3 Fragen an Dr. Sascha Hemmen

Daten statt Darlings: So werden Städte zur Smart City


Digitalisierung von Kommunen: 3 Fragen an Dr. Sascha Hemmen

Wie Kommunen die digitale Transformation meistern, warum Daten der Schlüssel sind und welche Rolle Künstliche Intelligenz dabei spielt. 3 Fragen an Dr. Sascha Hemmen, Geschäftsbereichsleiter Smart City der Stadt Wolfsburg.

Herr Dr. Hemmen, was sind die größten Herausforderungen für Kommunen bei der Digitalisierung, und wie begegnen Sie diesen in Wolfsburg?

Dr. Sascha Hemmen: Die Kommunen haben sich in den vergangenen Jahren wahnsinnig weiterentwickelt. Vor ein paar Jahren galt: Wir müssen jetzt irgendwie digitalisieren – aber keiner wusste so richtig, wie. Heute ist allen klar geworden: Wir müssen mehr standardisieren. Das Thema Open Source kriegt eine andere Tragweite, und dieses Community-Building, also wie übertrage ich gut Lösungen auf andere, das ist eine Frage, die an viele Stellen nicht geklärt ist.

Das Schwierige ist: Wir haben keine standardisierten Ausgangssituationen. Also das, was bei mir läuft, läuft nicht in der Nachbarstadt, weil diese eine ganz andere Ausgangslage hat. Früher hat eben jeder sein eigenes Ding gebaut. Doch da passiert gerade sehr viel – man sieht, es kommt zu einer Konvergenz, und das Bewusstsein ist plötzlich da – das gab es vor fünf oder sechs Jahren noch nicht in dieser Ausprägung.

Ein großes Problem ist das "Kill your Darling"-Thema. Eine Kommune, die ihren eigenen Standard entwickelt hat, wird sich nur schwer davon trennen. Man muss irgendwann sagen: "Okay, das andere System ist vielleicht besser." Manchmal muss man auch wieder etwas über Bord werfen. Das ist hart für die Menschen, die vorher mit viel Herzblut daran gearbeitet haben. Aber wenn man das nicht macht, verliert man irgendwann den Anschluss an die anderen.

Deshalb gilt: Mit anderen reden. Den Austausch finden und offen sein. Es ist wichtig, Dinge einfach mal auszuprobieren. Und das ist oft schwierig, weil man bei den Kommunen erstmal die Möglichkeit dazu haben muss. Denn es ist natürlich nicht das Hauptgeschäft einer Kommune – unser Auftrag ist es, die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger zu erfüllen. Aber genau deshalb müssen wir uns auch um den digitalen Unterbau kümmern, damit oben alles besser läuft. Dafür braucht es Zeit und Rückhalt.

Digitalisierung heißt am Ende auch: Daten, Daten, Daten. Die Anwendung dahinter ist fast egal, wenn wir das gleiche Datenmodell verwenden. 

Komplette L'Immo-Folge mit Gastgeber Dirk Labusch und Dr. Sascha Hemmen                                                                             

                                                                                            

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit der Immobilienwirtschaft in Wolfsburg? Wo gibt es Berührungspunkte? 

Was wir anbieten können, ist das, was wir in unserem Ökosystem aufgebaut haben. Zum Beispiel im Bereich Parken: Wir haben das Parkleitsystem erneuert und eine Dateninfrastruktur aufgebaut. Jetzt werden wir demnächst in der Lage sein, die Daten auch überall hin zu transportieren, zum Beispiel in unsere Smart-City-App.

Mit der Immobilienwirtschaft sprechen wir beispielsweise darüber, wie sie ihre Tiefgaragen und Parkflächen einbinden können. Wenn jemand eine Tiefgarage öffentlich zugänglich machen möchte oder die Auslastung für Mieter sichtbar machen will, können wir die Daten über unsere Plattform spielen. 

Mit KI besser werden: Vom Smart Parking bis zum Wohngeldantrag

Wolfsburg setzt verstärkt auf Künstliche Intelligenz. Können Sie uns Beispiele nennen, wie KI in Ihrer Stadt bereits eingesetzt wird?

Wir haben im Mai dieses Jahres die Dienstanweisung zur KI-Nutzung veröffentlicht. Die Dienstanweisung ist mit Datenschutz, Personalrat und Organisationsmanagement abgestimmt. Sie regelt, dass wir dienstlich KI nutzen dürfen.

Wir haben außerdem unser eigenes KI-Studio. Das funktioniert ähnlich wie ChatGPT, aber wir haben die verschiedensten Anbieter eingebunden: Wir können zum Beispiel OpenAI GPT-5 oder Google Gemini 2.5 nehmen, je nachdem, wofür man es braucht, weil die unterschiedlichen Modelle für unterschiedliche Dinge gut sind.

Wir machen uns neben diesen Tools aber auch sehr viele Gedanken über echte Anwendungen. Zum Beispiel unser Smart Parking. Das ist ein Open-Source-Produkt, das sehr modular aufgebaut ist und den Vorteil hat, dass wir es super übertragen können, etwa auf Kehrmaschinen. Wir schauen, wo ist eigentlich welche Art von Müll in welcher Menge? Wir gehen damit auch das Thema Verkehr an, um zu verstehen, wo ist viel Verkehr, um ein Verkehrsmodell zu bekommen. Wir benutzen dasselbe Produkt eigentlich immer wieder, ändern kleine Teile und haben andere Anwendungsfälle.

Wir bauen außerdem gerade eine KI-Anwendung zum Wohngeldantrag. Für einen Wohngeldantrag musst man ganz viele Dokumente einreichen. Das wurde früher per Post geschickt. Ein Sachbearbeiter öffnete die Briefe und stellte fest: Dass ist eigentlich das falsche Dokument. Das ist doch Blödsinn. Jetzt kann man die Dokumente auf einer Website digital hochladen. Die KI prüft, ob es das richtige Dokument ist. Wenn ja, liest sie zum Beispiel die Kaltmiete aus und trägt sie direkt ins System ein. Fehlt etwas, bekommt der Bürger sofort Rückmeldung.

Beim Bauen gilt das Gleiche. Was passiert heute? Ich muss für meinen Bauantrag Unterlagen einreichen, dann sitzt dort vielleicht ein Sachbearbeiter, der auch ganz viel anderes zu tun hat, guckt es sich erst zwei Wochen später an und stellt erst dann fest, es fehlt noch was. Da können wir besser werden. 

Redaktionell bearbeiteter Ausschnitt aus der L'Immo-Folge mit Dr. Sascha Hemmen.


0 Kommentare
Das Eingabefeld enthält noch keinen Text oder nicht erlaubte Sonderzeichen. Bitte überprüfen Sie Ihre Eingabe, um den Kommentar veröffentlichen zu können.
Noch keine Kommentare - teilen Sie Ihre Sicht und starten Sie die Diskussion