Entscheidungsstichwort (Thema)

Zusatzurlaub für kriegs- und unfallbeschädigte Arbeitnehmer

 

Leitsatz (amtlich)

Der Anspruch auf Zusatzurlaub nach dem Saarländischen Gesetz Nr. 186 bedarf des Vorbringens, daß die Behinderung des Arbeitnehmers auf einer Kriegs- oder Unfallbeschädigung beruht.

 

Normenkette

Saarländisches Gesetz Nr. 186 betreffend Regelung des Zusatzurlaubes für kriegs- und unfallbeschädigte Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft vom 22. Juni 1950 i. d. Fassung des Gesetzes vom 30. Juni 1951 § 1 Abs. 1-2; ZPO § 139

 

Verfahrensgang

LAG Saarland (Urteil vom 14.10.1992; Aktenzeichen 2 Sa 30/92)

ArbG Neunkirchen (Urteil vom 17.01.1992; Aktenzeichen 1 Ca 1093/91)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Saarland vom 14. Oktober 1992 – 2 Sa 30/92 – aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Neunkirchen vom 17. Januar 1992 – 1 Ca 1093/91 – abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen !

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über drei Tage Zusatzurlaub.

Der Kläger ist bei der Beklagten in deren Werk Homburg/Saar als Fachangestellter beschäftigt. Er ist freigestelltes Betriebsratsmitglied. Mit Wirkung vom 13. Juni 1979 ist für den Kläger eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 40 v. H. festgestellt worden. Die Beklagte gewährte dem Kläger seither drei Tage Zusatzurlaub nach dem Landesgesetz für kriegs- und unfallbeschädigte Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft vom 22. Juni 1950 in der Fassung vom 30. Juni 1951. Seit 1991 weigert sich die Beklagte, Zusatzurlaub zu geben. Diesen macht der Kläger mit der vorliegenden Klage geltend.

Er hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger auf der Grundlage des Saarländischen Gesetzes Nr. 186 betreffend Regelung des Zusatzurlaubes für kriegs- und unfallbeschädigte Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft vom 22. Juni 1950 in der Fassung vom 30. Juni 1951 drei Tage Zusatzurlaub für das Jahr 1991 zu gewähren.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, das Saarländische Gesetz sei aus verfassungsrechtlichen Gründen unwirksam.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Revision der Beklagten, die weiterhin Klageabweisung beantragt. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Klageabweisung. Der Kläger hat nach seinem Vorbringen keinen Anspruch auf drei Tage Zusatzurlaub nach dem Saarländischen Gesetz betreffend Regelung des Zusatzurlaubes für kriegs- und unfallbeschädigte Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft vom 22. Juni 1950. Der Kläger hat zu keiner Zeit die anspruchsbegründenden Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 oder Abs. 2 des Gesetzes vorgetragen. Die Klage ist unschlüssig.

I. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Saarländischen Gesetzes betreffend Regelung des Zusatzurlaubes für kriegs- und unfallbeschädigte Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft haben Beschädigte mit einer MdE von 25 bis ausschließlich 50 v. H. zu dem nach den Vorschriften des Gesetzes oder Tarifvertrages zustehenden Urlaub einen Anspruch auf drei Arbeitstage Zusatzurlaub.

1. Das Gesetz definiert den Begriff des Beschädigten im Gesetzestext nicht. Die Überschrift und die Gleichstellungsregelung des § 1 Abs. 2 Satz 1 verdeutlichen aber, daß das Gesetz nicht für jeden in seiner Gesundheit Beschädigten oder für jeden Behinderten gilt, sondern (von den Opfern des Nationalsozialismus nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 abgesehen) nur für kriegs- und unfallbeschädigte Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft.

Der Kläger hat nicht vorgetragen, daß er Kriegs- oder Unfallbeschädigter i.  S. des Gesetzes ist. Er hat lediglich vorgebracht, bei ihm liege eine Behinderung i. S. des § 3 SchwbG vor. Das ist für einen schlüssigen Vortrag nicht ausreichend. Die Behinderung nach § 3 SchwbG ist nicht gleichzusetzen mit der Beschädigung i. S. des Saarländischen Gesetzes. Dieses verwendet wie das frühere Schwerbeschädigtengesetz eine kausale Beschreibung des begünstigten Personenkreises, indem es die Kriegs- und Unfallbeschädigten nennt. Demgegenüber kommt es für die Feststellungen nach dem Schwerbehindertengesetz auf die Ursache der Behinderung nicht an. Behinderter i. S. des Schwerbehindertengesetzes kann jede Person mit einer nicht nur vorübergehenden Funktionsbeeinträchtigung sein, die auf einem regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand beruht.

Zu Unrecht wendet der Kläger gegenüber der entsprechenden Rüge der Beklagten ein, die Beklagte trage in der Revisionsinstanz neue Tatsachen vor. Der Hinweis, daß die darlegungspflichtige Partei bisher eine anspruchsbegründende Tatsache nicht vorgetragen hat, ist selbst kein neuer Tatsachenvortrag, sondern nur ein Hinweis auf die Unschlüssigkeit der Klage.

2. Der Kläger hat auch nicht dargetan, daß er gleichgestellt i. S. des § 1 Abs. 2 des Gesetzes i. V. mit den Durchführungsbestimmungen vom 1. April 1952 und vom 6. Juli 1953 ist.

II. Der Rechtsstreit muß nicht zur weiteren Sachaufklärung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden, nachdem der Kläger die Verletzung der Aufklärungspflicht gem. § 139 ZPO durch das Landesarbeitsgericht gerügt hat. Die Rüge ist zwar zulässig, weil der Kläger als Revisionsbeklagter die Verletzung des § 139 ZPO noch bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung vor dem Senat rügen konnte. Der Kläger hat auch zu Recht die Verletzung der Aufklärungspflicht des Landesarbeitsgerichts gem. § 139 ZPO gerügt. Das Landesarbeitsgericht war verpflichtet, den Kläger auf die Unschlüssigkeit seines Vorbringens hinzuweisen.

Die Aufklärungsrüge ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat vor dem Senat erklärt, er hätte vor dem Landesarbeitsgericht dann vorgetragen, daß mit Bescheid vom 22. April 1980 durch das Staatliche Gesundheitsamt Homburg eine körperliche Behinderung mit 40 v. H. Erwerbsminderung festgestellt worden ist. Außerdem hat er eine Kopie des Bescheides vorgelegt. Mit der Vorlage der Bescheinigung des saarländischen Ministers für Arbeit, Gesundheit und Sozialordnung vom 22. April 1980 und seinem darauf bezogenen Vortrag behauptet der Kläger nach wie vor nicht, kriegs- oder unfallbeschädigt gem. § 1 Abs. 1 des Gesetzes zu sein. Darüber verhält sich die Bescheinigung nicht, in der lediglich beschrieben ist, daß der Kläger wegen der festgestellten körperlichen Behinderung in Ausübung seines Berufes um 40 v. H. erwerbsgemindert ist. Die Bescheinigung besagt auch nichts darüber, ob der Kläger aufgrund eines ärztlichen Gutachtens des Staatlichen Gesundheitsamtes den Kriegs- oder Unfallbeschädigten gleichgestellt i. S. des § 1 Abs. 2 des Gesetzes ist. Dem Hinweis des Ministers, daß der Kläger in der beim Ministerium vorliegenden Liste geführt wird, kann eine solche Bedeutung nicht entnommen werden.

III. Auf die von den Parteien erörterten Rechtsfragen zur Weitergeltung oder Verdrängung des Landesgesetzes gem. Art. 31 GG sowie zur Vereinbarkeit des vor dem Beitritt des Saarlandes zur Bundesrepublik Deutschland verabschiedeten Gesetzes Nr. 186 und seiner Verordnungen und Durchführungsbestimmungen mit Art. 80 GG kommt es daher in diesem Rechtsstreit nicht an.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Leinemann, Düwell, Dörner, Dr. Gaber, Oberhofer

 

Fundstellen

Haufe-Index 856694

BB 1994, 1224

NZA 1995, 530

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