Vorbemerkung

Die Kommentierung bezieht sich auf ESRS 1 zum Rechtsstand 31.7.2023 gem. Delegierter Verordnung C(2023) 5303.

1 Zielsetzung und Inhalt

 

Rz. 1

ESRS 1 enthält – anders als alle anderen zum gegenwärtigen Zeitpunkt vorliegenden ESRS – keine explizit gekennzeichnete Angabepflichten. Seine Aufgabe ist es vielmehr, als Klammer vor den Einzelanforderungen

  • ein Verständnis für den Aufbau der ESRS zu vermitteln (Rz 3 ff.),
  • die den ESRS in ihrer Gesamtheit zugrunde liegenden Konzepte sowie weitere allgemeine Grundlagen darzustellen (Rz 18Rz 116) und
  • grundlegende, formale Anforderungen an die Berichterstattung festzuhalten (Rz 117 ff.; ESRS 1.3).

Aus vielen der enthaltenen Anforderungen lassen sich aber implizite Angabepflichten ableiten – z. B. zu Restatements (Rz 112 ff.) oder i. V. m. dem Grundsatz der Konnektivität, die von den berichtspflichtigen Unternehmen laufend zu würdigen sind. Weiterhin enthält der Standard die Übergangsbestimmungen, die bei der erstmaligen Anwendung der ESRS zum Tragen kommen (Rz 146 ff.).

 

Rz. 2

ESRS 1 ist damit als Grundlage für die Regelungen der weiteren Standards zu nutzen. Er enthält Ausführungen zu Fragestellungen, die für die Anwendung der Angabepflichten dieser weiteren ESRS von Bedeutung sind (z. B. zur Festlegung von Zeithorizonten oder im Hinblick auf Phase-in-Regelungen). Ebenso enthalten andere ESRS aber auch Angabepflichten, die sich unmittelbar auf Inhalte von ESRS 1 beziehen (z. B. zur Darstellung des Prozesses der Wesentlichkeitsanalyse). Ein Inhalt von zentraler Bedeutung in ESRS 1 sind die Ausführungen zum Wesentlichkeitsgrundsatz in den ESRS, konkret in Form der doppelten Wesentlichkeit: Hiermit werden Leitlinien für die verpflichtende Durchführung der Wesentlichkeitsanalyse gegeben. Die Ergebnisse dieser Wesentlichkeitsanalyse bestimmen in Folge die Inhalte der gesamten Nachhaltigkeitsberichterstattung gem. ESRS. Weitere abgrenzbare Themenbereiche, die von ähnlichem Stellenwert sind, umfassen die Festlegung der Berichtsgrenzen sowie den Aufbau und die formale Ausgestaltung einer Nachhaltigkeitserklärung gem. ESRS.

2 Grundlagen zur Struktur der ESRS

2.1 Ebenen von Standards und Angabepflichten

 

Rz. 3

ESRS 1 legt die grundlegende Struktur der ESRS dar und behandelt damit zugleich das Zusammenspiel der bereits vorliegenden und noch in Entwicklung befindlichen ESRS. Unterschieden werden drei Ebenen von Standards, die sektorunabhängig für alle berichtspflichtigen Unternehmen gelten (ESRS 1.4):

  • generelle Standards (cross-cutting standards): diese umfassen ESRS 1 ("Allgemeine Anforderungen") und ESRS 2 ("Allgemeine Angaben"); die Regelungen dieser Standards sind für alle Nachhaltigkeitsaspekte von Relevanz, die auf den beiden nachfolgenden Ebenen der ESRS behandelt werden; sie liegen somit der gesamten Berichterstattung gem. ESRS als Fundament zugrunde (ESRS 1.5 ff.);
  • themenbezogene Standards (topical standards): die ESRS unterscheiden drei Säulen von Standards, die konkrete Angabepflichten zu Nachhaltigkeitsaspekten zum Inhalt haben; diese Säulen folgen der in Literatur und Praxis[1] etablierten, von der CSRD auch vorgegebenen Gliederung nach den drei Dimensionen von ESG: Umweltstandards, Sozialstandards und Governance-Standards (ESRS 1.8 f.);
  • sektorspezifische Standards (sector-specific standards): schließlich sollen ESRS entwickelt werden, die Angabepflichten nur für solche Unternehmen ergänzen, die mit ihrer Geschäftstätigkeit einem bestimmten Sektor zuzuordnen sind; damit soll auf spezifische Sachverhalte besser eingegangen werden können, die z. B. innerhalb einzelner Branchen von besonders hohem Stellenwert sind oder sogar nur in diesen vorkommen (ESRS 1.10).

Set 1 der ESRS, das 2023 verabschiedet wurde, umfasst die generellen Standards sowie zehn themenbezogene Standards. Letztere sind allerdings in Teilen noch nicht fertiggestellt (siehe insbes. ESRS S2  bis ESRS S4; § 11 Rz 4 f.). Zu den sektorspezifischen Standards liegen gegenwärtig erst Arbeitspapiere vor. Eine Verabschiedung erster Standards dieser Ebene war ursprünglich für das Jahr 2024 geplant, soll nunmehr allerdings erst 2026 in Kraft gesetzt werden. Damit wird es noch längere Zeit dauern, bis diese angekündigten rd. 40 ESRS vorliegen.

 

Rz. 4

Die ESRS fügen sich mit dieser dreigliedrigen Standard-Struktur in die mittlerweile etablierte Praxis internationaler Standardsetzung ein (§ 2 Rz 1 ff.). GRI hatte zunächst begonnen, seine themenbezogenen Standards durch sektorspezifische Standards zu ergänzen. Nach einer Orientierungsphase folgen inzwischen auch die IFRS Sustainability Disclosure Standards (IFRS SDS) einem solchen Strukturierungszugang. Die Etablierung sektorspezifischer Berichtsvorgaben wurde wesentlich durch die Standards des SASB vorangetrieben, die inzwischen in die Organisation der IFRS-Stiftung aufgenommen wurden und in der Anwendung der IFRS SDS globale Bedeutung erhalten haben. Diese Bezugnahmen sind insbes. für die Übergangsbestimmungen von Bedeutung, die ESRS 1 vorsieht (Rz 153).[2]

 

Rz. 5

Die Standards aller drei Ebenen sind hinsichtlich ihrer Verbindlichkeit gleichrangig. Sie unterscheiden sich dahingeh...

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