Wohnungsbau: Jetzt brauchen wir den Spürsinn der Unternehmer

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen halten derzeit viele Wohnungsunternehmen vom Bauen ab. Nicht nur die Großen – wie Vonovia oder die LEG –, auch kommunale Unternehmen und kleinere Genossenschaften. Wie kann das Bauen klappen, wenn es eigentlich nicht klappen kann?

Zwar gibt es auch in schwierigen Zeiten noch Wohnungsunternehmen, die bauen. Die Bremer Gewoba legte trotz aller Widrigkeiten im Oktober 2022 den Grundstein für einen weiteren Neubau in der projektierten Gartenstadt Werdersee. Doch die meisten Nachrichten aus der Wohnungswirtschaft sind negativ bis bedrohlich. Baukostenexplosion, Zinsanstieg, Klimaschutzmaßnahmen und der Zickzack-Kurs in der Förderpolitik der Bundesregierung haben zum Stopp fast aller Bauvorhaben geführt.

Gleichzeitig steigen die Mieten wieder drastisch, denn der Bedarf an Wohnraum ist groß. Wie kommt der Wohnungsbau aus der Klemme raus? Und kommt er gleichzeitig voran auf dem Weg zur Klimaneutralität?

Das Bauen wird dauerhaft teurer

Aktuell gibt es Anzeichen, dass die Inflation wieder zurückgeht, die Nullzinsen werden aber auf absehbare Zeit nicht zurückkommen. Volkswirte und Banken sind sich einig, dass die Zinsen in den nächsten Jahren zwischen 1,5 und drei Prozent verharren werden. Es ist also davon auszugehen, dass Zinsen, Baukosten und energetischen Anforderungen an die Gebäude das Bauen dauerhaft verteuern.

Die bittere Wahrheit ist, dass die heutigen und zukünftigen baulichen Anforderungen Wohnungsunternehmen und Mieter wirtschaftlich überfordern. Die langfristigen Kalkulationen einer Genossenschaft im florierenden Großraum Stuttgart haben gezeigt, dass die Auflagen des Klimaschutzes sie in zehn bis zwölf Jahren in die Insolvenz treiben werden – und das ist kein Einzelfall.

Klimaschutz und Bauen: Vorschriften flexibilisieren

Während im Sommer 2021 Neubauprojekte noch mit Baukosten von rund 3.000 Euro pro Quadratmeter realisiert werden konnten, lag dieser Richtwert im Sommer 2022 bereits bei 4.000 Euro. Und die Preise sind weiter gestiegen. Die Baubranche steuert auf einen Konjunktureinbruch und eine Entlassungswelle diesem Sommer zu. Lange schon wird der mangelnde Anstieg der Produktivität im Bau angeprangert. Pilotprojekte und innovative Bauunternehmen zeigen, dass hier ein großes Potenzial zu heben ist.

Die energetischen Standards werden dauerhaft hoch sein, am Klimaschutz kommen wir nicht vorbei. Energetische Ausnahmen für den Wohnungsneubau – wie in Baden-Württemberg – werden die Ausnahme bleiben. Klimaschutz ist eine wirtschaftliche Mammutaufgabe, und deshalb ist es wichtig, hier einen möglichst effizienten Weg zu beschreiten. Dafür sind die aktuellen starren Vorgaben für einzelne Gebäude, bestimmte Ausstattung, Heiztechnologie und Energieversorgung nicht geeignet.

Günstige Mieten: Wirtschaftlich noch haltbar?

Das Bauen in Deutschland wird außerdem durch vielfältige andere Anforderungen, Standards und Regulierungen verteuert. Es muss dringend überprüft werden, was davon gestrichen werden kann, um die Kosten zu senken.

Viele Wohnungsunternehmen bieten sehr günstige Mieten im Bestand, deutlich unter den Marktpreisen. Analysen zeigen, dass sich der Anstieg der Bestandsmieten deutlich unter der langfristigen Inflationsrate bewegt. Ist das in Zeiten von einem hohen Investitionsbedarf in den Klimaschutz noch sinnvoll und durchhaltbar? Auch die Mieter werden ihren Beitrag dazu leisten müssen. Die Wohnungsunternehmen sind gefordert, auszuloten, was sozial und wirtschaftlich machbar ist.

Unternehmerischer Spürsinn wird wichtiger

Wie geht es weiter? Der Königsweg muss sein, dass alle beteiligten Akteure ihre Stärken einbringen. Unternehmerischer Spürsinn wird wichtiger. Den wird eine teilweise vom vielen Erfolg müde gewordene Branche wieder lernen müssen. Es gilt, Chancen in den lokalen Märkten auszuloten, verstärkt die Zusammenarbeit mit den Kommunen zu suchen, möglicherweise alternative Finanzierungswege aufzuspüren und technologisch neue Wege zu beschreiten. Es wird ein Bündel an Maßnahmen brauchen, um den Wohnungsbau wieder anzukurbeln. Ich sehe vier zentrale Ansatzpunkte:

  • Eine verlässliche finanzielle Förderung von Klimaschutz und sozialem Wohnungsbau,  
  • die Reduzierung und Vereinfachung von Auflagen und Standards für das Planen und Bauen jenseits des Klimaschutzes,
  • mehr Unternehmertum und innovative Ansätze in der Wohnungswirtschaft,
  • die Reduzierung der Baukosten durch Innovationen, die die Produktivität im Baugewerbe steigern.

Wie kann Bauen klappen, wenn es eigentlich nicht klappen kann?

Ein Erfolgsfaktor wird sein, dass möglichst alle im Unternehmen, Politik und öffentliche Verwaltung mitziehen und ihre Organisationen motivieren, den Aufbruch hinzukriegen. Wohnungsunternehmen, Kommunen, Bauunternehmen, Baustoffhersteller und Finanzdienstleister müssen ihren Beitrag einbringen. Wichtig ist, gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Vielleicht schaffen Verbände Kommunikationskanäle, um die Kräfte zu bündeln.

Wie kann Bauen klappen, wenn es eigentlich nicht klappen kann? Wenn die Branche nicht verzagt, sondern tätig wird, die Politik die Rahmenbedingungen schafft, könnte sie zu einem Vorreiter und Vorbild in der Wirtschaft werden. Für eine erfolgreiche Transformation.