§ 3 AGG definiert verschiedene Formen der Benachteiligung (zu weiteren Beispielen auch aus der Rechtsprechung s. unter Punkt 3.2 sowie zu Diskriminierungsrisiken in der täglichen Personalarbeit unter Punkt 4).

2.2.2.1 Unmittelbare Benachteiligung

Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 Abs. 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Die ungünstigere Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft ist eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts. Eine Benachteiligung kann auch in einem Unterlassen liegen. Die Benachteiligung muss entweder noch andauern bzw. bereits abgeschlossen sein; oder aber es muss eine hinreichend konkrete Gefahr bestehen, dass eine solche Benachteiligung eintritt. Eine nur abstrakte Gefahr löst noch keine Ansprüche aus, vielmehr ist eine ernsthafte Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr[1] erforderlich.

 
Praxis-Beispiel

Ein Arbeitnehmer wird wegen seiner Homosexualität von den Mitgliedern seiner Arbeitsgruppe verspottet. Ihm werden nur die Aufgaben zugewiesen, die sonst niemand erledigen will.

Es liegt dagegen keine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn die Situationen nicht vergleichbar sind. Im vorliegenden Fall[2] ging es um die Besetzung einer Projektstelle im Bereich der beruflichen Integration von erwachsenen Migrantinnen/-en. Vom Arbeitgeber, der evangelischen Landeskirche, wurde hierzu eine Fachkraft mit abgeschlossenem Studium der Sozialwissenschaften sowie praktischen Erfahrungen in der Projektarbeit gesucht, wobei die Zugehörigkeit zur christlichen Kirche gefordert wurde. Eingestellt wurde eine Bewerberin mit Hochschuldiplom im Fach Sozialwissenschaften. Die Klage einer anderen Bewerberin türkischer Herkunft und Muslimin war erfolglos. Da diese von Beruf ausgelernte Reisekauffrau war und lediglich praktische Erfahrungen in Integrationsarbeit gesammelt hatte, war die Situation der Bewerberinnen nicht vergleichbar gewesen.

Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts kann vorliegen, wenn einer Mitarbeiterin hauptsächlich aus dem Grunde gekündigt wurde, weil sie sich einer Behandlung zur In-vitro-Fertilisation (künstlicher Befruchtung) unterzogen hatte.[3]

[1] Die Materialien ziehen zur näheren Bestimmung der hinreichend konkreten Gefahr die Kommentierungen zu § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB (drohende Beeinträchtigungen) zurate.

2.2.2.2 Mittelbare Benachteiligung

Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Maßnahmen, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 Abs. 1 AGG genannten Grundes in besonderer Weise gegenüber anderen Personen (Vergleichsgruppen) benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Maßnahmen, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels erforderlich und angemessen.

 
Praxis-Beispiel

Zuwendungen in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen, die nur bei ununterbrochener Erwerbsbiografie gezahlt werden, können Frauen mittelbar benachteiligen.

Auch die Festlegung einer Mindestgröße als Einstellungsvoraussetzung kann eine mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts darstellen.

In einem Fall wurde die Bewerbung der Klägerin für den höheren Polizeivollzugsdienst der Bundespolizei abgelehnt, weil sie mit 1,58 m nicht über die von der Bundespolizei vorausgesetzte Mindestkörpergröße von 1,63 m bei Frauen verfügt. Im Vergleich dazu müssen Männer mind. eine Körpergröße von 1,65 m haben. Das Gericht[1] entschied, dass die Regelung eine ungerechtfertigte Benachteiligung wegen des Geschlechts darstellt. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass für Männer nur eine unwesentlich (2 cm) höhere Mindestkörperlänge vorausgesetzt wird; denn da Männer im Durchschnitt deutlich größer als Frauen sind, hat dieser relativ geringe Unterschied zur Folge, dass sich prozentual deutlich mehr Männer als Frauen für den höheren Dienst der Bundespolizei bewerben können.

Ein gleich gelagerter Fall wurde vor dem LAG Köln[2] entschieden. Hierbei ging es um die Einstellungsvoraussetzung für die Pilotenausbildung. Die verlangte Mindestgröße der Bewerber von 1,65 m war nicht unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit des Flugverkehrs gerechtfertigt.

[1] VG Schleswig, Urteil v. 26.3.2015, 12 A 120/14 (nicht rechtskräftig); so auch das VG Düsseldorf, Urteil v. 8.8.2017, 2 K 7427/17, in einem vergleichbaren Fall. Das Gericht entschied hier, dass die durch Erlass des Ministeriums des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen für die Einstellung in den Polizeidienst des Landes festgelegten Mindestgrößen rechtswidrig seien.

2.2.2.3 Belästigung

Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 AGG genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder...

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