Entscheidungsstichwort (Thema)

Decken- und Wandverkleidungen aus Holz

 

Leitsatz (amtlich)

  • Der Einbau von Wand- und Deckenverkleidungen unterfällt auch als Schreinerhandwerk dem Geltungsbereich des BRTV-Bau in der ab 1.1.1981 geltenden Fassung (anders noch die vorher gültige Fassung des BRTV-Bau – vgl. BAG vom 17. März 1976 – 4 AZR 188/75 – AP Nr. 28 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau –).
  • Für die Auskunftserteilung ist die Entschädigungssumme nach § 61 Abs. 2 ArbGG in der Regel um 20 v. H. von dem zu erwartenden Zahlungsanspruch zu kürzen.
 

Normenkette

TVG § 1 Tarifverträge: Bau; BRTV-Bau § 1

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 11.12.1984; Aktenzeichen 5 Sa 765/83)

ArbG Wiesbaden (Urteil vom 20.04.1983; Aktenzeichen 6 Ca 5523/82)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 11. Dezember 1984 – 5 Sa 765/83 – aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 20. April 1983 – 6 Ca 5523/82 – in der Kostenentscheidung und zu Nr. 2 des Urteilstenors wie folgt abgeändert:

Für den Fall, daß diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Urteilszustellung nicht erfüllt wird, an die Klägerin folgende Entschädigung zu zahlen:

25.864,-- DM.

Im übrigen werden die Klage abgewiesen und die Berufung der Beklagten und die Revision der Klägerin zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 4/5 und der Beklagten zu 1/5 auferlegt.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Klägerin ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes, die nach dem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag über das Verfahren für den Urlaub, den Lohnausgleich und die Zusatzversorgung im Baugewerbe (Verfahrens-TV) die Beiträge für Zusatzversorgung, Lohnausgleich und Urlaub der Arbeitnehmer des Baugewerbes von den Arbeitgebern einzieht und Auskünfte zur Errechnung der Beiträge einholt. Sie verlangt von der beklagten Arbeitgeberin nach § 2 Abschnitt I Nr. 6 Verfahrens-TV Auskunft über die Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer und die Höhe der Bruttolohnsumme in der Zeit von Januar 1981 bis Januar 1983.

Im Betrieb der Beklagten werden 70 % der Arbeitszeit für die Herstellung von Decken- und Wandverkleidungen überwiegend aus Holz und zu einem geringen Teil aus Rigips verwendet. Ferner werden Schrankwände hergestellt und eingebaut, sowie sonstige Rigipsarbeiten durchgeführt. In der Handwerksrolle ist die Beklagte unter der Bezeichnung Zimmererhandwerk eingetragen. Als Gewerbe, hat sie die “Durchführung sämtlicher Holz- und Rigipsarbeiten, soweit nicht Arbeiten im Bereich des Tischlerhandwerks in Betracht kommen” angemeldet. Der Geschäftsführer der Beklagten hat das Schreinerhandwerk erlernt.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, daß der Betrieb der Beklagten vom fachlichen Geltungsbereich des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe (BRTV-Bau) und demzufolge auch von dem des Verfahrenstarifvertrages erfaßt werde. Die Beklagte führe Trocken- und Montagebauarbeiten im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 36 BRTV-Bau aus. Auf das verwendete Material komme es dabei nicht an. Auch Betriebe des Schreinerhandwerks, die bei Trocken- und Montagebauarbeiten Holz verwendeten, seien nach § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 9 BRTV-Bau nicht vom fachlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages ausgenommen. Die Klägerin hat aufgrund einer Auskunft der AOK angenommen, daß die Beklagte durchschnittlich 13 Arbeitnehmer beschäftigt und daraufhin die ihr für den Anspruchszeitraum entgangenen Beiträge auf 260.000,-- DM geschätzt.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

  • der Klägerin auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen, wieviele Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung über die Rentenversicherung der Arbeiter (RVO) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten in den Monaten Januar 1981 bis Januar 1983 in dem Betrieb der Beklagten beschäftigt wurden sowie in welcher Höhe die lohnsteuerpflichtige Bruttolohnsumme insgesamt für diese Arbeitnehmer und die Beiträge für die Sozialkassen der Bauwirtschaft in den genannten Monaten angefallen sind.
  • Für den Fall, daß diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Urteilszustellung nicht erfüllt wird, an die Klägerin folgende Entschädigung zu zahlen: 260.000,-- DM.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, daß ihr Betrieb vom fachlichen Geltungsbereich der Bautarifverträge nicht erfaßt werde. Sie führe fast ausschließlich Arbeiten aus, die dem Schreinerhandwerk zuzurechnen seien, weil die Holzverarbeitung im Vordergrund stehe. Trocken- und Montagebauarbeiten seien durch die Verwendung anderer Materialien, wie Rigips, Kunststoff oder Steinwolle, gekennzeichnet.

Die Beklagte hat ferner bestritten, daß sie durchschnittlich 13 Arbeitnehmer im streitbefangenen Zeitraum beschäftigt habe und hat die Bruttolohnsumme für das Jahr 1981 mit 92.645,-- DM und für den Zeitraum vom Monat Januar 1982 bis zum Monat Januar 1983 mit 47.855,-- DM angegeben.

Das Arbeitsgericht hat der Klage unter Verlängerung der Frist zur Auskunftserteilung auf sechs Wochen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils mit der Einschränkung, daß die Frist zur Auskunftserteilung auf einen Monat festgesetzt wird. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist teilweise begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, soweit die Klägerin Auskunft nach dem Verfahrens-TV begehrt. Denn der Betrieb der Beklagten wird vom Geltungsbereich des Verfahrens-TV erfaßt. Für den Fall, daß die Beklagte ihre Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht erfüllt, war das erstinstanzliche Urteil teilweise abzuändern und die Entschädigungssumme unter Berücksichtigung eines angemessenen Abschlags auf 25.864,-- DM festzusetzen. Für die Erfüllung ihrer Verpflichtung zur Auskunftserteilung steht der Beklagten nach dem insoweit rechtskräftigen erstinstanzlichen Urteil eine Frist von sechs Wochen zur Verfügung.

Im Klagezeitraum von Januar 1981 bis Dezember 1981 galt hinsichtlich der Arbeitnehmer mit einer rentenversicherungspflichtigen Tätigkeit der allgemeinverbindliche Tarifvertrag über das Verfahren für den Urlaub, den Lohnausgleich und die Zusatzversorgung im Baugewerbe vom 12. November 1960 (Verfahrens-TV) in der Fassung vom 17. November 1980 und für den Klagezeitraum von Januar 1982 bis Januar 1983 in der Fassung vom 10. November 1981. Nach § 2 Abschnitt I Nr. 6 Verfahrens-TV ist die Beklagte kraft der Allgemeinverbindlicherklärung des Verfahrenstarifvertrages (§ 5 Abs. 4, § 4 Abs. 2 TVG) verpflichtet, auf dem tariflich vorgeschriebenen Formular die von der Klägerin begehrte Auskunft zu erteilen, da ihr Betrieb vom fachlichen Geltungsbereich des Verfahrens-TV erfaßt wird. Der fachliche Geltungsbereich des Verfahrens-TV stimmt nach § 1 Abs. 2 Verfahrens-TV mit dem fachlichen Geltungsbereich des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe (BRTV-Bau) überein.

Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß Betriebe, in denen überwiegend die in den Beispielen des Abschnitts V von § 1 Abs. 2 BRTV-Bau in der jeweils nach dem 1. Januar 1980 geltenden Fassung genannten Tätigkeiten ausgeführt werden, unter den fachlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages fallen, ohne daß die Erfordernisse der allgemeinen Merkmale der Abschnitte I bis III zu überprüfen sind (BAG 45, 11 = AP Nr. 60 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Das Landesarbeitsgericht hat demgemäß überprüft, ob im Betrieb der Beklagten die in § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 36 BRTV-Bau genannten Tätigkeiten ausgeführt werden. Diese Bestimmung lautet:

“Trocken- und Montagebauarbeiten (z. B. Wand- und Deckeneinbau bzw. -verkleidungen), einschließlich des Anbringens von Unterkonstruktionen und Putzträgern.”

Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, daß “Trocken- und Montagebauarbeiten” nach dem Klammerzusatz der tariflichen Bestimmung dann vorliegen, wenn ein Wand- und Deckeneinbau vorgenommen wird oder Wand- und Deckenverkleidungen ausgeführt werden. Es hat im Hinblick darauf, daß Betriebe des Schreinerhandwerks nach § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 9 BRTV-Bau von dessen fachlichem Geltungsbereich ausgenommen sind, aber gefolgert, daß Schreinerarbeiten keine Trocken- und Montagebauarbeiten im tariflichen Sinne sind.

Diese Auffassung steht mit dem Tarifwortlaut und dem tariflichen Gesamtzusammenhang, die für die Tarifauslegung maßgeblich sind (BAG 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung) nicht in Einklang. Nach der Rechtsprechung des Senats ist davon auszugehen, daß die Tarifvertragsparteien, wenn sie ein allgemein gefaßtes Tätigkeitsmerkmal durch ein Tätigkeitsbeispiel erläutern, damit zum Ausdruck bringen, daß die aufgeführten Tätigkeiten das vorangestellte Tätigkeitsmerkmal erfüllen (BAG Urteil vom 29. Oktober 1980 – 4 AZR 750/78 – AP Nr. 41 zu §§ 22, 23 BAT 1975; Urteil vom 8. Februar 1984 – 4 AZR 158/83 – AP Nr. 134 zu § 1 TVG Auslegung mit weiteren Nachweisen; Urteil vom 14. Mai 1986 – 4 AZR 134/85 –, zur Veröffentlichung bestimmt). Daraus folgt, daß Wand- und Deckeneinbau bzw. -verkleidungen als Trocken- und Montagebauarbeiten im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 36 BRTV-Bau anzusehen sind (vgl. auch Brocksiepe/Sperner, BRTV-Bau, 1981, Seite 85, 86). Weder der Wortlaut noch der tarifliche Gesamtzusammenhang lassen eine Einschränkung dahingehend erkennen, daß Trocken- und Montagebauarbeiten unter Verwendung des Werkstoffes Holz und somit Schreinerarbeiten nicht unter die tarifliche Bestimmung fallen. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts folgt eine solche Einschränkung auch nicht aus § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 9 BRTV-Bau. Diese Vorschrift hat folgenden Wortlaut:

“Abschnitt VII

Nicht erfaßt werden Betriebe. …

  • des Schreinerhandwerks sowie der holzbe- und verarbeitenden Industrie, soweit nicht Fertigbau- oder Trockenbau- und Montagebauarbeiten ausgeführt werden.

Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser tariflichen Bestimmung werden Betriebe des Schreinerhandwerks nicht vom fachlichen Geltungsbereich des BRTV-Bau erfaßt. Ausgenommen sind jedoch Betriebe des Schreinerhandwerks, die Trockenbau- und Montagebauarbeiten ausführen. Betriebe des Schreinerhandwerks, die Trockenbau- und Montagebauarbeiten ausführen, fallen damit kraft ausdrücklicher tariflicher Bestimmung unter den fachlichen Geltungsbereich des BRTV-Bau. Dabei läßt der tarifliche Gesamtzusammenhang nur den Schluß zu, daß die Tarifvertragsparteien in § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 9 BRTV-Bau auf die Trocken- und Montagebauarbeiten im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 36 BRTV-Bau Bezug genommen haben. Daraus ergibt sich unter Berücksichtigung des Klammerzusatzes, daß Betriebe des Schreinerhandwerks, die Decken und Wände aus Holz einbauen oder Decken- und Wandverkleidungen aus Holz ausführen, unter den fachlichen Geltungsbereich des BRTV-Bau und damit den des Verfahrens-TV fallen.

Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts gehört zu den Trocken- und Montagebauarbeiten im tariflichen Sinne auch die Verwendung des Werkstoffes Holz. Die Tätigkeit eines Trockenbaumonteurs ist nicht auf die Verwendung bestimmter Werkstoffe beschränkt, sondern gerade durch die Vielfalt der zu verarbeitenden Werkstoffe im Rahmen eines weit gespannten Aufgabenkreises, zu dem gerade auch Decken- und Wandverkleidungen gehören, gekennzeichnet (vgl. Blätter für Berufskunde 1 – II C 205 S. 3). Dies zeigen auch die Prüfungsanforderungen für den Ausbildungsberuf des Trockenbaumonteurs. Nach § 53 Abs. 3 Nr. 1a) dd) der Verordnung über die Berufsausbildung in der Bauwirtschaft vom 8. Mai 1974 (BGBl I S. 1073) muß der Trockenbaumonteur im Prüfungsfach Technologie Kenntnisse über Holzwerkstoffe, wie Holzarten, Faserverlauf, natürliche und künstliche Hölzer, physikalische und chemische Einflüsse, Aufbau und Bearbeitungsarten von Verbund-Werkstoffen und Holzschutz nachweisen (BGBl I S. 1099). Damit ist aber der Holzverarbeitung nicht, wie das Landesarbeitsgericht meint, bei den Trockenbauarbeiten nur ein Randbereich zugewiesen, sondern steht diese gleichrangig mit der Verwendung von mineralischen und metallischen Werkstoffen sowie der von Kunststoffen. Dies ergibt sich auch aus dem Ausbildungsrahmenplan für den Trockenbaumonteur, der die Vermittlung der entsprechenden Kenntnisse und Fertigkeiten vorsieht (Ziff. 5 der Anlage 13 zu § 26 der Verordnung über die Berufsausbildung in der Bauwirtschaft vom 8. Mai 1974, BGBl I S. 1155).

Zwar hat der Senat im Urteil vom 17. März 1976 – 4 AZR 188/75 – AP Nr. 28 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau entschieden, daß das Anbringen von Decken aus Holz dem Schreinerhandwerk zuzurechnen sei und deshalb nicht unter den fachlichen Geltungsbereich der Tarifverträge des Baugewerbes falle. Der Entscheidung lag jedoch der fachliche Geltungsbereich des BRTV-Bau in der Fassung vom 1. April 1971 zugrunde, von dem Schreinerbetriebe ausdrücklich ausgenommen waren. Gleichwohl war die tarifliche Einordnung von Trockenbauarbeiten unter Verwendung von Holz schon zu damaliger Zeit nicht unumstritten (vgl. Anmerkung Henrich zu BAG AP Nr. 28 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Nachdem die Tarifvertragsparteien in der Neufassung des fachlichen Geltungsbereichs des BRTV-Bau mit Wirkung ab 1. Januar 1980 jedoch Betriebe des Schreinerhandwerks, die Trockenbau- und Montagebauarbeiten ausführen, ausdrücklich nicht vom fachlichen Geltungsbereich des BRTV-Bau ausgenommen haben, werden Betriebe, wie der der Beklagten, der arbeitszeitlich unstreitig überwiegend Wand- und Deckeneinbau vornimmt sowie Wand- und Deckenverkleidungen ausführt, vom fachlichen Geltungsbereich des BRTV-Bau erfaßt.

Der Beklagten ist zuzugeben, daß es untypisch ist, daß Betriebe, die Schreinerarbeiten ausführen, unter den fachlichen Geltungsbereich der Tarifverträge für das Baugewerbe fallen. Dies ist jedoch darauf zurückzuführen, daß für das Schreinerhandwerk, zu dem insbesondere auch der Innenausbau einschließlich der Herstellung von Verkleidungen und Vertäfelungen gehört, in der Regel eigene Tarifverträge bestehen. Besteht für einen Betrieb des Schreinerhandwerks, der nach § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 36 in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 9 BRTV-Bau unter den fachlichen Geltungsbereich des BRTV-Bau fällt, zugleich eine Bindung an einen Tarifvertrag für das Schreinerhandwerk aufgrund Verbandszugehörigkeit (§ 3 Abs. 1 TVG) oder aufgrund Allgemeinverbindlicherklärung (§ 5 Abs. 4 TVG), so ist die entstehende Tarifkonkurrenz nach dem Prinzip der Spezialität dahingehend zu lösen, daß der Tarif für das Schreinerhandwerk vorgeht (BAG Urteil vom 22. Februar 1957 – 1 AZR 536/55 –, Urteil vom 24. September 1975 – 4 AZR 471/74 –, Urteil vom 29. November 1978 – 4 AZR 304/77 – AP Nr. 2, 11 und 12 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz; Urteil vom 19. Januar 1962 – 1 AZR 147/61 –, AP Nr. 11 zu § 5 TVG). Die Tarifverträge für das Baugewerbe kommen in diesem Falle nicht zur Anwendung.

Die Beklagte hat aber nicht vorgetragen, daß eine Tarifbindung an einen speziellen Tarifvertrag für das Schreinerhandwerk aufgrund ihrer Verbandszugehörigkeit (§ 3 Abs. 1 TVG) besteht. Es konnten auch keine entsprechenden allgemeinverbindlichen Tarifverträge für das Tarifgebiet, in dem die Beklagte ihren Sitz hat, ermittelt werden (§ 5 Abs. 4 TVG). Damit ist die Beklagte verpflichtet, die von der Klägerin begehrten Auskünfte nach dem Verfahrens-TV für das Baugewerbe zu erteilen.

Soweit die Klägerin für den Fall, daß die Beklagte ihre Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Urteilszustellung erfüllt, die Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 260.000 DM begehrt, hat ihre Klage nur teilweise Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat die Frist zur Auskunftserteilung auf sechs Wochen bestimmt und damit den Antrag der Klägerin, der auf die Festsetzung einer Frist von zwei Wochen gerichtet war, teilweise abgewiesen, ohne dies allerdings im Tenor kenntlich zu machen. Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin keine Berufung eingelegt. Damit ist die Abweisung einer kürzeren Frist zur Auskunftserteilung nach Urteilszustellung rechtskräftig geworden und steht nicht mehr zur Entscheidung in der Revisionsinstanz. Soweit die Klägerin mit ihrem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag die Festsetzung der Frist auf einen Monat begehrt hat, ist dies im Hinblick auf die rechtskräftige erstinstanzliche teilweise Klageabweisung unzulässig.

Das erstinstanzliche Urteil war jedoch insoweit abzuändern, als die Entschädigungssumme für den Fall der Nichterfüllung der Verpflichtung zur Auskunftserteilung auf 260.000,-- DM festgesetzt worden ist.

Die Klägerin hat ihren Antrag auf Festsetzung einer Entschädigungssumme in Höhe von 260.000,-- DM damit begründet, daß die Beklagte nach einer Auskunft der AOK durchschnittlich 13 Arbeitnehmer beschäftige. Da für jeden Arbeitnehmer pro Monat 800,-- DM als Beitrag abzuführen sei, ergebe sich für den Anspruchszeitraum von 25 Monaten eine ausstehende Beitragssumme von 260.000,-- DM, zu deren Zahlung als Entschädigungssumme für den Fall der Nichterfüllung der Auskunftsverpflichtung die Beklagte zu verurteilen sei. Demgegenüber hat die Beklagte im einzelnen vorgetragen, wieviele Arbeitnehmer sie im Anspruchszeitraum beschäftigt hat und welche Bruttolohnsumme diese erzielt haben. Diese Angaben sind von der Klägerin nicht mehr substantiiert bestritten worden.

Die Entschädigungssumme ist nach § 61 Abs. 2 ArbGG nach freiem Ermessen festzusetzen. Dabei ist die Ermessensausübung entsprechend § 287 ZPO vorzunehmen (Grunsky, ArbGG, 4. Aufl. 1981, § 61 Rz 14; Rohlfing/Rewolle, ArbGG, § 61 Erl. 5). Maßgeblich ist demgemäß, welchen Schaden die Klägerin unter Würdigung aller Umstände voraussichtlich erleidet, wenn die Beklagte ihre Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht erfüllt. Dieser Schaden kann über den Betrag der zu zahlenden Beiträge nicht hinausgehen. Dieser bildet damit die Höchstgrenze für die Festsetzung der Entschädigungssumme. Bei deren Bestimmung konnte der Senat nicht den pauschalen Sachvortrag der Klägerin zur Höhe der erwarteten Beitragszahlung zugrunde legen. Vielmehr war von den Angaben der Beklagten auszugehen, die von der Klägerin auch nicht substantiiert in Zweifel gezogen wurden, und aus denen im einzelnen ersichtlich war, wieviele Arbeitnehmer die Beklagte in jedem Monat des Klagezeitraums beschäftigte und welche Lohnsumme diese erzielten. Daraus ergibt sich bei einer Bruttolohnsumme im Jahre 1981 von 92.645,-- DM und einem Beitragssatz von 22,5 % eine Beitragsleistung in Höhe von 20.845,-- DM. Für den Zeitraum von Januar 1982 bis zum Januar 1983 fiel eine Bruttolohnsumme von 47.855,-- DM an, die bei einem Beitragssatz von 24 % eine Beitragsleistung in Höhe von 11.485,-- DM ergibt. Die Summe der für den Klagezeitraum insgesamt zu erwartenden Beiträge beträgt damit 32.330,-- DM. Von dieser Summe ist ein Abschlag von 20 % vorzunehmen, so daß die Entschädigungssumme auf 25.864,-- DM festzusetzen war.

Der Senat hat schon im Urteil vom 5. Juni 1985 – 4 AZR 533/83 –, AP Nr. 67 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau ausgeführt, daß es geboten und angemessen ist, die Entschädigungssumme nicht in voller Höhe der zu erwartenden Beiträge festzusetzen. Er hat damit dem Umstand Rechnung getragen, daß die nach § 61 Abs. 2 ArbGG festzusetzende Entschädigung nur pauschal den Schaden ausgleichen soll, der durch die Unterlassung der Auskunftserteilung entstehen kann und der Anspruch auf Auskunftserteilung wesensverschieden von dem auf Beitragszahlung gerichteten Anspruch der Klägerin ist. Zum anderen hat der Senat berücksichtigt, daß grundsätzlich der Streitwert einer auf Auskunftserteilung gerichteten Klage niedriger anzusetzen ist als der einer entsprechenden Leistungsklage (BAG Urteil vom 10. September 1975 – 4 AZR 456/74 – AP Nr. 24 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Dementsprechend kann auch der Streitwert einer auf Auskunftserteilung gerichteten Klage je nach den Umständen des Einzelfalles sogar nur etwa 1/10 einer entsprechenden Leistungsklage betragen, wenn die fraglichen Umstände dem Auskunftbegehrenden fast bekannt sind, oder auf der anderen Seite 1/4 oder fast den Wert des Zahlungsanspruches selbst errreichen, wenn dieser ohne die Auskunft voraussichtlich nicht weiterverfolgt werden kann (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 44. Aufl. 1986, Anhang § 3 Stichwort: Auskunft; Thomas/Putzo, ZPO, 14. Aufl. 1986, § 3 Stichwort: Auskunftsanspruch; Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 20. Aufl. 1984, § 3 VI Stichwort: Auskunftsanspruch; BAG Urteil vom 10. September 1975 – 4 AZR 456/74 – AP Nr. 24 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Dem entspricht weitgehend auch die Entschädigung für eine nicht erteilte Auskunft. Im Urteil vom 5. Juni 1985 – 4 AZR 533/83 – AP Nr. 67 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau hat der Senat deshalb einen Abschlag von 20 % für angemessen erachtet. Dabei handelt es sich um einen Regelwert. Dieser berücksichtigt einerseits, daß das Interesse der Klägerin an der Auskunftserteilung deshalb geringer zu bewerten ist als der Betrag der zu erwartenden Beiträge, weil die Klägerin diesen im Wege der Zahlungsklage im Falle der Nichterfüllung trotz erteilter Auskunft noch geltend machen müßte. Außerdem muß Beachtung finden, daß sich aufgrund der erteilten Auskunft durchaus eine geringere Beitragsleistung ergeben kann, als die Klägerin zunächst erwartet hat. Andererseits berücksichtigt ein Abschlag von nur 20 % in Abweichung von der grundsätzlichen Bewertung eines Anspruchs auf Auskunftserteilung das berechtigte Interesse der Klägerin, daß Betriebe im Hinblick darauf, daß bei der Verurteilung zu einer Entschädigungssumme eine Vollstreckung der Verpflichtung zur Auskunftserteilung nach § 61 Abs. 2 Satz 2 ArbGG ausgeschlossen ist, nicht schlechthin die Auskunft von vornherein deshalb verweigern, weil die festgesetzte Entschädigungssumme wesentlich unter der zu erwartenden Beitragszahlung liegt. In diesen Fällen bleibt es der Klägerin außerdem unbenommen, je nach den Einwendungen des beklagten Arbeitgebers in einem Rechtsstreit um die Auskunftserteilung, den Antrag nach § 61 Abs. 2 ArbGG nicht zu stellen oder im Wege der Stufenklage (§ 254 ZPO) zunächst Auskunftserteilung und gegebenenfalls nach der Vollstreckung einer entsprechenden Verurteilung Zahlung der dann feststehenden Beiträge zu begehren.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Neumann, Dr. Etzel, Dr. Freitag, Hauk, Wiese

 

Fundstellen

Haufe-Index 872426

RdA 1986, 408

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