Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostentscheidung bei Unterzeichnung einer ohne Nachweis der Vollmacht eingelegten Beschwerde durch Angestellte des Prozeßbevollmächtigten

 

Leitsatz (NV)

1. Zur Frage des Beteiligten bei Einlegung einer Beschwerde durch einen Vertreter ohne Vorlage einer Vollmacht und zur Zulässigkeit dieses Rechtsmittels.

2. Ist die ohne Vorlage einer Vollmacht eingelegte Beschwerde von einer Angestellten des Prozeßbevollmächtigten unterzeichnet worden, so sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens gleichwohl dem Prozeßbevollmächtigten aufzuerlegen, wenn den Umständen des Einzelfalles zu entnehmen ist, daß die Angestellte bei der Einlegung der Beschwerde stellvertretend für den Prozeßbevollmächtigten und nicht eigenständig und unmittelbar für den Beschwerdeführer gehandelt hat und daß die rechtlichen Auswirkungen die Einlegung der Beschwerde deshalb den Prozeßbevollmächtigten treffen.

 

Normenkette

FGO § 62 Abs. 3, § 135 Abs. 2

 

Tatbestand

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Finanzgerichts (FG), durch das die Klagen der Klägerin und Beschwerdeführerin (Beschwerdeführerin) gegen den Duldungsbescheid und die Einspruchsentscheidung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt - FA -) abgewiesen worden sind, wurde ,,für" die Beschwerdeführerin Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdeschrift ist ohne Vorlage einer Vollmacht und von einer in der Kanzlei des Prozeßbevollmächtigten beschäftigten Fachgehilfin unterzeichnet übersandt worden. Der Unterschrift ist der Hinweis ,,i. A." sowie maschinenschriftlich der Name des Prozeßbevollmächtigten und dessen Berufsbezeichnung vorangestellt und der Abdruck eines Stempels des Prozeßbevollmächtigten (mit dessen Namen, Berufsbezeichnung und Anschrift) beigegeben.

Der vom Berichterstatter des Senats unterzeichneten Aufforderung an den Prozeßbevollmächtigten, Prozeßvollmacht sowie Untervollmacht für die Unterzeichnerin der Beschwerdeschrift vorzulegen, ist dieser nicht nachgekommen. Er hat lediglich mitgeteilt, daß die Unterzeichnerin als Fachgehilfin in seiner Kanzlei tätig sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unzulässig.

1. Die Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde ergeht ungeachtet der Tatsache, daß eine Vollmacht für den Prozeßbevollmächtigten und für die Unterzeichnerin der Beschwerdeschrift nicht vorgelegt worden ist, gegen die Beschwerdeführerin als Verfahrensbeteiligte, da die Beschwerde ,,für" sie eingelegt worden ist (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH -, vgl. Entscheidungen vom 17. Oktober 1973 II R 166/71, BFHE 111, 221, BStBl II 1974, 218, und vom 25. August 1986 IV B 83/85, BFH / NV 1988, 48).

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, da innerhalb der gesetzten Frist eine schriftliche Vollmacht für den Prozeßbevollmächtigten oder die Unterzeichnerin der Beschwerdeschrift nicht vorgelegt worden ist (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Urteil vom 15. Mai 1981 VI R 212/78, BFHE 133, 344, BStBl II 1981, 678; BFH / NV 1988, 48).

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind dem Prozeßbevollmächtigten aufzuerlegen, weil er das erfolglose Beschwerdeverfahren veranlaßt hat (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Beschluß vom 11. Juli 1975 III R 124/74, BFHE 116, 110, BStBl II 1975, 714; BFH / NV 1988, 48).

Die Beschwerdeschrift ist zwar von einer Mitarbeiterin des Prozeßbevollmächtigten unterzeichnet. Das rechtfertigt aber nicht, dieser die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Denn die Umstände des Streitfalls rechtfertigen nicht die Schlußfolgerung, daß der Unterzeichnerin der Beschwerdeschrift die Veranlassung des Beschwerdeverfahrens zuzurechnen ist. Der Senat entnimmt diesen Umständen vielmehr, daß die Unterzeichnerin bei der Einlegung der Beschwerde als Angestellte des Prozeßbevollmächtigten stellvertretend für diesen und nicht eigenständig und unmittelbar für die Beschwerdeführerin gehandelt hat und daß die rechtlichen Auswirkungen der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde deshalb den Prozeßbevollmächtigten treffen.

a) Der Senat ist aufgrund des der Unterschrift vorangestellten Hinweises ,,i. A." im Anschluß an die maschinenschriftliche Anführung des Namens des Prozeßbevollmächtigten und dessen Berufsbezeichnung und der Beifügung des Abdrucks eines Stempels des Prozeßbevollmächtigten zu der Überzeugung gelangt, daß die Unterzeichnerin bei der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde stellvertretend für den Prozeßbevollmächtigten und nicht eigenständig als Vertreterin der Beschwerdeführerin handeln wollte.

Den Ausführungen des Prozeßbevollmächtigten, die Unterzeichnerin sei in seiner Kanzlei als Fachgehilfin tätig, hat der Senat entnommen, daß die Unterzeichnerin in einem Angestelltenverhältnis zu dem Prozeßbevollmächtigten steht und daß sie die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde im Rahmen dieses Angestelltenverhältnisses vorgenommen hat.

Der Senat braucht nicht zu prüfen, ob die kostenrechtlichen Wirkungen der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde den Prozeßbevollmächtigten auch dann träfen, wenn die Unterzeichnerin nach dem Angestelltenverhältnis oder aufgrund einer besonderen Weisung des Prozeßbevollmächtigten zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht befugt gewesen wäre. Denn es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß das zutrifft. Insbesondere hat der Prozeßbevollmächtigte im Zusammenhang mit der Darlegung der Stellung der Unterzeichnerin in seiner Kanzlei nicht geltend gemacht, daß diese bei der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde ihre Befugnisse aus dem Angestelltenverhältnis überschritten habe. Es kann aber davon ausgegangen werden, daß der Prozeßbevollmächtigte derartige Einwendungen erhoben hätte, wenn sie gerechtfertigt gewesen wären. Dem Schreiben des Berichterstatters, mit dem der Prozeßbevollmächtigte zur Vorlage der Vollmacht aufgefordert worden ist, konnte dieser entnehmen, daß dem Senat an der Klärung der Frage gelegen war, wem die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde zuzurechnen ist.

b) Da die Unterzeichnerin der Beschwerdeschrift als Vertreterin des Prozeßbevollmächtigten gehandelt hat, kommt es für die Wirksamkeit der Vertretung nicht darauf an, ob ihr eine Vollmacht in der Form nach § 62 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erteilt worden ist und daß sie eine solche Vollmacht nicht vorgelegt hat.

Das Vertretungsverhältnis zwischen der Unterzeichnerin und dem Prozeßbevollmächtigten richtet sich nicht nach dem Verfahrensrecht. Maßgebend ist vielmehr das für das Anstellungsverhältnis zwischen ihr und dem Prozeßbevollmächtigten anzuwendende Recht. Das bedeutet, daß die Wirksamkeit der Vertretung nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen und folglich nicht von der Wahrung einer bestimmten Form abhängig ist.

c) Bedenken gegen die Wirksamkeit der Vertretung ergeben sich auch nicht daraus, daß die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen nur bestimmten Personen und Vereinigungen vorbehalten (vgl. §§ 2 bis 4 des Steuerberatungsgesetzes - StBerG -) und zur geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten eine Erlaubnis erforderlich ist (Art. 1 § 1 des Rechtsberatungsgesetzes - RBerG -). Die Wahrnehmung derartiger Aufgaben durch Angestellte im Rahmen des Angestelltenverhältnisses wird dadurch nicht berührt, da es in diesen Fällen an einer selbständigen Wahrnehmung der Aufgaben fehlt, die Aufgaben vielmehr mit Wirkung für und gegen den Dienstherrn wahrgenommen werden (vgl. Art. 1 § 6 Abs. 1 Nr. 2 RBerG; Altenhoff / Busch / Kampmann / Chemnitz, Rechtsberatungsgesetz, 8. Aufl., Rz. 470, 641).

4. Allerdings haben der IV. Senat (in den nicht veröffentlichten Beschlüssen vom 18. November 1975 IV B 65-67/75, und IV R 121-123/75) und der V. Senat des BFH (in dem nicht veröffentlichten Beschluß vom 11. September 1975 V B 45/75) in Fällen, in denen Rechtsmittel ,,im Auftrag" des Prozeßbevollmächtigten eingelegt worden waren und eine schriftliche Vollmacht oder Untervollmacht trotz Aufforderung nicht vorgelegt worden war, die Kosten des Rechtsmittelverfahrens jeweils dem Unterzeichner der Rechtsmittelschrift - und nicht dem Prozeßbevollmächtigten - auferlegt. Der Senat ist durch diese Entscheidungen aber nicht gehindert, die Kosten im Streitfall dem Prozeßbevollmächtigten aufzuerlegen. Er weicht bei dieser Entscheidung nicht in einer Rechtsfrage von den genannten Entscheidungen des IV. und V. Senats ab (§ 11 Abs. 3 FGO).

Für die Entscheidung des Streitfalls ist maßgebend, daß die tatsächlichen Umstände die Schlußfolgerung rechtfertigen, die Unterzeichnerin habe bei der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde wirksam für den Prozeßbevollmächtigten gehandelt. Für diese Schlußfolgerung sind die Tatsachen entscheidend, daß die Unterzeichnerin die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde im Rahmen ihres Angestelltenverhältnisses mit dem Prozeßbevollmächtigten vorgenommen hat und nach diesem Angestelltenverhältnis auch zur Vornahme dieser Tätigkeit befugt war. Den genannten Entscheidungen des IV. und V. Senats kann nicht entnommen werden, daß auch in den ihnen zugrunde liegenden Fällen derartige Tatsachen vorgelegen haben. Übereinstimmungen sind nur insoweit erkennbar, daß auch in jenen Fällen das Rechtsmittel jeweils ,,im Auftrag" des Prozeßbevollmächtigten eingelegt worden ist. Für die genannten Entscheidungen des IV. und V. Senats kam es demnach darauf an, ob der Berufung auf einen entsprechenden Auftrag des Prozeßbevollmächtigten bei der Unterzeichnung einer Rechtsmittelschrift bereits entnommen werden kann, daß der Unterzeichner - wirksam - stellvertretend für den Prozeßbevollmächtigten und nicht eigenständig und unmittelbar für den Rechtsmittelführer handelt. Diese Frage, die der V. Senat in dem nicht veröffentlichten Beschluß vom 1. Juni 1978 V B 8/77 bejaht hat, war für den Streitfall nicht entscheidend. Der erkennende Senat hat dem Hinweis ,,i. A." lediglich entnommen, daß die Unterzeichnerin für den Prozeßbevollmächtigten handeln wollte, nicht aber, daß sie auch wirksam für ihn gehandelt hat. Letzteres ist aber erforderlich, um dem Prozeßbevollmächtigten die Veranlassung des Beschwerdeverfahrens zurechnen zu können.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416189

BFH/NV 1989, 594

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