Entscheidungsstichwort (Thema)

Mehrwertsteuer auf Honorar eines Einigungsstellenmitglieds

 

Leitsatz (redaktionell)

Auch ein mehrwertsteuerpflichtiger Rechtsanwalt, der zum Mitglied einer Einigungsstelle bestellt worden ist, kann die Erstattung der auf das Honorar anfallenden Mehrwertsteuer nur verlangen, wenn dies - in der Regel vorher - vereinbart worden ist.

 

Normenkette

BGB §§ 315-316, 612; BetrVG § 76; UStG § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1; BRAGO § 1 Abs. 2, § 25 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LAG Schleswig-Holstein (Entscheidung vom 20.10.1983; Aktenzeichen 2 TaBV 18/83)

ArbG Lübeck (Entscheidung vom 10.03.1983; Aktenzeichen 2 BV 1/83)

 

Gründe

I. Der Antragsteller ist Rechtsanwalt. Er war im Dezember 1982 an zwei Tagen als Arbeitnehmer-Beisitzer der Einigungsstelle bezüglich eines Interessenausgleichs und Sozialplans bei der Antragsgegnerin tätig.

Mit Schreiben vom 14. Dezember 1982 machte er einen Honoraranspruch in Höhe von 7/10 des dem Vorsitzenden gezahlten Honorars von 4.095,-- DM zuzüglich der hierauf entfallenden Mehrwertsteuer von 532,35 DM, mithin insgesamt 4.627,35 DM, gegenüber der Antragsgegnerin geltend und forderte sie auf, diesen Betrag bis spätestens Ende des Jahres zu zahlen. Die Antragsgegnerin zahlte - nach Rückfrage bei dem Vorsitzenden der Einigungsstelle - am 12. Januar 1983 lediglich das Honorar in Höhe von 4.095,-- DM, weigerte sich aber, die darauf entfallende Mehrwertsteuer zu zahlen.

Der Antragsteller hat die Auffassung vertreten, die Antragsgegnerin sei verpflichtet, ihm die auf das Honorar entfallende und von ihm abzuführende Mehrwertsteuer zu zahlen. Er sei von dem Betriebsrat als Beisitzer benannt worden, weil er als Rechtsanwalt eine gewisse Erfahrung auf dem Gebiet des Betriebsverfassungsgesetzes habe. Er sei deshalb im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit tätig geworden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei er berechtigt, nach der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) abzurechnen. Auf den jeweiligen Anspruch sei daher auch Mehrwertsteuer zu zahlen.

Der Antragsteller hat beantragt,

der Antragsgegnerin aufzugeben,

4.627,35 DM abzüglich am 12. Januar

1983 gezahlter 4.095,-- DM nebst

4 % Zinsen seit dem 1. Januar 1983

an ihn zu zahlen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, sie sei rechtlich nicht verpflichtet, auf das Honorar des Antragstellers Mehrwertsteuer zu zahlen. Im übrigen werde das Honorar zwar der Höhe nach in Anlehnung an die BRAGO berechnet, stelle jedoch eine Pauschalvergütung dar.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller seinen Antrag weiter. Der Antragsgegner beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

II. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren entschieden und die Antragsbefugnis des Antragstellers bejaht.

1. Bei der zu entscheidenden Frage, ob ein betriebsfremder Beisitzer einer Einigungsstelle neben seinem Honoraranspruch für seine Tätigkeit auch einen Anspruch auf Zahlung der hierauf entfallenden Mehrwertsteuer hat, handelt es sich um eine "Angelegenheit aus dem BetrVG" im Sinne von § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG. Die Einigungsstelle ist eine betriebsverfassungsrechtliche Einrichtung. Die Vergütung der Beisitzer der Einigungsstelle, und zwar gleichgültig, ob es sich um das Honorar als solches oder (nur) um die Mehrwertsteuer hierfür handelt, betrifft daher deren organschaftliche Stellung. Das Beschlußverfahren ist daher die zutreffende Verfahrensart (BAG 25, 174 = AP Nr. 1 zu § 76 BetrVG 1972; BAG 28, 103 = AP Nr. 2 zu § 76 BetrVG 1972; BAG Beschlüsse vom 11. Mai 1976 - 1 ABR 37/75 -; 15. Dezember 1978 - 6 ABR 64/77 und 93/77 - und vom 13. Januar 1981 - 6 ABR 106/78 - AP Nr. 3, 5, 6 und 8, jeweils zu § 76 BetrVG 1972).

2. Die Antragsbefugnis des Antragstellers ergibt sich daraus, daß er durch seine Bestellung zum Beisitzer der Einigungsstelle im Betrieb der Antragsgegnerin zu dieser in eine betriebsverfassungsrechtliche Rechtsbeziehung getreten ist (BAG Beschluß vom 13. Januar 1981 - 6 ABR 106/78 - aaO, m. w. N.).

III. Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers ist jedoch nicht begründet. Der Antragsteller hat gegen die Antragsgegnerin keinen Anspruch auf Zahlung der Mehrwertsteuer zusätzlich zu dem Honorar.

1. Die Befugnis zur Bestellung von Beisitzern einer Einigungsstelle ist nach § 76 Abs. 2 Satz 1 BetrVG nicht auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt. Sowohl der Arbeitgeber als auch der Betriebsrat können auch solche Mitglieder in die Einigungsstelle berufen, die nicht dem Betrieb angehören. Sofern sie andere Personen ihres Vertrauens nicht finden, gilt dies selbst dann, wenn diese nur bereit sind, gegen ein Honorar tätig zu werden (vgl. BAG Beschlüsse vom 14. Januar 1983 - 6 ABR 67/79 - und vom 3. Mai 1984 - 6 ABR 60/80 -, AP Nr. 12 und 15 zu § 76 BetrVG 1972). Gegen die Bestellung des Antragstellers zum Beisitzer der Einigungsstelle durch den Betriebsrat bestehen daher keine rechtlichen Bedenken und sind seitens der Antragsgegnerin auch nicht geltend gemacht worden.

2. Grundsätzlich kann daher der Antragsteller, der als Beisitzer der Einigungsstelle nicht in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt, sondern als ein mit den betrieblichen Verhältnissen offenbar gut vertrauter Sachkundiger tätig geworden ist, als Betriebsfremder trotz Fehlens einer ausdrücklichen Honorarvereinbarung für seine Tätigkeit ein Honorar beanspruchen. Denn im Gesetz ist - im Gegensatz etwa zur Regelung nach § 37 Abs. 1 BetrVG - nämlich nicht vorgesehen, daß die Einigungsstellentätigkeit unentgeltlich als Ehrenamt ausgeübt wird. Daraus folgt, daß jedenfalls die Tätigkeit des betriebsfremden Beisitzers der Einigungsstelle nicht unentgeltlich zu erbringen ist. Anders als die betriebsangehörigen Beisitzer werden sie nicht in Angelegenheiten tätig, die "unmittelbar ihre eigene Arbeitswelt angehen"; sie erbringen vielmehr eine Tätigkeit, die regelmäßig besondere Fähigkeiten und Kenntnisse erfordert und für die sie deshalb auch eine angemessene Vergütung verlangen können (BAG 28, 103 = AP Nr. 2 zu § 76 BetrVG 1972; BAG 25, 174 = AP Nr. 1 zu § 76 BetrVG 1972; BAG Beschluß vom 15. Dezember 1978 - 6 ABR 64/77 - AP Nr. 5 zu § 76 BetrVG 1972; Sbresny-Übach, Die Einigungsstelle, AR-Blattei, "Einigungsstelle I" unter G II 2 b bb; Bischoff, Die Einigungsstelle im Betriebsverfassungsrecht, S. 135/136 m. w. N.). Die Honorare sind Kosten der Einigungsstelle und vom Arbeitgeber - unabhängig von § 40 BetrVG - zu tragen (BAG Beschluß vom 13. Januar 1981 - 6 ABR 106/78 - AP Nr. 8 zu § 76 BetrVG 1972).

3. Soweit eine besondere Vergütungsvereinbarung nicht besteht oder nicht getroffen worden ist, bestimmt sich die Höhe der Vergütung eines (betriebsfremden) Vorsitzenden oder Beisitzers einer Einigungsstelle in entsprechender Anwendung nach den Bestimmungen der §§ 612, 315, 316 BGB (BAG Beschlüsse vom 15. Dezember 1978 - 6 ABR 64/77 - und vom 13. Januar 1981 - 6 ABR 106/78 - aaO, zu III 3 b bzw. zu III 2 b cc der Gründe).

a) In der Praxis haben sich für die Berechnung der Vergütung verschiedene Verfahren herausgebildet. So wird die Vergütung häufig nach Festsetzung eines Streitwertes in Anlehnung an die Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung berechnet, und zwar in der Regel für den unparteiischen Vorsitzenden der Einigungsstelle zwei 13/10 Gebühren und für die Beisitzer 7/10 der Vergütung für den Vorsitzenden. Teilweise wird ein Pauschalhonorar nach Sitzungstagen oder eine einmalige Pauschalvergütung vereinbart. Üblich ist aber auch eine Berechnung der Vergütung nach Stundensätzen entsprechend dem Zeitaufwand (vgl. zu den verschiedenen Berechnungsarten: Pünnel, Die Einigungsstelle des BetrVG 1972, 2. Aufl. Rz 168 ff.). Im übrigen soll - unabhängig von der gewählten Berechnungsart - bezüglich der Vergütungshöhe die Vergütung des Beisitzers in einer vernünftigen, annehmbaren Relation zum Honorar des Vorsitzenden der Einigungsstelle stehen (vgl. dazu BAG Beschluß vom 13. Januar 1981 - 6 ABR 106/78 - aaO).

b) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist im Streitfall weder zwischen den Beteiligten noch zwischen Betriebsrat und Antragsteller eine ausdrückliche Honorarvereinbarung geschlossen worden. Gleichwohl hat der Antragsteller, wie sich aus den bisherigen Ausführungen ergibt, einen Anspruch auf eine angemessene Vergütung für seine Tätigkeit als Beisitzer der Einigungsstelle. Davon gehen die Beteiligten auch übereinstimmend aus. Den vom Antragsteller auf der Grundlage des festgelegten Streitwerts von 210.000,-- DM in Anlehnung an die Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) errechneten Honoraranspruch von 7/10 des Honorars des Einigungsstellen-Vorsitzenden in Höhe von 4.095,-- DM hat die Antragsgegnerin als angemessen und billigem Ermessen nicht widersprechend (vgl. BAG Beschluß vom 13. Januar 1981 - 6 ABR 106/78 - aaO) jedenfalls akzeptiert und dem Antragsteller ausbezahlt. Die Antragsgegnerin hat es lediglich abgelehnt, auch die hierauf entfallende und vom Antragsteller mit 532,35 DM errechnete Mehrwertsteuer zu zahlen.

4. Der Antragsteller hat mangels Vorliegens einer entsprechenden Vereinbarung oder einer anderen Rechtsgrundlage auch keinen Anspruch auf Zahlung der von ihm geltend gemachten Mehrwertsteuer. Aus dem Anspruch auf angemessene Honorierung seiner Tätigkeit als Beisitzer der Einigungsstelle folgt nicht ohne weiteres ein solcher auf Auszahlung der hierauf entfallenden Mehrwertsteuer, selbst wenn im übrigen die Voraussetzungen als solche gegeben sind.

a) Dem Antragsteller ist allerdings darin beizupflichten, daß er für die Vergütung aus seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt, aber auch als Beisitzer der Einigungsstelle grundsätzlich mehrwertsteuerpflichtig ist (§ 1 Abs. 1 Ziff. 1, § 2 Abs. 1 UStG). Denn jede selbständige Tätigkeit (körperliches Tun oder geistiges Schaffen) gegenüber Dritten zur Erzielung von Einnahmen ist - auch wenn eine Gewinnabsicht fehlt - eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit im Sinne von § 2 UStG, jedenfalls soweit es sich um eine Beteiligung am Wirtschaftsleben handelt (Knauerhase/Schäfer/Gabriel, Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer), Kommentar, Stand Mai 1986, § 2 Anm. I 2 Abs. 2). Dafür, daß einer der Ausnahmetatbestände der §§ 4 ff. UStG vorliegt oder § 19 Abs. 1 UStG eingreift, sind Anhaltspunkte nicht ersichtlich.

b) Nach § 25 Abs. 2 BRAGO hat ein Rechtsanwalt Anspruch auf Ersatz der auf seine Vergütung entfallenden Umsatzsteuer, sofern diese nicht nach § 19 Abs. 1 UStG unerhoben bleibt. Gleichwohl kann der Antragsteller seinen hier geltend gemachten Anspruch nicht auf diese Vorschrift stützen. Der Senat hat zwar in der Entscheidung vom 15. Dezember 1978 - 6 ABR 64/77 - (aaO) ausgeführt, es bestünden keine Bedenken, bei der Bestimmung des Honorars mangels entsprechender Vereinbarungen nach §§ 612, 315, 316 BGB analog von den Gebührensätzen der BRAGO auszugehen, diese gewissermaßen als Maßstab zu benutzen. Das bedeutet jedoch nicht, daß die Vorschriften der BRAGO in gleicher Weise anzuwenden sind, wie wenn eine unmittelbare Anwendung der BRAGO in Betracht käme, also der Antragsteller z. B. als bevollmächtigter Rechtsanwalt für eine der beiden Betriebspartner tätig geworden wäre. Das Landesarbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, daß die BRAGO auch wegen der Vorschrift des § 1 Abs. 2 BRAGO auf die vorliegende Fallgestaltung nicht anwendbar ist, weil der Antragsteller hier in ähnlicher Stellung wie der dort u. a. genannte Schiedsrichter tätig war (vgl. Leipold, Die Einigungsstellen nach dem neuen Betriebsverfassungsgesetz, in Festschrift für Schnorr von Carolsfeld, 1972, S. 273 ff., 283; Schumann/Geißinger, BRAGO, 2. Aufl., Anh. 1 Rz 222 f.; auch Schwab, Schiedsgerichtsbarkeit, 3. Aufl., S. 80). Der in § 1 Abs. 2 BRAGO aufgeführte Personenkreis, für dessen Vergütung die BRAGO nicht gilt, kann daher die Umsatzsteuer für seine Vergütung nicht über § 25 Abs. 2 BRAGO geltend machen, da diese Vorschrift nur für die Gebühren der Rechtsanwälte gilt (Schumann/Geißinger, aaO, § 25 Rz 8).

c) Abgesehen davon, daß sich der geltend gemachte Anspruch nicht aus § 25 Abs. 2 BRAGO ableiten läßt und auch eine anderweitige gesetzliche Anspruchsgrundlage ersichtlich fehlt, ist es auch keineswegs üblich, die auf die Vergütung entfallende Mehrwertsteuer ohne besondere Vereinbarung zu zahlen (§ 612 Abs. 2 BGB). Es entspricht im Gegenteil der Praxis und ist bei der Bil

dung von Einigungsstellen üblich, vorher zu vereinbaren, ob auf die zu zahlende Vergütung auch die hierauf entfallende Mehrwertsteuer zu erstatten ist. Dies ist, und zwar nicht nur aus der Sicht des Arbeitgebers, der die Kosten der Einigungsstelle zu tragen hat, auch sachgerecht, weil die Mitglieder einer Einigungsstelle, zumal wenn es sich um Betriebsangehörige, Gewerkschafts- oder Verbandsvertreter handelt, in der Regel nicht mehrwertsteuerpflichtig sind. Die Erstattung der auf die Vergütung entfallenden Mehrwertsteuer kann auch ein mehrwertsteuerpflichtiges Mitglied der Einigungsstelle demnach nur dann verlangen, wenn dies - in der Regel vorher - vereinbart worden ist. Das ist vorliegend aber nicht der Fall.

Dr. Röhsler Dr. Jobs Schneider

Möller-Lücking Dr. Steinhäuser

 

Fundstellen

Haufe-Index 440589

BB 1987, 550

DB 1987, 441-442 (LT1)

DB 1989, 232 (T)

JR 1987, 176

RdA 1987, 61

SAE 1987, 155-157 (LT)

AP § 76 BetrVG 1972 (LT1), Nr 19

AR-Blattei, ES 630 Nr 32 (LT)

AR-Blattei, Einigungsstelle Entsch 32 (LT)

EzA § 76 BetrVG 1972, Nr 36 (LT)

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