Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorabzustimmung in Betriebsvereinbarung zur Versetzung

 

Normenkette

BetrVG §§ 101, 99 Abs. 2 Nrn. 4-5, Abs. 3; ArbGG § 81 Abs. 3 S. 2

 

Verfahrensgang

LAG Schleswig-Holstein (Beschluss vom 04.11.1992; Aktenzeichen 5 TaBV 25/92)

ArbG Neumünster (Beschluss vom 11.05.1992; Aktenzeichen 4a BV 18/92)

 

Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 4. November 1992 – 5 TaBV 25/92 – aufgehoben.

2. Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Neumünster vom 11. Mai 1992 – 4a BV 18/92 – abgeändert.

Der Antrag des Betriebsrats wird zurückgewiesen, soweit ein Zwangsgeld angedroht ist.

Im übrigen wird die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

A. Arbeitgeberin und Betriebsrat streiten über die Wirksamkeit der Versetzung eines Arbeitnehmers im Unternehmen der Arbeitgeberin.

Die Arbeitgeberin ist ein metallverarbeitendes Unternehmen.

Im Betrieb der Arbeitgeberin fanden Umstrukturierungsmaßnahmen statt. In diesem Zusammenhang schlossen die Beteiligten eine „Rahmenbetriebsvereinbarung 111” sowie die „Betriebsvereinbarung 112 Sozialplan”.

In der Rahmenbetriebsvereinbarung 111 heißt es u.a.:

„…

2. Zweck der Rahmenbetriebsvereinbarung

2.1 Die Geschäftsleitung und der Betriebsrat stimmen darin überein, daß zum Erhalt und zur Absicherung der Produktionsstätte Neumünster organisatorische und technische Veränderungen vorgenommen werden.

2.3 Geschäftsleitung und Betriebsrat stimmen darin überein, die Umstrukturierung sozialverträglich zu gestalten und den vom Unternehmen angestrebten Rationalisierungserfolg auch für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu nutzen.

3. Beteiligung von Betroffenen und Betriebsrat

3.1 Unterrichtung und Beratung des Betriebsrates

Die Geschäftsleitung unterrichtet den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen und berät sie mit ihm.

…”

In der Betriebsvereinbarung 112 heißt es u.a.:

„2. Zweck

Mit dieser Vereinbarung sollen etwaige wirtschaftliche Nachteile der betroffenen Mitarbeiter ausgeschlossen bzw. gemildert werden.

4. Versetzungen

4.1 Entfallen durch Veränderungsmaßnahmen Arbeitsplätze, so sind den Betroffenen nach Möglichkeit zumutbare Arbeitsplätze in anderen Teilen des Unternehmens anzubieten…

5. Personalbedarfsentwicklung

5.1 Die Unternehmensleitung sichert zu, daß aufgrund der Veränderungsmaßnahmen keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen werden.

6. Abfindungen

Werden wider Erwarten betriebsbedingte Entlassungen notwendig, so wird für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung nach folgenden Grundsätzen an den Arbeitnehmer gezahlt:

…”

Der Geltungsbereich beider Betriebsvereinbarungen ist jeweils unter Ziff. 1.1 wie folgt geregelt:

„Diese Vereinbarung bezieht sich auf alle (Betriebsvereinbarung 111: derzeit geplanten) Veränderungsmaßnahmen im Unternehmen, insbesondere auch im Zusammenhang mit der neuen SAS-Struktur, dem Kostenreduzierungs-Maßnahmenkatalog und Umzug Werk II.”

Beide Betriebsvereinbarungen sind zum 24. Oktober 1990 in Kraft getreten und galten bis zum 31. Dezember 1992.

Im Rahmen der Umstrukturierungsmaßnahmen hat die Arbeitgeberin mehrere Versetzungen vorgenommen. Im Januar 1992 hat sie den bei ihr beschäftigten Mitarbeiter G aus der Blockzylinder- und Plattenfertigung in den Aufgabenbereich eines Inselmitarbeiters versetzt. In einer „Mitteilung des Arbeitgebers über personelle Veränderungen an den Betriebsrat” vom 24. März 1992 teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat u.a. mit, daß der Mitarbeiter G mit Wirkung vom 1. Januar 1993 „von der bisherigen Tarifgruppe IX in die neue Tarifgruppe VIII umgruppiert werden” sollte, wodurch sich seine Vergütung von 25,64 DM auf 22,55 DM pro Stunde vermindern würde.

Der Betriebsrat hat mit Schreiben vom 26. März 1992 seine Zustimmung zu der „Umgruppierung und Tätigkeitsänderung” des Mitarbeiters G verweigert. Er begründete dies damit, daß durch die Umgruppierung für den Arbeitnehmer G erhebliche Nachteile entstünden und er durch die Versetzung vom Vorarbeiter zum Inselmitarbeiter einen Statusverlust erleide, ohne daß hierfür eine entsprechende betriebliche Notwendigkeit bestehe; außerdem habe die Arbeitgeberin den freien Arbeitsplatz eines Inselmitarbeiters trotz entsprechenden Antrags nicht innerbetrieblich ausgeschrieben.

Ab 1. April 1992 wurde der Mitarbeiter G als Inselgruppensprecher eingesetzt. Diese Position hat die Arbeitgeberin später gestrichen und stattdessen zwei Gruppenleiter ernannt. Mit Datum vom 12. August 1992 hat die Arbeitgeberin mit dem Mitarbeiter G eine Vereinbarung über dessen Entlohnung vom 1. Januar 1993 an getroffen.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Arbeitgeberin habe die im Betrieb stattfindenden Umstrukturierungsmaßnahmen dazu genutzt, verschiedene Versetzungen vorzunehmen, ohne die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu wahren. Die Versetzung des Mitarbeiters G sei eine von mehreren Versetzungen. Da die Zustimmung zu dessen Versetzung und Umgruppierung verweigert worden sei und auch kein Verfahren nach § 99 Abs. 4 oder § 100 BetrVG eingeleitet worden sei, lägen die Voraussetzungen des § 101 BetrVG vor.

Eine Vorabzustimmung sei auch nicht im Rahmen des in der Betriebsvereinbarung 111 enthaltenen Interessenausgleichs erfolgt. Aus den Betriebsvereinbarungen 111 und 112 gehe nicht hervor, daß der Betriebsrat eine pauschale Zustimmung zu sämtlichen personellen Maßnahmen gegeben habe. Aus den Betriebsvereinbarungen sei auch nicht ersichtlich, daß dort die Versetzung des Mitarbeiters G geregelt sei. Beide Betriebsvereinbarungen regelten lediglich die Möglichkeiten der Geschäftsführung, bestimmte abstrakt formulierte Umstrukturierungsmaßnahmen durchzuführen. Unabhängig davon bleibe es für die einzelnen Umsetzungsmaßnahmen bei den Mitwirkungsrechten des Betriebsrats.

Da im übrigen der Abschluß und die Einhaltung eines Interessenausgleichs nicht erzwingbar seien, könne ein Interessenausgleich mit abstrakter Umschreibung von betrieblichen Veränderungen die Mitwirkungsrechte des Betriebsrats nach § 99 BetrVG nicht verdrängen.

Der Betriebsrat hat daher erstinstanzlich beantragt,

der Beteiligten zu 2) – bei Meidung eines Zwangsgeldes in Höhe von 500,– DM für jeden Tag der Zuwiderhandlung – aufzugeben, die Versetzung des Arbeitnehmers G von seiner Position als „Vorarbeiter Blockzylinder- und Plattenfertigung VergGr. IX” zum „Maschinenbeschicker VergGr. VIII” aufzuheben.

Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die neue Struktur des Betriebes sei mit dem Betriebsrat im Vorfeld detailliert abgestimmt worden. Der Betriebsrat habe ihr letztlich zugestimmt. Es sei auch zu diesem Zeitpunkt vorauszusehen gewesen, daß bei der Durchführung der Umstrukturierung zwangsläufig Arbeitsplätze wegfallen würden. Dazu habe der Betriebsrat vorab seine Zustimmung erteilt. Er dürfe die Verwirklichung der neuen Struktur nicht dadurch verhindern, daß er seine Zustimmung zu Einzelversetzungen verweigere, insbesondere auch deswegen, weil der bisherige Arbeitsplatz des Mitarbeiters G in der neuen Struktur nicht mehr vorhanden sei.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben, soweit die Aufhebung der Versetzung zum Inselgruppenmitarbeiter verlangt wird, im übrigen (bezüglich der Umgruppierung) hat es den Antrag mit der Begründung abgewiesen, die Arbeitgeberin habe die angekündigte Umgruppierung noch nicht in Vollzug gesetzt.

Der Betriebsrat hat seinen Antrag in der Beschwerdeinstanz vor dem Landesarbeitsgericht präzisiert und beantragt,

der Beteiligten zu 2) – bei Meidung eines Zwangsgeldes von 500,– DM für jeden Tag der Zuwiderhandlung – aufzugeben, die Versetzung des Arbeitnehmers G weg von seiner Position „Vorarbeiter Blockzylinder- und Plattenfertigung” aufzuheben.

Das Landesarbeitsgericht hat auf die Beschwerde der Arbeitgeberin den Antrag abgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte der Betriebsrat die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung erreichen, während die Arbeitgeberin beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

B. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist überwiegend begründet. Sie führt unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur teilweisen Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

I. Der Antrag ist zulässig.

1. Der Betriebsrat hat seinen erstinstanzlichen Antrag auf Aufhebung der Umgruppierung des Mitarbeiters G nicht mehr weiterverfolgt. Dieser Antrag ist durch den Beschluß des Arbeitsgerichts rechtskräftig abgewiesen worden.

2. Bei dem auf § 101 BetrVG gestützten Antrag des Betriebsrats handelt es sich um einen Leistungsantrag. Für ihn ist kein besonderes Rechtsschutzinteresse erforderlich (vgl. Senatsbeschluß vom 20. November 1990 – 1 ABR 87/89 – AP Nr. 47 zu § 118 BetrVG 1972; BAG Beschluß vom 18. Juni 1991 – 1 ABR 53/90 – EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 100, zu B I 3 der Gründe). Vorliegend ergibt sich das Rechtsschutzinteresse bereits daraus, daß die Arbeitgeberin dem Verlangen des Betriebsrats, die Versetzung des Mitarbeiters G aufzuheben, bislang nicht nachgekommen ist.

3. Der Betriebsrat hat seinen in der Beschwerdeinstanz vor dem Landesarbeitsgericht gestellten Antrag gegenüber dem erstinstanzlichen Antrag dem Wortlaut nach insoweit abgeändert, als er nicht mehr die Aufhebung der Versetzung des Arbeitnehmers G von seiner Position als Vorarbeiter Blockzylinder- und Plattenfertigung zum Maschinenbeschicker begehrt, sondern „die Versetzung des Arbeitnehmers G weg von seiner Position Vorarbeiter Blockzylinder- und Plattenfertigung”. Die Arbeitgeberin hat sich nach der Niederschrift über die öffentliche Sitzung des Landesarbeitsgerichts vor dem Beschwerdegericht ohne zu widersprechen auf den vom Betriebsrat gestellten Antrag eingelassen. Die Zustimmung der Arbeitgeberin gilt gemäß § 81 Abs. 3 Satz 2 ArbGG als erteilt, sofern von einer Antragsänderung auszugehen wäre.

Das Landesarbeitsgericht hat aber vorliegend zu Recht angenommen, in der formalen Abänderung des Antrages in der zweiten Instanz sei keine inhaltliche Änderung des Antrags zu sehen.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist auch im Beschlußverfahren der Antrag der Auslegung fähig (BAG Beschluß vom 15. Dezember 1972 – 1 ABR 5/72 – AP Nr. 5 zu § 80 ArbGG 1953; BAGE 41, 92 = AP Nr. 10 zu § 111 BetrVG 1972; BAGE 51, 151 = AP Nr. 33 zu § 99 BetrVG 1972; BAG Beschluß vom 22. Oktober 1991 – 1 ABR 28/91 – AP Nr. 48 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 81 Rz 34). Dabei darf das Gericht sich bei der Auslegung nicht über einen eindeutigen Antrag hinwegsetzen. Dies hat das Beschwerdegericht im vorliegenden Falle nicht getan.

b) Der Antrag des Betriebsrats ist auslegungsbedürftig, weil aus der Formulierung, der Arbeitgeberin solle aufgegeben werden, die Versetzung des Arbeitnehmers G weg von seiner Position „Vorarbeiter Blockzylinder- und Plattenfertigung” aufzuheben, nicht eindeutig zu entnehmen ist, welches Verfahrensziel der Betriebsrat letztlich verfolgt.

Bei der Auslegung ist das tatsächliche Vorbringen des Betriebsrats zur Begründung seines Antrags sowie der Vorgang, der Anlaß für den Streit der Beteiligten gegeben hat, zu berücksichtigen. Streitig ist zwischen den Beteiligten nicht, daß der Arbeitnehmer G innerhalb des Betriebes der Arbeitgeberin versetzt wurde. Arbeitgeberin und Betriebsrat streiten allein darüber, ob im Zusammenhang mit der Versetzung des Arbeitnehmers G Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates verletzt wurden. Der Mitarbeiter G wurde seit Januar 1992 nicht mehr als Vorarbeiter im Bereich Blockzylinder- und Plattenfertigung, sondern als Inselgruppenmitarbeiter beschäftigt. Der eigentliche Versetzungsvorgang ist damit hinreichend konkretisierbar. Allein darüber, ob der Betriebsrat an diesem Vorgang ordnungsgemäß beteiligt worden ist oder ob die personelle Einzelmaßnahme wegen fehlender Zustimmung und Zustimmungsersetzung aufzuheben ist, streiten die Beteiligten, wie sich sowohl aus der Antragsbegründung des Betriebsrates, seinem Vorbringen in der Beschwerdeinstanz als auch seinem Vorbringen in der Rechtsbeschwerdeinstanz ergibt. Ausweislich des angekündigten Antrages in der Rechtsbeschwerdeschrift vom 8. Januar 1993 bezieht sich der Rechtsbeschwerdeführer ausdrücklich auf den Tenor der Entscheidung des Arbeitsgerichts. Damit konkretisiert er noch einmal in tatsächlicher Hinsicht den Versetzungsvorgang, für den er ein Beteiligungsrecht in Anspruch nimmt. Das Landesarbeitsgericht hat daher zu Recht angenommen, der Antrag des Betriebsrats entspreche dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 ZPO.

II. Der Antrag des Betriebsrats ist auch überwiegend begründet.

Nach § 101 BetrVG kann der Betriebsrat beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine personelle Maßnahme aufzuheben, wenn er diese ohne Zustimmung des Betriebsrats durchgeführt hat.

1. Begründet ist ein solcher Antrag, wenn der Betriebsrat die Zustimmung innerhalb einer Woche nach Unterrichtung durch den Arbeitgeber schriftlich verweigert hat (§ 99 Abs. 3 BetrVG). Dies ist vorliegend geschehen, da auf die Mitteilung der Arbeitgeberin vom 24. März 1992 der Betriebsrat am 26. März 1992 die Zustimmung verweigert hat.

2. Die Zustimmungsverweigerung ist auch beachtlich.

a) Nach § 99 Abs. 2 BetrVG kann der Betriebsrat die Zustimmung zu personellen Einzelmaßnahmen nur aus den sechs in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Gründen verweigern. Welche Anforderungen an die vom Arbeitgeber zu beachtende Begründung der Zustimmungsverweigerung zu stellen sind, ergibt sich aus § 99 Abs. 2 BetrVG einerseits und § 99 Abs. 4 BetrVG andererseits. Nach § 99 Abs. 4 BetrVG hat der Arbeitgeber die Zustimmung durch das Gericht ersetzen zu lassen. Diese gesetzliche Anordnung würde in ihr Gegenteil verkehrt, wenn es dem Arbeitgeber überlassen bliebe darüber zu entscheiden, ob die Begründung einer Zustimmungsverweigerung beachtlich wäre oder nicht. Deshalb hat der Senat entschieden, eine Verweigerung der Zustimmung des Betriebsrats sei schon dann ausreichend begründet, wenn die Begründung es als möglich erscheinen lasse, daß einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG abschließend genannten Zustimmungsverweigerungsgründe geltend gemacht werde (Senatsurteil vom 26. Januar 1988, BAGE 57, 242 = AP Nr. 50 zu § 99 BetrVG 1972). Dies entspricht auch der Regelung von § 99 Abs. 3 BetrVG, wonach die Zustimmung nur in einem Falle fingiert wird – Ablauf der Wochenfrist –, in dem dem Arbeitgeber kein Beurteilungsspielraum bleibt. Die Unbeachtlichkeit der Zustimmungsverweigerungsgründe muß nach der Wertung des Gesetzes ebenso klar sein. Das sind Begründungen, die nur den Wortlaut eines der gesetzlichen Tatbestände des § 99 Abs. 2 BetrVG wiederholen (Senatsbeschluß vom 24. Juli 1979 – 1 ABR 78/77 – AP Nr. 11 zu § 99 BetrVG 1972), ohne auf einen Lebenssachverhalt einzugehen oder solche, die offensichtlich auf keinen der gesetzlichen Verweigerungsgründe Bezug nehmen (Senatsbeschluß vom 1. Oktober 1991 – 1 ABR 1/91 – n.v.).

b) Hier liegt eine beachtliche Zustimmungsverweigerung vor. Der Betriebsrat hat die Verweigerung der Zustimmung zur Versetzung des Arbeitnehmers G damit begründet, der Arbeitnehmer müsse bei der Versetzung einen Statusverlust hinnehmen. Als Vorarbeiter seien ihm mehrere Mitarbeiter unterstellt. Bei der neuen Stelle handele es sich um eine reine Maschinenbeschickungstätigkeit ohne unterstellte Mitarbeiter. Dazu bestehe keine betriebliche Notwendigkeit. Der Arbeitnehmer G könne auch weiterhin, unter Beibehaltung seines bisherigen Status, im Betrieb eingesetzt werden. Im übrigen sei die vom Betriebsrat verlangte innerbetriebliche Stellenausschreibung nach § 93 BetrVG unterblieben. Durch diese Zustimmungsverweigerungsbegründung wird sowohl der Verweigerungsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 4 wie der nach § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG angesprochen.

Da sich die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats nicht auf die Wiederholung des Wortlauts einer der Tatbestände des Abs. 2 des § 99 BetrVG beschränkt, sondern im Einzelfall die Konsequenzen für den Arbeitnehmer G beschreibt, genügt sie den Anforderungen, die nach § 99 an eine Zustimmungsverweigerung zu stellen sind (vgl. zu den Kriterien Fitting/Auffarth/Kaiser/ Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 99 Rz 59 m.w.N.).

3. Zu Unrecht ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, daß die Arbeitgeberin die Versetzung des Arbeitnehmers G mit Zustimmung des Betriebsrats vorgenommen hat. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ergibt sich aus dem Inhalt der Betriebsvereinbarungen 111 und 112 nicht, daß der Betriebsrat allen Versetzungen im Zusammenhang mit den vorgesehenen Umstrukturierungsmaßnahmen vorab zugestimmt hat.

a) Zweck der Rahmenbetriebsvereinbarung 111 war es, zwischen Arbeitgeberin und Betriebsrat Übereinstimmung darin zu erzielen, daß zum Erhalt und zur Absicherung der Produktionsstätte Neumünster „organisatorische und technische Veränderungen vorgenommen werden”. Zweck der Betriebsvereinbarung 112 Sozialplan war der Ausschluß bzw. die Abmilderung wirtschaftlicher Nachteile betroffener Mitarbeiter. Damit handelte es sich um Vereinbarungen anläßlich einer Betriebsänderung i.S. der §§ 111 bis 113 BetrVG.

Diese Vorschriften behandeln das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die betroffenen Arbeitnehmer mit sich bringen können. Zweck der Schutzvorschriften der §§ 111 bis 113 ist es, soweit möglich, die Arbeitsplätze und die soziale Stellung der Arbeitnehmer zu sichern. Durch Vereinbarungen i.S. der §§ 111 bis 113 BetrVG bleibt grundsätzlich das Mitbestimmungsrecht in sozialen und personellen Maßnahmen unberührt (Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, aaO, § 111 Rz 1).

b) Der Senat hat in seinem Urteil vom 29. November 1983 (BAGE 44, 260 = AP Nr. 10 zu § 113 BetrVG 1972) entschieden, ein mit dem Betriebsrat vereinbarter zeitlich unbefristeter Sozialplan, der für alle aus betrieblichen Gründen entlassenen Arbeitnehmer Abfindungszahlungen vorsieht, entbinde den Arbeitgeber nicht von seiner gesetzlichen Pflicht, bei zukünftig anstehenden Betriebsänderungen jeweils den Betriebsrat einzuschalten und den Versuch zu machen, mit ihm einen Interessenausgleich darüber zu vereinbaren, ob und ggf. in welchem Umfang und auf welche Art und Weise die geplante Betriebsänderung verwirklicht werden solle. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, die Beteiligungsrechte des Betriebsrats nach den §§ 111, 112 BetrVG knüpften an die jeweilige konkrete Betriebsänderung an. Durch die Vereinbarung eines Sozialplans, der alle künftigen, bei seiner Aufstellung noch gar nicht absehbaren Betriebsänderungen erfasse, könne der Betriebsrat nicht von vornherein sein Einverständnis mit allen diesen ihrer Art und ihrem Ausmaß nach noch völlig ungewissen Betriebsänderungen geben. Dies liefe nach Auffassung des Senats letztlich auf einen unzulässigen Verzicht des Betriebsrats auf seine Beteiligungsrechte hinsichtlich der Herbeiführung eines Interessenausgleichs für künftige Fälle hinaus. Auf seine gesetzlichen Beteiligungsrechte kann der Betriebsrat jedoch nicht verzichten (BAG Urteil vom 29. November 1983, aaO).

c) Dies hat das Landesarbeitsgericht im Ansatz auch gesehen und angenommen, die Arbeitgeberin habe auch vorliegend die Beteiligungsrechte nach § 99 BetrVG beachten müssen.

Nicht gefolgt werden kann ihm aber in der Annahme, der Betriebsrat habe sich in den Betriebsvereinbarungen 111 und 112 festgelegt, mit welchem Ziel er sein Zustimmungsverweigerungsrecht ausübe. Der Betriebsrat habe in diesen Betriebsvereinbarungen vorab seine Zustimmung zu allen erforderlich werdenden Versetzungen erteilt; deshalb könne er nicht mehr verlangen, daß ein Arbeitnehmer seinen bisherigen Arbeitsplatz behalte, sondern nur, daß etwaige finanzielle und persönliche Nachteile vermieden würden.

Das Landesarbeitsgericht hat bei seiner Annahme übersehen, daß dann, wenn der Betriebsrat auf seine Beteiligungsrechte grundsätzlich nicht von vornherein uneingeschränkt verzichten kann, an die Annahme einer Vorabzustimmung strenge Anforderungen zu stellen sind. Eine Vorabzustimmung zu personellen Einzelmaßnahmen in Betriebsvereinbarungen muß sich aus dem Wortlaut, Zweck und dem Sinnzusammenhang der jeweiligen Betriebsvereinbarung eindeutig ergeben. Der Wille des Betriebsrats, im Rahmen einer Betriebsvereinbarung vorab in Ausübung seines Beteiligungsrechts in personelle Einzelmaßnahmen einzuwilligen, müßte unmißverständlich aus der Betriebsvereinbarung zu entnehmen seien.

d) Vorliegend gaben die Betriebsvereinbarungen 111 und 112 noch nicht einmal einen Ansatzpunkt für eine solche Annahme.

Die Rahmenbetriebsvereinbarung 111 belegt lediglich, daß Geschäftsleitung und Betriebsrat darin übereinstimmen, daß die beabsichtigte Umstrukturierung sozialverträglich zu gestalten ist. Zu diesem Zweck soll nicht nur eine technische Ablaufverbesserung angestrebt werden, sondern auch die umfassende Entfaltung der Mitarbeiter (Ziff. 2.4). Die Betriebsvereinbarung regelt u.a. auch die Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung während der Umstrukturierung. Sie ist ausweislich der Rahmenbetriebsvereinbarung verbindliche Grundlage für die Planung und Beratung derjenigen Umstrukturierungsmaßnahmen, „die der Mitbestimmungspflicht unterliegen und deren Regelung in Einzelbetriebsvereinbarungen erfolgt”. Damit wird gerade deutlich gemacht, daß die Betriebsvereinbarung keine Vorabzustimmung zu personellen Einzelmaßnahmen enthält. In Ziffer 3 der Rahmenbetriebsvereinbarung werden bereits aus dem Betriebsverfassungsgesetz Unterrichtungsrechte des Betriebsrats und -pflichten des Arbeitgebers zusammengefaßt. Nirgendwo findet sich eine Formulierung, der entnommen werden könnte, mit dem Abschluß der Rahmenbetriebsvereinbarung 111 sei das Beteiligungsrecht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG ausgeübt und damit eine spätere Beteiligung des Betriebsrats bei personellen Einzelmaßnahmen ausgeschlossen. Insgesamt enthält die Rahmenbetriebsvereinbarung 111 nur Grundsätze, wie bei den geplanten Änderungsmaßnahmen, die im einzelnen noch gar nicht bekannt sind, verfahren werden soll. Dementsprechend sollen für die einzelnen Umstrukturierungsmaßnahmen die Bestimmungen der Rahmenbetriebsvereinbarung in Einzelbetriebsvereinbarungen konkretisiert werden (Ziff. 3.4). Liegen die Maßnahmen aber im einzelnen noch gar nicht fest und kann auch der Arbeitgeber noch nicht übersehen, welche Arbeitnehmer versetzt werden müssen, kann nicht angenommen werden, der Betriebsrat habe mit Abschluß dieser Betriebsvereinbarung allen in Zukunft denkbaren Versetzungen zustimmen wollen, ohne daß Versetzungen bestimmter Mitarbeitergruppen auch nur angesprochen wären.

Auch die Betriebsvereinbarung 112 Sozialplan enthält keine Klausel, der entnommen werden könnte, daß der Betriebsrat eine Vorabzustimmung zu personellen Einzelmaßnahmen hätte erteilen wollen.

In Ziff. 4 der Betriebsvereinbarung 112 wird die Versetzung zwar erwähnt. Es wird aber nur geregelt, daß dann, wenn infolge der Veränderungsmaßnahmen Arbeitsplätze entfallen, nach Möglichkeit den Betroffenen in anderen Teilen des Unternehmens zumutbare Arbeitsplätze anzubieten sind. Steht aber bei Abschluß dieser Betriebsvereinbarung noch gar nicht fest, ob es überhaupt zu Versetzungen kommt und schon gar nicht, welche Arbeitnehmer von personellen Einzelmaßnahmen betroffen sein werden, bleibt mangels einer sich aus dem Wortlaut, Zweck oder dem Sinnzusammenhang der beiden Betriebsvereinbarungen ergebenden Regelung, der eine Vorabzustimmung des Betriebsrats bei personellen Einzelmaßnahmen entnommen werden könnte, das Beteiligungsrecht des Betriebsrats nach §§ 99 ff. BetrVG bestehen. Der Betriebsrat ist also bei Versetzungen, die aufgrund der Umstrukturierungsmaßnahmen erfolgen sollen, nach § 99 BetrVG zu beteiligen. Da der Arbeitgeber trotz der Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats die Versetzung des Arbeitnehmers G vollzogen hat, ist der Antrag des Betriebsrats, der Arbeitgeberin aufzugeben, die Einstellung des Arbeitnehmers G aufzuheben, nach § 101 i.V.m. § 99 Abs. 2 Nr. 4 und 5 BetrVG begründet.

III. Soweit das Arbeitsgericht ein Zwangsgeld angedroht hatte, erweist sich die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts als zutreffend. Nach § 101 Satz 2 BetrVG ist der Arbeitgeber erst dann durch Zwangsgeld zur Aufhebung der Maßnahme anzuhalten, wenn er entgegen einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung die personelle Maßnahme nicht aufhebt (Senatsbeschluß vom 1. Oktober 1991 – 1 ABR 1/91 – n.v.; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, aaO, § 101 Rz 4 b, 5). Vorliegend steht noch nicht fest, daß der Arbeitgeber der rechtskräftigen Anordnung zur Aufhebung der Maßnahme nicht nachkommt. Insofern durfte der arbeitsgerichtliche Beschluß ein Zwangsgeld nicht androhen.

 

Unterschriften

Dr. Kissel, Dr. Weller, Dr. Rost, Dr. Bartelt, Lappe

 

Fundstellen

Dokument-Index HI915950

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