Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Rechtsschutzinteresse für die Feststellung eines betriebsverfassungsrechtlichen Mandats nach Ablauf der Amtszeit

 

Normenkette

ArbGG § 81 Abs. 3, § 92 Abs. 2; BetrVG § 13 Abs. 1, § 21 S. 1, § 40 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Beschluss vom 02.12.1993; Aktenzeichen 1 TaBV 4/93)

ArbG Hamburg (Beschluss vom 21.04.1993; Aktenzeichen 12 BV 8/92)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 2. Dezember 1993 – 1 TaBV 4/93 – wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

A. Die Beteiligten streiten um den Fortbestand eines betriebsverfassungsrechtlichen Mandats.

Der beteiligte – ehemals fünfköpfige – Betriebsrat war seit 1990 bei der „H. GmbH” im Amt. Diese Gesellschaft betrieb ein aus einer angemieteten Spielstätte, einer Probebühne und Werkstätten bestehendes Theater. Außer den Schauspielern beschäftigte sie 56 Arbeitnehmer.

Im Juli 1991 beantragte deren Geschäftsführer die Eröffnung des Konkursverfahrens, nachdem die Hamburger Kulturbehörde die Gewährung einer Subvention von ca. 3,2 Mio DM zur Deckung des für die Spielzeit 1991/92 zu erwartenden Defizits abgelehnt hatte. Zugleich wurde der Spielbetrieb eingestellt. Der vom Gericht eingesetzte Sequester kündigte sämtliche bei einer städtischen AG angemieteten Räumlichkeiten. Er löste die Werkstätten auf und veräußerte die darin befindlichen Werkzeuge, den Kassencomputer und den gesamten Theaterfundus. Kündigungen gegenüber den Beschäftigten wurden nicht ausgesprochen. Versuche zu einer einvernehmlichen Auflösung der Arbeitsverhältnisse wurden von den Arbeitnehmern mit dem Hinweis auf Wahrung ihrer Ansprüche nach § 613 a BGB abgelehnt. Ein Sozialplan kam wegen der fehlenden Geldmittel nicht zustande. Die GmbH wurde aus dem Handelsregister gelöscht, nachdem das Konkursverfahren mangels Masse eingestellt worden war.

Im April 1992 mietete die Beteiligte zu 2) die Räumlichkeiten, in der die frühere Spielstätte der H. GmbH untergebracht waren. Die wenigen dort noch untergebrachten beweglichen und unbeweglichen Sachen erwarb sie mit Ausnahme der Abonnentenkartei von der in Liquidation befindlichen GmbH gegen einen Betrag von 4.000,– DM. In dem Vertrag wurde der Beteiligten zu 2) auch das Recht auf Verwendung des Namens „H.” zugestanden.

Der beteiligte Betriebsrat hat vorgetragen, die Beteiligte zu 2) habe den Theaterbetrieb der Hamburger Kammerspiele GmbH übernommen. Sein betriebsverfassungsrechtliches Mandat bestehe fort. Die Fortführung des Theaters sei von Anfang an beabsichtigt gewesen. Das ergebe sich daraus, daß die Hamburger Kulturbehörde weiterhin an der Spielstätte einen Theaterbetrieb gewollt habe und zeitgleich mit der Rückgabe der Räumlichkeiten einen Übernehmer gesucht sowie Subventionszusagen erteilt habe. Sämtliche Betriebsmittel seien zusammengehalten worden.

Der Betriebsrat hat beantragt,

festzustellen, daß sein betriebsverfassungsrechtliches Mandat hinsichtlich des Theaterbetriebs in der H., 20146 Hamburg (früher: 2000 Hamburg 13), gegenüber der Beteiligten zu 2) fortbesteht.

Die Beteiligte zu 2) hat beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs seien nicht erfüllt. Der Theaterbetrieb der ehemaligen H. GmbH sei stillgelegt worden. Der Sequester habe den Betrieb vollständig aufgelöst.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Die Beschwerde des beteiligten Betriebsrats blieb ohne Erfolg. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde beantragt der Betriebsrat die Aufhebung der landesarbeitsgerichtlichen Entscheidung. Hilfsweise hat er im Rechtsbeschwerdeverfahren die Feststellung beantragt, daß das betriebsverfassungsrechtliche Mandat bis zum 31. Mai 1994 gegenüber der Beteiligten zu 2) fortbestanden hat. Zugleich hat er die Verpflichtung der Beteiligten zu 2) begehrt, ihn von den durch die Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 540,85 DM freizustellen, hilfsweise die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht Hamburg zurückzuverweisen. Die Beteiligte zu 2) hat die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde beantragt.

 

Entscheidungsgründe

B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Der Antrag des beteiligten Betriebsrats ist unzulässig geworden. Das Rechtsschutzinteresse an der begehrten Entscheidung ist im Laufe des Rechtsbeschwerdeverfahrens entfallen.

I.1. Gegenstand des Verfahrens – auch in den Vorinstanzen – ist der Antrag des Betriebsrats auf Feststellung des Fortbestehens seines betriebsverfassungsrechtlichen Mandats gegenüber der Beteiligten zu 2). Der beteiligte Betriebsrat war seit Juni 1990 im Amt. Unabhängig von der zwischen den Beteiligten streitigen Frage, ob sein Mandat durch eine Betriebsstillegung vorzeitig geendet hat, ist es jedenfalls danach durch Ablauf der regulären Amtszeit am 31. Mai 1994 erloschen. Nach § 21 Satz 1 BetrVG beträgt die regelmäßige Amtszeit des Betriebsrats vier Jahre. Sie endet nach Satz 3 dieser Vorschrift spätestens am 31. Mai des Jahres, in der nach § 13 Abs. 1 BetrVG die regelmäßigen Betriebsratswahlen stattfinden. Mit dem Ablauf der Amtszeit endet die Rechtsstellung des Betriebsrats als Organ der Betriebsverfassung. Diese Rechtswirkung tritt auch dann ein, wenn im Anschluß an die Amtsperiode kein neuer Betriebsrat gewählt wird. Eine Fortführung des Amtes oder Weiterführung der Geschäfte bis zu der Wahl eines neuen Betriebsrats läßt das BetrVG mit Ausnahme der hier nicht einschlägigen Regelung des § 22 BetrVG nicht zu (BAG Urteil vom 15. Januar 1974 – 1 AZR 234/73 – AP Nr. 1 zu § 68 PersVG Baden-Württemberg; Wiese, GK-BetrVG, 5. Aufl., § 21 Rz 57; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 21 Rz 14, 17; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 4. Aufl., § 21 Rz 11, 13; Blanke, Däubler/Kittner/Klebe/Schneider, BetrVG, 4. Aufl., § 21 Rz 65).

2. Mit dem Ablauf der regulären Amtszeit ist der Feststellungsantrag des Betriebsrats unzulässig geworden, weil das Rechtsschutzinteresse, dessen Vorliegen auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz von Amts wegen zu prüfen ist (BAG Beschluß vom 13. März 1991 – 7 ABR 5/90 – AP Nr. 20 zu § 19 BetrVG 1972), mit dem Ende des betriebsverfassungsrechtlichen Mandats entfallen ist. Das Verfahren kann nur noch die Feststellung zum Gegenstand haben, daß ein betriebsverfassungsrechtliches Mandat gegenüber der Beteiligten zu 2) jedenfalls bis zum 31. Mai 1994 fortbestanden hat. Diesem Rechtszustand hat der Beteiligte zu 1) mit seinem in dem Rechtsbeschwerdeverfahren in zulässiger Weise gestellten Hilfsantrag auch Rechnung getragen. Doch geht auch eine darauf gerichtete Feststellung ins Leere, weil der Betriebsrat rückwirkend keine betriebsverfassungsrechtlichen Befugnisse mehr ausüben kann und die begehrte Entscheidung somit für die Beteiligten ohne unmittelbare rechtliche Wirkungen bliebe.

Dem steht nicht entgegen, daß dem beteiligten Betriebsrat ersichtlich an der Klärung einer bestimmten Rechtsfrage gelegen war. Der Senat verkennt nicht, daß das vorliegende Verfahren dem Zweck diente, unter Geringhaltung des Kosten- und Prozeßrisikos zu klären, ob die H. GmbH an die Beteiligte zu 2) übergegangen ist oder stillgelegt wurde. Damit war offenkundig auch die Erwartung der mit der Einstellung des Spielbetriebs beschäftigungslos gewordenen Arbeitnehmer verbunden, bei einem Erfolg des Betriebsrats in dem anhängigen Beschlußverfahren ihrerseits arbeitsvertragliche Ansprüche der Beteiligten zu 2) gegenüber geltend zu machen. Doch liefe die gerichtliche Klärung der auch die Beteiligte zu 2) interessierenden Rechtsfrage auf die Erstellung eines Gutachtens hinaus. Das ist nicht Aufgabe des Gerichts (BAG Beschluß vom 27. Juli 1982 – 6 ABR 51/79 – AP Nr. 5 zu § 83 ArbGG 1979; BAG Beschluß vom 10. April 1984 – 1 ABR 73/82 – AP Nr. 3 zu § 81 ArbGG 1979).

II. Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis folgt auch nicht aus dem erstmals im Rechtsbeschwerdeverfahren gestellten weiteren Hilfsantrag. Danach begehrt der Betriebsrat nunmehr von der Beteiligten zu 2), ihn von Anwaltskosten freizustellen, die durch die Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde entstanden sind. Auch wenn dem Betriebsrat nach Ablauf seiner Amtszeit ein sogenanntes Restmandat zur Geltendmachung derjenigen Kosten von Rechts- und Regelungsstreitigkeiten zuerkannt werden muß, die im Zusammenhang mit einem bisherigen betriebsverfassungsrechtlichen Amt stehen, betrifft der auf § 40 Abs. 1 BetrVG gestützte Freistellungsanspruch einen anderen Streitgegenstand als die bislang begehrte Feststellung auf das Fortbestehen eines betriebsverfassungsrechtlichen Mandats. Die Änderung des Sachantrags ist in der Rechtsbeschwerdeinstanz grundsätzlich nicht mehr zulässig (BAG Beschluß vom 27. Juli 1982, a.a.O.; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 92 Rz 24, m.w.N.). Die eine Antragsänderung regelnde Vorschrift des § 81 Abs. 3 ArbGG findet im Rechtsbeschwerdeverfahren keine Anwendung. § 92 Abs. 2 Satz 3 ArbGG verweist lediglich auf § 81 Abs. 2 Satz 2 und 3 und nimmt keinen Bezug auf den Absatz 3 der Vorschrift.

Dem Betriebsrat ist es nicht verwehrt, den Kostenfreistellungsanspruch im erneuten Beschlußverfahren geltend zu machen.

Die damit verbundenen zeitlichen Verzögerungen und prozessualen Risiken übersieht der Senat nicht. Doch können allein Gründe der Prozeßökonomie nicht dazu führen, den Rechtsschutzanspruch der übrigen Beteiligten zu verkürzen und den Sachverhalt der gesetzlich vorgesehenen Beurteilung durch die Tatsachengerichte zu entziehen.

 

Unterschriften

Weller, Steckhan, Schmidt, Straub, Kleinke

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1093346

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