Ausbildung: Vorstellungsgespräch führen

Um Ausbildungsabbrüche zu vermeiden, sollten Arbeitgeber ein besonderes Augenmerk auf die Auswahl der Azubis legen. Allerdings stehen dafür in der Regel nicht viele biografische Daten zur Verfügung. Wolfgang Saaman erläutert, wie Unternehmen Auszubildende trotzdem richtig auswählen können.

So individuell ein Bewerber für einen Ausbildungsplatz durch elterliche und schulische Erziehung in seiner Persönlichkeit wird, so vielgestaltig sollte das Verfahren der Auswahl von Azubis sein. Die richtige Person in die für sie am besten passende Ausbildung zu bringen, ist ein fundamentales Interesse des Ausbildungsbetriebs wie des Auszubildenden.

Auswahlverfahren Auszubildende

Bei Jugendlichen können Schulzeugnisse einen gewissen Anhaltspunkt für die Einschätzung von Begabung, Leistungsverhalten, Motivation und sonstige Persönlichkeitsmerkmale geben. Allerdings darf man diese Dokumente nicht überbewerten. Wenn man die Treffsicherheit der Einschätzung des Bewerbers auf ein höheres Niveau bringen will, sollte man am besten zwei Vorstellungsgespräche führen. Aus dem Lebenslauf lässt sich zumeist mehr ablesen, als nur das bis jetzt verlaufene Leben, zumal wenn er mit einem Bewerbungsschreiben einzureichen ist. Ein gut gemachtes Assessment Center bietet einen besonders gründlichen Blick auf den Bewerber. Darüber hinaus sind weitere Testverfahren zu überlegen, die das Bild vom geeigneten Bewerber schärfen helfen.

Azubi-Vorstellungsgespräch

Für das Vorstellungsgespräch für eine Ausbildung gilt zu beachten: Bei Erwachsenen, aber auch schon in einem Lebensalter zwischen sechzehn und zwanzig, gibt es extra- und introvertierte, unbefangene und befangene, sichere und unsichere Bewerber. Man sollte davon ausgehend noch nicht auf die später benötigte Eignung schließen. Der Mensch wächst mit seinen größeren Herausforderungen. Zwei Vorstellungsgespräche sind besser als eines. 

Zwei Auswählende sehen mehr als einer. Die Gespräche sollten nicht zu weit auseinander terminiert liegen, aber auch nicht am selben Tag sein. Im ersten Termin kann man einfach mal locker mit dem Bewerber reden, ihm schildern, wer für was gesucht wird. Dieses Gespräch kann von einer Person geführt werden die den Bewerber auflockert und sich ein erstes Bild vom Bewerber macht und ihn auf das zweite Gespräch einstimmt.

Ausbildung Bewerbungsgespräch

Das zweite Bewerbungsgespräch – gleichzeitig oder hintereinandergeschaltet von zwei Personen geführt – dient dazu, sich ein genaueres Bild von der Passgenauigkeit des Bewerbers zu machen. Hier kommt es darauf an, Motive, Werte, Fähigkeiten, Potenziale und persönliche Eigenschaften des Bewerbers strukturiert und möglichst genau zu erfassen. Während das erste Gespräch ein Dialog ist mit möglichst gleichen Sprechanteilen zwischen Bewerber und Firmenvertreter, liegt beim zweiten Gespräche die hauptsächliche Sprechleistung beim Bewerber. Die Firmenvertreter stellen freundlich sehr konkrete in die Tiefe gehende Fragen nach zukünftigen beruflichen und gegenwärtigen privaten Interessen (was der Bewerber mit dem Ausbildungsgang verbindet und was er sich nach der Ausbildung vorstellt, welchen Hobbies er nachgeht oder was ihm in seiner Freizeit wichtig ist). 

Bezogen auf die Gesamtzeit eines Gesprächs von zwei Stunden sollte die letzte halbe Stunde darauf verwendet werden zu klären, ob der Ausbildungsgang mit den Vorstellungen des Bewerbers zusammenpasst. Hierbei sollten auch Werte und Normen des Betriebes zur Sprache und auch vertragliches nicht zu kurz kommen.

Das Ziel dieser beiden Gespräche ist erreicht wenn die Firmenvertreter so viel wie möglich über den Ausbildungsbewerber erfahren und ihm eventuell seinen zukünftigen Job so realistisch wie möglich schildern. 

Vorstellungsgespräch führen: Checkliste

- Die Zahl 2 ernst nehmen: Zwei Vorstellungsgespräche sind besser als eines. Zwei Auswählende sehen mehr als einer.

- Themen im ersten Bewerbungsgespräch

  • Schilderung: Wer wird für was gesucht.
  • Motivation erfragen (Warum beworben, für was Interesse)
  • Hintergrundwissen erfragen (was über den Ausbildungsbetrieb bekannt ist)

Ergebnis: Erstes Bild vom Bewerber und Einstimmung auf das zweite Gespräch

Themen im zweiten Vorstellungsgespräch:

  • Strukturierte Fragen zu Motiven, Werten, Fähigkeiten, Potenzialen und persönlichen Eigenschaften des Bewerbers
  • Fragen nach zukünftigen beruflichen und gegenwärtigen privaten Interessen (was der Bewerber mit dem Ausbildungsgang verbindet und was er sich nach der Ausbildung vorstellt, was ihm in seiner Freizeit wichtig ist)
  • Hauptsächliche Sprechleistung beim Bewerber
  • Darstellung der Werte und Normen des Betriebes
  • Darstellung der vertraglichen Rahmendaten

Ergebnis: Genaueres Bild von der Passgenauigkeit des Bewerbers

Eignungsdiagnostik Auszubildende: Lebenslauf

Der chronologische Aufbau eines Lebenslaufs mit bloßen Daten ist für den Personaler weniger ergiebig als man meinen möchte. Wenn Bewerber Aussagen zu ihrem familiären Umfeld machen (Berufe der Eltern, Anzahl und gegebenenfalls Berufe oder Ausbildungsstände der Geschwister zuzüglich Angabe der Konfession), so sind solche Informationen schon aussagefähiger, aber immer noch mit Zurückhaltung zu bewerten. Zu leicht werden daraus Vorurteile geformt. Wenn der Lebenslauf erweiterte Angaben enthält, wird er durch Hinweise auf beherrschte Sprachen, sportliche oder sonstige Freizeitvorlieben schon aussagefähiger. Aber mehr als einen ersten oberflächlichen Eindruck geben Lebensläufe nicht her.

Der Lebenslauf kann aber als Basis für die weitere Diagnostik dienen, indem man sich entlang der Aussagen aus dem Lebenslauf im Bewerbungsgespräch mit dem Bewerber beschäftigt. Das macht man – wie schon erwähnt – am besten in Etappen unter jeglichem Verzicht auf suggestive oder manipulierende Fragen. Nicht nur hier gilt der weise Satz eines Kurt Tucholsky: "Der Vorteil der Klugheit besteht darin, dass man sich dumm stellen kann. Das Gegenteil ist schon schwieriger." Die Art der gestellten Fragen kann nicht offen genug sein.

Azubis finden: Assessement Center

Ein Assessment Center bietet sich an, wenn man für einen bestimmten Ausbildungsplatz mehrere Bewerber miteinander vergleichen möchte. In einem gut vorbereiteten und professionell durchgeführten Assessment Center gewinnen die Beobachter ein Bild von der GeschicklicAuswahl von azubis durch hkeit im Lösen bestimmter berufsrelevanter Aufgaben der Kandidaten sowie deren Sozialverhalten im Gruppenkontext. Die auszuwählenden Situationen, Aufgaben oder Übungen sollten auf die zukünftigen Anforderungen abgestellt sein. Die Beobachter müssen bezüglich sozialer Wahrnehmung geschult sein oder werden, das heißt sehen und hören, was ist – frei von Sympathie oder Antipathie gegenüber den Teilnehmern.

Die Leitung des Assessment Center sollte in Expertenhände gelegt werden. Einerseits ist zu bedenken, dass die Beobachtung strukturiert angelegt sein und sich auf wahrgenommenes Verhalten – mit Verzicht auf Interpretationen oder Deutungen – konzentrieren sollte. Andererseits führt eine atmosphärisch freundlich-lockere Durchführung zu besseren Ergebnissen, als  wenn die Bewerber unter Druck und Stress gesetzt werden.

In der Regel ist ein Tag eine angemessene Zeit für ein solches AC.  Danach sollten die Beobachter zusammenkommen und sich über ihre Beobachtungen so objektiv wie möglich austauschen.  Auch hier schützt die professionelle Begleitung vor einer Überinterpretation wahrgenommenen Verhaltens. Es gehört zur Wertschätzung gegenüber den Kandidaten, dass sie nachdem die Beobachterrunde ihre Beschlüsse gefasst hat, in einem Einzelgespräch oder schriftlich über ihr Abschneiden informiert werden.

Auswahl von auszubildenden durch Testverfahren

Daneben bieten sich zur Auswahl von Azubis zahlreiche Verfahren zur Intelligenz- und Persönlichkeitsmessung an. Bei den Intelligenzmessverfahren (WIT-2, PAI 30, I-S-T 2000 R oder IST, um nur einige zu nennen) handelt es sich um Verfahren, die verschiedene Intelligenzbereiche mittels Aufgabenstellungen erfassen. Bei den psychometrischen Verfahren zur Erfassung von Persönlichkeitsmerkmalen (FPI-R, HPI, PRF, um nur einige zu nennen) handelt es sich um fragebogengestützte Selbstbeschreibungen. Man sollte sich fachlichen Rat holen, welches der zahlreich am Markt vertretenen Verfahren das geeignetste für den jeweiligen Anwendungsfall ist.

Die Intelligenzmessverfahren zeigen jenseits der schulischen Noten die Intelligenzstruktur der Testteilnehmer auf. Allerdings sagen diese Verfahren mehr über die theoretische Intelligenzveranlagung aus als über die praktische Umsetzung der Intelligenz.

Die psychometrischen Verfahren geben Auskunft über die Persönlichkeitsstruktur, die über ein auf Anhieb nicht zu durchschauendes Fragesystem herausgearbeitet werden. Auch die Ergebnisse dieser Verfahren sind mit gewisser Vorsicht zu genießen weil schlussendlich nicht aufzudecken ist, welcher Teilnehmer mehr und welcher weniger geübt ist im Ausfüllen solcher Fragesysteme. Die Ergebnisse psychometrischer Verfahren verlieren an Aussagekraft, je mehr ein Testteilnehmer im Sinne sozialer Erwünschtheit als kritisch selbstreflektierend antwortet.

Bezugsquelle für Testverfahren ist unter anderem die Testzentrale.