Leitsatz (amtlich)

Kostenfestsetzung (Anrechnung der außergerichtlichen Geschäftsgebühr auf die gerichtliche Verfahrensgebühr): Die Titulierung der außergerichtlichen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV in einem Prozessvergleich erfordert, um den Ausnahmefall des § 15a Abs. 2, Alternative 2 RVG zu erfüllen, eine unmissverständliche Regelung, der auch die Höhe der titulierten Gebühr zu entnehmen sein muss. Denn nur dann kann die hälftige Anrechnung auf die Verfahrensgebühr betragsmäßig richtig vorgenommen werden. Ein vergleichsweiser Verzicht auf die Geschäftsgebühr - etwa durch eine allgemeine Erledigungsklausel - bedeutet gerade keine Titulierung i.S.d. § 15a Abs. 2, Alternative 2 RVG und führt nicht zu einer Anrechnung gem. Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 4 RVG-VV auf die gerichtliche Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG-VV.

 

Normenkette

RVG § 15a Abs. 2; RVG-VV Nrn. 2300, 3100; RVG-VV Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Beschluss vom 20.10.2009; Aktenzeichen 26 O 417/08)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des LG Stuttgart vom 20.10.2009 - 26 O 417/08, wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Beschwerdewert: 349,78 EUR

 

Gründe

I. Der Kläger hat im Hauptsacheverfahren gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche in Folge eines Hundbisses geltend gemacht: den materiellen Schaden mit 1.230,71 EUR (Klagantrag Ziff. 1.), ein angemessenes Schmerzensgeld von mindestens 20.000 EUR abzgl. bereits gezahlter 5.000 EUR (Klagantrag Ziff. 2.), die Feststellung der Ersatzpflicht bezüglich künftiger Schäden (Klagantrag Ziff. 3.) und eine vorgerichtliche 2,0-Geschäftsgebühr einschließlich Nebenforderungen von 1.619,23 EUR (Klagantrag Ziff. 4.).

Der Rechtsstreit wurde durch Prozessvergleich vom 3.3.2009 beendet. Danach hatte der Beklagte an den Kläger Schadensersatz i.H.v. 1.000 EUR (Ziff. 1.) und Schmerzensgeld von weiteren 9.000 EUR (Ziff. 2.) zu bezahlen. In Ziff. 3. ist die Ersatzpflicht des Beklagten bezüglich künftiger Schäden des Klägers festgestellt worden und in Ziff. 4. haben der Kläger 30 % und der Beklagte 70 % der Kosten des Rechtsstreits übernommen.

Mit Beschluss vom 20.10.2009 hat die Rechtspflegerin auf der Grundlage der Kostenausgleichsanträge der Parteien und der vereinbarten Kostenquote die von dem Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten auf 1.417,60 EUR festgesetzt.

Gegen diesen ihm am 27.10.2009 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss wendet sich der Beklagte mit seiner am 10.11.2009 per Telefax (am 18.11.2009 mit Urschrift) eingegangenen sofortigen Beschwerde insoweit, als auf Klägerseite die Anrechnung der hälftigen Geschäftsgebühr von 419,90 EUR auf die Verfahrensgebühr unterblieben ist und letztere deshalb in voller Höhe von 1,3 (839,80 EUR) in Ansatz gebracht wurde. Die von ihm angestrebte Verbesserung (Beschwer) beträgt demgemäß 349,78 EUR (70 % von 419,90 EUR).

Der Kläger ist dem Rechtsmittel entgegengetreten - auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien wird verwiesen - und die Rechtspflegerin hat die Akten ohne Abhilfe dem OLG Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das als sofortige Beschwerde gem. § 11 Abs. 1 RPflG, §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 568 ff. ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige, insb. fristgerechte Rechtsmittel des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Es kann im vorliegenden Fall keine Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr stattfinden, da eine Ausnahmekonstellation gem. § 15a Abs. 2 RVG entgegen der Auffassung des Beklagten nicht gegeben ist. Festsetzungsfähig ist daher die volle Verfahrensgebühr - wie sie vom Klägervertreter mit Schriftsatz vom 17.8.2009 abweichend von den ursprünglichen Kostenfestsetzungsanträgen vom 29.4. und 13.5.2009 geltend gemacht wurde.

Der angegriffene Kostenfestsetzungsbeschluss, in dem die Anrechnung der Geschäftsgebühr unterblieben ist, hält damit der rechtlichen Nachprüfung stand:

1. Die Anwendung des am 5.8.2009 in Kraft getretenen § 15a RVG bei der Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV auf die gerichtliche Verfahrensgebühr (Nr. 3100 RVG-VV) gem. Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 4 RVG-VV ist nach der Rechtsprechung des Senats (OLG Stuttgart/Senat - rechtskräftig - AGS 2009, 371; ebenso u.a.: OLG Koblenz AGS 2009, 420; OLG Köln AGS 2009, 512; OLG München, Beschl. v. 13.10.2009 - 11 W 2244/09, in Juris; BGH/2. OLG Stuttgart NJW 2009, 3101; BGH/12. Zivilsenat AGS 2010, 54) auf noch nicht abschließend entschiedene "Altfälle" - wie den vorliegenden - auszudehnen.

Danach kommt aber eine Reduzierung der geltend gemachten und von der Rechtspflegerin berücksichtigten 1,3-Verfahrensgebühr infolge Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr auf 0,65 nicht in Betracht.

Nach § 15a Abs. 1 RVG wirkt sich die Anrechnungsvorschrift grundsätzlich im Verhältnis zu Dritten, damit insb. im Kostenfestsetzungsverfahren, nicht aus. In diesem musste und muss eine Verfahrensgebühr, von den in § 15a Abs. 2 R...

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