3.5.1 Allgemeines

 

Rz. 59

MWv 1.4.2004[1] wurde die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers durch § 13b Abs. 1 S. 1 Nr. 4 UStG a. F. (jetzt Abs. 2 Nr. 4) auf bestimmte Bauleistungen ausgedehnt. Voraussetzung war, dass der Leistungsempfänger selbst derartige Bauleistungen erbringt (§ 13b Abs. 5 S. 2 UStG a. F.). Von der Regelung betroffen sind damit hauptsächlich Subunternehmerverhältnisse, bei denen der Generalunternehmer nunmehr die für die Leistung des Subunternehmers geschuldete USt zu entrichten hat. Der Gesetzgeber wollte mit der Regelung vor allem Bauhandwerker entlasten, da viele Kleinbetriebe darunter zu leiden hatten, dass sie USt ans FA zahlen mussten, bevor ihr Kunde (Auftraggeber) die Rechnung beglichen hatte. Ab 1.4.2004 muss der Auftragnehmer nicht mehr in Vorlage treten, da die USt-Schuld nunmehr den Auftraggeber trifft.

 

Rz. 60

Nachdem der BFH den Anwendungsbereich des Reverse-Charge-Verfahrens bei Bauleistungen insoweit eingeschränkt hatte, als die Umkehr der Steuerschuldnerschaft davon abhängig sein sollte, dass der Leistungsempfänger die empfangene Leistung selbst zur Erbringung einer Bauleistung verwendet[2], wurde durch die Neufassung des § 13b Abs. 5 S. 2 UStG der BFH-Rechtsprechung mWv 1.10.2014 der Boden entzogen (Rz. 19, 151). Nunmehr ist die Steuerschuldnerschaft des Empfängers einer Bauleistung davon abhängig, dass er selbst nachhaltig entsprechende Leistungen erbringt.

 

Rz. 61

Im Fall eines ausländischen leistenden Unternehmers löst § 13b Abs. 2 Nr. 4 S. 2 UStG das Konkurrenzproblem zwischen § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG und § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG dahingehend, dass der Übergang der Steuerschuldnerschaft ausschließlich nach § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG zu beurteilen ist. Folglich ist in einem solchen Fall nicht zu differenzieren, ob es sich um Bauleistungen i. S. v. § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG handelt oder nicht bzw. ob der Leistungsempfänger seinerseits Bauleistungen i. S. v. § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG nachhaltig erbringt oder nicht (Rz. 45).

3.5.2 Betroffene Bauleistungen

 

Rz. 62

Unter § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG fallen Werklieferungen und sonstige Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Damit hat sich der Gesetzgeber bei der Formulierung des Tatbestands vom Begriff der "Bauleistungen" in § 48 Abs. 1 S. 3 EStG leiten lassen, ohne freilich auf diesen Begriff ausdrücklich Bezug zu nehmen. Ähnlich verfährt die Verwaltung, wenn sie den Begriff der "Bauleistungen" in Anlehnung an die zur Bauabzugsteuer entwickelten Grundsätze[1] definiert. Somit ist der Begriff der Bauleistung bei der Bauabzugsteuer und bei der Anwendung des § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG weitgehend gleich auszulegen.[2] Das ist aus der Sicht der Praxis zu begrüßen.[3] Entsprechend sind die in § 1 Abs. 2 und § 2 der Baubetriebe-VO genannten Leistungen regelmäßig Bauleistungen i. S. d. § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG, wenn sie im Zusammenhang mit einem Bauwerk durchgeführt werden. Auf ein Vorabentscheidungsersuchen des BFH v. 30.6.2011[4] hat der EuGH entschieden, dass der Begriff der Bauleistungen nicht auf Dienstleistungen beschränkt sei, sondern auch (Bau-)Lieferungen (so z. B. Werklieferungen) umfasse.[5] Reine Lieferungen (z. B. Materiallieferungen) fallen dagegen nicht unter § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG (Rz. 69). Bei Zweifeln über das Vorliegen einer Bauleistung können die Parteien übereinstimmend das Reverse-Charge-Verfahren anwenden, wenn dadurch kein Steuerausfall entsteht (§ 13b Abs. 5 S. 8 UStG; Rz. 171ff.).

 

Rz. 63

Nach Verwaltungsauffassung ist der Begriff des Bauwerks weit auszulegen und umfasst nicht nur Gebäude, sondern darüber hinaus sämtliche irgendwie mit dem Erdboden verbundene oder infolge ihrer eigenen Schwere auf ihm ruhende, aus Baustoffen oder Bauteilen hergestellte Anlagen (z. B. Brücken, Straßen oder Tunnel, Versorgungsleitungen). Zu den Leistungen, die unter § 13b Abs. 2 Nr. 4 S. 1 UStG fallen, gehören auch der Einbau von Fenstern und Türen sowie Bodenbelägen, Aufzügen, Rolltreppen und Heizungsanlagen, aber auch von Ausstattungsgegenständen oder Maschinenanlagen, wenn sie auf Dauer in einem Bauwerk installiert sind und nicht bewegt werden können, ohne das Bauwerk zu zerstören oder erheblich zu verändern (s. auch Rz. 72 zu Betriebsvorrichtungen). Ebenfalls zählen hierzu Erdarbeiten im Zusammenhang mit der Erstellung eines Bauwerks, die Installation einer fest mit dem Bauwerk verbundenen EDV- oder Telefonanlage und die Dachbegrünung eines Bauwerks. Der Hausanschluss durch Versorgungsunternehmen (die Hausanschlussarbeiten umfassen regelmäßig Erdarbeiten, Mauerdurchbruch, Installation der Hausanschlüsse und Verlegung der Hausanschlussleitungen vom Netz des Versorgungsunternehmens zum Hausanschluss) fällt nur hierunter, wenn es sich um eine eigenständige Le...

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