Mannheim: Vielfalt im größten Konversionsprojekt Deutschlands
60 Jahre lang war das Areal des Benjamin-Franklin-Village eine Stadt in der Stadt Mannheim. Das Armeegelände der US-Streitkräfte war besonders seit dem 11.9.2001 weitgehend abgeschottet – mit Zäunen und Einlasskontrollen. Bis zu 10.000 Amerikaner lebten und arbeiteten hier. Ihre "Stadt" bestand aus insgesamt 2.080 Wohneinheiten in 103 Mehrfamilienhäusern, elf Einfamilien- und 46 Doppelhäusern.
2014 haben die Amerikaner ihre größte deutsche Liegenschaft in Deutschland verlassen. 2015 unterzeichnete die städtische MWSP Projektentwicklungsgesellschaft den Kaufvertrag mit der BImA, der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Es war der Startschuss für ein gigantisches Konversionsprojekt. In Anlehnung an die amerikanischen Wurzeln wurde es Franklin genannt. Auf der 200 Hektar großen Konversionsfläche, die fast so groß ist wie die Mannheimer Innenstadt, soll in den kommenden zehn Jahren ein neuer Stadtteil für rund 9.000 Einwohner entstehen.
Ein lebendiger neuer Stadtteil
Franklin soll ein lebendiges, ökologisches Stadtquartier mit einem Mix aus Wohnraum, Arbeits- und Einkaufsmöglichkeiten, Gastronomie und Bildungseinrichtungen werden, mit einem durchdachten Verkehrskonzept und kurzen Wegen in die umliegenden Viertel, zum Zentrum und in die Natur. Etwa die Hälfte der alten Gebäude wird abgerissen, da sie nicht mehr den heutigen Standards entsprechen. Um die 70 Bestandsgebäude werden umgebaut und grundlegend saniert.
25 Investoren werden den Stadtteil entwickeln, jeder hat einen eigenen Auftrag, um das Stadtbild zu prägen und eine ausgewogene soziale Mischung zu gewährleisten. Entstehen soll eine in Mannheim bisher nicht vorhandene Palette an Wohntypologien, sozialer Wohnungsbau, freie Mietwohnungen in unterschiedlicher Ausstattung, gehobenes Wohnen im Eigentum, gemeinschaftliches Wohnen sowie Wohngruppen für Menschen mit Behinderung. Franklin soll auch inklusiv und multikulturell werden. Neben dem Vereinssport und kommerziellen Nutzungen soll es viel Platz für private Veranstaltungen geben. Neue genossenschaftliche Konzepte will man ebenfalls realisieren, ebenso ein Hotel für Menschen mit Behinderung.
Drei Architekturbüros – Haascookzemmrich Studio 2050, MVRDV und Albert Speer & Partner – werden Franklin ein Gesicht geben. Die MWSP, die Franklin kostenneutral entwickeln soll, spricht von Hochbauinvestitionen von über einer Milliarde Euro. Im April 2016 begannen der Abbruch von 220 Gebäuden und die ersten Erschließungsmaßnahmen. Parallel wurde die Fläche auf Schadstoffe und Kampfmittel untersucht. Zuvor war bereits die Grünplanung erfolgt. Von dem insgesamt 144 Hektar großen Gelände werden knapp 50 Hektar Grün- und Freiflächen sein – Platz für Begegnung, Sport und Erholung. Sie entstehen durch den Rückbau nicht mehr benötigter versiegelter Flächen und Gebäude.
Innovative Bauten, nachhaltiges Energie- und Mobilitätskonzept
Eine ganz große Rolle spielen im neuen Quartier die Themen Energie und Mobilität. Die im Rahmenplan formulierten Ziele einer nachhaltigen Mobilität mit fuß- und radwegebetonter Gestaltung und attraktivem öffentlichem Nahverkehr wurden erweitert: So sollen eine Elektrobus-Linie, eine elektrobetriebene Carsharing-Flotte, ein Fahrradverleihsystem und vernetzte Mobilitätsstationen eingeführt werden, die unterschiedliche Verkehrsarten und Dienstleistungen miteinander verknüpfen.
Um in den vorhandenen Strukturen neue Akzente zu setzen, haben sich die Planer allerlei einfallen lassen. So das Projekt "HOME": Vier Hochhäuser in Form der einzelnen Buchstaben sollen das Zentrum des Viertels prägen. Eine weitere Besonderheit wird die Europaachse sein, eine Idee des niederländischen Architekten Winy Maas aus dem Wettbewerbsverfahren. Sie ist geplant als Fuß- und Radweg, der einmal diagonal durch das gesamte Gebiet verläuft und im Käfertaler Wald endet. Dabei werden auch Gebäude durchschnitten. Die geschnittenen Fassaden werden auf beiden Seiten der Achse verglast. Und als ein quartiersverbindender Parkweg für Fußgänger und Radfahrer ist der sogenannte Franklin Loop angedacht. Damit sollen die Bewohner alle wichtigen Ziele wie Einkaufsmöglichkeiten, Schulen, Kindergärten, Freizeit- und Sportstätten schnell auch ohne Auto erreichen können.
Das energetische Konzept setzt auf eine umweltbewusste lokale Erzeugung der Energie. Ein großer Teil der Strom-, Wärme- und Mobilitätsenergie soll emissionsarm, regenerativ und speicherfähig sein.
Zur Entwicklung des neuen Stadtteils sind nicht nur eine Vielzahl unterschiedlicher städtebaulicher Planungs- und Investorenwettbewerbe durchgeführt worden, auch die Bürgerbeteiligung wurde von Anfang an großgeschrieben. Die Stadtteilarbeit setzte lange vor dem Einzug der ersten Bewohner ein. Denn das Projekt ist so groß, dass ihre Nutzung entscheidenden Einfluss auf die Zukunft der Stadt nimmt. Ende 2017 sind die ersten Bewohner auf Franklin eingezogen, 2027 soll der Stadtteil fertig sein – das macht die Dimension deutlich.
GBG als maßgeblicher Investor
Zu den Wohnungsinvestoren gehört die GBG – Mannheimer Wohnungsbaugesellschaft, das größte kommunale Wohnungsunternehmen Baden-Württembergs.
"Für uns als städtischer Arm für die Wohnungsversorgung in Mannheim stand außer Frage, dass wir uns beim Entstehen eines neuen Stadtteils maßgeblich beteiligen, zumal wir aufgrund des Drucks am Wohnungsmarkt wieder neuen Bestand aufbauen wollen. Franklin bietet uns jetzt die Möglichkeit, wieder größer einzusteigen." GBG-Kommunikationschef Christian Franke
Die GBG will etwa 200 Millionen Euro in den Neubau und in die Sanierung von Bestandsbauten investieren, 500 Mietwohnungen, davon die Hälfte gefördert, und rund 120 Eigentumswohnungen werden entstehen. Rund 1.500 Menschen sollen bei der GBG in Franklin wohnen. Alle Neubauprojekte werden mindestens dem KfW-70-Standard entsprechen, bei einem Teil wird der Standard KfW 55 umgesetzt. "Unsere Projekte mit geförderten Wohnungen haben wir zuerst vorangetrieben und alle Baugenehmigungen schon erwirkt", erklärt Franke. Der Bebauungsplan befindet sich derzeit noch in der Offenlage. "In den nächsten Monaten geht es an die Umsetzung der anderen Neubauten und Sanierungen", ergänzt Rebekka Knapp, Architektin und Projektentwicklerin der GBG. Der Satzungsbeschluss des Bebauungsplans wird Mitte des Jahres rechtskräftig, danach werden die Anträge der Großprojekte vorangetrieben.
Vermarktungsprobleme sieht die GBG für den neuen Stadtteil Franklin nicht, obwohl in den Jahren 2019 und 2020 viele Wohnungen auf einen Schlag auf den Markt kommen werden: "Aufgrund des sehr differenzierten und zum Teil sehr speziellen Wohnungsangebotes sind wir guter Dinge, dass wir schnell Mieter wie Eigentümer finden."
Resümee
Es wird viel passieren in den kommenden Jahren – und schon bald soll das Quartier Franklin ein lebendiger Stadtteil Mannheims werden. Raum für die Funktionen Wohnen, Arbeiten und Leben ist auf jeden Fall vorhanden.
Der Artikel ist erschienen in der DW Die Wohnungswirtschaft, Ausgabe 05/2018.
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