden. Bleibt ein Auszubildener nach Abschluß seiner Ausbildung in der Firma, wird ihm die Lehrzeit als Anwartschaftszeit angerechnet.

(8) Die Beteiligungsberechtigung für das laufende Jahr erlischt, wenn der Mitarbeiter während dieses Jahres aus der Firma ausscheidet, es sei denn, er scheidet zum 31.12. aus.

§6

Der verteilungsfähige Gewinn

(1) Die Ausgangsgröße der Feststellung des verteilungsfähigen Gewinns ist der Jahresgewinn laut Steuerbilanz.

(3) Nachträgliche Differenzen werden mit dem Ergebnis des nächsten Jahres verrechnet. Dies gilt analog bei späteren Gewinnberichtigungen durch die steuerliche Betriebsprüfung.

§8

Der Gewinnanteil des einzelnen Mitarbeiters

(1) Der Gewinnanteil der Gesamtheit aller berechtigten Mitarbeiter wird auf die einzelnen Berechtigten entsprechend deren individuellen Jahreslohnsumme verteilt. Diese Aufteilung soll dem Ziel der Leistungsbelohnung dienen.

§ 9

Die investive Verwendung der Gewinnanteile

(1) Die Gewinnbeteiligung nach dem SYSTEM G. zielt auf die Vermögensbildung und die Sicherung im Alter der Mitarbeiter. Nicht zuletzt soll die Gewinnbeteiligung nach dem SYSTEM G. auch die Wettbewerbsfähigkeit der Firma und damit die Sicherung der Arbeitsplätze gewährleisten.

(2) Von den individuellen Gewinnanteilen werden nach Fertigstellung der Bilanz 5 % bar an die Mitarbeiter ausbezahlt. Die gesetzlichen Abzüge dafür werden von der Firma einbehalten.

Der Rest verbleibt – ohne Wahlmöglichkeit der Mitarbeiter – zur Vermögensbildung im Unternehmen.

(3) Der nicht bar ausgezahlte Teil der Gewinnanteile verbleibt zunächst sieben Jahre ohne Dispositionsbefugnis der Mitarbeiter im Betrieb stehen. In dieser Zeit werden diese Anteile nicht verzinst.

(4) Diejenigen Mitarbeiter-Guthaben, die bereits sieben Jahre im Betrieb festgelegt waren, werden nach sieben Jahren (für 1971 also am 31.12.1978) in „typische stille Anteile” umgewandelt.

(5) Verluste der Firma werden auf die darauffolgenden Jahre vorgetragen und kürzen den verteilungsfähigen Gewinn der dem Verlustjahr folgenden Jahre.

(6) Die Mitarbeiter können ihre im Betrieb gebundenen Gewinnanteile nicht gegenüber Dritten abtreten oder verpfänden.

(7) Vorhandene Verbindlichkeiten eines Mitarbeiters gegenüber der Firma sind gegen seine angesammelten Gewinnanteile, sowie noch nicht ausgehändigte Barauszahlungen im Rahmen des SYSTEM G. aufrechenbar.

(8) Die Geschäftsführung kann die Mitarbeiter-Guthaben insgesamt und im Einzel fall sofort ausbezahlen, wenn die Voraussetzungen der § 4 Abs. 4 und 5 vorliegen.

(9) Wenn es die Umstände erfordern, kann die Geschäftsführung mit Zustimmung des Partnerschaftsausschusses die Umwandlung der festgelegten Gewinnanteile in stille Beteiligungen auch schon vor Ablauf der 7 Jahre vornehmen.

(10) Die Mitarbeiter erhalten jährlich einmal einen Kontoauszug, um über den Betrag und die Bewegung auf ihrem Rückstellungskonto aktuellen Aufschluß zu erhalten.

(11) In der Zeit zwischen Rückstellung der Gewinnanteilsumme für den einzelnen Mitarbeiter und der Umwandlung in stille Gesellschaftsanteile, haftet die Summe – auch nach außen hin – entsprechend § 10 Abs. 2.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete aus betrieblichen Gründen mit Ablauf des 30. September 1990 durch Aufhebungsvertrag auf Veranlassung des Arbeitgebers.

Die Klägerin hat von der Beklagten Auskunft über die Höhe ihrer Gewinnbeteiligung für die Zeit ihrer Beschäftigung und Zahlung von 5 % des sich daraus ergebenden Betrages abzüglich gezahlter 550,– DM brutto sowie für den Fall, daß die Auskunft nicht fristgerecht erteilt wird, die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung verlangt.

Sie hat beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin durch Vorlage eines Kontoauszugs, der an Anforderungen nach § 9 Abs. 10 der Bestimmungen über die Mitarbeiterbeteiligung nach dem System G. entspricht, Auskunft über die Höhe und die Bewegungen ihres Mitarbeiterguthabens aus der Zeit vom 15. Januar 1980 bis 30. September 1990, errechnet nach §§ 6, 7 und 8 Abs. 1 und 2 der vorgenannten Bestimmungen über die Mitarbeiterbeteiligung nach dem System G. auf der Basis des steuerlichen Gewinns der Gesamtheit aller Unternehmen der Firmengruppe G. und der individuellen Jahreslohnsumme der Klägerin zu erteilen,
  2. die Beklagte, für den Fall, daß sie die vorgenannte Auskunft nicht binnen einer Frist von sechs Wochen ab Zustellung einer Ausfertigung des Urteils erteilt, zu verurteilen, an die Klägerin eine Entschädigung zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.
  3. die Beklagte zu verurteilen, 5 % des sich nach Erledigung des Klageantrags Ziff. 1 ergebenden Gesamtbetrages an die Klägerin zu zahlen, abzüglich mit der Verdienstabrechnung 12/86 ausgezahlter 300,– DM brutto und mit der Oktoberabrechnung 1989 gezahlter 250,– DM brutto.
  4. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin eine steuerfreie Jubiläumsgratifikation i. H. von 600,– DM zu zahlen,

Die Beklagte hat beantragt.

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat mit Teilurteil vom 18. Februar 1991 die Beklagte zu der begehrten Auskunft für die Zeit vom 15. Juli 1980 bis 31. Dezember 1989 verurteilt und den Auskunftsanspruch im übrigen abgewiesen. Das Arbeitsgericht hat die Beklagte weiter verurteilt, an die Klägerin eine Entschädigung i. H. von 95.000,– DM für den Fall zu zahlen, daß die geschuldete Auskunft nicht binnen einer Frist von sechs Wochen nach Zustellung einer Urteilsausfertigung erteilt wird. Den Antrag zu 4) hat das Arbeitsgericht abgewiesen.

Nach Zustellung des Teilurteils am 2. März 1991 richtete die Beklagte zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung ein Schreiben vom 8. April 1991 an die Klägerin. Darin war für den Zeitraum vom 15. Juli 1980 bis 31. Dezember 1989 jeweils die jährliche Gehaltssumme und jeweils ein Drittel dieser Summe als auf die Klägerin entfallende Gewinnbeteiligung aufgeführt.

Die Beklagte hat Berufung gegen das Teilurteil eingelegt, soweit sie verurteilt worden ist. Die Klägerin hat Anschlußberufung eingelegt, soweit das Arbeitsgericht ihr Auskunftsbegehren abgewiesen hat, und für den Fall der nicht fristgerechten Auskunftserteilung die Verurteilung der Beklagten zu einer weiteren Entschädigung beantragt.

Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen und die Anschlußberufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Auskunfts- und Entschädigungsansprüche weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückweisung der Berufung der Beklagten sowie zur Verurteilung der Beklagten entsprechend den Klageanträgen zu 1) und 2) in vollem Umfang.

I.1. Die Klägerin hat nach den §§ 259, 260 BGB i. V. mit der Nr. 5 des Arbeitsvertrages der Parteien und den Bestimmungen der MSG gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Auskunft. Die Beklagte ist nach § 9 Abs. 2 MSG verpflichtet, an die Klägerin jährlich von ihren individuellen Gewinnanteilen nach Fertigstellung der Bilanz 5 % in bar auszuzahlen. Die mehrfachen Forderungen sind ein Inbegriff von Gegenständen i. S. des § 260 Abs. 1, 1. Alternative BGB. Die Beklagte ist ferner nach § 9 Abs. 10 MSG verpflichtet, in Form eines Kontoauszugs Auskunft über den Betrag und die Bewegung auf ihrem Rückstellungskonto und damit über den Bestand eines Inbegriffs von Gegenständen i. S. des § 260 Abs. 1, 2. Alternative BGB zu erteilen. Inhalt und Umfang des Anspruchs bestimmen sich nach den §§ 5 bis 10 MSG (zum Umfang vgl. BAG Urteil vom 3. April 1990 – 3 AZR 422/88 – n.v.).

2. Der Anspruch der Klägerin ist für alle Jahre der Beschäftigung fällig. Nach § 9 Abs. 10 i. V. mit §§ 6 bis 8 MSG ist den gewinnbeteiligungsberechtigten Mitarbeitern jährlich ein Kontoauszug und die entsprechende Auskunft über die Berechnungsgrundlagen zu erteilen. Dieser Anspruch wird mit Erstellung der Steuerbilanz fällig. Diese sind nach dem Vorbringen der Beklagten jeweils am Jahresende erstellt und zur weiteren Bearbeitung an den Wirtschaftsprüfer für die Wirtschaftsprüfung und ggf. eine Betriebsprüfung des Finanzamts weitergegeben worden. Auf die abschließende Prüfung des Jahresabschlusses durch den Wirtschaftsprüfer oder die Finanzverwaltung kommt es allerdings nicht an, die MSG stellt darauf nicht ab, sondern nur auf die Erstellung der Steuerbilanz. Das folgt auch aus § 6 Abs. 3 MSG, der die Erlaubnis einer nachträglichen Korrektur der Gewinnbeteiligungsansprüche enthält.

3. Die Auskunftsansprüche der Klägerin sind nicht verjährt. Sie sind zwar im Hinblick auf den Hauptanspruch, dessen Durchsetzung sie dienen, Hilfsansprüche. Dabei handelt es sich jedoch um selbständige Ansprüche, die gem. § 195 BGB in 30 Jahren verjähren. Eine mögliche kürzere Verjährungsfrist für den Hauptanspruch gilt für den Auskunftsanspruch nicht (BGHZ 108, 393, 399; BGH Urteil vom 3. Oktober 1984 – IV a ZR 56/83 – NJW 1985, 384; Soergel/Wolf, BGB, 12. Aufl., § 260 Rz 4). Im übrigen sind auch die Hauptansprüche der Klägerin aus der investiven Verwendung der Gewinnanteile nach den §§ 9 und 10 MSG nicht verjährt. Sie sind nicht einmal zur Auszahlung fällig, weil weder die Siebenjahresfrist des § 9 Abs. 3 MSG für alle Gewinnbeteiligungsansprüche verstrichen, noch eine fristlose Kündigung nach § 9 Abs. 8 i. V. mit § 4 Abs. 4 und Abs. 5 MSG ausgesprochen worden oder eine die Auszahlung nach sich ziehende ordentliche Kündigung des stillen Gesellschaftsverhältnisses einer der Parteien erfolgt ist.

4. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht allerdings angenommen, die Auskunftsansprüche der Klägerin bestünden nicht mehr, weil ihrem materiellen Auskunftsinteresse mit dem Schreiben vom 8. April 1991 genügt worden sei. Der titulierte Auskunftsanspruch der Klägerin ist mit dem Schreiben vom 8. April 1991 nicht erfüllt. Das Schreiben weist lediglich die auf die Beschäftigungszeit der Klägerin entfallenden einzelnen Jahresbeträge der Gewinnbeteiligung aus, nicht aber deren Berechnungsgrundlagen.

Mit dem Zugang des Schreibens blieb auch das Informationsbedürfnis der Klägerin bestehen. Es kann dahinstehen, ob generell Auskunftsansprüche dann nicht mehr geltend gemacht werden können, wenn für sie kein Bedürfnis mehr besteht (so der BGH zu Ansprüchen des Pflichtteilsberechtigten nach § 2314 BGB: BGHZ 108, 393, 399; BGH Urteil vom 3. Oktober 1984 – IV a ZR 56/83 – NJW 1985, 384; BGHZ 28, 177, 180; Soergel/Wolf, BGB, 12. Aufl., § 260 Rz 65) und ob insbesondere Auskünfte über Entgeltansprüche von Arbeitnehmern auf diese Weise zum Erlöschen gebracht werden können. Denn das Schreiben der Beklagten hätte die Interessen der Klägerin an einer detaillierten Auskunft allenfalls dann beseitigen und zur Aufhebung des erstinstanzlichen Ausspruchs führen können, wenn die Beklagte deutlich, unmißverständlich und unwiderrufbar eine endgültige Auskunft erteilt hätte, die künftig unabänderliche Grundlage für die Auseinandersetzung über materielle Ansprüche der Klägerin sein könnte. Nur dann wäre das Interesse der Klägerin an einer titulierten Auskunft erloschen und die gerichtliche Weiterverfolgung nicht möglich, weil sie ihr Klageziel endgültig erreicht hätte. Solange die erteilte Auskunft aber unverbindlich blieb und deshalb z.B. nach Beendigung des Rechtsstreits jederzeit hätte zu Lasten der Klägerin korrigiert werden können, kann vom Wegfall des Auskunftsinteresses nicht ausgegangen werden. Diesen Ansprüchen genügt das Schreiben vom 8. April 1991 nicht. Die Beklagte hat keine endgültige, für die Vertragspartner verbindliche Auskunft über den Höchstsatz erteilt, sondern lediglich zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung eine dem Tenor des arbeitsgerichtlichen Teilurteils nicht entsprechende Übersicht abgegeben, die ihrem Inhalt nach vorläufig und jederzeit disponibel war. Damit können die vertraglichen Ansprüche der Klägerin nicht wegen Wegfall des Auskunftinteresses erledigt werden. Wollte man die Sachlage anders beurteilen, hieße das, der Klägerin sowohl den Titel erster Instanz zu nehmen, als sie auch der Gefahr auszusetzen, daß die erteilte Auskunft zurückgenommen oder zu ihren Lasten berichtigt wird.

II. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht die Ansprüche der Klägerin für die Zeiträume 15. Januar 1980 bis 14. Juli 1980 und 1. Januar 1990 bis 30. September 1990 abgewiesen.

1. § 5 MSG versagt dem Mitarbeiter die Gewinnbeteiligung für das erste Halbjahr seiner Beschäftigung nicht. Die Vorschrift enthält dazu überhaupt keine Regelung. Auch die Auslegung der Bestimmung, die der Senat selbst vornehmen kann, weil die MSG typische, für viele Arbeitsverhältnisse der Firmengruppe geltende Vertragserklärungen enthält, ergibt keinen Anspruchsausschluß. Die MSG enthält in der Bestimmung über die Anrechnung und Beteiligungsrechnung bei Wehrdienst und Ersatzdienst, § 5 Abs. 4 Satz 1, eine ausdrückliche Vorschrift, wann der Bestand des Arbeitsverhältnisses allein nicht für die Teilnahme an der Gewinnbeteiligung genügt. Wenn die Beklagte, die die MSG entworfen hat, ihre Zusage auch generell für die Anwartschaftszeit einschränken wollte, hätte es nahegelegen, eine entsprechende Begrenzungsvorschrift in § 5 Abs. 3 MSG aufzunehmen. Auch der ausdrückliche Ausschluß der Beteiligungsberechtigung für die Zeit der Anwartschaft während Wehr- und Ersatzdienst läßt erkennen, daß die Beteiligungsberechtigung für die Anwartschaftszeit im übrigen besteht. Demgegenüber kann aus der Erlöschensvorschrift des § 5 Abs. 3 Satz 2 MSG nicht geschlossen werden, die Parteien hätten das Entstehen eines Anspruchs im ersten halben Jahr der Beschäftigung nicht gewollt. Die Tatsache, daß Vorschriften einfacher gefaßt werden könnten (hier: einmal eine 2-Jahres-Frist anstelle von zwei Fristen von 1/2 Jahr und 1 1/2 Jahren), ist kein ausreichender Umstand des Einzelfalls, um einen Ausschlußwillen der Parteien erkennen zu können.

2. Die Klägerin hat auch einen Anspruch auf die Gewinnbeteiligung für die Zeit vom 1. Januar 1990 bis 30. Januar 1990. Die entgegenstehende Vorschrift des § 5 Abs. 8 MSG verstößt gegen die Zusage der Beklagten, einen Teil der für geleistete Arbeit versprochenen Vergütung nicht auszuzahlen, sondern im Unternehmen anzulegen. Die Gewinnbeteiligung der Beklagten ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts keine Sonderleistung, die einmal pro Jahr aus besonderem Anlaß vom Arbeitgeber freiwillig für geleistete Arbeit und/oder erbrachte und/oder zukünftige Betriebstreue erbracht wird und für die die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts besondere Regeln entwickelt hat. Bei der vertraglichen MSG handelt es sich vielmehr um eine Mitarbeiterbeteiligung, bei der größtenteils eine Entgeltumwandlung in Vermögensbeteiligung stattfindet. Entgegen der Aussage in § 1 Abs. 2 MSG, wonach die Beteiligung der Mitarbeiter am Gewinn der Firma keine Lohnzahlung in anderer Form sei, handelt es sich bei der Mitarbeiterbeteiligung deshalb um Arbeitsentgelt für geleistete Dienste. Das zeigt auch die Bestimmung des § 8 Abs. 1 Satz 2 MSG über die Berechnung des Gewinnanteils des einzelnen Mitarbeiters. Der Gewinnanteil knüpft an die individuelle Jahreslohnsumme an, um so der Leistungsbelohnung zu dienen.

III. Da die Beklagte zur Vornahme einer Handlung verurteilt worden ist, war auf den Antrag der Klägerin die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung für den Fall zu verurteilen, daß die Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen ist, § 61 Abs. 2 ArbGG. Auch insoweit war das arbeitsgerichtliche Urteil deshalb wiederherzustellen. Ferner war antragsgemäß für die weitergehende Verurteilung der Beklagten zur Erteilung einer Auskunft eine weitere Entschädigung nach § 61 Abs. 2 ArbGG für den Fall festzusetzen, daß die Auskunft nicht binnen einer bestimmten Frist erteilt wird. Der Senat hält die Frist von sechs Wochen für angemessen und ausreichend. Die Entschädigungssumme ist entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 6. Mai 1987 – 4 AZR 641/86 – AP Nr. 7 zu § 61 ArbGG 1979; Urteil vom 27. August 1986 – 4 AZR 280/85 – AP Nr. 70 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau) auf etwa 80 % des behaupteten Hauptanspruchs festgesetzt worden.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Leinemann, Dr. Reinecke, Dörner, Schoden, Dr. Fühler

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1083516

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