Frauenkarrieren: Sprungbrett Netzwerke

"Vitamin B" ist eine höchst nützliche Substanz. Wer gut netzwerkt, baut Beziehungen auf, die ihn menschlich wie fachlich voranbringen können. Frauen sind beim beruflichen Netzwerken noch eher unterrepräsentiert – in der Immobilienbranche.

Die Nachricht, dass Netzwerken im Beruf wichtig und oft der Schlüssel zur Karriere ist, ist nicht neu. Das macht sie aber nicht weniger wahr: Ein großer Teil an freien Stellen – vor allem hochqualifizierte Jobs – werden nicht per Stellenanzeige, sondern über persönliche Kontakte vergeben. Das funktioniert aber logischerweise nur, wenn man voneinander überhaupt weiß.

Über Netzwerke lässt sich vieles gewinnen: ein neuer Job, spannende Kontakte, Tipps für fachliche Probleme, Rückendeckung, Wissen, Vorbilder, Erfahrungen, ein Profil. Wer ein bisschen Energie investiert, kann sich über das Netzwerken in seiner Branche sichtbar machen.

Viele Treffen der Branche sind eher Boys-Clubs

Vielleicht ist das im Umkehrschluss auch ein Grund, warum Frauen in der Immobilienbranche noch eher unterrepräsentiert sind – in Führungspositionen, in den Unternehmensspitzen, in Gremien und auf Podien. Weil es ihnen (noch) an Sichtbarkeit fehlt. Viele Treffen der Branche sind nach wie vor eher Boys-Clubs. Die weiblichen Vertreter der Zunft verlieren sich – schon rein zahlenmäßig – darin. Und so trifft Mann eben öfter auf Mann als auf Frau, um jemanden zu befördern oder weiterzuempfehlen. Für die Frauen in der Branche bedeutet das, dass sie aktiv und engagiert aus der Deckung kommen müssen, um sich präsent zu machen.

"Frauen in der Immobilienwirtschaft": Vorreiter für weibliches Netzwerken

Sprungbrett und Verstärker können – jenseits der Online-Berufsnetzwerke Xing und LinkedIn – die Netzwerke und Initiativen der Branche sein. Mal unisex, mal explizit an Frauen gerichtet. Wie etwa die "Frauen in der Immobilienwirtschaft", die als Vorreiter für weibliches Netzwerken in der weiter männerdominierten Branche gelten: In diesem Jahr wird 20-Jähriges gefeiert. Heute zählt der Verein bundesweit über 1.000 Mitglieder in 13 Regionalgruppen. Berufstätige Frauen aus allen Bereichen der Immobilienbranche treffen sich regelmäßig in ungezwungener Atmosphäre zum Austausch bei Fachveranstaltungen, Business Speed Dating Events oder Projektbesichtigungen. Einige Veranstaltungen stehen auch Männern offen. Das Angebot wird gerne genutzt.

Katrin Williams, Vorstandsvorsitzende "Frauen in der Immobilienwirtschaft"

"Es besteht großer Bedarf, sich aktiv zu vernetzen, denn gute Kontakte sind ein Karrierebooster bei der Jobsuche und auf dem Weg nach oben. Unser Verein pflegt intensiv Kontakte auch zu anderen Frauennetzwerken, national wie international, und bietet so Begegnungen auf Augenhöhe", sagt Katrin Williams, Vorstandsvorsitzende des Frauennetzwerkes und Gebietsmanagerin Immobilienwirtschaft bei Vodafone Kabel Deutschland.

So profitieren erfahrene und junge Netzwerkerinnen voneinander. Zum Weiterbildungsangebot gehören etwa Seminare, der jährliche Ingeborg-Warschke-Nachwuchsförderpreis sowie ein frisch aufgelegtes Mentoring-Programm, das gemeinsam mit der EBZ Business School entstanden ist. 17 EBZ-Studentinnen werden ein Jahr lang von erfolgreichen Immofrauen im Tandem-Format begleitet.

Williams ist eine der Mentorinnen und coacht derzeit eine 25-jährige Immobilienkauffrau, die berufsbegleitend Immobilienwirtschaft studiert. Williams ermutigt alle weiblichen Fachkräfte, beharrlich zu sein und Gesicht zu zeigen, um so die gesteckten Karriereziele zu erreichen.

Karriere-Netzwerk "Immobilien­junioren": Kein Extra-Format für Frauen

"Weg mit den Barrieren" ist der Leitsatz von Larissa Lapschies, Gründerin des Karriere-Netzwerks "Immobilien­junioren". Immer wieder sprachen Führungskräfte der Hamburger Immobilienwirtschaft die Asset Managerin darauf an, dass es in ihren Unternehmen an (weiblichem) Nachwuchs fehle. So rief Lapschies 2016 zunächst eine Xing-Gruppe "Hamburger Immobilienjunioren" ins Leben. Zu den Stammtischtreffen der ersten 140 Mitglieder kamen erfahrene Branchenvertreter, um mit dem Nachwuchs in Kontakt zu treten. Inzwischen gibt es bundesweit zwölf Standorte und knapp 7.000 Mitglieder.

Larissa Lapschies, "Immobilienjunioren"

Ein Extra-Format für Frauen lehnt Lapschies aber ab. Die Vertreterinnen der jungen, selbstbewussten "Generation Y“ sind vorne dabei. Beim Netzwerktreffen in Frankfurt war kürzlich mehr als die Hälfte der rund 100 Teilnehmer weiblich. Geladener Referent: Rainer Maria Schäfer, Geschäftsführer des Projektentwicklers Strabag Real Estate. Den Rahmen für die Treffen mit Vorbildern und Förderern halte man bei Laugenbrezeln, Currywurst und Softdrinks bewusst locker. Mittlerweile ist Lapschies hauptberufliche Geschäftsführerin der Immobilienjunioren und beschäftigt vier Mitarbeiter.

Für "Vitamin B" muss "frau" selbst in die Offensive gehen 

Mit F!F ist vor Kurzem eine Initiative an den Start gegangen, die beim Vernetzen eine Stufe höher ansetzt: Mit dem Ziel mehr "Frauen in Führung", kurz F!F, will man ein Netzwerk aus Unternehmen und Verbänden knüpfen, um mehr Bewegung ins Thema zu bringen. Im Juni 2019 gründete Anne Tischer, vormals Pressesprecherin beim Immobiliendienstleister Apleona, die Initiative.

Anne Tischer_Gründerin der Initiative Frauen in Führung (FiF)

Mittlerweile wird F!F von den etablierten Verbänden und Netzwerken der Branche unterstützt und steht unter der Schirmherrschaft des Bundeswirtschaftsministeriums.

Nicht, dass es zu wenig gut ausgebildete Frauen in der Immobilienwirtschaft gäbe. Aber "von Karrierestufe zu Karriere­stufe nimmt der Frauenanteil ab", sagt Sabine Georgi, Country Managerin beim Berufsverband RICS und Gründungsmitglied von F!F. Die Initiative setzt deshalb auf mehr Frauen in den oberen Führungsebenen und bezieht dafür "die männlichen Entscheider in den Unternehmen mit ein", erklärt Vorsitzende Tischer.

"No woman, no panel" – "Kein Podium ohne Frau"

Die ersten Mitgliedsunternehmen wie die Allianz Real Estate oder Commerz Real haben bereits feste Zielquoten und Fristen zur Erhöhung des Frauen­anteils in ihren Chefetagen bis zum Jahr 2022 festgelegt. Zum Konzept der Initiative gehört neben einer wissenschaftlichen Branchenbefragung unter anderem eine Interviewserie, in der Unternehmenslenker sich zum erklärten Ziel äußern oder erfolgreiche Managerinnen schildern, wie sie ihren Weg nach oben gemacht haben.

Die Idee dahinter: Vorbilder generieren Vorbilder – und machen Mut, sich selbst mehr zu zeigen. Mit diesem Ansatz wollen auch die internationalen Verbände und Netzwerke die Sichtbarkeit der vielen kompetenten Frauen erhöhen. "No woman, no panel" – "Kein Podium ohne Frau" – ist beispielsweise die Ansage von Sean Tompkins, Global CEO der RICS.

Auch beim Urban Land Institute (ULI) suche man für Veranstaltungen "sehr wachsam" nach Akteurinnen, sagt Stephanie Baden, Geschäftsführerin deutschsprachige Länder beim globalen Think Tank. Aber: "Für unsere Jahrestagung im vergangenen Mai haben wir von fünf angefragten Frauen fünf Absagen bekommen." Ihre Botschaft: "Traut euch!" Der Weg zu mehr Präsenz in der Branche muss von Frauen aktiv beschritten werden.

Tipps für Frauen zum Netzwerken

Zuhören können

Welche Unterstützung braucht mein Geschäftspartner, Kunde oder Kollege? Einen nützlichen Kontakt, einen hilfreichen Tipp? "Netzwerken bedeutet auch, dem Gegenüber gut zuzuhören", sagt Bettina Timmler, Regionalleiterin Rheinland der "Frauen in der Immobilienwirtschaft" und PR- und Kommunikationsberaterin.

Erst geben, dann nehmen

Die richtige Reihenfolge: "Geben, geben, geben. Dann erst nehmen", sagt Larissa Lapschies, Gründerin der "Immobilienjunioren". Wer zu früh auf Hilfe aus dem Netzwerk pocht, setzt die noch zarten Verbindungen aufs Spiel. Social-Media-Stratege Mike Sansone rät zur 70-20-10-Faustregel: 70 Prozent Hilfe geben, 20 Prozent Selbstmarketing betreiben, zehn Prozent selbst um Hilfe bitten.

Die eigene Mission kennen

Was erwarte ich von den Kontakten, und was will ich damit erreichen? Warum mache ich meinen Job, und was haben andere davon? PR-Profi Timmler: "Nur wer seine Ziele klar formulieren kann, kann diese auch anderen vermitteln."

Beziehungen pflegen – regelmäßig

Ein Netzwerk, in dem man sich öffnet und gegenseitig vertraut, will gehegt werden. "Etwa, indem man sich regelmäßig austauscht, Spass hat und verlässlich ist", betont Bettina Timmler. Aber: Je größer das Netzwerk, desto schwieriger wird es, persönliche Kontakte zu halten. Psychologe Robin Dunbar sieht die Obergrenze bei 150 Kontakten, auch in Zeiten von Facebook & Co. Tipp: 50 Top-Kontakte von Freunden, Mentoren, Geschäftspartnern erstellen, für die man in die Bresche springen würde – und umgekehrt. Und 100 weitere, für die dasselbe in abgeschwächter Form gilt.

Offen sein – und professionell

Bei aller Aufgeschlossenheit muss professionellen Netzwerkern immer klar sein: Auch wenn ein Stück dieselben Grundregeln wie in partnerschaftlichen Beziehungen gelten, handelt es sich eben um berufliche Kontakte. Und die haben Grenzen. "Diesen Unterschied müssen Männer und Frauen verinnerlicht haben", sagt Lapschies.

Schlagworte zum Thema:  Berufliche Weiterbildung, Leadership