BGH präzisiert, wer werdender Wohnungseigentümer ist
Hintergrund: Erwerber von Versammlung ausgeschlossen
Mehrere Wohnungseigentümer fechten einen in einer Eigentümerversammlung gefassten Beschluss an, weil die Erwerberin mehrerer Einheiten in der Anlage, die noch nicht als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen war, von der Teilnahme an der Versammlung ausgeschlossen worden war.
Das gemeinschaftliche Grundstück wurde vom seinerzeitigen Alleineigentümer in Wohnungs- und Teileigentum aufgeteilt. Im September 2015 wurde die Teilung im Grundbuch vollzogen. Im März 2016 wurde der erste Erwerber einer Einheit als Eigentümer im Grundbuch eingetragen.
Kaufvertrag nach Entstehen der Gemeinschaft geschlossen
Im Juni 2016 verkaufte der teilende Eigentümer einer anderen Erwerberin zwei schon errichtete und vier noch zu errichtende Wohnungen. Im August 2016 wurden zugunsten der Erwerberin Auflassungsvormerkungen für die errichteten Wohnungen im Grundbuch eingetragen und die Wohnungen an die Erwerberin übergeben.
Der Geschäftsführer der Erwerberin nahm im Januar, Mai und Juni 2017 an drei Eigentümerversammlungen teil und wurde zum Mitglied des Verwaltungsbeirats gewählt.
Ausschluss von Eigentümerversammlung
Auch an einer Eigentümerversammlung im November 2017 wollte der Geschäftsführer der Erwerberin teilnehmen. Ein Vertreter der Verwalterin schloss ihn von der Teilnahme aus und begründete dies damit, dass die Erwerberin noch nicht als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen sei.
In der Versammlung beschlossen die Wohnungseigentümer mit Stimmenmehrheit, den Verwaltungsbeirat zu ermächtigen, mit der Verwalterin zum 31.12.2017 einen Aufhebungsvertrag zu schließen.
War Erwerberin werdender Wohnungseigentümer?
Mehrere Eigentümer haben gegen diesen Beschluss Anfechtungsklage erhoben. Sie meinen, die Erwerberin sei als werdender Wohnungseigentümer so zu behandeln, als habe sie bereits Wohnungseigentum erlangt. Der Geschäftsführer der Erwerberin sei daher zu Unrecht von der Eigentümerversammlung ausgeschlossen worden.
Amts- und Landgericht hingegen hielten den Ausschluss von der Versammlung für rechtmäßig und haben die Anfechtungsklage abgewiesen. Die Erwerberin sei zum Zeitpunkt der Versammlung keine werdende Wohnungseigentümerin gewesen, weil der Kaufvertrag erst geschlossen worden war, nachdem die Wohnungseigentümergemeinschaft durch Grundbucheintragung der ersten Käuferin in Vollzug gesetzt worden war. Deshalb sei sie wie ein Zweiterwerber zu behandeln, der seine Stellung als Wohnungseigentümer erst mit seiner Eintragung im Grundbuch erlange.
Entscheidung: Ausschluss von Versammlung war rechtswidrig
Der BGH hebt das Urteil des Landgerichts auf und weist die Anfechtungsklage ab. Die Erwerberin war werdende Wohnungseigentümerin und durfte deshalb von der Teilnahme an der Eigentümerversammlung nicht ausgeschlossen werden.
Werdender Wohnungseigentümer ist wie Eigentümer zu behandeln
Nach der Rechtsprechung des BGH erlangt derjenige, der vom teilenden Eigentümer Wohnungseigentum erwirbt, mit der Eintragung einer Auflassungsvormerkung und der Übergabe der Wohnung eine besondere Rechtsstellung als werdender Wohnungseigentümer. Er ist während der Übergangsphase bis zu seiner Eintragung als Eigentümer in vorgelagerter analoger Anwendung des Wohnungseigentumsgesetzes wie ein Wohnungseigentümer zu behandeln und deshalb auch berechtigt, an der Eigentümerversammlung teilzunehmen und abzustimmen.
Diese Rechtsstellung verliert ein werdender Wohnungseigentümer nicht dadurch, dass mit der Eintragung des ersten Erwerbers in das Wohnungsgrundbuch die Wohnungseigentümergemeinschaft im Rechtssinne entsteht. Damit wandelt sich die werdende Wohnungseigentümergemeinschaft in eine Wohnungseigentümergemeinschaft um. Diese setzt sich nun für eine Übergangszeit aus den Volleigentümern und den übrigen Mitgliedern der früheren (beendeten) werdenden Gemeinschaft zusammen.
Es muss kein Bauträgervertrag sein
Die Anwendung der Grundsätze über die werdende Wohnungseigentümergemeinschaft setzt nicht voraus, dass es sich beim Ersterwerb vom teilenden Eigentümer um einen Bauträgervertrag handelt. Diese Grundsätze gelten vielmehr unabhängig davon, ob der Erwerbsvertrag eine Errichtungs-, Herstellungs- oder Sanierungsverpflichtung umfasst, für jeden Ersterwerb vom teilenden Eigentümer.
Werdender Wohnungseigentümer kann auch nach Entstehen der WEG hinzukommen
Die Rechtsstellung als werdender Wohnungseigentümer erlangt ein Ersterwerber mit der Eintragung einer Auflassungsvormerkung und der Übergabe der Wohnung oder Teileigentumseinheit. Dies geschieht, anders als Amts- und Landgericht meinen, unabhängig davon, ob der Erwerbsvertrag vor oder erst nach der Eintragung des ersten Erwerbers in das Grundbuch (und damit nach Entstehen der Wohnungseigentümergemeinschaft) geschlossen wird.
Damit erteilt der BGH der teilweise vertretenen Gegenansicht eine Absage. Nach dieser sollen nach Entstehen der Wohnungseigentümergemeinschaft keine werdenden Wohnungseigentümer mehr hinzukommen können, sondern alle, die ihren Erwerbsvertrag nach diesem Zeitpunkt schließen, als Zweiterwerber zu behandeln seien, die ihre Rechte als Wohnungseigentümer erst mit ihrer Eintragung im Grundbuch erlangen.
Bisher hatte der BGH die Eigenschaft als werdender Wohnungseigentümer ausdrücklich nur für den Fall bejaht, dass ein Erwerber den Erwerbsvertrag vor der Grundbucheintragung des ersten Erwerbers geschlossen, seine gesicherte Rechtsstellung durch Eintragung einer Auflassungsvormerkung und Übergabe der Wohnung aber erst danach erlangt hat.
Zeitpunkt des Erwerbs vom teilenden Eigentümer ist unerheblich
Auch einen weiteren Punkt stellt der BGH klar: Es macht keinen Unterschied, ob ein Ersterwerb vom teilenden Eigentümer während der eigentlichen Vermarktungsphase oder erst längere Zeit nach deren Abschluss erfolgt. In beiden Fällen sind die Erwerber als werdende Wohnungseigentümer einzustufen, so dass sie schon vor ihrer Eintragung im Grundbuch als Wohnungseigentümer zu behandeln sind.
Unberechtigter Ausschluss macht Beschluss rechtswidrig
Der rechtsfehlerhafte Ausschluss der Erwerberin schlägt auf die in der Eigentümversammlung gefassten Beschlüsse durch. Nachdem der Geschäftsführer der Erwerberin schon an mehreren Versammlungen teilgenommen hatte und in den Verwaltungsbeirat gewählt worden war, stellt ein Ausschluss von der Teilnahme bei unveränderter Sachlage einen schwerwiegenden Eingriff in den Kernbereich elementarer Mitgliedschaftsrechte dar. Dies hat zur Folge, dass die in der Versammlung gefassten Beschlüsse Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung widersprechen. Es kommt nicht darauf an, ob die Beschlüsse auch bei einer Mitwirkung des ausgeschlossenen Mitgliedes die erforderliche Mehrheit gefunden hätten. Ebenso ist unerheblich, ob die Beschlussmängelklage vom ausgeschlossenen Wohnungseigentümer oder - wie hier - anderen Eigentümern erhoben worden ist.
(BGH, Urteil v. 14.2.2020, V ZR 159/19)
WEG-Reform: Werdende Wohnungseigentümergemeinschaft soll gesetzlich geregelt werden
Um Rechtsunsicherheiten im Zusammenhang mit der Rechtsfigur der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft zu beseitigen, sieht der Gesetzentwurf zur WEG-Reform vor, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer schon mit Anlage der Wohnungsgrundbücher als Ein-Mann-Gemeinschaft entstehen soll. Ersterwerber von Wohnungseigentum sollen schon ab Besitzübergabe über die Verwaltung mitentscheiden können. Damit soll die von der Rechtsprechung entwickelte Rechtsfigur „werdender Wohnungseigentümer“ auch im Gesetz Niederschlag finden.
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