Recruiting: Personalauswahl mit Persönlichkeitstests

Geht es darum, eine Stelle möglichst passgenau zu besetzen, spielt die Persönlichkeit der Kandidatinnen und Kandidaten eine ebenso große Rolle wie die fachliche Kompetenz. Deshalb setzen immer mehr Unternehmen Persönlichkeitstests ein. Dabei sollten sie einige Tipps beherzigen.

Persönlichkeitsanalyseverfahren werden immer häufiger eingesetzt, um den Auswahlprozess zu unterstützen. Argumente dafür gibt es viele, zum Beispiel:

  • übersichtliche Darstellung von sehr wichtigen Informationen, die ein besseres Kennenlernen der Bewerberinnen und Bewerber ermöglichen
  • fundierte Datenbasis für alle Phasen des Auswahlprozesses
  • anwendbar in fast allen Auswahlprozessen, verleiht den Auswählenden Kompetenz und Sicherheit auch bei der Besetzung neuartiger Positionen
  • die Ergebnisse des Tests geben einem Auswahlgespräch Struktur und Stringenz
  • dokumentierte Ergebnisse, die noch nach Monaten und Jahren interessant sind und immer wieder für weitere Beurteilungs- oder auch Personalentwicklungs-Prozesse genutzt werden können
  • perfekte Basis für das Überprüfen von Veränderungen
  • wertschätzende Rückmeldung für die Kandidatinnen und Kandidaten, wenn der Ergebnisreport ausführlich und verständlich gestaltet ist

Damit dieses Potenzial von Verfahren zur Persönlichkeitsanalyse ausgeschöpft werden kann, sollten allerdings einige grundlegende Dinge beachtet werden.

1. Nutzen Sie Persönlichkeitstests für das Einstellungsinterview, nicht für die Vorauswahl

Persönlichkeitsanalysen sollten immer nur ein Baustein eines multimodalen Auswahlverfahrens sein. Sie sind dafür gedacht, die Kandidatinnen und Kandidaten, die für eine Position in Frage kommen und die zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden, auf Grundlage der erhobenen Daten in der Tiefe kennenzulernen. Daher sollten niemals auf Grundlage der Ergebnisse von Persönlichkeitstests Personen aussortiert werden. Stattdessen sollten die Tests bei denjenigen Personen eingesetzt werden, die in die engere Wahl kommen. Im Vorstellungsgespräch oder im Assessment Center können dann die im Test erhobenen Daten mittels biografischer und situativer Interviewfragen verifiziert werden. Auf diese Weise ist es möglich, sehr viel mehr über die Persönlichkeit der Bewerberinnen und Bewerber herauszufinden als lediglich anhand des Lebenslaufs.

2. Achten Sie genau darauf, welches Persönlichkeitsmodell verwendet wird

Validität bedeutet, dass wirklich das gemessen wird, was der Tests zu messen vorgibt. Im Falle eines Persönlichkeitstests ist das die Persönlichkeit. Entscheidend für ein valides Testverfahren ist daher das Modell von Persönlichkeit, auf dem der Test aufbaut. Die Psychologie hat sehr klare Antworten auf die Frage, welches Modell Persönlichkeit abbilden kann: das Modell der "Big Five". Dieses wird von Profis zum Beispiel für Forschungsprojekte oder psychologische Studien zum Thema Persönlichkeit genutzt. Werden dagegen Modelle genutzt, die empirisch klar widerlegt sind (zum Beispiel typenbasierte Modelle), wird dadurch das gesamte Wissen der Persönlichkeitspsychologie ignoriert.    

3. Nutzen Sie Soll-Profile, um die Kandidaten zu verstehen und nicht, um sie zu bewerten

Viele HR-Verantwortliche arbeiten gern mit Soll-Profilen, mit denen ein Abgleich zwischen dem Profil der Bewerbenden und den Anforderungen der jeweiligen Position möglich wird. Dies ist grundsätzlich ein sinnvoller Ansatz, aber die Limitationen dieses Ansatzes sollten beachtet werden. Ein Persönlichkeitsprofil basiert auf der subjektiven Selbsteinschätzung der Bewerbenden und nicht auf einer objektiven Bewertung. Soll-Ist-Abgleiche können daher als gute Möglichkeit erachtet werden, tiefer in die Persönlichkeit der Kandidatinnen und Kandidaten einzutauchen, indem zum Beispiel Abweichungen zwischen Soll und Ist erkannt werden und gemeinsam besprochen werden. Auch hier gilt, dass Urteile aufgrund der reinen Ergebnisse (zum Beispiel eine große Soll-Ist-Abweichung) nicht sinnvoll sind.   

4. Beachten Sie, dass Kompetenzen nur indirekt erfasst werden können

Kompetenzen lassen sich nicht mit Kreuzen in einem Ankreuztest messen, sondern sie repräsentieren die Leistungsfähigkeit einer Person in einem klar umrissenen Kompetenzbereich. Planungskompetenz ist zum Beispiel die Fähigkeit, komplexe Pläne auszuarbeiten. Solche Kompetenzen können nur dann gemessen werden, wenn sie gezeigt werden. Planungskompetenz wird zum Beispiel dann sichtbar, wenn jemand komplexe Abläufe vorausplanen muss. Soziale Kompetenzen können nur in sozialen Situationen wie Gruppensettings sichtbar gemacht werden. Mit theoretischen Testverfahren misst man bestenfalls die Intelligenz (durchschaut die Person die Aufgaben?). Die Lösung: Entweder es wird mittels Korrelationen über die Persönlichkeitsstruktur auf die Kompetenzen geschlossen (das geht nur mit den "Big Five") oder die passenden Verfahren zur Messung der Kompetenz werden identifiziert und eingesetzt. Das sind zum Beispiel Postkorbübungen im Assessment Center (für Planungskompetenz), Gruppenübungen und Rollenspiele (für soziale Kompetenzen) oder Intelligenz- und Konzentrationstests (für kognitive Kompetenzen).

5. Geben Sie eine aussagekräftige Rückmeldung in Form eines verständlichen Ergebnisreports

Wenn Kandidatinnen und Kandidaten ihre Persönlichkeit im Zuge des Bewerbungsprozesses offenlegen, dann haben sie eine aussagekräftige Rückmeldung in Form eines mehrseitigen, verständlichen und interessant gestalteten Ergebnisreports verdient. Der Bewerbungsprozess ist für viele Menschen der erste Berührungspunkt mit einem Unternehmen. Mit einem interessanten Ergebnisbericht über die eigene Persönlichkeit kann eine positive Erfahrung daraus werden, egal ob die Bewerbung erfolgreich ist oder nicht.


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