
Die Sorge vor dem Wirtschaftschock, die hohe Inflation, der wachsende Druck zur Finanzierung "grüner" Immobilien, ein Wandel am Büromarkt und der Krieg in der Ukraine – der Optimismus der Investoren ist dahin. Die Immobilienwelt steht vor großen Belastungen, heißt es in einer PWC/ULI-Trendstudie.
Für den neuen Report "Emerging Trends in Real Estate. Global Outlook 2022" haben das Urban Land Institute (ULI) und die Beratungsgesellschaft PwC Real Estate Immobilieninvestoren zu ihren Erwartungen für das laufende Jahr befragt. Vom Optimismus, den ULI und PwC in einer Trendstudie Ende 2021 vorhergesagt hatten, ist kaum noch etwas zu spüren.
Die Marktexperten gehen davon aus, dass sich das Wirtschaftswachstum weiter abschwächt, die Inflation ihren Höhepunkt erreichen und länger andauern wird als erwartet, und es zu Problemen in der Lieferkette kommen wird. Grund für diese Prognose ist der Einmarsch Russlands in der Ukraine, der die Unsicherheit an den Märkten verschärft. Bereits vor dem Krieg hatten die Anleger die Erwartungen für 2022 zurückgeschraubt.
Inflation wird zum immer größeren Problem
Die Inflation, die schon bei der vergangenen Umfrage eine der größten Sorgen der Branche war, hat sich durch den Krieg in der Ukraine vor allem in Europa und in den USA verschärft, heißt es in der Studie. Zwar halten die meisten Befragten daran fest, dass Immobilien eine gute Absicherung gegen die Inflation sind, doch sie wollen wesentlich risikoaverser vorgehen. Wegen der allgemeinen Verunsicherung dürften sich Geschäftsabschlüsse verzögern, prognostizieren das ULI und PwC.
Diese Entwicklung kommt genau zu dem Zeitpunkt, als die Branche wieder damit begonnen hat, pandemiebedingt zurückgestellte Projekte wieder aufzunehmen oder Umnutzungsinitiativen voranzutreiben. Dazu kommen die Lieferengpässe: Im Zuge des Kriegs dürfte sich die Lage weiter zuspitzen. Die Kosten für Baumaterial sind schon spürbar weiter in die Höhe gegangen und stellen ein weiteres Risiko für 2022 dar.
Einige der Investoren denken jetzt mehr über Diversifizierung nach, um das Risiko auf verschiedene Sektoren und Regionen aufzuteilen, was der Studie zufolge dazu führen könnte, dass die bereits starken Kapitalströme aus dem Westen in den asiatisch-pazifischen Raum weiter an Fahrt gewinnen werden.
Logistik bleibt beliebt, Büros sind Sorgenkind
Logistikimmobilien bleiben laut Studie Hauptanziehungspunkt für Anleger, doch auch in diesem Segment wird erwartet, dass weniger Geld investiert werden wird – wie im übrigen Immobiliensektor auch.
Der Bürosektor gerät der Prognose zufolge in den westlichen Märkten, also auch in Europa, in eine "existenzielle Krise durch Telearbeit", heißt es in dem Report. Auch in den USA sei im Jahr 2021 erstmals weniger als 20 Prozent der Gesamtinvestitionen in US-Immobilien auf Bürogeschäfte entfallen – ein erschreckender Rückgang. ULI und PwC sind überzeugt, dass Unternehmen in Zukunft weniger Büroflächen anmieten werden. Es sei unwahrscheinlich, dass die daraus resultierenden Leerstände durch Neueinstellungen und zusätzlichen Raumbedarf aufgefangen werden können, schreiben die Studienautoren.
Weltweit mehr Investments ins Wohnen
Im Jahr 2021 wurde dem Report zufolge weltweit zum ersten Mal mehr Geld in Wohnungen als in Büros investiert. Die wachsende Attraktivität von Wohnimmobilien bleibt im Trend: Das Interesse der Investoren an Wohnimmobilien ist demnach auch 2022 ungebrochen. Sorgen machen den Anlegern hier nur die Preise.
Vor allem Seniorenwohnungen, Studentenwohnungen und Wohngemeinschaften profitieren beispielsweise von geringeren Leerständen und attraktiven risikobereinigten Renditen im Vergleich zu gewerblichen Anlagen. Investitionen in den sozialen Wohnungsbau halten die Anleger kurz- und langfristig für eine intelligente ESG-Strategie – die Betonung liegt hier auf dem "S" (Soziales).
Die befragten Entscheider von Immobilienfirmen, Investment Manager und andere Marktexperten weltweit befürchten außerdem, dass die Regierungen mehr Geld in Verteidigungsausgaben und zur Umsetzung der Energiepolitik stecken werden – unter anderem zu Lasten des Wohnungsbaus.
CO2-Neutralität: Nichts geht ohne ESG-Kriterien?
Die Nachfrage nach ESG-konformen Immobilien erhöht das Risiko, dass alle anderen Immobilien schneller "überaltern" und schneller an Wert verlieren, zeigt die Umfrage. Die Studienautoren kommen zu dem Schluss, dass dadurch der Druck auf die Finanzierung der dekarbonisierten Immobilienbranche wächst. Die Umschichtung von Kapital in umweltfreundliche Immobilien läuft. Doch die zahlreichen Normen und Vorschriften werden von den befragten Marktakteuren als großes Hindernis angesehen.
Eine noch größere Herausforderung für Investoren stellen Bestandsgebäude dar, in die investiert werden muss, um sie energieeffizienter zu machen, so ein weiteres Ergebnis in dem aktuellen Report. Hier könnten die noch niedrigen Zinsen das Investieren erleichtern. Die Mehrzahl der Studienteilnehmer beklagte, dass die Kreditgeber, insbesondere die Banken, bei der Finanzierung von energetischen Sanierungen zu zurückhaltend sind.
Global Outlook 2022 "Emerging Trends in Real Estate" (PDF, engl.)
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