Rz. 148

Nach § 13b Abs. 5 S. 2 UStG i. d. ab 1.10.2014 geltenden Fassung schuldet der Leistungsempfänger in den in § 13b Abs. 2 Nr. 4 S. 1 UStG genannten Fällen die Steuer, wenn er selbst ein Unternehmer ist, der Leistungen i. S. d. Abs. 2 Nr. 4 S. 1 nachhaltig erbringt. Der Leistungsempfänger wird also nur dann zum Steuerschuldner, wenn er ein Unternehmer ist und selbst Bauleistungen i. S. v. Rz. 62ff. nachhaltig erbringt. Betroffen sind damit in der Hauptsache Subunternehmerverhältnisse, in denen der Generalunternehmer nunmehr die vom Subunternehmer geschuldete USt zu entrichten hat (Rz. 59). Auch Kleinunternehmer fallen unter die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers, wenn sie selbst Bauleistungen i. S. v. Rz. 62ff. nachhaltig erbringen (§ 13b Abs. 5 S. 9 UStG). Nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 S. 2 UStG gelten die Einschränkungen des Abs. 5 S. 2 nicht, wenn der Erbringer der Bauleistungen ein im Ausland ansässiger Unternehmer ist. Folglich greift hier das Reverse-Charge-Verfahren immer dann, wenn der Leistungsempfänger Unternehmer oder eine juristische Person ist (§ 13b Abs. 5 S. 1 UStG). Er muss selbst keine Bauleistungen erbringen.

 

Rz. 149

Bereits nach früherer Verwaltungsauffassung musste der Leistungsempfänger im Zeitpunkt der an ihn ausgeführten Bauleistungen i. S. v. § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG selbst derartige Bauleistungen nachhaltig erbringen oder erbracht haben. Hiervon wurde ausgegangen, wenn

  • der Leistungsempfänger im vorangegangenen Kj. Bauleistungen i. S. v. § 13b Abs. 2 Nr. 4 S. 1 UStG erbracht hatte, deren Bemessungsgrundlage mehr als 10 % (Ausschlussgrenze) der Summe seiner steuerbaren und nicht steuerbaren Umsätze (Weltumsatz)[1] betragen hatte, oder
  • der Leistungsempfänger dem leistenden Unternehmer eine im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes gültige Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG vorgelegt hatte.[2]
 

Rz. 150

Mit Urteil v. 22.8.2013[3], welches als Folgeurteil zum EuGH-Urteil v. 13.12.2012[4] erging, verwarf der BFH die frühere Verwaltungsauffassung. Die 10-%-Grenze finde keine Grundlage im Gesetz. Vielmehr komme es allein darauf an, ob der Leistungsempfänger die an ihn erbrachte Bauleistung seinerseits zur Erbringung einer derartigen Leistung verwende. Die Verwaltung passte den UStAE für nach dem 14.2.2014 und vor dem 30.9.2014 ausgeführte Umsätze (zunächst) an die Grundsätze der neuen BFH-Rechtsprechung an.[5] Die in den vorgenannten BMF-Schreiben enthaltenen Nichtbeanstandungsregelungen gelten auch für Bauleistungen, die vor dem 15.2.2014 begonnen, aber erst nach dem 30.9.2014 abgeschlossen wurden.[6] Beruft sich der Leistungsempfänger bei einer vor dem 15.2.2014 erbrachten oder begonnenen Bauleistung auf die BFH-Rechtsprechung und fordert vom FA die Erstattung der Steuer, die er in der Annahme entrichtet hat, Steuerschuldner zu sein, so steht einer Inanspruchnahme des Leistenden nach Verwaltungsauffassung § 176 Abs. 2 AO nicht entgegen, soweit nicht Festsetzungsverjährung eingetreten ist.[7] Diese Verwaltungsauffassung wurde durch den mWv 31.7.2014 neu geschaffenen § 27 Abs. 19 UStG festgeschrieben. Der BFH sieht diese Vorschrift – trotz erheblicher im Schrifttum und in der erstinstanzlichen Rechtsprechung geäußerter Bedenken – als verfassungskonform an.[8]

 

Rz. 150a

Die Verwaltung machte bislang eine Korrektur der Besteuerung beim Leistungsempfänger (Bauträger) und die von ihm beantragte USt-Erstattung davon abhängig, dass er entweder die USt an den leistenden Bauunternehmer nachzahlt oder dass das FA eine Aufrechnung gegen den Bauträger mit einem vom Bauunternehmer durch Abtretung erworbenen Nachforderungsanspruch möglich ist.[9] Mit Urteilen vom 27.9.2018[10] und 23.1.2019[11] hat der BFH die einschränkende Sichtweise der Verwaltung zurückgewiesen. Danach kann der Bauträger das Entfallen der rechtswidrigen Besteuerung geltend machen, ohne dass es darauf ankommt, dass er einen gegen ihn gerichteten Nachforderungsanspruch des leistenden Unternehmers erfüllt oder die Möglichkeit für eine Aufrechnung durch das FA besteht.[12] Vgl. auch hier in § 27 UStG Rz. 64ff.

 

Rz. 151

Die mWv 1.10.2014 erfolgte Neufassung von § 13b Abs. 5 S. 2 UStG ist als Reaktion auf das Urteil des BFH v. 22.8.2013[13] zu verstehen, der damit der Boden entzogen wurde. Nach Ansicht des Gesetzgebers wäre bei Anwendung der vom BFH aufgestellten Grundsätze eine rechtssichere Anwendung der gesetzlichen Regelungen nicht sichergestellt. Hingegen hätten sich die von der Verwaltung in Abschn. 13b.3 Abs. 3 UStAE a. F. aufgestellten Abgrenzungskriterien bewährt. Ein Zusammenhang zwischen den vom Leistungsempfänger bezogenen und den von ihm ausgeführten Bauleistungen wird nach der Neufassung der Vorschrift nicht mehr vorausgesetzt (Abschn. 13b.3 Abs. 10 UStAE). Indem die Steuerschuldnerschaft des Empfängers einer Bauleistung lediglich davon abhängt, dass er selbst nachhaltig entsprechende Leistungen erbringt, wurde die frühere Verwaltungsauffassung gesetzlich festgeschrieben. Durch BMF v. 26.9.2014[14] wurde der UStAE für ...

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