"Ängste vor einer Immobilienblase haben sich relativiert"
Die Corona-Pandemie nötigte den Immobiliensektor in vielerlei Hinsicht zum Umdenken. So wird das alljährliche Schaulaufen der Branche in München auf der Expo Real – am 14. und 15. Oktober – diesmal als Hybrid Summit stattfinden. Sascha Klaus, Vorstandsvorsitzender der Berlin Hyp, gehört zu denen, die dem wichtigsten jährlichen Stelldichein der Immobilienbranche in Deutschland gespannt entgegenblicken.
Herr Klaus, mit welchen Erwartungen gehen Sie auf den Expo Real Hybrid Summit?
Sascha Klaus: Ich freue mich vor allem auf die Möglichkeit, endlich wieder mehr persönliche Gespräche führen zu können. Das hat mir in den vergangenen Monaten gefehlt. Der direkte, persönliche Erfahrungsaustausch über Video- und Telefonkonferenzen kann diesen allenfalls zum Teil ersetzen. Ich bin gespannt auf das neue Veranstaltungsformat auf der Expo Real. Denn selbst wenn die Virus-Pandemie ausgestanden ist, wird der Informationsaustausch der Entscheidungsträger künftig weiterhin verstärkt digital stattfinden.
Studien zufolge gefällt es vielen Arbeitnehmern, mehr digital vernetzt zu arbeiten, und das am liebsten von zuhause. Macht das Homeoffice Büroarbeitsplätze weitgehend überflüssig?
Klaus: Nein, das glaube ich nicht. Ich möchte das anhand eigener Erfahrungen erläutern. Während des Lockdown haben rund 90 Prozent unserer Mitarbeiter ihre Tätigkeiten mobil erledigt. Das hat situationsbedingt gut funktioniert. Aber dauerhaft dürfte sich das weder bei uns noch woanders durchsetzen. Der direkte, persönliche Austausch unter Mitarbeitern kommt sonst zu kurz. Ein Mix beider Tätigkeitsorte – zum Beispiel drei Tage Büro, zwei Tage mobil – kann aber sinnvoll sein, wenn die Rahmenbedingungen, etwa bezüglich des Datenschutzes, passen.
Der Corona-Schock hat viele Länder ökonomisch schwer getroffen. Wir erleben gerade, auch in Deutschland, den schlimmsten wirtschaftlichen Einbruch seit dem Zweiten Weltkrieg. Wie schätzen Sie die aktuelle Situation im Vergleich zur Finanzkrise ein?
Klaus: Der grundlegende Unterschied zur Situation von vor gut zehn Jahren ist, dass nicht der Immobilienmarkt oder die Banken die Krise ausgelöst haben, sondern eine Pandemie. Aus ihr wird, auch im Immobilienfinanzierungssektor, keine Bankenkrise resultieren, da die Immobilienfinanzierer heute deutlich stabiler aufgestellt sind als damals.
Woher nehmen Sie die Zuversicht?
Klaus: Das Zinsniveau ist viel niedriger, und Finanzierungen sind weit konservativer strukturiert als in der Finanzkrise. Das gilt für die Beleihungsausläufe ebenso wie für die wesentlich höheren Liquiditätspuffer. Es liegt wegen des niedrigen Zinsniveaus ja auch im Interesse vieler Investoren möglichst viel Eigenkapital einzusetzen. Dass unsere Finanzierungen auf einem stabilen Fundament ruhen, lässt sich zudem daran erkennen, dass das Angebot eines Tilgungsmoratoriums von Mitgliedsbanken des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken für gewerbliche Immobilienfinanzierungen bislang kaum in Anspruch genommen wurde.
Die Bundesregierung hat per Gesetz Insolvenzen bis Ende des Jahres ausgesetzt. Doch danach droht eine Insolvenzwelle. Welche Folgen kann das für die Immobilienbranche haben?
Klaus: Sollte es im nächsten Jahr tatsächlich zu einem starken Anstieg der Insolvenzen kommen, könnte das Immobilieninvestoren zeitverzögert durch das Ausbleiben von Mietzahlungen treffen. Wie sehr das auf die Banken durchschlägt, hängt von der Struktur des Kreditportfolios ab. Finanzierungen, zum Beispiel von Einzelhandelsimmobilien, scheinen auf den ersten Blick besonders anfällig zu sein. Letztlich ist aber der Einzelfall entscheidend. Bei Retailportfolien ist ein krisenresistenter Ankermieter aus unserer Sicht ein entscheidender Stabilitätsfaktor. Der Food-Sektor hat während der Pandemie an Bedeutung gewonnen.
Welche langfristigen Folgen resultieren aus der Coronakrise für die Immobilienbanken?
Klaus: Ängste vor einer Blasenbildung haben sich relativiert. Immobilien haben sich als langfristiger Stabilitätsanker erwiesen. Das Transaktionsvolumen wird zwar in diesem Jahr niedriger sein als 2019. Allerdings dürfte der Rückgang geringer ausfallen als befürchtet, sofern ein weiterer bundesweiter Lockdown vermieden werden kann. Das Zinsniveau wird noch viele Jahre sehr, sehr niedrig bleiben. Daher gibt es für risikoscheue Investoren zur Immobilie kaum eine Alternative. Das sieht man an der Entwicklung der Kaufpreise. Bei Wohnimmobilien zogen diese in den vergangenen Monaten sogar an.
Gerade Deutschland versucht, mit Hilfspaketen von historischem Ausmaß die Folgen der Corona-Pandemie abzufedern. Welche weiteren Maßnahmen sind Ihrer Ansicht nach nötig, um die Immobilienbranche dauerhaft für künftige Herausforderungen zu wappnen?
Klaus: Die Bundesregierung hat finanziell viel geleistet. Deutschland dürfte die Coronakrise besser bewältigen als die meisten anderen EU-Länder. Die Kehrseite der Medaille ist jedoch, dass die staatliche Neuverschuldung rasant steigen wird. Das darf nicht übertrieben werden. Stattdessen sollten Rahmenbedingungen attraktiver gestaltet werden, vor allem mit Blick auf das Erreichen der Klimaziele. Circa 40 Prozent des CO2-Ausstoßes hierzulande entfällt auf die Immobilienbranche. Um den drastisch zu senken, sollte – etwa im Rahmen einer Agenda 2050 – vor allem die Bestandssanierungsquote bei Gewerbeimmobilien von unter einem Prozent auf mehr als drei Prozent gesteigert werden. Ein Anreiz hierfür könnten attraktive Abschreibungsmöglichkeiten für solche Investitionen sein. Im Rahmen unserer neuen Nachhaltigkeitsagenda haben wir uns bereits Gedanken gemacht, was die Berlin Hyp beitragen kann. So wollen wir zum Beispiel mit dem neuen Transformationskredit die Anreize für energetische Sanierungen erhöhen.
Was wünschen Sie sich für die Expo Real im nächsten Jahr?
Klaus: Natürlich, dass die Corona-Situation bis dahin überwunden sein wird. Ich hoffe sehr, dass es im Laufe des kommenden Jahr gelingt, einen Impfstoff zu entwickeln und diesen breitflächig einzusetzen. Ich spüre auch bei mir eine starke Sehnsucht nach einer Normalisierung der Verhältnisse.
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