Leitsatz (amtlich)

Zur Unwirksamkeit einer formularmäßigen Verpflichtung des Mieters, bei Abschluss des Mietvertrages vorhandene bauliche Anlagen bei Beendigung des Mietverhältnisses zu entfernen.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 29 O 157/17)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 14.03.2018 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin -29 O 157/17- im Tenor zu 2 teilweise abgeändert und klarstellend neu gefasst:

2) Die Beklagte wird verurteilt, die auf dem Grundstück ...

... Berlin ... belegene Parzelle 12

zu räumen und an die Klägerin geräumt herauszugeben.

Die Klage auf Abriss sowie ordnungsgemäße Entsorgung der aufstehenden

Baulichkeiten wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Von der Wiedergabe tatsächlicher Feststellungen wird abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist (§§ 313 a Abs. 1 S. 1, 540 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 ZPO).

B. Die zulässige Berufung, die sich allein gegen die Verpflichtung zu Abriss und Entsorgung der aufstehenden Baulichkeiten richtet, ist begründet.

I. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Abriss und Entsorgung der auf der Parzelle 12 aufstehenden Baulichkeiten gemäß § 546 Abs. 1 BGB i.V.m. § 8 Nr. 8 MV zu.

1) Allerdings ist das Mietverhältnis über die Parzellenfläche durch die fristlose Kündigung der Klägerin vom 23.12.2016 (zugestellt am 29.12.2016) wegen Rückstands mit (mehr als) zwei Monatsmieten wirksam beendet (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 lit. a und b BGB, § 4 Nr. 2 lit. c und d MV). Im Zeitpunkt der Kündigung war die Beklagte unstreitig mit mehr als vier Monatsmieten im Verzug.

Die Vertragsbeendigung steht auch rechtskräftig fest, da die Beklagte gegen die Verurteilung zur Räumung und Herausgabe des Grundstücks kein Rechtsmittel eingelegt hat und lediglich Abweisung der Klage auf Abriss und Entsorgung der Baulichkeiten begehrt.

2) Der Räumungsanspruch umfasst vorliegend nicht den Abriss und die Entsorgung der Baulichkeiten.

a) Allerdings folgt dies nicht etwa bereits daraus, dass die Gebäude mit vermietet worden wären. Werden von einem (Vor-)Mieter Baulichkeiten auf dem von ihm genutzten Grundstück eingebracht und mit diesem fest verbunden, so spricht eine Vermutung dafür, dass dies mangels besonderer Vereinbarungen nur in seinem Interesse für die Dauer des Mietverhältnisses und damit nur zu einem vorübergehenden Zweck i.S. von § 95 BGB geschehen sollte mit der Folge, dass diese Sachen als bloße "Scheinbestandteile" nicht gemäß §§ 93, 94 BGB in das Eigentum des Grundstückseigentümers übergehen, sondern im Eigentum des Mieters verbleiben (s. BGH NJW 2017, 2099 Tz. 7 f.; NJW-RR 2013, 910 Tz. 13). Vorliegend hat die Klägerin im Mietvertrag unter

§ 1 Nr. 2, 3 erklärt, dass die Baulichkeiten von einem früheren Mieter eingebracht seien, nicht zur Mietsache gehören und nicht mitvermietet werden. Kommt es zwischen dem Mieter und seinem Vormieter (wie vorliegend, dazu unten) zu keiner Ablösungsvereinbarung, so ist es eine Frage der Auslegung des Mietvertrags, ob sich die Gebrauchsgewährpflicht auf die Einrichtungen erstreckt, wobei dies bei Baulichkeiten im Zweifel anzunehmen sein mag (s. BGH NJW-RR 2018, 74 Tz. 10). Insoweit handelt es sich jedoch um eine Beschaffenheitsvereinbarung, die mangels diesbezüglicher gesetzlicher Bestimmungen einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB nicht unterliegt.

b) Umgekehrt folgt jedoch aus dem Umstand, dass die Baulichkeiten nicht mitvermietet sind, noch nicht, dass sie von der Beklagten entfernt werden müssten.

aa) Sofern nichts anderes wirksam vereinbart ist, hat der Mieter gemäß § 546 Abs. 1 BGB den bei Vertragsbeginn bestehenden Zustand wiederherzustellen. Daher hat er die von ihm selber errichteten Einrichtungen, insbesondere auch Baulichkeiten, zu entfernen (s. BGH NJW-RR 1994, 847, 848; BGHZ 96, 141 = NJW 1986, 309; NJW 1966, 1409). Einer von ihm errichteten Einrichtung steht es nach zutreffender ganz herrschender Meinung gleich, wenn er diese durch Vereinbarung mit seinem Vormieter zu Eigentum übernommen hat (s. OLG Hamburg NJW-RR 1991, 11; OLG Köln NZM 1998, 767; AG Brandenburg WuM 2003, 321, 323; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 13. Aufl., § 546 Rn. 39; Herrlein/Kandelhard, Mietrecht, 4. Aufl., § 546 Rn. 15, 17; Spielbauer/Schneider/Krenek, Mietrecht, 2. Aufl., § 546 Rn. 19; Staudinger/Rolfs, BGB, Neub. 2018, § 546 Rn. 27, 29; Erman/Lützenkirchen, BGB, 15. Aufl., § 546 Rn. 7; Scheuer/Emmerich in: Bub/Treier, Handb. der Geschäfts- und Wohnraummiete, 4. Aufl., V.A Rn. 38, 39). Maßgeblich für eine zur Räumungspflicht führende "Übernahme" ist die Eigentumslage am Scheinbestandteil (s. a. BGH NJW-RR 2013, 910 Tz. 12, 14, 15, 16, 21). Mit der Übernahme geht zugleich die Eigenschaft als Zustandsstörer vom Vormieter auf den Nachmieter über, so dass sich der Beseitigungsanspruch aus § 1004 BGB nunmehr gegen ihn und nicht mehr gegen den Vormieter richtet (s. BGH N...

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