Renditechance: High-Street-Immobilien auch als Büros nutzen

Handelsimmobilien in deutschen Innenstädten haben mehr zu bieten als Mieteinnahmen aus den Läden. Eine Modellrechnung von JLL am Beispiel der Münchner Flaniermeilen zeigt: Das Potenzial steckt in den oberen Stockwerken – in Büros umgebaut, kann ein Mietplus von mehr als 200 Prozent drin sein.

Je nach Stockwerk und Mietniveau kann mit einer Umnutzung von Ladenflächen in den oberen Stockwerken der Ertrag über Büroflächen mehr als verdoppelt werden, wie die Fallstudie des Immobilienberaters JLL für die Münchner Top-Einkaufsmeilen Neuhauser Straße und Kaufingerstraße zeigt. Hier haben demnach 55 Prozent der Geschäftshäuser Potenzial für signifikante Mietsteigerungen.

Auch das Szenario Wohnen untersuchte JLL, jedoch erreichte dies nicht ansatzweise das Wertsteigerungspotenzial einer Büronutzung und unterliegt zudem relativ strikten, gesetzlichen Regularien.

Obere Stockwerke in Läden sind bei Kunden kaum beliebt und bringen weniger Umsatz und Miete ein

Entscheidet sich ein Investor in München zum Beispiel dazu, die oberen drei Stockwerke eines Geschäftshauses als Büroräume anzubieten, so das JLL-Szenario, bieten sich zwei Optionen auf eine Wertsteigerung. Zum einen wird in München nach Bruttogrundfläche vermietet, von Fassade zu Fassade, was den Raum laut JLL buchhalterisch rund 15 Prozent größer macht, zum anderen liegen die Bürospitzenmieten in den Toplagen der Münchner Innenstadt pro Quadratmeter und Monat deutlich über den Mieten der Ladenräume in den oberen Stockwerken.

Das Angebot an modernen Büroräumen in der Münchner City ist klein, die Nachfrage groß. Das habe dazu geführt, dass die Bürospitzenmiete 40 Euro pro Quadratmeter und Monat mittlerweile überschritten habe, sagt Fritz Maier-Hartmann, Senior Team Leader Office Leasing bei JLL München. Im Rechenbeispiel heißt das: Eine Handelsfläche im zweiten Stock könnte statt bislang 15 Euro pro Quadratmeter nach der Umnutzung in Büroflächen 46 Euro erzielen – das wäre ein Plus von mehr als 200 Prozent, rechnet Maier-Hartmann.

Die entscheidende Größe im JLL-Rechenmodell für eine exemplarische High-Street-Immobilie in der Münchner City ist der bislang erzielbare Mietertrag in den oberen Stockwerken: Je höher der Kunde steigen oder fahren muss, desto geringer ist die Miete, die der Händler an den Eigentümer überweist, heißt es da. Werde im Erdgeschoss derzeit eine Spitzenmiete von 360 Euro pro Quadratmeter monatlich bezahlt, seien es im ersten Obergeschoss bereits nur noch 150 Euro und ab dem zweiten Stock nur noch 15 Euro.

Viele Eigentümer von Geschäftshäusern in der Münchner Innenstadt spüren laut JLL bereits, dass sie nicht mehr die komplette Fläche vermieten können – erst recht nicht zu den Preisen, die sie lange gewohnt waren. Der dramatische Angebotsmangel an Büroflächen wiederum lässt den Experten zufolge erwarten, dass die Mieten in diesem Feld weiterhin steigen werden.

Exit-Szenario: Höhere Kapitalwerte mit gemischt genutzten Immobilien

"Die oberen Flächen sind für den Eigentümer also nicht ertragreich und vom Händler kaum noch gewollt, denn der hat die Personalkosten, aber kaum Umsatz auf diesen Ebenen“, analysiert Julian Nasiri, Team Leader Retail Investment bei JLL München.

Weiter gedacht: In einem Exit-Szenario, also dem Gedanken an den Verkauf der betreffenden High-Street-Immobilie, wird derzeit für Büroflächen deutlich mehr bezahlt – mit solchen gemischt genutzten Immobilien lässt sich laut JLL auch der Kapitalwert erhöhen, erklärt Nasiri. Ein schnellerer Zugriff auf Wertsteigerungspotenziale der Büromieten durch kürzere Mietvertragslaufzeiten sei zudem auch für institutionelle Investoren interessant.

Eingerechnet werden in die Kalkulation müssen die Kosten für Umbaumaßnahmen. Hier geht JLL von rund 1.300 Euro in der Regel bis zu 4.000 Euro pro Quadratmeter in Ausnahmefällen aus.

Nachlassende Nachfrage nach Einzelhandelsflächen als Chance zum Umbau nutzen

Der Schritt, auf Mischnutzung "umzusatteln", ist laut JLL die logische Konsequenz aus der Entwicklung des Einzelhandelsvermietungsmarktes in den vergangenen Jahren. JLL sieht keine Krise des stationären Handels, sondern geht vielmehr von einer Normalisierung aus, nachdem der Einzelhandel seit den 1980er-Jahren enorm zugenommen hatte und jede freie Fäche absorbiert wurde.

"Viele sehen im Rückgang der Flächennachfrage und Zugeständnissen bei der Miete einen Nachteil für die Einzelhandelsimmobilie", sagt Nasiri. Investoren fokussierten sich deshalb häufig stärker auf andere Assetklassen und blendeten aus, wie viel Potenzial durch diese Entwicklung in den Bestandsgebäuden liege, wenn man sich von der bisherigen Nutzung verabschiedee und einen vertikalen Nutzungsmix erwäge.