Leitsatz (amtlich)

1. Die Beschlussanfechtungsfrist wird auch durch eine nicht unterschriebene Antragsschrift gewahrt, wenn keine Zweifel daran bestehen, dass das Schriftstück von dem Antragsteller stammt und seinem Willen entspricht.

2. Nimmt der Antragsteller seinen Antrag auf den Hinweis des Gerichts, die Beschlussanfechtungsfrist sei wegen der fehlenden Unterschrift nicht gewahrt, zurück, so kann ihm für einen erneuten Beschlussanfechtungsantrag keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Denn Wiedereinsetzung kann nur zur Heilung einer tatsächlich eingetretenen Fristversäumung, nicht jedoch zur Beseitigung der Folgen einer Rücknahmeerklärung bewilligt werden.

 

Normenkette

WEG § 23 Abs. 4; FGG § 22 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Essen (Beschluss vom 27.01.2003; Aktenzeichen 9 T 155/02)

AG Essen (Aktenzeichen 95 II 248/02)

 

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beteiligte zu 1) trägt die Gerichtskosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten dieser Instanz findet nicht statt.

Der Gegenstandswert des Verfahrens dritter Instanz wird auf 900 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten zu 1) bis 8) sind die Miteigentümer der vorbezeichneten Wohnungseigentumsanlage. In der Eigentümerversammlung vom 21.3.2002 wurde in Abwesenheit der Beteiligten zu 1) zu Tagesordnungspunkt 11 der Beschluss gefasst, „das Abrechnungsergebnis 1997 gegen die Rücklage aufzulösen”.

Die Beteiligte zu 1) hat mit einem dem AG am 16.4.2002 übermittelten Telefax mit Datum vom 17.4.2002 beantragt, „den Beschluss der ordentlichen Eigentümerversammlung vom 21.3.2002 zu Tagesordnungspunkt 11 für ungültig zu erklären” (AG Essen – 95 II 94/02). Die Telekopie gibt eine Unterschrift der Beteiligten zu 1) nicht wieder. Nach einem Hinweis auf die fehlende Unterschrift hat die Beteiligte zu 1) ihr Schreiben vom 17.4.2002 im Original mit Unterschrift dem AG – dort eingehend am 25.4.2002 – erneut übersandt und in der Folgezeit ihren Antrag näher begründet. In der mündlichen Verhandlung vor dem AG vom 22.7.2002 hat die Beteiligte zu 1) durch Erklärung zur Niederschrift ihren Antrag zurückgenommen.

Mit Schreiben vom 5.8.2002 hat die Beteiligte zu 1) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschlussanfechtungsfrist mit der Begründung beantragt, die Niederschrift über die Eigentümerversammlung sei ihr erst am 19.4.2002 zugegangen. Mit weiterem Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 22.8.2002 hat die Beteiligte zu 1) erneut Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschlussanfechtungsfrist und zugleich die Ungültigerklärung des Beschlusses der Eigentümerversammlung vom 21.3.2002 beantragt sowie angeregt, zunächst nur über die Wiedereinsetzung zu entscheiden. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, ihr sei in der mündlichen Verhandlung vor dem AG vom 22.7.2002 der Hinweis erteilt worden, ihr Beschlussanfechtungsantrag vom 17.4.2002 sei im Hinblick auf die fehlende Unterschrift unzulässig. Dieser Hinweis sei jedoch sachlich unrichtig. Das AG hat durch Beschluss vom 11.11.2002 den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen (AG Essen – 95 II 94/02).

Gegen diesen Beschluss hat die Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 4.12.2002 rechtzeitig sofortige Beschwerde eingelegt, die das LG durch Beschluss vom 27.1.2003 zurückgewiesen hat.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1), die sie mit einem dem OLG am 19.2.2003 übermittelten Telefax ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom selben Tag eingelegt hat.

II. Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 45 Abs. 1, 43 Abs. 1 WEG, 22 Abs. 2 S. 3, 27 FGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. Gegenstand des Rechtsmittels ist die isolierte Entscheidung über den Antrag der Beteiligten zu 1) auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschlussanfechtungsfrist des § 23 Abs. 4 S. 2 WEG. Die Vorschrift des § 22 Abs. 2 FGG bezieht sich zwar unmittelbar nur auf die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die Einlegung der sofortigen Beschwerde, findet jedoch nach gefestigter Auffassung auf die Versäumung der materiell-rechtlichen Ausschlussfrist des § 23 Abs. 4 S. 2 WEG entspr. Anwendung (vgl. etwa BGH BGHZ 54, 65 [79]; BayObLG v. 27.1.1989 – BReg. 2 Z 67/88, BayObLGZ 1989, 13 [15] = NJW-RR 1989, 656 [657]; OLG Hamm v. 24.1.1985 – 15 W 450/84, OLGZ 1985, 147 [150] = MDR 1985, 502). Dementsprechend unterliegt die isolierte Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag gem. § 22 Abs. 2 S. 3 FGG der sofortigen ersten Beschwerde, folglich auch die Beschwerdeentscheidung des LG der sofortigen weiteren Beschwerde (§ 27 Abs. 1 FGG). Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1) folgt daraus, dass ihre erste Beschwerde ohne Erfolg geblieben ist.

In der Sache ist das Rechtsmittel unbegründet, weil die Entscheidung des LG nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht...

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