Entscheidungsstichwort (Thema)

Mietrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Das in einem gewerblichen Mietvertrag dem Vermieter eingeräumte Recht, bei Ablauf des Vertrags die Wiederherstellung des alten Zustandes der vom Mieter für seine Zwecke umgebauten Räume verlangen zu können, entfällt, wenn der Vermieter nach Beendigung des Mietverhältnisses die Räume in der Weise umbauen will, daß die Wiederherstellungsarbeiten des Mieters wieder beseitigt werden müßten. Dem Vermieter steht auch kein Ausgleichsanspruch in Geld zu.

 

Normenkette

BGB § 249

 

Tatbestand

Der Kläger ist Eigentümer eines in H. gelegenen Hausgrundstücks, auf dem er bis zum Jahre 1962 ein Varieté betrieben hatte. Durch Vertrag vom 19. September 1962 vermietete er an die Beklagte im Erdgeschoß des Hauses die ehemaligen Varietéräume zur Nutzung als Gaststätte. Bei Abschluß des Mietvertrages stand fest, daß die Beklagte umfangreiche Umbauarbeiten vornehmen würde. Die Kosten sollten im wesentlichen von ihr selbst getragen werden. Hinsichtlich der Umgestaltungskosten verzichteten die Parteien auf jegliche Ersatzansprüche; dem Kläger war jedoch zugestanden worden, bei Ablauf des Vertrages die Wiederherstellung des alten Zustandes zu verlangen.

Das Mietverhältnis aufgrund des Vertrages vom 19. September 1962 endete am 15. Oktober 1972. Am 4. September 1972 schlossen die Parteien über das Mietobjekt einen neuen Vertrag (im folgenden: MV 72) auf zehn Jahre, beginnend am 16. Oktober 1972. Danach war der Beklagten gestattet, Veränderungen an und in den Mieträumen, insbesondere Um- und Einbauten, Installationen und dergleichen auf ihre Kosten vorzunehmen. Eine Vergütung für entsprechende Aufwendungen konnte sie nicht beanspruchen.

In § 26 Satz 1 MV 72 ist festgelegt, daß etwaige ungültige Bestimmungen des Mietvertrages die Wirksamkeit der übrigen Regelungen nicht berühren. Die Parteien vereinbarten für alle Streitigkeiten, die sich aus dem Vertrag ergeben, den Gerichtsstand H.

Die Beklagte hatte das Objekt seit Beginn des Mietverhältnisses im Jahre 1962 an eine Firma untervermietet, die dort eine Brauerei-Gaststätte betrieb. Nachdem über das Vermögen der Untervermieterin das Vergleichsverfahren eröffnet worden war, wurde der Gaststättenbetrieb im Juli 1981 eingestellt. Darauf kündigte die Beklagte das Mietverhältnis wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage mit sofortiger Wirkung. In seinem Antwortschreiben vom 20. Juli 1981 widersprach der Kläger der Kündigung. Die Beklagte beharrte auf ihrem Rechtsstandpunkt und regte eine Besprechung über die Beendigung des Mietverhältnisses an. Diese fand am 11. August 1981 statt. Mit Schreiben vom 28. August 1981 faßte die Beklagte den wesentlichen Inhalt des Gesprächs dahingehend zusammen, der Kläger sei zu dem Entschluß gekommen, das Mietobjekt nicht mehr als Gaststätte zu vermieten, sondern die Räumlichkeiten umzubauen und eine Einkaufspassage zu gestalten. Er habe bestätigt, daß die Wiederherstellung des Varietés nicht mehr in Frage komme. Der Kläger erwiderte, daß eine vorzeitige Rückgabe der Mietsache von einer anderweitigen Vermietung abhänge und daß noch offen sei, ob das Varieté wiederhergestellt werden solle. Mit Schreiben vom 24. November 1981 kündigte die Beklagte an, sie werde die Räume vorzeitig zum 1. Januar 1982 zurückgeben. Der Kläger widersprach und wies erneut darauf hin, daß er auf die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes der Mieträume nicht verzichte.

Der Kläger bot der Beklagten mit Schreiben vom 18. Oktober 1982 an, sie gegen Zahlung einer "Abfindungspauschale" aus dem Vertrag zu entlassen. Die Beklagte lehnte das Angebot ab, vertrat die Auffassung, das Mietobjekt in vertragsmäßigem Zustand zurückgegeben zu haben, und wies zugleich etwaige Schadensersatzforderungen zurück. Mit Schreiben vom 28. Dezember 1982 forderte der Kläger die Beklagte auf, den alten Zustand des Mietobjekts bis zum 10. Februar 1983 wiederherzustellen, andernfalls er Schadensersatz geltend mache.

Am 30. Dezember 1982 beantragte der Kläger ein Beweissicherungsverfahren u. a. über die Fragen, welche Maßnahmen erforderlich seien, um die Mieträume in den Zustand zurückzuversetzen, in dem sie sich am 15. Oktober 1962 befunden hätten, und welche Kosten dafür entstünden. In seinem Gutachten vom 25. März 1983 bezeichnete der Sachverständige die notwendigen Arbeiten und bezifferte die dafür entstehenden Kosten mit 1 087 173 DM brutto. Nicht berücksichtigt worden sind darin die Kosten für die Neuinstallation der elektrischen Anlage, der Klima- und Lüftungsanlage sowie für Holzarbeiten und Terrassierung des Publikumssaals. Diese belaufen sich nach dem Vorbringen des Klägers auf 833 940 DM. Mit der am 13. April 1983 beim Landgericht eingegangenen Klage macht der Kläger diesen Betrag und den vom Sachverständigen errechneten Betrag von 1 087 173 DM geltend. Außerdem verlangt er Nutzungsausfall in Höhe von 132 553,20 DM für den Zeitraum, der zur Wiederherstellung des Mietobjekts erforderlich war und den er mit drei Monaten veranschlagt.

Die Beklagte hat sich darauf berufen, der Mietvertrag biete keine Grundlage für einen Ausgleichsanspruch in Geld. Die Wiederherstellung des Varietés sei sinnlos, weil der Kläger eine umfassende Neugestaltung der Räume geplant habe. Unstreitig hat der Kläger nach dem Beweissicherungstermin begonnen, das Mietobjekt umzubauen, und zwar in mehrere Einzelgaststätten, Diskotheken, Kioske und ein Gewächshaus. Die Beklagte hat hilfsweise die Einrede der Verjährung mit der Begründung erhoben, der Kläger habe das Mietobjekt spätestens am 1. Juli 1982 zurückerhalten.

Das Landgericht hat die Klageansprüche dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen.

Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hält einen etwaigen Geldersatzanspruch für verjährt. Bei den geltend gemachten Forderungen handele es sich um Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen der vermieteten Sache im Sinne des § 558 BGB, die nach dieser Vorschrift in sechs Monaten, nachdem der Vermieter die Mietsache zurückerhalten habe, verjähren. Der Kläger habe die Mieträume Anfang Juni 1982 durch Übernahme eines Schlüsselsatzes, spätestens jedoch Ende Juni 1982 nach Kündigung des Stromlieferungsvertrages und Übernahme desselben zurückerhalten. Die Verjährung sei infolgedessen spätestens mit Ablauf des 30. Dezember 1982 eingetreten, weil der Beweissicherungsantrag zur Unterbrechung der Verjährung nicht geeignet sei.

II.

Die Frage, ob die Klageforderungen verjährt sind, stellt sich nicht. Die Auslegung des Vertrages ergibt nämlich, daß der Anspruch des Klägers auf Wiederherstellung des alten Zustandes des Mietobjektes wegen des Entschlusses des Klägers zur Umgestaltung der Mieträume entfallen ist und daß dem Kläger auch kein Ausgleichsanspruch in Geld zusteht.

1.

Das Berufungsgericht hat eine Auslegung von § 25 i MV 72 nicht vorgenommen, sondern lediglich die Fragen aufgeworfen, aber nicht beantwortet, ob der Wiederherstellungsanspruch des Klägers entfallen ist und ob sich - gegebenenfalls - durch ergänzende Vertragsauslegung ein Geldersatzanspruch ergeben könnte. Zwar obliegt eine Vertragsauslegung grundsätzlich dem Tatrichter. Das Revisionsgericht kann aber eine notwendige, vom Berufungsgericht unterlassene Auslegung selbst vornehmen, wenn das Berufungsgericht die dazu erforderlichen Feststellungen getroffen hat und weitere Feststellungen nicht mehr in Betracht kommen (BGHZ 65, 107). Ein solcher Fall liegt hier vor.

2.

Nach § 556 BGB ist der Mieter bei Vertragsende grundsätzlich verpflichtet, das Mietobjekt in dem Zustand zurückzugeben, in dem es sich bei Vertragsbeginn befand. Deshalb hat er, wenn sich nicht aus dem Vertrag - gegebenenfalls durch Auslegung - etwas anderes ergibt, Einrichtungen oder Aufbauten zu beseitigen. Für Umbauten gilt nichts anderes (Senatsurteil vom 27. April 1966 - VIII ZR 148/64 = WM 1966, 765; Palandt/Putzo, BGB, 44. Aufl. § 556 Anm. 1 c; MünchKomm/Voelskow § 556 Rdn. 11; BGB-RGRK 12. Aufl. § 556 Rdn. 10). Die Parteien haben also in § 25 i nichts anderes getan, als die gesetzliche Regelung zu wiederholen und, um etwaige Streitigkeiten auszuschließen, klarzustellen, daß aus dem Mietvertrag - etwa mit Rücksicht auf die von der Beklagten übernommenen erheblichen Umbaukosten - kein Ausschluß des Wiederherstellungsanspruchs hergeleitet werden kann. Mit Recht hat das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang deshalb auch darauf hingewiesen, daß die genannte Vertragsbestimmung lediglich die Modalitäten des Rückgewähranspruchs regelt.

3.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern (§ 157 BGB). § 25 i des Mietvertrags kann nicht anders verstanden werden, als daß dem Vermieter ein Wiederherstellungsanspruch nicht zusteht, wenn er wie hier den wiederhergestellten Zustand alsbald beseitigen müßte, um die von ihm geplanten Umbauarbeiten durchführen zu können. Eine gegenteilige Regelung kann nicht Gegenstand vernünftiger Parteivereinbarung gewesen sein. Soweit der Kläger dennoch mit Fristsetzung Wiederherstellung und nach Fristablauf Schadensersatz verlangte, fehlte diesem Begehren somit die Rechtsgrundlage.

4.

Der Kläger kann aber auch nicht - etwa aufgrund ergänzender Vertragsauslegung - verlangen, daß die Beklagte ihm einen Ausgleich in Höhe der zur Wiederherstellung erforderlich gewesenen Kosten leistet. Der gesetzliche Herausgabeanspruch (§ 556 BGB) gibt dem Vermieter lediglich das Recht, die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes zu verlangen, nicht aber die Befugnis, einen Beitrag zu einem Umbau der Mieträume für einen anderen Zweck zu fordern. Nichts anderes gilt für § 25 i des Mietvertrages, der, wie ausgeführt, lediglich zur Klarstellung die gesetzliche Regelung wiederholt.

5.

Die Rechtsprechung des erkennenden Senats zum Geldausgleich für wegen Umbau des Mietobjekts entfallender Schönheitsreparaturen (BGHZ 77, 301 und BGHZ 92, 363) ist nicht einschlägig. Tragender Grund jener Entscheidungen war die Erwägung, daß die Übernahme der in periodischen Abständen auszuführenden Schönheitsreparaturen regelmäßig ein Teil der vom Mieter für die Gebrauchsüberlassung zu erbringenden Gegenleistung ist. Er trifft auf den aus der Vertragsbeendigung folgenden Rückgabeanspruch des Vermieters nicht zu.

6.

Da die Klageansprüche aus den dargelegten Gründen nicht zur Entstehung gelangt sind, kommt es nicht darauf an, ob, wie die Beklagte geltend macht, der Kläger auf mögliche Rechte aus § 25i MV 72 verzichtet hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1456466

BGHZ, 141

NJW 1986, 309

JZ 1986, 287

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