IFRS-Bilanzierung in Deutschland

Nationale Rechnungslegung nach HGB und internationale Rechnungslegung nach IFRS unterscheiden sich in grundlegenden Dingen. Wann sind Unternehmen verpflichtet, einen IFRS-Abschluss zu erstellen und wann macht eine freiwillige Anwendung der IFRS Sinn?

Seit Einführung der IFRS für kapitalmarktorientierte Unternehmen in Europa einschließlich Deutschland verweisen Befürworter auf die damit verbundene höhere Transparenz für Prüfungsinstanzen und Ratingagenturen. Gegner schätzen die Gestaltungsmöglichkeiten, die speziell das HGB eröffnet.

IFRS und HGB unterscheiden sich grundlegend

Wäre die Erde eine Scheibe – IFRS einerseits und HGB andererseits hätten tatsächlich keinerlei Berührungspunkte. Im globalen Geschehen sind die "zwei Welten" eine Fiktion. Zum Beispiel beeinflussen die seit 2019 geltenden IFRS 16 Vorschriften für die Bilanzierung von Leasingverhältnissen indirekt auch die Bilanzpolitik von Unternehmen, die ihren Abschluss nach dem deutschen Handelsgesetzbuch erstellen. Denn Banken, Investoren und Ratingagenturen messen bei der Beurteilung von Unternehmen kaum mit zweierlei Maß. Warum also nicht gleich nach den internationalen Standards bilanzieren? Experten halten einen freiwilligen IFRS-Abschluss auch für kapitalmarktnahe und international tätige Familienunternehmen für erwägenswert.

Die IFRS sind Rechnungslegungsstandards mit weltweiter Akzeptanz. Erarbeitet und weiterentwickelt werden sie von der International Financial Reporting Standards Foundation (IFRSF). Kapitalmarktorientierte Unternehmen sind zur Anwendung der IFRS verpflichtet.

Pflicht zur Anwendung der IFRS

Kapitalmarktorientierte Unternehmen haben laut EU-Verordnung Nr. 1606/2002 (sog. IAS-Verordnung) ihre Konzernabschlüsse seit dem Geschäftsjahr 2005 nach den IFRS-Regelungen aufzustellen. Als kapitalmarktorientiert gelten Mutterunternehmen, deren Wertpapiere - Aktien und/oder Schuldverschreibungen - zum Handel an einem organisierten Kapitalmarkt innerhalb der Europäischen Union zugelassen sind. In Deutschland ist die o.g. EU-Verordnung mit dem Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG) im Dezember 2004 zu nationalem Recht geworden. Seit 2009 sind auch Unternehmen zur Anwendung der IFRS verpflichtet, deren Wertpapiere zwar noch nicht gehandelt werden, sich aber im Zulassungsprozess befinden (vgl. § 264d HGB).

Freiwillige Anwendung der IFRS

Aber auch nicht kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen haben das Recht, ihren Konzernabschluss nach IFRS aufzustellen. § 315a HGB enthält dazu nähere Vorschriften für IFRS-Konzernabschlüsse deutscher Unternehmen, unter anderem bezüglich des Lageberichts, der Prüfung, Offenlegung von Konzernschlüssen und bestimmter Angaben im Berichtsanhang.

Gute Gründe, nach IFRS zu bilanzieren

Kleine und mittelgroße Unternehmen bilanzieren nach wie vor überwiegend nach deutschem Handelsrecht.

"Das eigentliche Ziel der IFRS, die Bereitstellung von entscheidungsnützlichen Informationen v.a. für Investoren und Gläubiger, besitzt bei inhabergeführten Unternehmen sicherlich einen etwas anderen Stellenwert als bei kapitalmarktorientierten Unternehmen", so Christian Landgraf, CPA (U.S.), Wirtschaftsprüfer und verantwortlicher Partner für Capital Markets & Accounting Advisory Services bei Rödl & Partner. Natürlich mache nicht für alle Unternehmen ein Übergang von HGB auf IFRS Sinn. Dennoch könne es im Einzelfall gute Gründe dafür geben. Für 2 Gruppen von Unternehmen hat nach Ansicht der Experten von Rödl & Partner eine Umstellung des Rechnungswesens auf IFRS erfahrungsgemäß Vorteile:

  • Perspektivische Anwendung: Unternehmen, die mittel- oder langfristig den Kapitalmarkt in Anspruch nehmen wollen, können durch eine frühzeitige Anwendung Erfahrungen sammeln, was bei einer späteren Einführung den Aufwand spürbar reduzieren wird.
  • Wettbewerb um Investoren: Unternehmen mit einer stark international ausgerichteten Geschäftstätigkeit verfügen über Zahlen und Informationen für einen unmittelbaren Vergleich mit oftmals ausländischen Wettbewerbern.

"Die IFRS-Zahlen können aber auch zur operativen und strategischen Steuerung von Unternehmensbereichen eingesetzt werden und unterstützen damit die Angleichung von internem und externem Rechnungswesen", so Experte Landgraf.

Volker Specht, Wirtschaftsprüfer bei KPMG, hält einen freiwilligen IFRS-Abschluss grundsätzlich für erwägenswert, sofern die Inanspruchnahme des Kapitalmarkts beabsichtigt ist. "Überdies gilt dies nicht nur bei geplanter Inanspruchnahme des Kapitalmarkts, sondern auch dann, wenn eine Beteiligung eines Minderheitsgesellschafters, insb. mit Sitz im Ausland, in Erwägung gezogen wird. In diesen Fällen wird der Investor häufig einen IFRS-Abschluss wünschen", so Specht.