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IFRS 16 und dessen Auswirkungen auf die nationale Rechnungslegung

IFRS 16 legte neue Grundsätze für den Ansatz, die Bewertung, die Darstellung und die Angabe von Leasingverhältnissen dar. Demnach ist sicherzustellen, dass die von Leasingnehmern und Leasinggebern zur Verfügung gestellten Informationen ein getreues Bild der Transaktionen vermitteln.

Dieser Standard war erstmals auf Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1.1.2019 beginnen, anzuwenden.

Änderungen durch IFRS 16

Dem IFRS-Standard liegt die Rechnungslegungsphilosophie des "fair value" zugrunde. Wörtlich übersetzt ist dies der "faire" Wert (im Sinne von gerecht), bilanztechnisch übersetzt der "beizulegender Zeitwert". Es soll möglichst viel "Realität" in die Bilanz Eingang finden.

IFRS-Bilanzierer müssen nach IFRS 16 ihre sämtlichen Leasingverbindlichkeiten als Schulden in der Bilanz ausweisen. Es sind ein Nutzungsrecht und eine anteilige Verbindlichkeit zu bilanzieren. Leasing wird damit wie eine Finanzierung gesehen. Zuvor war noch eine Buchung im Aufwand möglich. Ein Wahlrecht dazu besteht nur noch bei geringwertigen Gegenständen (< 5.000 US-Dollar) und bei Laufzeiten von bis zu 12 Monaten, weil bei solchen Verträgen der Aufwand für eine Bilanzierung zu hoch wäre.

Das Ende der Bilanzkosmetik

Die Neuregelung soll eine weit verbreite Bilanzkosmetik beenden. Nach Berechnungen des International Accounting Standards Board (IASB) hatten allein börsennotierte Unternehmen Leasingverpflichtungen in Höhe von 3,3 Billionen USD, von denen rund 85 % nicht in den Bilanzen ausgewiesen waren, sondern nur als Hinweis im Anhang. Von den Änderungen verspricht sich das IASB mehr Transparenz und eine bessere Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse.

"Ich möchte einmal in einem Flugzeug fliegen, das in der Bilanz seiner Airline auch enthalten ist." (Sir David Tweedie, ehemaliger Vorsitzende des International Accounting Standards Board IASB)

Auswirkungen von IFRS 16

Aus den neuen Vorschriften resultiert beim Jahresabschluss ein Anstieg der Aktiva und Passiva - es findet eine Bilanzverlängerung statt. Es steigt der Verschuldungsgrad bzw. es sinkt die Eigenkapitalquote. In der Gewinn- und Verlustrechnung ergibt sich dagegen ein höheres EBIT (Ergebnis vor Zinsen und Steuern) - der Zinsaufwand wird hier nicht mehr abgebildet – und schließlich ein höheres EBITDA (Ergebnis vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Abschreibungen auf immaterielle Vermögenswerte), denn dieses wird vom bisherigen Leasingaufwand vollständig entlastet. Bei Unternehmen mit geleasten hochwertigen Gütern – vor allem Immobilien und Fahrzeugen – entstehen diese Effekte natürlich insbesondere.

Beispiel Fahrzeugleasing: Ein wesentliches Merkmal von IFRS 16 ist die notwendige Trennung von Leasing- und Nicht-Leasingkomponenten. Solche gibt es beispielweise in Leasingverträge, die Finanzierungs- und gleichzeitig Dienstleistungs- und gegebenenfalls noch weitere Bestandteile wie Wartungen oder Reifenservices beinhalten. IFRS 16.15 gewährt aus Praktikabilitätserwägungen das Wahlrecht, die Nicht-Leasingkomponenten mit den jeweils korrespondierenden Leasingverhältnissen zu einer Einheit zusammenzufassen, anstatt diese getrennt von den Leasingverhältnissen zu behandeln. Die Aufteilung der Gesamtvergütung auf die einzelnen Leasingverhältnisse und Nicht-Leasingkomponenten erfolgt nach Maßgabe des Verhältnisses der "Stand-alone"-Preise (relative Einzelveräußerungspreise) der einzelnen Leistungskomponenten. Letztgenannte sind evtl. zu schätzen, wobei – so weit als möglich – beobachtbare Informationen zu verwenden sind (IFRS 16.13 f.). Wenn Leasingnehmer möglichst geringe Leasingverbindlichkeiten ausgewiesen haben möchte, wird er Nichtleasingkomponenten von Leasingkomponenten getrennt bilanzieren.

Konsequenzen für HGB-Bilanzierer

Haben Unternehmen, die ihren Abschluss nach dem deutschen Handelsgesetzbuch (HGB) erstellen, mit all dem nichts zu tun? In Deutschland wurde bzw. wird das Leasing mit dem Vorteil der "Bilanzneutralität" beworben. Diese führe zu einer deutlichen Verbesserung wichtiger Bilanzrelationen, insbesondere der Eigenkapitalquote, heißt es in den Veröffentlichungen von Leasinggesellschaften. Mit anderen Worten: Es lassen sich hohe Verbindlichkeiten oder Verpflichtungen "verstecken". Dies gilt für Unternehmen, die nach HGB bilanzieren, natürlich weiterhin. Dies allerdings nur auf dem Papier. Denn die Banken bzw. Bankengruppen in Deutschland beurteilen alle Unternehmen - unabhängig von deren Rechnungslegungsstandard - grundsätzlich jeweils mit demselben internen Ratingmodell. In einer Studie der HSH Nordbank (Studie IFSR 16, 09/2017) hieß es dazu: "Auch HGB-bilanzierende Unternehmen müssen sich im Zuge der IFRS 16-Einführung auf umfangreichere Berichtswünsche ihrer Bankpartner einstellen. Diese haben in ihren Ratingsystemen künftig mit den divergierenden Bilanzierungsstandards umzugehen. Daraus resultierende Ratingveränderungen können die Folge sein. IFRS 16 kann damit mittelbar auch HGB-bilanzierende Unternehmen treffen." HGB-Bilanzierern wird empfohlen, im Anhang eine Separierung der in den Leasingraten gegebenenfalls enthaltenen Service-Entgelte vorzunehmen.

"Es gibt Sekundäreffekte, weil Banken und Ratingagenturen die neuen Regeln anwenden. Und Investoren werden sich bevorzugt denjenigen Unternehmen zuwenden, die ihre wirtschaftliche Verfassung nach einem klaren, etablierten Schema transparent machen und nicht im kleingedruckten Anhang", bestätigt Christoph Gruss, bei PwC Deutschland Partner für Capital Markets & Accounting Advisory Services und Accounting Change.

Das "amerikanische Modell" – Leasing nach IFRS-Verständnis

In Bezug auf Leasing folgt der US-amerikanischen Bilanzierungsstandard GAPP dem IFRS. Er wurde 2018 entsprechend angepasst. In beiden Standards manifestiert sich das Grundverständnis wirtschaftlichen Handelns im angelsächsischen Raum. Die USA gelten als "Mutterland" des Leasings. Hier wurden Mitte der 1930er Jahre erstmals Mietgeschäfte mit Lastwagen gemacht. Wenn es darum geht, die wirtschaftliche Bedeutung, die Vorteile und Funktionsweise von Leasingprodukten herauszustellen, werden oft Vergleiche mit den USA vorgenommen.

Full-Service-Leasing-Verträge mit limitierter Laufzeit-/Laufleistung ("geschlossene Verträge"), die hierzulande gut die Hälfte der gewerblichen Leasingverträge ausmachen, spielen in der USA allerdings kaum eine Rolle. Im Controller-Jargon werden sie "Black Boxes" genannt. Amerikanische Firmen setzen auf das Transparenzprinzip. Es werden Produkte bevorzugt, bei denen die laufenden Kosten detailliert auf Dollar und Cent ausgewiesen werden und die ihnen eine optimale Steuerung der TCO (Total Cost of Ownership) ermöglichen. IFRS 16 entspricht genau diesem Ansatz. Es erfolgt eine strikte Trennung von – bilanzierter – Finanzierung und – im Aufwand verbuchten – Dienstleistungen. Nach diesem Prinzip ("offener Vertrag") kann der Leasingnehmer die Finanzierungsdauer der Nutzung des Fahrzeugs flexibel anpassen. Den Zeitpunkt der Rückgabe bestimmt ganz allein er. Dann wird der Vertrag nach der tatsächlichen Abnutzung abgerechnet. Dem Leasingnehmer wird der Wiederverkaufswert, abzüglich der Finanzierungs-Restschuld gutgeschrieben.

Vorteile durch die Trennung von Leasing und Services

Eine strikte Trennung von Finanzierung und Services bei Leasingverträgen schafft nicht nur eine bessere Vergleichbarkeit und damit eine höhere Akzeptanz bei internationalen Investoren. Sie schafft auch mehr Kostentransparenz und eröffnet dadurch auch Einsparmöglichkeiten.

Nach Berechnungen von Experten lassen sich bei den Dienstleistungen wie Wartung und Services sowie Versicherungen durch Marktvergleiche regelmäßig Einsparungen erzielen, was bei einer fixen Monatsrate nicht der Fall ist. Hinzukommt der Wiedervermarktungserlös, der häufig den kalkulierten Restwert eines Full-Service-Vertrages deutlich übertrifft.