Sustain Up! Der unausweichliche Sprung auf die nächste Stufe der Nachhaltigkeit


Wie Finance die nächste Stufe der Nachhaltigkeit erreicht

In seinem Vortrag erklärt Prof. Dr. Thomas Wunder, warum das Thema Nachhaltigkeit für die Unternehmen immer wichtiger wird. In diesem Zusammenhang schildert er, wie Unternehmen die richtigen Ziele entwickeln und diese erfolgreich umsetzen.

Der "Quelle"-Moment: Wie schnell und wie weit müssen wir springen?

Laut Prof. Wunder kann die Entwicklung der Leistungsfähigkeit von Strategien und Geschäftsmodellen in Anlehnung an Technologieentwicklungen mit S-Kurven dargestellt werden, welche die folgenden Phasen umfassen:

  • Experimentieren,
  • Wachstum und
  • Reife.

Sobald ein Unternehmen mit seinem Geschäftsmodell die Phasen der Reihenfolge nach durchlaufen und die Reifephase erreicht hat, werden oftmals inkrementelle Verbesserungen bzw. "Facelifts" implementiert, um erneut in eine Wachstumsphase zu gelangen. Dies gelingt in den Augen von Prof. Wunder jedoch nicht immer erfolgreich, da teils disruptive Veränderungen im Umfeld dazu führen, dass Unternehmen mit ihren bestehenden Strategien und Geschäftsmodellen an ihre Grenzen kommen. Dann liefert selbst eine weitere Optimierung keinen wirtschaftlichen Erfolg mehr. Unternehmen müssen in diesen Fällen den Sprung auf die nächste S-Kurve meistern (signifikante Anpassung der Geschäftslogik), um im veränderten Umfeld (z.B. durch neue Technologien) weiterhin erfolgreich zu agieren.

Disruptive Veränderungen fordern Unternehmen

Als Beispiel nennt Prof. Wunder das Unternehmen Quelle, welches den Sprung auf die nächste S-Kurve verpasst hat. Dieses Unternehmen war in seiner Branche früh im Internet, existiert heute aber nicht mehr. Obwohl der Online-Versandhandel Anfang der 2000er Jahre im vollen Aufschwung war, ist die Umsetzung eines erfolgreichen internetbasierten Geschäftsmodells aus verschiedenen Gründen nicht gelungen.

Laut Prof. Wunder werden Unternehmen heute durch sozio-ökologische Disruptionen mit einer ähnlichen Situation konfrontiert. Waren die ökologischen und sozialen Auswirkungen (Externalitäten) von Unternehmen entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette bislang eher intransparent und weitgehend kostenlos, so werden sie in Zukunft für alle sichtbar und teuer. Dies zeigt sich beispielsweise an neuen Offenlegungspflichten seitens der Gesetzgeber (z.B. CSRD und EU-Taxonomie), Investoren und Banken (z.B. Kreditvergaben) oder Kunden (z.B. Auftragsvergaben) sowie an den aktuellen Entwicklungen zur CO2-Bepreisung. All das kann existenzielle Folgen für Unternehmen haben, wenn es nicht gelingt, das Geschäftsmodell entsprechend anzupassen bzw. den Sprung auf die nächste S-Kurve zu meistern.

Mindsets nachhaltiger Unternehmensführung: Ziellinie "Enkeltauglichkeit"

In den vergangenen Jahren haben sich unternehmerische Mindsets laut Prof. Dr. Wunder signifikant verändert. Während bis in das Jahr 1990 die Maxime des unternehmerischen Handelns durch die Maximierung des Shareholder Values beschrieben wurde, sind jetzt zunehmend neue Sichtweisen mit einem erweiterten Wertschöpfungsverständnis dominierend.

Ökologische und soziale Missstände, wie sie beispielsweise durch Klimawandel, Artensterben oder Ungleichheit zum Ausdruck kommen, haben zur Entwicklung der 17 UN Sustainable Development Goals (SDGs) geführt. Jedoch zeigen Analysen in der Praxis, dass diese in Unternehmen sehr selektiv aufgenommen werden und fundamentale Ziele für das Fortbestehen der Erde eine eher untergeordnete Rolle in der Unternehmenssteuerung spielen. Diese Makro-Mikro Gap (Gesundheitszustand der Erde vs. unternehmerisches Handeln) wird zunehmend durch unterschiedlichste Stakeholder kritisiert und kommt beispielsweise im SDG "Wedding Cake" Modell des Stockholm Resilience Centers zum Ausdruck. Nach Auffassung des Professors ist spätestens jetzt der Moment gekommen, das Thema Nachhaltigkeit stärker im unternehmerischen Handeln zu verankern.

Hierzu rät er den Ansatz der Enkeltauglichkeit in der Unternehmenssteuerung anzuwenden, und somit Unternehmen auf die nächste Stufe der Nachhaltigkeit zu heben. Das Ziel dieses Ansatzes ist es, eine Geschäftslogik im Einklang mit Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft zu schaffen, sodass ein Miteinander langfristig funktioniert. Folglich sollte die übergreifende Frage zur Unternehmenssteuerung lauten: Wie kann ein Unternehmen so geführt werden, dass es den gesellschaftlichen und ökologischen Systemen, in die das Unternehmen eingebettet ist, nicht schadet bzw. diese im besten Fall sogar regeneriert?

Use Cases erfolgreicher Nachhaltigkeits-Transformationen: Die Rolle der CFOs

Damit der CFO die richtigen Impulse setzt und die Transformation in Richtung Nachhaltigkeit aktiv mitgestaltet, haben sich laut Prof. Wunder die folgenden Dinge in der Praxis bewährt:

  • Analyse und Priorisierung von Geschäftseinheiten: Nicht alle Geschäftsfelder und Produktbereiche im Portfolio eines Unternehmens haben den gleichen Handlungsdruck bezüglich Nachhaltigkeit (Chancen und Risiken). Daher rät er, den Veränderungsbedarf je Geschäftseinheit, d.h. die Notwendigkeit zum Sprung auf eine neue S-Kurve, strukturiert zu analysieren und zu priorisieren. Hierzu eignet sich eine zweidimensionale Matrix, welche hilft, die Dringlichkeit und das Ausmaß der Veränderung im Geschäfts- oder Produktportfolio zu analysieren und zu steuern.
  • Zielbildentwicklung und Zurückdenken aus der Zukunft: Die Entwicklung in Richtung Nachhaltigkeit sollte nicht nur auf einem selbst gesetzten Referenzjahr bzw. -wert aufsetzen, von dem inkrementell verbessert wird. Der Professor empfiehlt vielmehr, mit dem Design eines profitablen Geschäftsmodells zu starten, welches in der Zukunft die sozialen und ökologischen Systeme möglichst unbeschadet lässt bzw. regeneriert. Anschließend identifiziert das Unternehmen, wie weit es von diesem gewünschten Zielbild heute entfernt ist und mit welchen Maßnahmen es gemeinsam mit Geschäftspartnern erreicht werden kann.
  • Transformationsplanung und ganzheitliche Integration: Um das Thema Nachhaltigkeit erfolgreich umzusetzen und Glaubwürdigkeit und Konsistenz in der unternehmerischen Ausrichtung zu schaffen, rät Prof. Wunder zu einem ganzheitlichen Ansatz. Hierzu müssen wirtschaftliche, ökologische und soziale Ziele auf alle Ebenen und in alle Bereiche des Unternehmens integriert werden. Ziel ist die stimmige Gestaltung von Strategie, Struktur und Kultur des Unternehmens, damit die Menschen mitgenommen werden. Denn Transformationen werden von Menschen gemacht. Der CFO spielt für die Integration in die Führungs- und Steuerungssysteme eine wichtige Rolle.

Fazit: Eine neue Stufe der Nachhaltigkeit im unternehmerischen Handeln ist unausweichlich – und eine große Chance!

Die gesellschaftliche und ökologische Leistung von Strategien und Geschäftsmodellen ist heute ein Wettbewerbsfaktor. Nachhaltiges Wirtschaften wird nach Auffassung des Professors zukünftig zum "New Normal". Je nach unternehmerischer Weitsicht und Kompetenz wird es auf dem Weg dahin Gewinner und Verlierer geben. Daher gilt es, das Thema Nachhaltigkeit jetzt mit Nachdruck auf die nächste Stufe zu heben. Dies umfasst sowohl Verbesserungen im eigenen Unternehmen und entlang der Lieferkette als auch die Möglichkeit, Kunden durch die angebotenen Produkte und Dienstleistungen nachhaltiger zu machen. Vor diesem Hintergrund empfiehlt Prof. Dr. Wunder neue Offenlegungspflichten nicht als Compliance-Hürde zu verstehen, sondern als unternehmerische Chance für die Wettbewerbsvorteile von Morgen.