Leitsatz (amtlich)

1. Ein elektronischer Marktplatzbetreiber für Apotheken, der nach § 5 TMG für die Homepage verantwortlich zeichnet, über die der Kunde zu den in der streitgegenständlichen Werbung beworbenen Dienstleistungen gelangt, kann Schuldner des Unterlassungsanspruchs nach §§ 3, 3a, 8 Abs. 1 UWG i.V.m. § 9 HWG sein, auch wenn er selbst keine Versandapotheke betreibt.

2. Zu den Voraussetzungen der Haftung eines elektronischen Marktplatzbetreibers für Apotheken nach §§ 3, 3a, 8 Abs. 1 UWG i.V.m. § 9 HWG.

3. Der Erlaubnistatbestand des § 9 Satz 2 HWG ist ein Ausnahmetatbestand. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die beworbene Fernbehandlung den allgemeinen fachlichen Standards entspricht, liegt bei dem Werbenden.

4. Die pauschale Werbung für ärztliche Videosprechstunden ist gemäß § 9 HWG unzulässig, wenn der Eindruck erweckt wird, eine Videosprechstunde könne immer, also nicht nur bei bestimmten, eng begrenzten Indikationen in Anspruch genommen werden.

5. Der einschränkende Hinweis, dass die Videosprechstunde nur für Fernbehandlungen in Frage kommt, für die nach allgemeinen fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist, muss bereits in der Werbung selbst erfolgen, wenn der Verbraucher die beworbene Leistung nach Lesen der Werbung ohne weiteres durch Anklicken eines Links oder durch Scannen eines QR-Codes in Anspruch nehmen kann.

6. Ein elektronischer Marktplatzbetreiber für Apotheken, der selbst keine Apotheke betreibt, gehöht nicht zu dem in § 11 Abs. 1 ApoG definierten Adressatenkreis. Er kann jedoch als Gehilfe haften, wenn er die gegen § 11 Abs. 1 Satz 1 ApoG verstoßende Tätigkeit einer Versandapotheke unterstützt.

 

Verfahrensgang

LG Konstanz (Aktenzeichen 7 O 11/22 KfH)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Konstanz, Az. 7 O 11/22 KfH, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziffer I. des Tenors des erstinstanzlichen Urteils wie folgt lautet:

Der Verfügungsbeklagten wird im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft an den Mitgliedern des Vorstands der Verfügungsbeklagten zu vollziehen ist und insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf,

untersagt,

geschäftlich handelnd zu Zwecken des Wettbewerbs für eine Kooperation mit dem telemedizinischen Anbieter "Z" zu werben, bei der die Patienten aufgefordert werden, die Dienste des telemedizinischen Dienstleisters "Z" in Anspruch zu nehmen und zugleich die dort ausgestellten Verschreibungen an die Verfügungsbeklagte oder die X- Apotheke B.V. zu übermitteln, insbesondere wenn dies erfolgt wie nachfolgend eingeblendet:

((Abbildung))

und/oder

((Abbildung))

und von dort zu der unter AST 3a im Screenshot vorgelegten und nachfolgend abgebildeten Zielseite jeweils weitergeleitet wird:

((Abbildungen))

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Beschluss:

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 50.000,- EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Verfügungskläger (im Folgenden: Kläger), der in Konstanz zwei Apotheken betreibt, nimmt die Verfügungsbeklagte, die X-Service B.V. (im Folgenden: Beklagte), eine Gesellschaft mit Sitz in den Niederlanden und Schwester- oder Tochter-Gesellschaft der niederländischen Versandapotheke X-Apotheke B.V., im einstweiligen Verfügungsverfahren auf Unterlassung der Werbung für eine Kooperation der X-Apotheke B.V. mit dem Telemedizindienstanbieter Z in Anspruch.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird auf das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 10.06.2022 Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat dem Eilantrag stattgegeben und die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sei zulässig und sowohl aus dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen § 9 HWG als auch gegen § 11 ApoG jeweils in Verbindung mit § 3a UWG begründet.

Die Beklagte sei passiv legitimiert, da die beanstandete Handlung von der Beklagten als der nach dem Impressum (Anlage AST 2) für die Homepage Verantwortlichen ausgehe und daher ihre Werbung sei. Eine unlautere "geschäftliche Handlung" könne gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG auch zugunsten eines anderen Unternehmens vorgenommen werden. Zur Unterlassung verpflichtet sei in diesem Fall das handelnde Unternehmen.

Der Kläger berufe sich zu Recht auf die Grundsätze, die im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 09.12.2021, Az. 1 ZR 146/20, niedergelegt seien. Diese seien hier entsprechend anwendbar. Zu Recht habe der Bundesgerichtshof § 9 HWG europarechtlich nur am Maßstab der Richtlinie 2001/83/EU geprüft. Der Tatbestand einer Werbung für eine Fernbehandlung nach § 9 Satz 1 HWG sei durch die Werbung der Beklagten erfüllt. Der Tatbestand von § 11 ApoG sei in der Tatbestandsvariante der Zuführung von Patienten ebenfalls erfüllt.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Unt...

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