Entscheidungsstichwort (Thema)

Personalakte. Entfernung einer dienstlichen Beurteilung aus der Personalakte. Bindung durch Verwaltungsvorschriften

 

Orientierungssatz

  • Der Arbeitgeber ist berechtigt, die bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer dienstlich zu beurteilen.
  • Dienstliche Beurteilungen sind nur beschränkt dahin nachprüfbar, ob allgemeine Beurteilungsmaßstäbe beachtet, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt und ein fehlerfreies Verfahren eingehalten worden ist.
  • Verwaltungsvorschriften haben regelmäßig nur verwaltungsinterne Bedeutung und sind nicht geeignet, Ansprüche des Arbeitnehmers zu begründen.
  • Die von der Bundesanstalt für Arbeit erlassenen Durchführungshinweise zu den mit der Personalvertretung abgestimmten Beurteilungsrichtlinien sind nur für die interne Abwicklung des Beurteilungswesens von Bedeutung. Die Überschreitung der in den Hinweisen vorgegebenen Bearbeitungsfristen ist kein Verfahrensverstoß, der zu einem Anspruch auf Entfernung der dienstlichen Beurteilung aus der Personalakte führt.
 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 23.09.1999; Aktenzeichen 4 Sa 2374/98)

ArbG Gelsenkirchen (Urteil vom 01.10.1998; Aktenzeichen 5 Ca 3645/97)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 23. September 1999 – 4 Sa 2374/98 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Entfernung einer dienstlichen Beurteilung aus den Personalakten der Klägerin.

Die 1966 geborene Klägerin ist seit September 1986 bei der Beklagten beschäftigt. Die Parteien sind tarifgebunden. Auf das Arbeitsverhältnis sind die für die Bundesanstalt für Arbeit geltenden Tarifverträge anzuwenden. Die Klägerin ist Bürosachbearbeiterin und erhält Vergütung nach der VergGr. Vb MTA; sie wird in einem Arbeitsamt eingesetzt.

Im Geschäftsbereich der Beklagten bestehen “Richtlinien für die Abgabe dienstlicher Beurteilungen”, die im Zusammenwirken mit der Personalvertretung erstellt worden sind. Die Beklagte hat hierzu “Durchführungshinweise” formuliert, die sie unter dieser Überschrift in den Text der von ihr durch Erlaß der veröffentlichten Richtlinien jeweils im Anschluß an die einzelnen Bestimmungen eingefügt hat.

Nach Nr. 4. der Beurteilungsrichtlinien sind dienstliche Beurteilungen in regelmäßigen Abständen (Regelbeurteilung) und aus besonderem Anlaß (Sonderbeurteilung) abzugeben. Die Regelbeurteilung erfolgt in Abständen von fünf Jahren jeweils zum 1. Mai. In den Durchführungshinweisen heißt es hierzu auszugsweise:

“4.4.1

Der Beurteilungsstichtag ist als der letzte Tag des Beurteilungszeitraumes zu verstehen. Die zu diesem Termin fälligen dienstlichen Beurteilungen sind nicht an diesem Tag, sondern innerhalb eines angemessenen Zeitraumes zu erstellen. Dabei bleibt es dem Erstbeurteiler überlassen, wann er mit der Abgabe seines Urteils beginnt. Er hat den Beurteilungsvorgang aber so rechtzeitig abzuschließen, daß er die mit seinem Urteil versehenen Beurteilungsbögen dem Zweitbeurteiler innerhalb eines Monats nach dem Beurteilungsstichtag, spätestens also bis zum 1. Juni des Beurteilungsjahres, vorlegen kann. Der Zweitbeurteiler hat sein Urteil innerhalb eines weiteren Monats abzugeben und die vervollständigten Beurteilungsbögen unverzüglich an den Letztbeurteiler weiterzuleiten. Dieser hat den Beurteilungsvorgang innerhalb eines weiteren Monats, also bis zum 1. August des Beurteilungsjahres, abzuschließen. …”

Am 6. und 9. Juni 1997 prüfte die Beklagte die von der Klägerin geführten Akten. Die daraufhin erstellte dienstliche Beurteilung, die am 16. Juni 1997 von dem Gruppenleiter als Erstbeurteiler und am 26. August 1997 von dem Abschnittsleiter als Zweitbeurteiler unterschrieben worden war, wurde der Klägerin am 30. September 1997 eröffnet. Die in dem Beurteilungsbogen aufgeführten Merkmale “Intellektuelle Fähigkeiten”, “Fachwissen” und “Arbeitsverhalten” “Belastbarkeit” wurden mit der Note 2, das “Sozialverhalten” mit der Note 4 beurteilt. Nach der Notenskala ist die Note 1 die schlechteste Note, die Note 7 die beste Note. Die dienstliche Beurteilung schließt mit dem Gesamturteil: “Die Leistungen entsprechen nicht den Anforderungen”.

Die Klägerin hat im wesentlichen geltend gemacht, sie brauche die Regelbeurteilung nicht hinzunehmen, weil die Beklagte die in der Richtlinie bestimmten Fristen überschritten und damit gegen zwingendes Verfahrensrecht verstoßen habe.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, die dienstliche Beurteilung vom 30. September 1997 aus der Personalakte zu entfernen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Die Beklagte beantragt deren Zurückweisung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

  • Ein Anspruch der Klägerin auf Entfernung der dienstlichen Beurteilung aus den Personalakten ergibt sich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt (zu den Anspruchsgrundlagen vgl. BAG 15. April 1999 – 7 AZR 716/97 – AP BGB § 611 Abmahnung Nr. 22 = EzA BGB § 611 Abmahnung Nr. 41; 19. August 1992 – 7 AZR 262/91 – BAGE 71, 110 zur Erwähnung der Personalratstätigkeit in einer Regelbeurteilung; 13. April 1988 – 5 AZR 537/86 – AP BGB § 611 Fürsorgepflicht Nr. 100 = EzA BGB § 611 Fürsorgepflicht Nr. 47; 27. November 1985 – 5 AZR 101/84 – BAGE 50, 202 = AP BGB § 611 Fürsorgepflicht Nr. 93 mit Anm. Echterhölter zur Anspruchskonkurrenz = EzA BGB § 611 Fürsorgepflicht Nr. 38).

    • Dienstliche Beurteilungen sind grundsätzlich zulässig. Der Arbeitgeber darf Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer beurteilen und die Beurteilung in der Personalakte festhalten (BAG 28. März 1979 – 5 AZR 80/77 – AP BPersVG § 75 Nr. 3 = EzA BGB § 611 Fürsorgepflicht Nr. 24; 19. August 1992 – 7 AZR 262/91 – aaO). Auch formalisierte Regelbeurteilungen können erstellt werden (BAG 10. März 1982 – 5 AZR 927/79 – BAGE 38, 141). Beurteilungen sollen ein möglichst objektives und vollständiges Bild der Person, der Tätigkeit und der Leistung des Beurteilten geben (BAG 19. August 1992 – 7 AZR 262/91 – aaO, mwN). Bei der Beurteilung steht dem Arbeitgeber ein Beurteilungsspielraum zu (BAG 25. Februar 1959 – 4 AZR 549/57 – BAGE 7, 267, dort als pflichtgemäßes Ermessen bezeichnet; 28. März 1979 – 5 AZR 80/77 – aaO). Dienstliche Beurteilungen sind deshalb nur beschränkt nachprüfbar. Sie können nur daraufhin kontrolliert werden, ob der Beurteiler allgemeine Beurteilungsmaßstäbe beachtet, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt und ein fehlerfreies Verfahren eingehalten hat (BAG 29. Oktober 1998 – 7 AZR 676/96 – BAGE 90, 106 zur Befähigungsbeurteilung; 28. März 1979 – 5 AZR 80/77 – aaO; BVerwG 30. April 1981 – 2 C 8/79 – DVBI 1981, 1062). Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt. Hiergegen wendet sich die Klägerin nicht.
    • Die dienstliche Beurteilung der Klägerin ist danach nicht zu beanstanden. Sie ist nicht das Ergebnis eines fehlerhaften Verfahrens.

      • Ein beachtlicher Verfahrensverstoß ergibt sich entgegen der Revision nicht aus dem zeitlichen Abstand zwischen dem Beurteilungsstichtag 1. Mai und der Erstellung der dienstlichen Beurteilung im Juni/August und ihrer Eröffnung am 30. September 1997. Die Beklagte hat damit zwar 4.4.1 der Durchführungshinweise nicht beachtet. Das macht die dienstliche Beurteilung aber nicht unzulässig.

        • Erlasse und Verwaltungsvorschriften haben regelmäßig nur verwaltungsinterne Bedeutung. Mit ihnen richtet sich der Dienstherr an nachgeordnete weisungsabhängige Organe, Ämter oder Dienststellen. Ihnen fehlt daher der normative Charakter. Sie sind daher grundsätzlich nicht geeignet, Ansprüche Dritter zu begründen (BAG 11. Oktober 1995 – 5 AZR 1009/94 – AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 45 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 16; 18. Mai 1988 – 4 AZR 765/87 – BAGE 58, 283).

          Das schließt eine Bindung der Verwaltung an die von ihr erlassenen Vorschriften im Verhältnis zu Dritten nicht aus. Eine solche Bindung kommt ua. in Betracht, wenn sich die Vorschriften ihrem Inhalt nach nicht ausschließlich an nachgeordnete Dienststellen richtet, sondern auch an die Arbeitnehmer (BAG 11. Oktober 1995 – 5 AZR 1009/94 – aaO). Das gilt hier für die im Zusammenwirken mit der Personalvertretung (§ 75 Abs. 3 Nr. 9 BPersVG) erlassenen Beurteilungsrichtlinien. Dabei ist unerheblich, daß das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt hat, ob hierüber eine Dienstvereinbarung geschlossen worden ist. Die Beurteilungsrichtlinien richten sich erkennbar nicht nur an nachgeordnete Dienststellen. Das ergibt ihr Inhalt, der ua. einen Anspruch der Arbeitnehmer auf Eröffnung, Besprechung und Gegenvorstellung begründet und sie zur Mitwirkung verpflichtet, indem sie Eröffnung und Besprechung der dienstlichen Beurteilung unterschriftlich zu bestätigen haben. Der verbindliche Charakter wird bestätigt durch die Beteiligung der Personalvertretung.

        • Eine solche bindende Wirkung haben die Durchführungshinweise nicht.

          • Adressat sind nicht die zu beurteilenden Bediensteten. Das macht bereits die Bezeichnung deutlich. “Durchgeführt” wird die Beurteilungsrichtlinien von den Bediensteten, denen das Beurteilungswesen als dienstliche Aufgabe übertragen ist.

            Bestätigt wird der verwaltungsinterne Charakter der Durchführungshinweise durch ihren Inhalt. Die einzelnen Bestimmungen der Richtlinie werden erläutert und Vorgaben für die Art und Weise gemacht, wie sie in die Praxis umzusetzen sind. Auch die von der Klägerin genannten Fristenregelungen der Ziffer 4.4.1 sind nicht Bestandteil der Beurteilungsrichtlinien sondern sie gehören zu den Durchführungshinweisen. Sie enthalten neben der Erklärung des Begriffs Beurteilungsstichtags nichts anderes als Handlungsanweisungen an die beurteilenden Vorgesetzten. Die Beurteilungen sind innerhalb eines “angemessenen Zeitraumes” zu erstellen. Welchen Zeitraum die Beklagte für angemessen hält, wird durch die anschließend aufgeführten Termine konkretisiert und in diesem Zusammenhang ausschließlich Erstbeurteiler, Zweitbeurteiler und Letztbeurteiler angesprochen.

          • Die hiergegen erhobenen Bedenken der Revision greifen nicht durch

            Daß die Beklagte diese Hinweise als “Mußvorschriften” und nicht als “Sollvorschriften” formuliert hat, ist für ihre Zuordnung als verwaltungsinterne Regelung ohne Bedeutung. Daraus wird allein das Interesse der Beklagten an einem zügigen Abschluß der Arbeiten deutlich. Den Beurteilern wird nicht die Entscheidung überlassen, wann sie die Beurteilungen vorzunehmen und abzuschließen haben.

            Die Klägerin macht zu Recht geltend, mit den Fristvorgaben solle für alle Arbeitnehmer, die zum Stichtag 1. Mai zu beurteilen sind, ein einheitliches und rasches Verfahren gewährleistet werden. Zwischen dem verbindlichen Beurteilungsstichtag 1. Mai, der Feststellung der für die Beurteilung maßgeblichen Tatsachen, ihrer schriftlichen Niederlegung und Auswertung für den Beurteilungsbogen bis hin zur Eröffnung des Ergebnisses der Beurteilung soll möglichst wenig Zeit verstreichen. Die abschließende Bearbeitung der Beurteilung bis spätestens 1. August liegt sicherlich auch im Interesse der zu Beurteilenden. Ein berechtigtes Interesse der Arbeitnehmer allein rechtfertigt aber nicht die Annahme, die Beklagte habe sich den Bediensteten gegenüber rechtsgeschäftlich zur Fristeinhaltung gebunden. Sonstige Anhalte, die für die Auffassung der Klägerin streiten, enthalten die Durchführungshinweise nicht.

            Die von der Klägerin angenommene Außenwirkung widerspricht zudem auch den praktischen Bedürfnissen der Beklagten, wie das Landesarbeitsgericht insoweit zutreffend ausgeführt hat. So können zB die Beurteiler durch unvorhergesehene andere Arbeiten oder durch krankheitsbedingte Ausfallzeiten an einer fristgerechten Bearbeitung gehindert sein. Solche Schwierigkeiten können insbesondere wegen der Einbindung mehrerer Beurteiler in das Verfahren auftreten. Zeitliche Verzögerungen können sich auch aus in der Person des Beurteilten liegenden Gründen ergeben, wie etwa Krankheit, Urlaub oder sonstige Freistellungen.

            Folgt man der Auffassung der Klägerin, wäre die Beklagte überdies bei jeder Fristüberschreitung gehindert, das mit der Personalvertretung eingeführte Beurteilungswesen entsprechend den Richtlinien umzusetzen: Nach Entfernung der wegen Verstoßes gegen die Fristvorschriften “unzulässigen” Regelbeurteilung aus der Personalakte wäre die Klägerin entweder erst wieder zum Stichtag 1. Mai 2002 zu beurteilen. Ihre Personalakte wäre dann aber unvollständig, weil sie entgegen Nr. 4 der Beurteilungsrichtlinien für die Jahre 1992/1997 keine Regelbeurteilung enthält. Oder die Beklagte müßte die Klägerin nunmehr erneut zum Stichtag 1. Mai 1997 für den Zeitraum 2. Mai 1992/1. Mai 1997 beurteilen, wie die Klägerin meint. Aus der Fristüberschreitung von wenigen Wochen würde dann eine Fristüberschreitung von Jahren. Das macht keinen Sinn.

      • Eine “offensichtliche Fehlbeurteilung” ergibt sich entgegen der Revision nicht aus der Tatsache, daß die Beklagte zur Begründung ihrer Leistungsbeurteilung Bearbeitungsfehler der Klägerin angeführt hat, die sie anläßlich der Aktenüberprüfung im Juni 1997 festgestellt hat. Die Klägerin verkennt die Bedeutung des Stichtags 1. Mai. Er besagt nicht, der Beurteiler müsse die Tatsachen, die er seiner Beurteilung zugrunde legt, bis zu diesem Tag abschließend festgestellt haben. Vielmehr endet der Beurteilungszeitraum mit dem Stichtag. Beurteilungszeitraum sind die zurückliegenden fünf Jahre. Grundlage der Beurteilung sind daher alle in diesem Zeitraum erbrachten oder nicht erbrachten Leistungen. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 561 Abs. 1 ZPO) fallen die erkannten Bearbeitungsfehler in den Beurteilungszeitraum. Die Klägerin wird daher auch nicht schlechter behandelt als die Angestellten, deren “Beobachtung mit dem 1. Mai 1997” eingestellt worden sein soll, wie sie meint.
    • Andere Gründe, die zu einem Anspruch der Klägerin auf Entfernung der Regelbeurteilung aus der Personalakte führen, sind nicht ersichtlich. Gegen die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zum Inhalt der dienstlichen Beurteilung wendet sich die Klägerin nicht.
  • Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
 

Unterschriften

Leinemann, Düwell, Reinecke, Fr. Holze, Klosterkemper

 

Fundstellen

Haufe-Index 901926

FA 2001, 273

FA 2001, 345

EzA

PersV 2002, 559

ZfPR 2003, 113

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