1 Einführung

Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) hat sich mit den Gewerkschaften ver.di und dbb beamtenbund und tarifunion am 3.7.2013 auf einen Tarifvertrag zur Bewältigung des demografischen Wandels im Nahverkehr verständigt. Der Tarifvertrag tritt am 1.1.2014 in Kraft. Dieser Tarifvertrag gilt zwar nur für den Bereich des Nahverkehrs. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass die Gewerkschaften – wie für den Bereich der Entsorgungswirtschaft bereits geschehen – auch für andere Sparten des öffentlichen Dienstes ähnliche Forderungen erheben werden. Insofern ist dieser Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst insgesamt wie auch für andere Tarifbranchen von Bedeutung.

2 Ausgangspunkt

Der Tarifvertrag geht auf eine Vereinbarung zurück, die die Tarifvertragsparteien anlässlich der Tarifrunde 2008 getroffen haben. Darin heißt es:

Die Tarifvertragsparteien auf der Bundesebene werden für die kommunalen Nahverkehrsbetriebe im Laufe des Jahres 2008 Tarifgespräche aufnehmen, um die sich abzeichnenden Anforderungen aus dem Prozess der demografischen Entwicklung bundesweit zu gestalten. Es werden insbesondere die Themen:

  • Personalgewinnung und -entwicklung
  • Ausbildung
  • Lebenslanges Lernen
  • Gesundheitsmanagement
  • Eingeschränkte Leistungsfähigkeit (Fahrdienstuntauglichkeit)

aufgegriffen.

Anlässlich der Tarifrunde 2010 ist vereinbart worden, in einem Tarifvertrag zur demografischen Entwicklung im Nahverkehr auch über eine Anrechnung der Zeit als Arbeitszeit für die Schulung (Mindestqualifizierung) nach dem Berufskraftfahrerqualifizierungsgesetz zu verhandeln.

Die Mitgliederversammlung der VKA hat im November 2011 einen Grundsatzbeschluss gefasst, der sich nicht nur auf die Tarifverhandlungen zum demografischen Wandel im Nahverkehr bezieht, sondern auch auf die anderen Sparten des kommunalen öffentlichen Dienstes (z. B. Versorgung, Entsorgung). Der Beschluss hat folgenden Wortlaut:

Der demografische Wandel hat Auswirkungen auf die Kommunen und ihre Unternehmen in ihren Aufgabenstellungen und als Arbeitgeber. Dabei muss gesehen werden, dass die Betroffenheit je nach Region, Sparte, Berufsgruppe oder Tätigkeitsfeld differiert.

Die kommunalen Arbeitgeber beschäftigen sich intensiv mit den Auswirkungen des demografischen Wandels vordringlich auf der betrieblichen Ebene, auch durch Nutzung bestehender tarifvertraglicher Regelungen.

Ein Mentalitätswechsel hin zu einem Zusammenspiel von Fördern und Fordern ist notwendig. Auch die Beschäftigten müssen ihren Beitrag leisten, damit ihre Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit bis zum gesetzlichen Renteneintritt erhalten bleiben. Gesundheitsförderung kann nicht nur Sache des Arbeitgebers sein.

Forderungen nach pauschalen flächendeckenden Lohnerhöhungen, Arbeitszeitverkürzungen oder Frühverrentungen werden den Anforderungen durch den demografischen Wandel bei den Kommunen und ihren Betrieben nicht gerecht.

3 Präambel

In der Präambel des TV Demografie Nahverkehr wird dessen Zielsetzung beschrieben. In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass die mit dem demografischen Wandel verbundenen Herausforderungen nicht nur von den Arbeitgebern zu bewältigen sind, sondern auch die Beschäftigten hierzu ihren Beitrag leisten müssen ("fördern und fordern").

In Satz 8 der Präambel wird erstmals der Begriff "Beschäftigungsfähigkeit" verwendet. Dieser Begriff ist nicht mit dem im Arbeitsrecht geläufigen Begriff der "Arbeitsfähigkeit" gleichzusetzen. Arbeitsfähig ist derjenige, der imstande ist, die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit uneingeschränkt zu erbringen. Der Begriff "Beschäftigungsfähigkeit" meint die Fähigkeit, überhaupt sinnvoll beschäftigt zu sein, und zwar natürlich im besten Falle mit der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit. Ist dies nicht möglich, ist der Arbeitnehmer zwar im arbeitsrechtlichen Sinne arbeitsunfähig, im Regelfall aber noch beschäftigungsfähig.

 
Praxis-Beispiel

Ein als Busfahrer eingestellter und beschäftigter Arbeitnehmer legt eine ärztliche Bescheinigung vor, aus der mit überzeugender Begründung hervorgeht, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr als Busfahrer eingesetzt werden darf (sog. Fahrdienstuntauglichkeit). Aufgrund dieser Feststellung ist der Busfahrer im arbeitsrechtlichen Sinne arbeitsunfähig, da er die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung als Busfahrer nicht mehr erbringen kann. Er ist damit aber nicht gleichzeitig auch "beschäftigungsunfähig". Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn aus der ärztlichen Bescheinigung hervorginge, dass der Arbeitnehmer aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen überhaupt nicht mehr erwerbstätig sein darf, also ein Fall der vollen Erwerbsminderung vorliegt.

Die Beschäftigungsfähigkeit gilt es, bis zum gesetzlichen Rentenalter zu erhalten. Ein "sinnentleertes" Arbeitsverhältnis darf nicht entstehen. Diesen Begriff verwendet das BAG im Zusammenhang mit den Verpflichtungen, die Arbeitgeber gegenüber sog. unkündbaren Beschäftigten haben.

Der Tarifvertrag enthält lediglich Rahmenregelungen. Dieser Rahmen ist von den Betriebsparteien (Arbeitg...

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