Leitsatz (amtlich)

1. Die Werbung für medizinische Fernbehandlungen, bei denen für die Diagnose und Verschreibung von Medikamenten allein ein Online-Fragebogen ausgefüllt wird, verstößt gegen § 9 S. 1 HWG.

2. Wird eine medizinische Fernbehandlung angeboten, stellt das Weglassen der Information über den Sitz des Anbieters im Ausland eine Irreführung durch Unterlassen im Sinne des § 5a UWG dar.

 

Normenkette

HWG § 9 Sätze 1-2; UWG §§ 3a, 5a

 

Verfahrensgang

LG Köln (Aktenzeichen 31 O 20/21)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 19.10.2021 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 20/21 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

3. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts Köln sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung hinsichtlich des Tenors zu I 2 und I 5 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 33.000 EUR abwenden, wenn die Klägerinnen nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Hinsichtlich der Kosten des Verfahrens kann die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerinnen vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Werbung für eine fernärztliche Behandlung sowie verpflichtende Angaben im Rahmen der Werbung.

Die Klägerinnen sind die Berufsvertretungen der Apotheker in den Bezirken Nordrhein und Westfalen-Lippe. Die Beklagte ist eine in den Niederlanden ansässige Versandapotheke. Sie betreibt auf ihrer Internetseite unter anderem einen Online-Shop, in dem Verbraucher nach Einreichung eines entsprechenden Rezeptes auch verschreibungspflichtige Medikamente bestellen können.

Auf ihrer Internetseite wirbt die Beklagte wie aus dem Antrag ersichtlich für das "Online-Portal A." (im Folgenden "A."), mit dem sie eine Kooperation eingegangen ist. A. wurde zum Zeitpunkt der beanstandeten Werbung von einer in England ansässigen Gesellschaft, der I. Ltd., betrieben. Mittlerweile sind die Ärzte für A. über eine Tochtergesellschaft (I. Medical Limited) aus Irland tätig. Der Hauptsitz von A. liegt weiterhin in Großbritannien.

Auf A. haben Verbraucher die Möglichkeit, eine Indikation zu wählen und nach Beantwortung eines Online-Fragebogens und anschließender Auswertung durch die Ärzte von A. ein sogenanntes Privatrezept ausgestellt zu erhalten. Mit diesem Rezept können die Verbraucher auf der Internetseite im Online-Shop der Beklagten das im Rezept genannte Medikament erwerben.

Die Beklagte gibt in ihren FAQ auf der Internetseite ferner an, dass ein pharmazeutisches Team vom Verbraucher eingereichte Rezepte prüfe. Bezüglich der näheren Gestaltung der Plattform A. und der Internetseite der Beklagten, den FAQ und des Online-Fragebogens wird ergänzend auf die Anlagen K2 bis K7 verwiesen.

Die Klägerinnen mahnten die Beklagte mit Schreiben vom 02.12.2020 wegen der im Rahmen des Berufungsverfahrens gegenständlichen und weiteren Wettbewerbsverletzungen erfolglos ab.

Die Klägerinnen sind der Auffassung gewesen, dass die Fernbehandlung nicht ausschließlich mit Kommunikationsmedien durchgeführt werde. Die Online-Fragebögen seien gerade kein Kommunikationsmedium. Ein solches Vorgehen entspreche auch nicht allgemeinen medizinischen Standards, die für eine Fernbehandlung erforderlich seien.

Zudem führe die Beklagte Verbraucher in die Irre, wenn sie nicht darauf hinweise, dass A. aus Großbritannien heraus betrieben werde. Verbraucher würden annehmen, dass es sich um eine deutsche Plattform handele und deutsche Standards Anwendung fänden.

Nach einem Hinweis des Landgerichts in der mündlichen Verhandlung haben die Klägerinnen ihre Anträge modifiziert.

Die Klägerinnen haben - nach Anpassung ihrer Anträge - beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meldung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, ab sofort zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen

1.1 einer Plattform, auf der ärztliche Dienstleistungen für Patienten in Deutschland angeboten werden, Patienten zuzuführen, wenn dies erfolgt, wie nachfolgend eingeblendet:

((Abbildung))

1.2 für eine medizinische Fernbehandlung zu werben oder werben zu lassen, sofern sich die Fernbehandlung im Ausfüllen eines Fragebogens erschöpft, wie unter Anlage K5 und K7 eingeblendet;

1.3 hilfsweise für eine medizinische Dienstleistung zu werben, ohne ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass derartige telemedizinische Dienstleistungen nicht in allen Fällen, sondern nur in den Fällen, wenn nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem behandelten Menschen nicht erforderlich ist, vorgenommen werden können;

1.4 für einen Service für Online-Rezepte zu werben auf der Plat...

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