Entscheidungsstichwort (Thema)

Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs im Wege der Stufenklage

 

Leitsatz (amtlich)

Auch wenn die Verjährungseinrede des Beschenkten gegen den Anspruch aus § 2329 BGB durchgreift, kann dieser noch entsprechend § 2314 BGB zur Auskunft verpflichtet sein (Anschluß an BGHZ 61, 180, 185; 55, 378). Der Pflichtteilsberechtigte muß dann aber darlegen, inwiefern er die Auskunft gerade von ihm benötigt.

 

Normenkette

BGB §§ 2314, 2313, 2301, 195, 208, 224; ZPO § 301

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 28. Dezember 1982 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

 

Tatbestand

Die Parteien sind Geschwister. Erbin ihres am 30. Oktober 1978 verstorbenen Vaters (Erblasser) wurde aufgrund Ehe- und Erbvertrages vom 20. Dezember 1972 dessen Ehefrau. Zwischen den Eltern bestand Gütergemeinschaft. Der Kläger verlangt seinen Pflichtteil und Pflichtteilsergänzung. Mit der am 15. Dezember 1981 eingereichten und am 18. Dezember 1981 zugestellten Klage nimmt der Kläger den Beklagten im Wege der Stufenklage in Anspruch. Dabei stützt er sich darauf, daß die Eltern der Parteien dem Beklagten aufgrund notarieller Verträge vom 20. Dezember 1972 und vom 22. April 1974 Grundbesitz und ein dort betriebenes Maschinenbau-Unternehmen gegen Zahlung einer Rente übertragen hatten. Der Kläger hält diese Übertragung für eine gemischte Schenkung.

Im Wege der Stufenklage beantragt er, den Beklagten zu verurteilen, den Wert des Unternehmens am 1. Januar 1973 durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu ermitteln und einen später zu beziffernden Betrag zu zahlen. Der Beklagte bestreitet eine gemischte Schenkung und beruft sich auf Verjährung.

Das Landgericht hat den Beklagten durch Teilurteil verurteilt, dem Kläger "Auskunft zu erteilen über den Wert" des Unternehmens am 1. Januar 1973 "durch Erholung eines Sachverständigengutachtens"; das Oberlandesgericht hat die Klage insoweit abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag auf Wertermittlung weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

Das Berufungsgericht wendet § 2314 BGB entsprechend an und hält die Voraussetzungen für einen Wertermittlungsanspruch des pflichtteilsberechtigten (§ 2303 BGB) Klägers gegen den Beklagten, der möglicherweise eine (gemischte) Schenkung empfangen hat, anscheinend für gegeben. Dieser Anspruch sei aber ebenso wie ein möglicher Pflichtteilsergänzungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten (§ 2329 BGB) verjährt. Zwar verjähre ein Anspruch gemäß § 2314 BGB grundsätzlich erst in 30 Jahren (§ 195 BGB); seinem Wesen als Hilfsanspruch entsprechend verjähre er aber nicht später als der Hauptanspruch selbst. Für diesen gelte gemäß § 2332 Abs. 2 BGB eine dreijährige Verjährungsfrist, die mit dem Erbfall (30. Oktober 1978) begonnen habe und bei Klageerhebung (18. Dezember 1978) bereits abgelaufen gewesen sei. Insoweit sei die Verjährung nicht unterbrochen worden.

Insbesondere in dem Schreiben des Vertreters des Beklagten vom 3. August 1981 sei ein Pflichtteilsanspruch des Klägers nicht im Sinne von § 208 BGB anerkannt. Der Verjährungseinrede stehe auch nicht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen; vielmehr habe der frühere Anwalt des Klägers die Verjährung irrtümlich falsch, nämlich auf den 19. Dezember 1981 berechnet.

Die angefochtene Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

Keinen Erfolg hat die Revision, soweit sie beanstandet, das Berufungsgericht habe zu Unrecht angenommen, die Verjährung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs, den der Kläger gegen den Beklagten geltend macht, sei nicht unterbrochen worden. Entgegen der Auffassung der Revision brauchte das Berufungsgericht das Schreiben des Rechtsanwalts des Beklagten nicht als Anerkenntnis im Sinne von § 208 BGB anzusehen. Es mag sein, daß dem Beklagten bewußt war, dem Kläger könne ein Pflichtteilsergänzungsanspruch zustehen, und daß dem Verhalten des Beklagten ein derartiges Bewußtsein zu entnehmen war. Wie das Berufungsgericht klar erkannt hat und die Revision nicht in Zweifel zieht, gehört zu einem Anerkenntnis im Sinne von § 208 BGB aber mehr als eine Erklärung, die nur das Bewußtsein erkennen läßt, der Anspruch könne möglicherweise bestehen. Nötig ist vielmehr ein Verhalten des Schuldners, aus dem sich das Bewußtsein vom Bestehen des Anspruchs unzweideutig ergibt. Für ein Anerkenntnis in diesem Sinne boten auch die weiteren Schreiben des Beklagten vom 25. September und vom 4. Dezember 1981 sowie das Verhalten des Beklagten bei der Besprechung am 30. November 1981 keinen Anhalt.

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat BGHZ 33, 373, 379 (für die damalige Entscheidung nicht tragend) ausgeführt, für einen Anspruch gemäß § 2314 BGB gelte die allgemeine Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 195 BGB). Aus seinem Charakter als Hilfsanspruch ergebe sich aber, daß er nicht später verjähre als der Hauptanspruch selbst, nämlich der Pflichtteilsanspruch. Mit dieser Lösung sollte, wie sich auch aus der Anmerkung von Mattern hierzu in LM BGB § 2314 Nr. 4 ergibt, anscheinend vermieden werden, daß einerseits der Auskunftsanspruch vor dem Pflichtteilsanspruch verjährt, wenn nur dieser eingeklagt wird, und daß andererseits der Auskunftsanspruch auch nach der Verjährung des Pflichtteilsanspruchs noch lange offensteht. Sie hat in der Rechtsprechung (OLG Zweibrücken FamRZ 1969, 230) und im Schrifttum (Palandt/Edenhofer, BGB 43. Aufl. § 2314 Anm. 1 b bb; Erman/Schlüter, BGB 7. Aufl. § 2314 Rdn. 1; MK-Frank, BGB § 2314 Rdn. 24 und § 2332 Rdn. 2; Soergel/Dieckmann, BGB 11. Aufl. § 2314 Rdn. 7 und § 2332 Rdn. 2) weithin Zustimmung gefunden. Teilweise wird diese Lösung aber auch nur im Ergebnis gebilligt; dem Auskunftsanspruch könne mit dem Einwand begegnet werden, der Pflichtteilsanspruch sei verjährt (vgl. RGRK-Johannsen, BGB 12. Aufl. § 2314 Rdn. 26; Staudinger/Ferid/Cieslar, BGB 12. Aufl. § 2314 Rdn. 7; Jauernig/Stürner, BGB 3. Aufl. § 2314 Anm. 1 d). In der Tat begegnet es Bedenken, die Ansprüche gemäß § 2314 BGB als verjährt anzusehen, nur weil Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsansprüche verjährt sind, und zwar, obwohl die Verjährung des Auskunftsanspruchs vielleicht sogar rechtzeitig unterbrochen worden ist (vgl. RGZ 115, 27; BGH, Urteil vom 14.5.1975 - IV ZR 19/74 - LM BGB § 2322 Nr. 6). Nur für die Fälle des § 224 BGB ist angeordnet, daß mit dem Hauptanspruch auch der Anspruch auf die von ihm abhängenden Nebenleistungen verjährt. Derartiges kann aber für die Ansprüche des § 2314 BGB nicht angenommen werden. Diese betreffen weder Nebenleistungen zu einem Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsanspruch, noch sind sie von einem solchen abhängig. Sie sind auch nicht nur Ausfluß des Pflichtteilsrechts, sondern gehören zum Inhalt des gesetzlichen Pflichtteilsrechts als solchem (BGHZ 28, 177, 180).

Nicht mehr erhoben werden können die Ansprüche gemäß § 2314 BGB aber dann, wenn für sie kein Bedürfnis mehr besteht. So hat es auch der V. Zivilsenat in seiner grundlegenden Entscheidung BGHZ 28, 177, 180 im Anschluß an RGZ 129, 239, 241, 242 selbst gesehen. Dieser Linie ist nach wie vor zu folgen. Das war anscheinend auch die Auffassung, die der III. Zivilsenat in seiner unveröffentlichten Entscheidung vom 23. Januar 1969 - III ZR 170/66 - vertreten hat (vgl. Kessler, DRiZ 1969, 268, 282 Fn. 61; Johannsen, WM 1970, 116 und RGRK aaO). Demgemäß ist daran festzuhalten, daß die Ansprüche aus § 2314 BGB nicht mehr bestehen, wenn ein entsprechendes Informationsbedürfnis objektiv nicht mehr gegeben ist.

Ist der Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den Erben verjährt und wird die Verjährungseinrede erhoben, dann kann der Pflichtteilsberechtigte mit der Auskunft des Erben gemäß § 2314 BGB im allgemeinen nichts mehr anfangen. Sein gleichwohl gestelltes Auskunftsverlangen kann daher im allgemeinen als unbegründet angesehen werden.

Das kann ausnahmsweise anders sein, etwa wenn der Pflichtteilsberechtigte die Auskunft des Erben benötigt, um gemäß § 2329 BGB gegen den Beschenkten vorgehen zu können. Entsprechendes gilt dann, wenn der Pflichtteilsberechtigte den Beschenkten auf Auskunft in Anspruch nimmt (BGHZ 61, 180, 185; 55, 378; § 2314 BGB analog), weil er auf diese angewiesen ist, um gemäß § 2325 BGB gegen den Erben vorgehen zu können; auch in einer solchen Lage kann dem Auskunftsverlangen die Berechtigung nicht in allen Fällen mit der Begründung abgesprochen werden, daß der Beschenkte Pflichtteilsergänzung nicht oder nicht mehr schulde. Freilich handelt es sich insoweit um besonders gelagerte Ausnahmefälle. Unter diesen Umständen muß von dem Pflichtteilsberechtigten erwartet werden, daß er gegebenenfalls im einzelnen darlegt, inwiefern er die Auskunft gemäß (oder entsprechend) § 2314 BGB gerade von dem Erben (oder dem Beschenkten) benötigt, obwohl er gegen diesen keinen Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsanspruch (mehr) hat.

Im vorliegenden Verfahren geht es allerdings nicht um einen Auskunftsanspruch, sondern darum, ob der Beklagte zur Wertermittlung verpflichtet ist. Wegen der Unterscheidung beider Ansprüche und wegen ihrer Anwendung bei einer gemischten Schenkung wird auf die Senatsentscheidung BGHZ 89, 24 (mit Anmerkungen von Baumgärtel JR 1984, 199 und Dieckmann FamRZ 1984, 880) verwiesen. Die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes entwickelte entsprechende Anwendung des § 2314 BGB betrifft bisher nur Fälle, in denen es um Auskunftsverlangen ging. Die schwierige Frage, ob diese Rechtsprechung auch auf die Wertermittlung gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB zu erstrecken ist, ob also der Beschenkte gegebenenfalls eine Wertermittlung veranlassen muß und auf wessen Kosten das zu geschehen hätte, kann hier noch offen bleiben. Der Klageanspruch muß jedenfalls daran scheitern, daß der Kläger ein entsprechendes Bedürfnis für die von ihm gewünschte Wertermittlung gerade durch den Beklagten nicht dargetan hat. Vielmehr hat der Beklagte ausweislich seines Schriftsatzes vom 6. Dezember 1982 und der Sitzungsniederschrift in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht unbestritten vorgetragen, daß der Kläger das gewünschte Gutachten inzwischen von der Erbin erhalten hatte.

 

Unterschriften

Dr. Hoegen

Richter am BGH Rottmüller kann wegen Erkrankung nicht unterschreiben. Dr. Hoegen

Dr. Lang

Dr. Schmidt-Kessel

Dr. Zopfs

 

Fundstellen

Haufe-Index 1456045

NJW 1985, 384

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