§ 22 Abs. 3 der Satzung der VBL (VBLS) regelt den Fall der Ausgliederung/Privatisierung, bei der eine gewisse Anzahl der Arbeitnehmer des Beteiligten[1] auf einen Arbeitgeber übertragen werden, der seinerseits nicht bei der VBL beteiligt ist. Dieser Fall ist in der Praxis nicht selten, da häufig aus Kostengründen eine Fortsetzung des mit der VBL bestehenden Gruppenversicherungsvertrages und der einzelnen Versicherungsverhältnisse für die übergeleiteten Arbeitnehmer bei der VBL nicht gewollt ist.

Erst dann, wenn eine bestimmte Größenordnung ("Wesentlichkeitsgrenze") überschritten wird, sind mit der Übertragung der Arbeitnehmer erhebliche Kosten verbunden. Die VBL rechnet derzeit mit folgenden Durchschnittswerten für die Gegenwertforderung pro

 
Betriebsrentenfall 68.200 EUR
Anwartschaftsberechtigten in der Pflichtversicherung[2] 21.500 EUR
beitragsfrei Versicherten[3] 4.200 EUR
 
Praxis-Beispiel

Eine GmbH, der 167 Mitarbeiter, 30 beitragsfrei Versicherte und 100 Rentner[4] zu­zurechnen sind, wird ausgegründet. Wenn die Anzahl der Mitarbeiter über der Wesent­lichkeitsgrenze der ausgründenden Einheit liegt, ist ein Teil-Gegenwert in Höhe von ca. 10 Mio. EUR zu zahlen.

Eine Ausgründung unterhalb der Wesentlichkeitsgrenze ist bei der VBL[5] hingegen kostenfrei.

Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Sinn der Vorschrift

§ 22 Abs. 3 VBLS lautet:

"Ein wichtiger Grund zur Kündigung liegt ferner auch dann vor, wenn ein Beteiligter einen wesentlichen Teil der über ihn Pflichtversicherten auf einen oder mehrere Arbeitgeber übertragen hat, der/die weder an der Anstalt noch an einer Zusatzversorgungseinrichtung, zu der Versicherungen übergeleitet werden, beteiligt ist/sind. Eine Kündigung kann unterbleiben, wenn sich der Beteiligte verpflichtet, für die ausgeschiedenen Pflichtversicherten den anteiligen Gegenwert nach § 23 Abs. 2 zu zahlen."

Der Tatbestand der "Übertragung von Pflichtversicherten"“ auf einen nicht bei der VBL beteiligten Arbeitgeber ist erstmals am 1.1.1997 in Kraft getreten.[6] Damals war als Voraussetzung für die Annahme eines die außerordentliche Kündigung rechtfertigenden wichtigen Grundes die Übertragung "des wesentlichen Teils" der Pflichtversicherten geregelt. Infolge der ständig rückläufigen Zahl der Pflichtversicherten einerseits und des Ansteigens der Anzahl der Rentner andererseits ist die Vorschrift mit Wirkung vom 1.1.2000 so verschärft worden, dass nunmehr bereits die Übertragung eines wesentlichen Teils genügt, um die Rechtsfolgen auszulösen.

Sinn der Vorschrift ist es, den Arbeitgebern zwar eine gewisse Flexibilität bei Ausgründungen/Privatisierungen zuzubilligen, aber dennoch die Finanzierung der Anwartschaften und Renten nicht übermäßig zu gefährden. Es soll die Anzahl der bei der VBL pflichtversicherten Arbeitnehmer nicht über ein bestimmtes Maß hinaus reduziert werden. Nur so können die Verpflichtungen gegenüber Rentnern und Anwartschaftsberechtigten auf Dauer erfüllt ­werden, ohne dass die finanziellen Belastungen der Arbeitgeber[7] noch weiter dramatisch ansteigen.

Ziffernmäßige Übersetzung (Auslegung) der Vorschrift

Wie hoch ist nun "ein wesentlicher Teil"? Da der Satzungsgeber keine zahlenmäßige Begrenzung festgelegt hat, ist die Bestimmung nicht unproblematisch. Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der in der Praxis von der VBL sowohl im Hinblick auf die Höhe der Grenze als auch im Hinblick auf deren Bedeutung im zeitlichen Ablauf nicht einheitlich angewandt worden ist.

  • Verwaltungspraxis der VBL

    Nach ihrer aktuellen Verwaltungspraxis legt die VBL folgenden Maßstab an:

    • Die Wesentlichkeitsgrenze ist in der Regel ab einer Größe von 10 % übertragender Mitarbeiter verletzt.
    • Maßgebliche Bezugsgröße ist dabei der Pflichtversichertenbestand zum Zeitpunkt der ersten Ausgründung des Beteiligten.
    • Mehrere zeitlich versetzte Ausgründungen, die für sich genommen die Grenze nicht erreichen, werden zusammengerechnet.

    Für die Vorläuferregelung gingen die VBL und die Literatur davon aus, dass "der wesentliche Teil" mehr als die Hälfte der Pflichtversicherten umfasste.[8] Durch die Satzungsänderung sollte die Grenze herabgesetzt werden, weil es verstärkt zu Ausgründungen gekommen war. Für eine gewisse Zeit nach der Satzungsänderung hat die VBL die Grenze zunächst nur geringfügig auf 30 bzw. 25 % herabgesetzt und dabei nicht starr angewandt, sondern zusätzlich die konkreten Verhältnisse des einzelnen Beteiligten (Verhältnis der aktiv Beschäftigten zu Rentnern, Verhältnis der Einnahmen zu den Ausgaben, andere besondere Umstände) in ihre Entscheidung einbezogen. Nachdem die Anzahl der Ausgründungen ständig zunahm, ist die VBL dazu übergegangen, die Grenze noch weiter, nämlich auf 10 % herabzusetzen. Eine Einzelfallprüfung erfolgt heute nur noch im Ausnahmefall, da die Grenze von 10 % "in der Regel" als maßgeblich angesehen wird.

     
    Wichtig

    Bei der konkreten Entscheidung über die Vornahme einer Ausgründung ist die aktuelle Verwaltungspraxis der VBL von entscheidender Bedeutung. Heute eine Ausgründung vorzunehmen...

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