Sozialwohnungen: Gerangel um die Fördertöpfe

Im Februar dieses Jahres gab Kingstone Real Estate (Kingstone RE), ein Investmentmanager mit Sitz in München, einen Ankauf für einen seiner Fonds bekannt. Ein Wohnhaus mit 48 Mietwohnungen, das derzeit von der BPD Immobilienentwicklung GmbH errichtet wird, geht nach der für Ende 2026 angekündigten Fertigstellung in den Bestand des Spezialfonds "Kingstone Bezahlbares Wohnen Deutschland" über, der Geld von institutionellen Investoren wie Pensionskassen und Versicherungen anlegt. Soweit nichts Besonderes – doch die Wohnungen in Weil am Rhein sind ausnahmslos öffentlich gefördert.
Die Transaktion in der 30.000-Einwohner-Stadt an der Grenze zur Schweiz und zu Frankreich ist kein Einzelfall. Immer mehr private Kapitalsammelstellen engagieren sich im öffentlich geförderten Wohnungsbau, der lange als Domäne von kommunalen und anderen öffentlichen, genossenschaftlichen und kirchlichen Wohnungsunternehmen galt. "Der Verkauf unseres Projekts in Weil am Rhein an Kingstone RE zeigt, dass auch private Investmentmanager zunehmend Interesse an sozial gefördertem Wohnraum haben", sagt Alexander Heinzmann, CEO der BPD Immobilienentwicklung GmbH.
Ähnliche Beobachtungen macht Bonava, ein anderer großer Projektentwickler. Deutlich mehr Investoren – insbesondere Family Offices und Stiftungen – seien an Projekten mit öffentlich geförderten Wohnungen interessiert, sagt Sophie Jenßen, Head of Sales bei Bonava. Und auch Michael Bender, Head of Residential beim Immobilienberater JLL, stellt eine gestiegene Aufmerksamkeit fest: "Sowohl institutionelle Investoren als auch Family Offices stehen dieser Art des Investments aufgeschlossener gegenüber als früher."
Förderung und Rendite zieht private Investoren an
Für diese neu entflammte Begeisterung gibt es einen einfachen Grund: Sozialwohnungen gelten aus Sicht von Investoren nicht mehr als Renditekiller, sondern als Renditebringer. Kingstone RE stellt Investoren eine Ausschüttungsrendite von vier bis 4,5 Prozent in Aussicht. Bei frei finanzierten Neubauwohnungen seien es bis zu zwei Prozentpunkte weniger, sagt der geschäftsführende Gesellschafter Dr. Tim Schomberg.
Andere Fondsgesellschaften, die in öffentlich geförderten Wohnraum investieren, gehen da zwar nicht mit – Thomas Meyer etwa, der Vorstand der Fondsgesellschaft Wertgrund Immobilien, sieht die Ausschüttungsrendite bei maximal 3,5 Prozent. Aber auch er weist auf einen wesentlichen Grund für das gestiegene Interesse privater Kapitalsammelstellen hin: "Einige Bundesländer bieten mittlerweile attraktive Förderbedingungen."
Die Folgen schildert Dr. Sören Gröbel, Director of Living Research bei JLL: "Bei manchem Projekt konnte eine Förderung die Lücke in der Rentabilität schließen, die in den vergangenen zwei Jahren durch stark gestiegene Bau- und Kapitalkosten entstanden war."
Soziale Unternehmen haben das Nachsehen
Überspitzt ausgedrückt: Sozialwohnungen retten mittlerweile Wohnungsbauprojekte, die sich im frei finanzierten Bereich nicht mehr rechnen. Diese Entwicklung beobachten langfristig ausgerichtete, sozial orientierte Bestandshalter mit Sorge.
"Es kann nicht sein, dass Wohnraumfördermittel in der Baukrise zu Rettungskapital werden", sagt Hans Maier, Direktor des Verbands bayerischer Wohnungsunternehmen (VdW Bayern). Seine Mitglieder sind besonders von der wachsenden Konkurrenz um die Fördermittel betroffen, da die im Jahr 2024 eingereichten Anträge die zur Verfügung stehenden Mittel bei weitem übertrafen – mit der Folge, dass es Anfang 2025 in Bayern zu einem Förderstopp kam. "Aus der Privatwirtschaft kamen rund 50 Prozent der Förderanträge", berichtet Maier. "Das hatten wir in der Vergangenheit nicht in diesem Umfang."
In anderen Bundesländern sind die Konsequenzen nicht ganz so einschneidend. Aber auch dort hat sich die Konkurrenz verschärft. "Die Landesförderung in diesem Bereich ist auch für private Projektentwickler und institutionelle Investoren interessanter geworden", stellt Dr. Iris Beuerle, Verbandsdirektorin des vbw Verband baden-württembergischer Wohnungs- und Immobilienunternehmen, fest.
Die gleiche Beobachtung macht Alexander Rychter, Direktor des Verbands der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Rheinland Westfalen (VdW Rheinland Westfalen), in Nordrhein-Westfalen. "Der Wettbewerb um die Mittel verschärft sich. Der Fördertopf ist vielerorts bereits stark belastet, insbesondere durch Anträge, die aus dem Vorjahr nachängen." Auch in Hamburg und Schleswig-Holstein bemühen sich verstärkt private Entwickler um eine öffentliche Förderung der Wohnungsbauprojekte, stellt Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), fest.
Langfristiges Engagement in den Quartieren
Die Direktoren der wohnungswirtschaftlichen Verbände betonen einhellig, dass sie privates Engagement im öffentlich geförderten Wohnungsbau nicht per se ablehnen. "Grundsätzlich ist der Bau jeder einzelnen bezahlbaren Wohnung gut und richtig", sagt Breitner. "Wenn also private Projektentwickler dieses Segment in den Blick nehmen, so hilft das, die Wohnungsmärkte zu entspannen."
Wichtig sei ein langfristiges Engagement in den Quartieren, das etwa die Integration von Menschen aus unterschiedlichen Ländern beinhaltet. "Ob ein Projektentwickler aus einem anderen Teil Deutschlands, der mit den örtlichen Gegebenheiten nicht viel am Hut hat, einen derartigen Aufwand betreibt, da habe ich meine Zweifel", meint der VNW-Direktor. Öffentlich geförderte Wohnungen seien mehr als ein Investment, das sich kurzfristig rechnen muss und nur als zweite Wahl gesehen wird, weil der normale Wohnungsmarkt gerade nicht richtig funktioniert.
Ähnlich äußert sich Maier vom VdW Bayern: "Wichtig ist für uns, dass geförderte Wohnungen nicht als Renditeobjekt gesehen werden, die dann zur Handelsware werden." Es gehe darum, langfristig bezahlbare Wohnungen zu schaffen und zu erhalten. Entscheidend sei nicht die Eigentümerstruktur eines Investors, sondern sein Geschäftsmodell: Nachhaltige Bewirtschaftung des Bestands oder möglichst hohe Rendite?
Rychter weist darauf hin, dass auch privatwirtschaftliche, kirchliche und industrieverbundene Immobilienunternehmen wie die Wohnungsgesellschaft des rheinischen Handwerks AG, die Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft mbH oder die Vivawest GmbH sich engagiert um Bestände kümmern. Er begrüßt grundsätzlich, "wenn sich auch private Akteure im öffentlich geförderten Wohnungsbau engagieren" – der Bedarf sei so groß, dass er von kommunalen und genossenschaftlichen Unternehmen allein nicht gedeckt werden könne. Problematisch werde es erst, wenn Fördermittel nur genutzt würden, um unrentable Projekte zu retten – oft mit dem Ziel, die Objekte weiterzuverkaufen. Ein Warnsignal dafür sei, wenn geförderter Wohnraum dazu dienen soll, strukturelle Schwächen im Grundstück aufzufangen, indem in unattraktiveren Lagen gebaut wird.
Rychter schlägt vor, vom Windhundprinzip wegzukommen, bei dem allein die Reihenfolge des Antragseingangs über die Bewilligung entscheidet. Nötig sei ein Bewilligungssystem, das die Qualität und den sozialen Mehrwert des Projekts berücksichtige. Man könne die öffentliche Förderung an die Auflage knüpfen, die Wohnungen über mehrere Jahrzehnte nicht zu verkaufen, ergänzt VNW-Direktor Breitner. "Dadurch würde sich rasch die Spreu vom Weizen trennen."
Kommunale Wohnungsunternehmen: "faire Partner"
Bei alledem darf nicht vergessen werden, dass es schon lange eine gut funktionierende Zusammenarbeit zwischen privaten Akteuren und kommunalen oder landeseigenen Wohnungsunternehmen gibt. In Berlin etwa wird ein erheblicher Teil der neuen Sozialwohnungen, die in den Bestand der sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen übergehen, von privatwirtschaftlichen Unternehmen entwickelt. So wurde im Juni 2025 der Grundstein für 234 geförderte Wohnungen im Bezirk Lichtenberg gelegt, die der Projektenwickler Inter Stadt AG baut und die nach Fertigstellung im Sommer 2028 an die landeseigene Stadt und Land Wohnbauten-Gesellschaft übergehen werden.
Mit landeseigenen Wohnungsunternehmen zusammen arbeitet auch Florian Lanz, Geschäftsführer der Laborgh Investment GmbH. Derzeit bereitet er in Kooperation mit der Howoge Wohnungsbaugesellschaft das Projekt Konnekt in Berlin-Marzahn vor, bei dem 1.700 zum großen Teil geförderte Wohnungen entstehen werden. Zwar beobachtet auch Lanz, dass private Investoren ihr Herz für Sozialwohnungen entdeckt haben. Er verkauft seine Projekte aber trotzdem lieber an landeseigene Unternehmen. "Sie sind stabile, professionelle und bonitätsstarke Käufer und damit faire Partner. Und sie haben einen positiven gesellschaftlichen Impact."
Der Beitrag ist eine Vorabveröffentlichung aus der Ausgabe 08/2025 der "DW Die Wohnungswirtschaft". Sichern Sie sich den vollen Zugang über den Shop.
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(Dr. Markus Krall)
Die Immobilisten für das Wohnen sind die größte Ansammlung von Ewiggestrige und Besitzstandswahrer im gesamten Wirtschaftsgeschehen.
Die erzählen nun seit Jahren, das Digitalisierung, industrielle Vorfertigung der Bauteile, sowie serielles und modulares Bauen eine Kosten- und Bauzeitreduzierung ermöglichen.
Bisher wurde der Beweis aber nicht erbracht, um damit Subventionen mit Sozialbindung wegfallen zu lassen. Aber das ist die Grundlage für den Neubau von Mietwohnungen für jedes Einkommen.
Eine Mietpreisbremse ist sinnlos und bietet immer wieder Stoff für Auseinandersetzungen zwischen den Interessengruppen.
Wirkungsvoller bzw. die einzige Lösung wäre ein marktgerechter Wohnungsbau für jedes Einkommen ohne Subventionen.
Das Gebot der Zeit im Wohnungsbau ist die Korrelation von Klimaneutralität, Nachhaltigkeit, Ressourcen-Produktivität und Wirtschaftlichkeit.
Die Alternative im Wohnungsbau für jedes Einkommen, wäre die Entflechtung von der
Beton-Fraktion hin zu effizienteren Bauweisen.
Ein Wohnungsbau mit Mieten für jedes Einkommen und ohne Subventionen ist nur als
Lean-Construction-Paket aus Konstruktion als das Was, Technologie als das Wie und Logistik in prozessorientierter Montage möglich.
Weniger Material, weniger Prozesse, weniger Bauzeit, weniger Kosten.
Vorbilder könnten die Prozesse in der sehr effizienten handwerklich prozessorientierten Montage im Automobil-, Flugzeug- oder Großschiffbau sein.
Der eigentliche Knackpunkt ist, wie das Modul konstruiert ist und wie es zusammengebaut werden kann. Das ist weit mehr als Vorfertigung, serielles und modulares Bauen, sowie Digitalisierung.
Das hat schon Konrad Wachsmann in seinem Buch von 1959 mit dem Titel:
„Wendepunkt im Bauen“ sehr exakt beschrieben.