ESG ist ein Must-have: Was Büromieter und Investoren suchen

Homeoffice, ESG-Vorgaben und wirtschaftliche Unsicherheit verändern den Büromarkt. Künftig sind ganzheitliche Konzepte in gemischt genutzten Quartieren gefragt. Dabei ist der Umbau des Bestands die größte Chance, wie ein Experte voraussagt.

Die Nachfrage nach Büroflächen ist vor allem in wissens- und dienstleistungsorientierten Branchen stabil, wie eine Marktanalyse des Beratungshauses Wüest Partner zeigt. Emanuel Coskun, Senior Managing Director bei Hines Germany, gibt darin eine Einschätzung zur Zukunft der Büromärkte in Deutschland ab.

Welche strategischen Perspektiven gibt es für die Immobilienbranche?

ESG: Integraler Bestandteil von Kapitalentscheidungen

"Der Umbau des Bestands ist die größte Herausforderung und zugleich die größte Chance", sagt er im Gespräch mit Wüest Partner, das den "Office Report 2025" ergänzt. Denn: Viele Büroimmobilien sind energetisch nicht mehr wettbewerbsfähig.

Das Thema ESG dürfe dabei aber nicht auf technische Einzelmaßnahmen für eine geringere Umweltbelastung reduziert werden. Stattdessen brauche es ganzheitliche Strategien. Der Druck von Investoren, Nutzern und Regulatorik verstärke den Handlungsbedarf. "ESG ist für uns kein Add-on, sondern integraler Bestandteil jeder Projekt- und Kapitalentscheidung", betont Coskun. "Das größere Risiko liegt in der Nichtbeachtung."

Erstklassige Bürogebäude werden wichtiger. Der größte Hebel dabei liegt Coskun zufolge im Zusammenspiel von ökologischer Performance und sozialem Mehrwert.

Büros in Quartieren denken: Nutzungsmix im Fokus

Auch die funktionale Rolle von Büroimmobilien hat sich verändert: Mikrolage oder Mietniveau sind nicht mehr alleine maßgeblich. Laut Coskun sind vielmehr ganzheitliche Nutzungskonzepte gefragt, die Flexibilität, Aufenthaltsqualität und Services kombinieren. Modulare Flächen, Community-Angebote und kuratierte Nutzererlebnisse entwickeln sich demnach zum Standard.

Das Büro wird Teil gemischt genutzter Quartiere mit sozialer Infrastruktur, guter Erreichbarkeit und hoher Aufenthaltsqualität. Die Anforderungen an ESG-konforme Objekte umfassen damit auch Fragen des Städtebaus, der Mobilität und der Integration ins städtische Umfeld.

Für Investoren und Bestandshalter rückt das operative Management in den Vordergrund. Aspekte wie Hospitality, Services und Nutzerbindung gewinnen an Bedeutung. "Der Betrieb einer Immobilie wird ein wesentlicher Werttreiber“, erklärt Coskun. Digitale Gebäudetechnologie, Sensorik und individuelle Nutzeranalytik werden unverzichtbar.

Office Report: Wo die Büromieten stark steigen

Der Büromarkt Berlin verzeichnet laut dem "Office Report 2025" von Wüest Partner die dynamischste Entwicklung der Medianmieten innerhalb der vergangenen zehn Jahre mit einer Verdoppelung seit 2015 auf 22 Euro pro Quadratmeter. Bonn und Potsdam gelten als attraktive B- und C-Städte – hier liegen die Medianmieten von mehr als 24 Euro pro Quadratmeter (90 Prozent-Quantil) deutlich über dem Durchschnitt. 

In Leipzig, Hannover und Potsdam wird aufgrund der positiven wirtschaftlichen und demographischen Entwicklung ebenfalls ein starkes Mietwachstum beobachtet. Die höchsten Mieten erzielen weiterhin die "Top 7": München führt das Ranking an, hier lag das 90-Prozent-Quantil bei mehr als 35 Euro pro Quadratmeter.

Dafür sind in den Metropolen höhere Leerstandsquoten gemeldet worden: Unter den "Top 7"-Städten liegen die Leerstände in Frankfurt am Main mit 9,9 Prozent und Düsseldorf 9,7 Prozent am höchsten. In Braunschweig stützt dagegen eine Leerstandsquote von nur 1,8 Prozent das Mietniveau.

Büroinvestments: Rendite-Risiko-Profile

Neben wirtschaftlich starken "Top 7"-Städten wie München oder Frankfurt am Main bieten nach Angaben von Wüest Partner auch ausgewählte B- und C-Städte attraktive Investmentchancen. So weisen Regensburg und Karlsruhe besonders günstige Rendite-Risiko-Profile auf, die sich durch ein vergleichsweise geringes Risiko bei gleichzeitig wettbewerbsfähigen Renditen auszeichnen. Auch Erfurt zählt zu den Städten mit positiver Entwicklung und ausgewogener Marktstruktur.

Während Bonn, Mainz und Potsdam mit Werten knapp unter fünf Prozent als eher renditeschwache Bürostandorte gelten, bietet Ludwigshafen mit mehr als sechs Prozent die höchste Rendite – allerdings auch verbunden mit einem höheren Marktrisiko. Karlsruhe und Regensburg überzeugen mit niedrigen Risiko-Scores und damit günstigen Rendite-Risiko-Verhältnissen. Städte wie Duisburg oder Magdeburg schneiden dagegen weniger günstig ab, da höhere Risiken dort nicht durch entsprechend hohe Renditechancen ausgeglichen werden.

Prognose bis 2030: Flächenzuwachs erwartet

Wüest Partner erwartet trotz demografischer Veränderungen, hybrider Arbeitsmodelle und des zunehmenden Einsatzes von Künstlicher Intelligenz weiterhin einen moderaten Anstieg der Büroflächennachfrage. Grundlage ist ein prognostizierter Zuwachs von durchschnittlich rund 159.000 zusätzlichen Bürobeschäftigten pro Jahr bis 2030.

Der größte Anteil des Beschäftigungswachstums entfällt auf wissens- und dienstleistungsintensive Branchen insbesondere auf freiberufliche, wissenschaftliche und technische Dienstleistungen, den Bereich Information und Kommunikation sowie die öffentliche Verwaltung. Gemeinsam dürften diese Sektoren rund drei Viertel des zusätzlichen Flächenbedarfs generieren.

"Die entscheidende Frage ist nicht, ob Büroflächen gebraucht werden, sondern welche", sagt Sophie Nieder, Senior Economic Market Analyst bei Wüest Partner. Der Büroflächenbestand wird den Anforderungen vielerorts nicht mehr gerecht. Der Ersatzbedarf vorzugsweise in zentralen, gut angebundenen Lagen steigt.

Neben den Top-Metropolen wurden für den Report weitere 30 B-, C- und D-Standorte City-Profile mit Kennzahlen zu Wirtschaftskraft, Demografie und Büromarktentwicklung erstellt, um die Chancen- und Risikostrukturen der einzelnen Märkte zu vergleichen.

Office Report Deutschland 2025, Wüest Partner (Download)

CBRE: Chancen für regionale Akteure

Laut einer Analyse des Immobiliendienstleisters CBRE für das erste Halbjahr 2025 bleiben die Spitzenrenditen für erstklassige Büroimmobilien in den Top-Lagen der B- Standorte und Regionalzentren stabil bei 5,50 Prozent – in sekundären Lagen werden 6,30 Prozent ausgewiesen. Zum Vergleich: Der Durchschnitt der Spitzenrenditen in den "Top 7"-Märkten liegt aktuell bei 4,96 Prozent.

"Agieren Büroinvestoren bereits in den Top-Standorten selektiv, waren diese in den B-Standorten und Regionalzentren noch zurückhaltender und investierten nur dann, wenn Lage, Produkt, Qualität und damit der Preis absolut in das Anlage- und Investitionsprofil passt", sagt Marc Rohrer, Head of Investment Hamburg & Region North bei CBRE. 57 Prozent des Kapitals floss in Core- und Core-Plus-Produkte, Value-add-Produkte hatten einen Anteil von 22 Prozent.

Da sich internationale Anleger auf die Top-Märkte konzentrieren, bieten sich lokalen und regionalen Akteuren gute Sondierungs- und Kaufoptionen. "Die positiven Aussichten auf ein Ende der Rezession im laufenden Jahr und ein Wachstum in den Folgejahren bereiten ein gutes Fundament für die Aussichten am deutschen Immobilieninvestmentmarkt", meinte Dr. Jan Linsin, Head of Research bei CBRE.

JLL: Internationale Firmen entscheidende Treiber

Laut einer Analyse des Immobilienberaters JLL sind iInternationale Unternehmen ein zentraler und stabiler Faktor für die Nachfrage auf dem deutschen Bürovermietungsmarkt. Seit Anfang 2000 entfiel knapp ein Drittel (29 Prozent) des Flächenumsatzes in den sieben größten deutschen Städten auf Anmietungen durch Firmen mit Hauptsitz im Ausland. Seit 2021 ist der jährliche Anteil allerdings zurückgegangen.

Ausgewertet wurden 13.110 Abschlüsse mit einer Gesamtfläche von rund 41,9 Millionen Quadratmetern im Zeitraum von 2000 bis 2024, wovon 3.678 Abschlüsse (11,9 Millionen Quadratmeter) auf internationale Nutzer entfallen. Den bedeutendsten Einfluss haben Unternehmen aus den USA mit einem Anteil von rund 13 Prozent des gesamten Flächenumsatzes in den sieben Metropolen. Mit deutlichem Abstand folgen Unternehmen aus Großbritannien, Frankreich und der Schweiz.

Die Investitions- und Expansionsentscheidungen internationaler Konzerne sind laut Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany, ein wichtiger Stabilitätsanker für die deutschen Büromärkte und sorgen für eine breite Diversifizierung der Nachfragestruktur, was die Märkte insgesamt resilienter macht. Unternehmensbezogene Dienstleister, besonders Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Beratungen, nehmen mit mehr als einem Viertel des Büroflächenumsatzes eine führende Position ein.

Auch internationale Unternehmen legen bei der Standortwahl oft besonderen Wert auf hochwertige, moderne und nachhaltige Büroflächen in zentralen Lagen, erklärt Miguel Rodriguez Thielen, Head of Office Leasing JLL Germany. "Sie fungieren damit auch als Treiber für die Qualitätsentwicklung im deutschen Bürogebäudebestand."


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Schlagworte zum Thema:  Miete , Leerstand , Investment , Büroimmobilie
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